Читать книгу: «Seewölfe Paket 16», страница 27

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„Aber Luke“, sagte Shane vorwurfsvoll. „Beinahe hättest du mir eine geballert. So geht man doch nicht mit seinen Kameraden um.“

„Verzeihung untertänigst, Sir“, sagte Luke, „aber ich wollte immer schon mal einem adligen Stiesel von so miesem Charakter eine feuern.“

Einer der anderen Chargen regte sich ebenfalls auf, obwohl eine Pistole auf ihn gerichtet war und er mit halb erhobenen Händen in der Nähe des Ruders stand.

„Das wird euch das Leben kosten“, sagte er heiser vor Wut. „Ganz gewöhnlicher Schiffspöbel wagt es, die Hand gegen den Adel zu erheben. Ihr werdet alle in England am Galgen enden, ihr Halunken.“

„Wie belieben zu meinen?“ fragte Carberry drohend. „Habe ich eben Halunken gehört, du kraftloses Rübenschwein? Glaubt ihr durchlauchten Affenärsche eigentlich, daß wir ständig auf uns herumtrampeln lassen, was, wie, du kalfaterte Bilgenlaus, du vornehme?“

Bei jedem „Was, wie“ stieß er dem Uniformierten den Zeigefinger vor die Brust und brachte ihn zum Stolpern. Und immer, wenn der Kerl sich verzweifelt und den Tränen nahe wieder aufrichtete, stieß dieser Zeigefinger erneut zu, bis es nicht mehr weiterging und der Uniformierte mit dem Oberkörper auf dem Schanzkleid hing.

„Dir zieh ich gleich das Leder von deinem adligen Affenarsch“, fluchte der Profos. „Und ich bringe dir auch ein paar Ausdrücke bei, die du nur kichernd hinter vorgehaltener Hand flüstert, du quergeriggte Hofschranze, was, wie!“

Auch der Earl quiekte noch einmal, los, aber als Big Old Shane ihn ein ganz klein wenig anhob, da hörte das Quieken wegen Luftmangels auf, und der Earl nahm seine käsige Farbe wieder an.

Immer noch rührte kein Mann von der Besatzung einen Finger. Sie wußten noch nicht, wie dieses höllische Spiel enden würde, denn sie kannten Hasards Pläne nicht, und darum verhielten sie sich so, daß man ihnen später nicht allzuviel anlasten konnte, falls sich das Blättchen wendete.

Aber es wendete sich nicht, denn jetzt segelte die „Isabella“ immer weiter auf, mit ausgerannten Kanonen näherte sie sich von Backbord, bis zwei Enterhaken herüberflogen und sich im Schanzkleid verkrallten.

Gleich darauf wurden beide Schiffe vertäut, es gab einen kaum spürbaren Ruck, dann segelten sie langsam weiter.

Der Earl wurde noch bleicher, als er den Seewolf sah. Da keine Gefechtsbereitschaft bestand, weil sich von der „Goliath“-Besatzung niemand bewegte, verließ Hasard das Achterdeck und sprang auf die Kriegsgaleone hinüber.

Sie hatten das Häuflein Offiziere auf dem Achterdeck zusammengetrieben, ebenso die anderen Chargen wie Bootsmänner, Quartermaster und ein paar Midshipmen, die kleinlaut und verängstigt herumstanden.

„Sie wollten doch nur gutes und bestes Material“, sagte der Seewolf höhnisch zum Earl of Cumberland. „Das habe ich Ihnen geschickt. Hoffentlich waren Sie mit den Männern zufrieden. Laß ihn los, Shane“, sagte er im selben Atemzug.

„Ich hoffe“, sagte der Earl zitternd, „Sie sind sich der ganzen Tragweite dessen bewußt, was Sie getan haben. Man wird Sie über alle Meere der Welt jagen, Mister Killigrew, und wird …“

„Keine Diskussion, Verehrtester“, sagte Hasard. „Diesmal befehle ich, Sie haben nichts mehr zu melden. Von mir wird Gewalt, wie Sie sie ausüben, mit Gewalt beantwortet. Wir sind nicht die Hampelmänner einer adligen Clique. Sie werden jetzt Ihren Leuten befehlen, daß sie ein Boot zu Wasser lassen. In dieses Boot werden Sie sich selbst scheren und Ihre Chargen mitnehmen, alle, ohne Ausnahme. Dann werden Sie sich schnellstens entfernen. Pullen Sie nach Schweden oder sonstwohin, meinetwegen auch nach Deutschland, es interessiert mich nicht. Geben Sie jetzt Ihren letzten Befehl. Wie Sie das irgendwann einmal bei Hofe darstellen, interessiert mich ebenfalls nicht.“

„Das werden Sie nicht wagen“, sagte der Earl heiser. Er wich weiter zurück und sah Hasard fassungslos an.

Der Seewolf hatte mit einer kaum sichtbaren Bewegung den Degen aus der Scheide gezogen. Die Spitze stand direkt vor dem Gesicht des Grafen.

„Geben Sie diesen letzten Befehl“, sagte Hasard mit kalter klirrender Stimme, „oder soll ich Sie vor allen Leuten mit dem Degen hier Stück für Stück entkleiden? Also los!“

Dem Earl trat das Wasser in die Augen, als er mit kaum vernehmbarer heiserer Stimme den Befehl gab.

Diesmal flitzten seine Leute so schnell wie noch nie in ihrem Leben. Das Manöver „Boot zu Wasser“ ging fast noch schneller vonstatten als bei den Seewölfen, und das wollte etwas heißen.

„Die Midshipmen zuerst, du auch, du Schnösel!“ fuhr Hasard den hochnäsigen Midshipman an, der so arrogant über ihn weggesehen hatte.

Jetzt zitterte das Bürschchen vor Angst am ganzen Leibe und hatte schon die Hosen voll. Trotzdem glaubte er, den Helden spielen zu müssen, und riß noch einmal das Maul auf.

„Sie werden hängen!“ schrie er gellend.

Luke Morgan klebte ihm ganz vorsichtig eine. Der Schwung trieb den Burschen direkt bis ans Schanzkleid, und als Luke drohend auf ihn zutrat, da flitzte das Bürschchen zitternd ab und sauste ins Beiboot, wo es ganz artig auf der Ducht Platz nahm.

Die Mannschaft sah zu, diesmal nicht gelassen, sondern total begeistert. Mann, waren das Kerle! Ein Dutzend von ihnen räumte so mir nichts, dir nichts einfach mal eben das Achterdeck ab und hatte Minuten später schon das Schiff in der Gewalt. Das Ansehen der Arwenacks stieg deutlich sichtbar und sprunghaft an.

Shane hielt den Earl wieder fest, denn er wollte jetzt in seiner grenzenlosen Angst auskneifen, als er als letzter an Deck stand. Die anderen nahmen schweigend im Boot Platz wie eine Horde Aussätziger.

„Wird’s bald, mein Lieber?“ sagte Hasard. „Oder warten Sie auf eine Eskorte?“

„Sir, Sie dürfen das nicht tun. Ich werde mir den Tod holen. Sie müssen mich an Bord …“

Das waren des Earls letzte Worte, die er auf der „Goliath“ sprach, denn Hasard nickte Shane nur kurz zu, und der graubärtige Riese hievte den zappelnden Earl einfach hoch und warf ihn über Bord.

„Das spart ihm das mühevolle Abentern“, sagte Shane trocken.

Unten zogen sie den klatschnassen Grafen aus dem Wasser. Die Midshipmen griffen zu den Riemen und pullten davon, der schwedischen Küste nach Norden entgegen, die gerade noch sichtbar an der Kimm stand.

„Und legt ein paar faule Tage in Trelleborg ein“, riet Carberry und grinste noch einmal freundlich hinterher.

Damit war die Schiffsführung der „Goliath“ von ihrem Posten hinweggelobt, wie Ferris Tucker das nannte, und Hasard wandte sich der Besatzung zu, die in freudiges Gebrüll ausbrach, sich den Teufel um die pullenden Kerle scherte und die Seewölfe am liebsten einen nach dem anderen umarmt hätte.

„Wer von euch ist der Decksälteste oder der Steuermann?“ fragte Hasard die Männer, die sich alle um die Seewölfe in der Kuhl scharten.

Ein etwas älterer bärtiger Mann mit schmalem Gesicht trat vor.

„Winley ist mein Name, Sir“, sagte er. „Ich bin der Decksälteste. Der Steuermann, Mister Prook, ist in der Piek eingesperrt und angekettet worden.“

„Ein guter Mann?“ fragte Hasard.

„Ein sehr guter Mann, Sir, charakterfest und stark.“

„Dann steht seiner Befreiung ja wohl nichts mehr im Wege. Schicken Sie ein paar Leute nach vorn, und holen Sie ihn.“

„Aye, aye, Sir, sofort. Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Aber wir wissen nicht, wie das wohl enden wird.“

„Auch dafür bietet sich eine Lösung an, ich möchte nur noch ein paar Einzelheiten erfahren.“

Hasard sah dem Boot nach, in dem die Kerle hockten und eifrig nach Norden pullten. So hatten sie sich ihren Abgang von der „Goliath“ ganz sicher nicht vorgestellt. Es berührte ihn nicht, was aus den Menschenschindern wurde. Vielleicht blieben sie vor lauter Scham in Schweden, vielleicht schlugen sie sich nach England durch, und dort würden sie schon ein Märchen zur Hand haben.

Wenige Augenblicke später stand der Steuermann vor ihm. Er drückte das Kreuz durch und rieb seine geschwollenen Handgelenke. Die anderen hatten ihm in kurzen Worten berichtet, war vorgefallen war. Jetzt gab er allen erfreut die Hand und konnte nicht begreifen, was ein Dutzend Männer innerhalb kurzer Zeit hier an Bord ausgerichtet hatte.

Hasard sah in klare ehrliche Augen. Der Steuermann gefiel ihm auf Anhieb. Auch er sah aus schmalen Augen dem Boot nach, das immer kleiner wurde.

„Das waren die übelsten Menschenschinder und Menschenverächter, denen ich je begegnet bin, Sir“, sagte er erbittert. „Sie behandeln jeden Straßenköter besser als einen Menschen.“

„Ich hatte bereits das Vergnügen, die Gentlemen kennenzulernen“, erwiderte der Seewolf. „Um das festzustellen, genügte bereits ein Blick. Was ist hier an Bord bloß passiert, Mister Prook?“

„Viel, sehr viel, Sir. Es gab bei den geringsten Anlässen die allerschwersten Strafen. Manch braver Mann wurde so lange geprügelt, bis er an den Verletzungen starb. An Bord gab es den letzten Fraß, und wer sich über Maden im Brot beschwerte, der erhielt mindestens zwanzig Hiebe.“

„Eine feine Schiffsführung“, sagte der Profos kopfschüttelnd. „Die adeligen Herren litten sicher keine Not.“

Der Steuermann lachte gallig auf.

„Da gab es nur das Beste und Feinste für die Herren, von erlesenen Weinen bis zu ausgesuchtem Proviant. Kein Wunder, daß langsam Bitterkeit entstand, als es immer schlimmer wurde. Es wurde so schlimm, daß es schließlich eine Meuterei gab.“

„Sie waren dabei?“ fragte Hasard.

„Ja“, gab Prook ehrlich zu, „ich war dabei, Sir, denn ich konnte die Schinderei nicht mehr mit ansehen, denn immer öfter wurden gepreßte Leute grundlos gequält, gefoltert oder geschlagen.“

„Was geschah mit den Meuterern, wurden sie gehängt?“

„Alle, Sir, vierzehn Mann, bis auf mich. Ich wurde nur deshalb nicht gehängt, weil sie keinen Navigator hatten. Von den Achterdecksleuten verstand niemand etwas von Navigation.“

„Und solche Kerle fahren zur See und nennen sich Kapitän“, sagte der Seewolf kopfschüttelnd. „Wahrscheinlich haben sich der Earl und seine Adelsclique ihre Ränge erkauft.“

„Das ist anzunehmen, Sir. Hier haben sie sich dann gründlich an unschuldigen Männern ausgetobt.“

„Welchen Auftrag oder Order hatte das Schiff, Mister Prook?“

„Die Order bestand darin, Handelsbeziehungen in der Ostsee mit den Anliegerstaaten anzuknüpfen sowie Holz, Pelze oder Bernstein aufzukaufen.“

„Und das gelang nicht?“ fragte Hasard gespannt. Vielleicht konnte er aus den Erfahrungen dieser Männer etwas lernen.

„Nein, es gelang nicht. Wir sind leer, wir haben absolut nichts in den Räumen als leere Fässer. Das lag jedoch nur an dem arroganten und fordernden Auftreten des Earls. Auf diese herablassende Art waren keine Handelsbeziehungen anzuknüpfen, denn der Earl bestimmte von vornherein gleich die Preise, setzte alles fest, befahl oder drohte, was die ehrbaren Kaufleute natürlich gleich abschreckte.“

„Verständlich. Wie lange wart ihr unterwegs?“

„Fast auf den Tag ein Jahr, Sir.“

„Ein Jahr?“ fragte Hasard erstaunt. „Ein ganzes Jahr und nichts ist erreicht worden, absolut nichts? Da wird sich die stolze Royal Navy über ihren merkwürdigen Kommandanten sehr freuen. Der hätte ja gar nicht wagen können, England noch einmal anzulaufen. Er hat der Krone nichts weiter als Kosten beschert.“

Hasard wandte sich an Ferris.

„Sie hatten genau die gleichen Order wie wir, vermutlich auch über Lord Cliveden. Aber nach einem Jahr hat der Lord die ‚Goliath‘ längst abgeschrieben oder zumindest erkannt, daß der Earl für seine Aufgabe total ungeeignet war. Wer weiß, was die Kerle mit dem Schiff vorhatten, denn es will mir nicht in den Kopf, daß sie so einfach England angelaufen und erklärt hätten, ihre Mission sei kläglich gescheitert. Damit wäre der Earl bei Hofe untragbar geworden.“

„Kann ich mir auch nicht vorstellen“, sagte Ferris. „Irgendeine Lumperei hatten die Kerle ganz sicher vor. Wir werden es jedenfalls anders anpacken, Sir.“

„Ganz sicher sogar.“

Hasard blickte die Männer der „Goliath“ an, die sich nun alle bis auf den Rudergänger ausnahmslos um die Seewölfe geschart hatten. Er sah zufriedene und glückliche Gesichter, Männer, die heilfroh waren, ihre unmenschlich Plagegeister losgeworden zu sein, aber er sah auch in Gesichter, in denen die bange Frage nach der Zukunft stand, denn die Frage, wie es nun wohl weiterginge, stellte sich jeder.

Der Steuermann wollte sich noch einmal überglücklich bei Hasard bedanken, doch der Seewolf wehrte ab.

„Niemand ist uns zu Dank verpflichtet“, sagte er. „Wir ahnten ja nicht, welche Zustände hier herrschten. Der Earl hat nur gewagt, freie Männer zu requirieren, er hat mich persönlich beleidigt und wollte einem unserer Leute die Peitsche geben, nur weil er eine andere Hautfarbe hat. Da haben wir vereinbart, schnell aufzuräumen, um unsere Freiheit wieder zu erhalten. Menschen sind kein Material und müssen wie Menschen behandelt werden und nicht wie Tiere. Ich hoffe, Seine Lordschaft ist um eine Erfahrung reicher.“

„Aber Sie werden Schwierigkeiten kriegen, Sir“, wandte Prook ein.

„Das glaube ich nicht. Der Earl hat versagt, kläglich versagt, und die Schwierigkeiten wird man ihm aufbürden, vorausgesetzt, er läßt sich überhaupt noch einmal in England blicken. Vielleicht hatte er auch vor, das Schiff mit Mann und Maus absaufen zu lassen, ich traue dem Kerl alles zu, nur damit er mit reingewaschenem Hemd dasteht. Aber das ist nur eine Vermutung von mir.“

„Die könnte durchaus zutreffen, Sir“, meinte Prook nachdenklich.

Auch der Decksälteste Winley nickte nachdenklich.

„Sir“, sagte Prook vorsichtig, „wir selbst befinden uns natürlich auch in einer mehr als schlechten Lage. Wenn wir das Schiff nach England zurückbringen, wird man uns aufhängen, weil die gesamte Schiffsführung verschwunden ist. Wir sind zwar fast alle gepreßt worden, aber das wird keine Rolle spielen. Immerhin stehen wir namentlich in der Mannschaftsrolle und werden auch im Logbuch erwähnt.“

Hasard nickte und sah auf die Planken. Natürlich hatte er das längst bedacht, aber er wußte auch Rat.

„Ihr alle habt nichts zu verlieren“, sagte er. „Ich empfehle aber zwei Möglichkeiten, von der die letzte die bessere ist. Sie können das Schiff auf die Klippen setzen, anzünden oder absaufen lassen. Damit verschwinden auch die Unterlagen, und ihr kehrt nach England zurück, wo man euch ganz sicher nicht finden wird.“

„Das ist eine sehr gute Möglichkeit“, sagte der Decksälteste spontan.

„Die zweite ist besser.“ Hasard lächelte. „Ihr vernichtet die Unterlagen wie Logbuch, das wahrscheinlich ohnehin gefälscht ist, und auch die Musterrolle. Dann segelt ihr in Richtung Süden nach Deutschland zur Pommerschen Bucht. Dort werdet ihr bestimmt Käufer für das Schiff finden, wenn ihr ein wenig mit dem Preis heruntergeht. Dieses Geld verteilt ihr gerecht unter der Mannschaft, trennt euch, kehrt nach England zurück oder heuert irgendwo anders an. Deutlicher brauche ich wohl nicht zu werden. Die Ausreden, warum ihr das Schiff verkauft, werden euch wohl selbst einfallen. Mit dem Geld habt ihr jedenfalls einen guten Start in ein neues Leben. In Deutschland wird keiner große Fragen stellen, das Schiff werdet ihr sehr schnell verkaufen.“

Ein Sturm der Begeisterung brach an Bord der „Goliath“ los. Die Leute schrien und brüllten freudig durcheinander.

Einer der Männer drängte sich zu Hasard vor und überreichte ihm ein in feines Leder gebundenes Buch.

„Eine kleine Erinnerung an unsere Begegnung, Sir. Das ist das Logbuch des Earl of Cumberland.“

„Werfen Sie es über Bord“, wollte Hasard erst sagen, doch dann besann er sich anders, streckte die Hand aus und nahm das Logbuch in Empfang. Wer weiß, dachte er, wegwerfen kann ich es immer noch.

Vielleicht aber konnte man es eines Tages auch verwenden, als kleinen Trumpf im Ärmel, wenn sich beispielsweise herausstellen sollte, daß es gefälscht war, und falls der Earl, was unwahrscheinlich war, eines Tages doch wieder seinen Weg kreuzte.

„Vielleicht ist es ganz gut so“, sagte er sinnend. „Und noch etwas: Wir selbst wissen von nichts, wir haben nichts gesehen und nichts gehört, falls ihr Bedenken habt. Wir sind der ‚Goliath‘ nicht einmal begegnet. Wir alle werden über die Geschehnisse an Bord Stillschweigen bewahren.“

Wieder brach Freudengeheul los, und Prook und Winley wurden spontan gewählt, um das Schiff zu führen.

Damit war die Geschichte bereinigt und erledigt. Die Seewölfe verabschiedeten sich von freien Männern, lösten die Leinen und setzten die Segel, um wieder auf Ostkurs zu gehen.

Cheers, Hochrufe und freudiges Gebrüll klangen ihnen nach. Die Besatzung der „Goliath“ war schier aus dem Häuschen. Sie segelten einem hoffnungsvolleren Schicksal entgegen.

4.

An Bord der „Isabella“ nahm die Routine bald wieder ihren Lauf.

So ganz nebenbei hatte Hasard nach einem Blick in das Logbuch festgestellt, daß es tatsächlich von den ehrenwerten Gentlemen gefälscht worden war. Da war von regem Handel und Wandel die Rede, von Ankäufen von Bernstein und famosen Geschäften.

Folglich hatten die Halunken doch etwas mit dem Schiff geplant, dachte er, denn in den Laderäumen hatte nur gähnende Leere geherrscht. Die ganze Clique hätte dieses Logbuch später nach dem Untergang dann zu ihrer Entlastung vorgelegt und ihr tiefes Bedauern über den Tod vieler braver Seeleute ausgesprochen.

Noch nachträglich kriegte Hasard die kalte Wut, wenn er an den Earl dachte.

Jetzt aber ging es vorwärts, der Kurs war nach den Karten des Lord Cliveden auf Wisby, auf die Insel Gotland, abgesteckt. Diesen Hafen wollte Hasard anlaufen, denn der Hafenkapitän von Helsingör hatte ihm augenzwinkernd einen Tip gegeben und den Namen eines Mannes genannt, der unter der Hand billig Bernstein verkaufe, das Gold der Ostsee, das England als Handelsobjekt für die Mittelmeerländer und den Orient brauchte.

Wisby war also der erste Ansteuerungspunkt, doch dann kam zwei Tage später etwas dazwischen.

An diesem 16. Februar stand die „Isabella“ südlich von Ystad unter der schwedischen Küste, und da ging das Theater an Bord los.

Der Kutscher und Mac Pellew bereiteten das Mittagessen vor. Während der schmalbrüstige Kutscher leise vor sich hin summte, putzte Mac mit dem üblichen sauertöpfischen Gesicht das Gemüse und feuerte es in den großen Kessel.

Mac konnte nichts dafür, daß er immer so aussah, als käme er gerade von einer Beerdigung oder ginge dahin. Dieses Essiggesicht war ihm angeboren, und die Crew der „Isabella“ sagte Mac nach, daß schon seine Amme immer das Heulen gekriegt hätte, sobald sie den kleinen Mac nur erblickte. Auch seine Umgebung sei wegen diesem unendlich traurigen Gesicht ständig in herzzerreißendes Schluchzen ausgebrochen.

Das war natürlich wieder auf Carberrys Mist gewachsen, aber etwas blieb ja immer hängen, wenn so geredet wurde.

Mac putzte ausgesprochen langsam, und der Kutscher nahm das zum Anlaß, ihm einen kleinen Hieb zu verpassen.

„Bis morgen muß das Gemüse geputzt sein, Mac“, sagte er grinsend, „obwohl die Mannschaft ja lieber heute essen würde. Da segeln wir zwischen Schweden und Bornholm durch, und da darf man keine Abfälle mehr über Bord werfen.“

Mac Pellew drehte sich um. Zum erstenmal verschwand das Sauertöpfische aus seinem Gesicht, und in seinen Augen erschien ein fast überirdischer Glanz.

„Bornholm“, sagte er langgezogen und andächtig. „Mein Gott, Bornholm! Wer hat das gesagt? Stimmt das?“

„Klar stimmt das“, versicherte der Kutscher. „Ich hab’s von Dan, und der muß es ja wissen, wenn er selbst den Kurs absteckt.“

Mac Pellew lächelte verklärt, was den Kutscher zu der Frage veranlaßte, ob er sich nicht wohl fühle.

Doch, doch, er fühle sich verdammt wohl, sehr wohl sogar, erklärte Mac. Das sei hauptsächlich die Erinnerung an unvergessene Tage und Nächte.

„Sag bloß, du warst schon mal auf Bornholm?“ fragte der Kutscher mißtrauisch.

„Nee, das nicht“, sagte Mac tiefsinnig. „Aber ich hatte mal eine dänische Freundin.“

„Mann, du kriegst ja direkt fiebrige Augen“, staunte der Kutscher.

„Svanhild hieß sie“, sagte Mac träumerisch. „Svanhild Detlevsen, ein berauschendes Weib und so.“

„Was heißt – und so?“ fragte der Kutscher.

„Na, eben und so. Mit der habe ich die tollsten Nächte verbracht – und so. Die hat mir immer von geräucherten Heringen aus Bornholm vorgeschwärmt.“

„Auch nachts?“ fragte der Kutscher süffisant grinsend.

„Klar, gerade nachts, da hauptsächlich – und so.“

„Hattet ihr denn nachts nichts anderes zu tun?“

„Doch, das schon. Aber über Bornholmer Räucherheringe haben wir mitunter sehr lange gesprochen.“

„Muß ja ein tolles Weib gewesen sein, deine Svanhild“, meinte der Kutscher anzüglich. „Liegt mit dem guten Mac in der Koje und palavert über Räucherheringe. Laß das bloß den Profos nicht hören, Mann.“

„Kann er ruhig hören, von mir aus. Aber an den geräucherten Heringen ist was dran, hat sie immer gesagt. Äh, du weißt ja, Kutscher, wenn man so in der Koje liegt, mit so ’ner – äh …“

„Svanhild“, half der Kutscher aus.

„Ja, mit der Svanhild – Detlevsen hieß sie übrigens.“

„Hast du schon gesagt.“

„Ach, bring mich doch nicht durcheinander! Also, äh – immer geht das ja auch nicht die ganze Nacht – und so, na, du weißt schon, was ich meine. Man wird müde – und so. Und da hat sie gesagt: Jetzt einen Räucherhering von Bornholm, Mac, und du bist sofort wieder putzmunter. Der weckt auch die müdesten Krieger schlagartig wieder auf.“

„Ein Räucherhering?“ fragte der Kutscher fassungslos. „Was ist denn so Besonderes dran an deinem Hering?“

„Das ist eben eine ganz besondere Art von Hering, ist das“, erläuterte Mac mit strahlend zerknittertem Gesicht. „Hat Svanhild natürlich gesagt. Der wird über Erlenholz geräuchert – und so. Da ist was dran, sage ich dir! Und wegen dem Erlenholz und so gibt das einem Mann ganz verteufelte Kraft, ich meine wegen der besonderen Art des Räucherns. Schade, daß sie damals keinen dabeigehabt hatte“, sagte Mac bedauernd. „Die hätte mich nie wieder in ihrem Leben vergessen. So’n Hering bringt sogar den alten O’Flynn noch auf Trab. Oder Will Thorne. Wenn die so’n Ding vorgesetzt kriegen, grapschen Sie sofort nach dem nächsten Weib.“

„Verstehe“, sagte der Kutscher. „Und darüber habt ihr euch dann ausgiebig unterhalten?“

„Sie schwärmte jede Nacht davon“, gab Mac zu. „Natürlich vergaß sie auch mich nicht, aber diese Heringe …“

„Verstehe“, sagte der Kutscher erneut. Und da der Kutscher ein praktisch denkender Mann war, dem das Wohl und Wehe der Crew stark am Herzen lag, interessierte ihn mehr die Zubereitung dieses Fisches, denn das würde reichhaltige Abwechslung auf dem Speisezettel bedeuten. Dabei dachte er weit voraus und nicht so wie Mac, der ständig davon faselte, wie schnell man seine Manneskraft erhielt, vorausgesetzt, man hatte einen Räucherhering zur Hand.

Der Kutscher hörte geduldig zu, als Mac immer mehr ins Schwärmen geriet und ein endloses Palaver begann. Räucherheringe von Bornholm seien das Größte überhaupt, habe Svanhild gesagt – und so.

Dieses ewige „und so“ regte den Kutscher allmählich auf, doch weil Mac nicht mehr zu bremsen war, wurde der Kutscher schließlich selbst ganz scharf und neugierig auf diesen Fisch.

Die Ostsee, das wußte er, war ein ausgesprochenes Heringsgewässer, da hatten sie schon recht mit ihrem Ausdruck vom Heringstümpel. Hier konnte man in die vollen greifen, überlegte er, das war billig und dennoch abwechslungsreich. Man konnte diese Heringe entweder braten, backen, dünsten, kochen, sauer einlegen oder auch in Salz einpökeln. Und natürlich auch räuchern, was aber eine gewisse Technik voraussetzte.

Er fragte Mac nach Einzelheiten, doch der hatte von Svanhild kaum etwas darüber erfahren und war nicht sehr ergiebig in diesem Fall.

Klar, dachte der Kutscher, wenn sie nachts darüber dauernd laberten, dann hatte die gute Svanhild dem alten Mac ganz sicher keinen Räucherofen beschrieben, sondern eben nur von den Heringen was vorgeschwärmt.

Das allerdings gab dem Kutscher Anlaß zu einem ironischen Grinsen. Der gute Mac hatte in jenen Nächten wohl mehr gepennt – und so!

„Wir können das Hasard ja mal unterbreiten“, schlug der Kutscher vor. „Dann mußt du deine Geschichte eben ein zweites Mal erzählen.“

„Macht nichts“, versicherte Mac treuherzig. „Dann gehen wir eben mal nach achtern und sagen das. Vielleicht können wir Hasard überzeugen. Und wenn wir dann mal wieder an Land einen draufhauen, dann steckt sich jeder vorsichtshalber beim Landgang einen Räucherhering ein, wegen der folgenden Nacht und so.“

Dieses Bild, das da in Macs Hirnkasten reichlich verworren entstand. versuchte der Kutscher sich redlich auszumalen, denn es war einfach zu komisch, sich vorzustellen, wie Old O’Flynn an Land ging, einen Räucherhering in der Tasche – und so. Oder Batuti, bewaffnet mit Räucherheringen, oder, oder, oder …

Der Kutscher drehte sich um und schüttelte sich insgeheim vor Lachen, was Mac Pellew jedoch nicht merkte, denn dessen Blick war weit in die Ferne gerichtet. Sicher dachte er an seine geräucherten Liebesnächte mit Svanhild Detlevsen zurück.

Als das Gemüse geputzt war, gingen alle beide nach achtern.

Weil der Kutscher und Mac gemeinsam auf dem Achterdeck erschienen, rochen die Arwenacks sofort, daß da etwas im Busch war, und pirschten sich unter den fadenscheinigsten Vorwänden ebenfalls nach achtern.

Hasard hörte sich das alles mit anfangs steinernem Gesicht an, um sein Lachen nicht allzu deutlich zu zeigen. Doch auch er konnte sich bei Macs detaillierter Schilderung plötzlich nicht mehr zurückhalten und begann am ganzen Körper zu zukken.

Dem Profos hingegen ging das wieder runter wie warmes Öl, und alle, die sich auf dem Achterdeck versammelt hatten, grinsten von einem Ohr zum anderen. Mac palaverte treuherzig, mit verklärten Blicken, von seiner Svanhild und den besonderen Heringen und ließ seine Liebesabenteuer vom Stapel, bis sich alle vor Lachen bogen.

Nur ein einziger lachte nicht mit, und das war ausgerechnet der immer so heitere und fröhliche Däne Nils Larsen. Anfangs hatte er neugierig die Ohren gespitzt. Daraufhin war er aber verschwunden und werkelte nun auf der Kuhl herum.

„Sir“, sagte der Kutscher in diesem Augenblick beschwörend. „Wenn Ferris so einen Ofen konstruieren könnte, oder Shane vielleicht, dann haben wir neue kulinarische Genüsse an Bord, kaufen billig ein und bringen abwechslungsreichere Kost als sonst auf den Speiseplan. Ich denke dabei auch an längere Seereisen, wenn man diese Fische einpökelt oder in Essigtunke legt, nachdem sie gebraten sind.“

„Wirklich nicht schlecht“, gab der Seewolf zu. „Das sind gute Überlegungen, an denen man nicht achtlos vorbeigehen soll. Das sind direkt kaufmännische Überlegungen. Aber fragen wir doch einmal Nils danach, der ist ja Däne und hat sicher schon davon gehört. Mac scheint da ein bißchen zu übertreiben, der gerät ja richtig ins Schwärmen.“

Nils Larsen wurde gerufen, der etwas später auf dem Achterdeck erschien, denn jetzt war die Neugier aller geweckt, und jeder wollte diese hochgepriesene Köstlichkeit wenigstens einmal probieren. Nicht deswegen, weil sie „müden Männern“ wieder auf die Beine half – das Problem hatte anscheinend nur der gute alte Mac –, sondern einzig wegen abwechslungsreicher Kost und weiterer Bereicherung des Speisezettels.

Nils Larsen war aus irgendeinem Grund verstimmt, weshalb, wußte niemand, jedenfalls war nichts mehr von Fröhlichkeit in seinem Gesicht zu erkennen. Es schien eher so, als sei ihm eine riesengroße Kakerlake über die Leber gelaufen.

Was allerdings niemand an Bord wußte, das war die Tatsache, daß Nils Larsen von Bornholm stammte, und er selbst hatte jede Menge gute Gründe, um das zu verschweigen. Nils war in Rönne geboren, und zwar als Sohn des Heringsfischers Owe Larsen und seines angetrauten Weibes Thyra Larsen, geborene Lund. Aber das war, wie gesagt, an Bord niemandem bekannt.

„Was weißt du darüber, Nils?“ fragte Hasard schließlich. „Wenn etwas daran ist, könnten wir Bornholm morgen anlaufen.“

„Darüber ist mir gar nichts bekannt“, sagte Nils abweisend. „Das ist doch alles dummer Quatsch und dämliches Gefasel von Mac. Der und eine Dänin, daß ich nicht lache! Und dazu geräucherte Heringe! Seine Dänin hat er wohl mit ’ner Hafenhure aus Plymsons ‚Bloody Mary‘ verwechselt.“

„Das laß ich mir nicht gefallen!“ brüllte Mac entrüstet. „Erstens verkehre ich gar nicht mit Plymouther Hafenhuren, und zweitens hieß das Mädchen Svanhild Detlevsen, und das ist ein dänischer Name, verdammt noch mal.“

„Das sagt überhaupt nichts, du Spinner“, fauchte Nils zurück. „Deine Hafenhure konnte vielleicht einen Hering nicht mal von einem Walfisch unterscheiden. Das ist doch blödes Gequatsche. Da hat dir irgendeine dumme Gans was vorgesabbert.“

„Ich heiße ja schließlich nicht Nils Larsen“, schrie Mac mit puterrotem Schädel, „der bei den billigsten Huren nächtelang rumhängt!“

„Und ich brauch’ auch keine geräucherten Heringe bei der Liebe!“ schrie Nils höhnisch zurück. „Und ich quatsche in der Koje auch nicht über verdammte Räucherheringe, weil ich nämlich was anderes zu tun habe, als solchen Unsinn zu faseln!“

„Köstlich!“ röhrte der Profos. „Weiter so. Los, Mac, gib’s ihm ordentlich! Und du auch, Nils, gib’s Mac tüchtig!“

Auf dem Achterdeck bogen sich die Männer vor Lachen. Selbst Hasard hörte gebannt zu, denn das war doch mal wieder eine feine Abwechslung, wenn sich die beiden in den Haaren lagen. Das heiterte prächtig auf.

„Ich – und Räucherheringe mit ins Bett nehmen?“ brüllte Mac. „Nimm du doch welche mit, du hast es bestimmt nötig. Und wenn du ein Däne bist, dann bin ich ein Chinese. Du verstehst von Dänemark überhaupt nichts, du Heringslümmel!“

„Aber du, was? Du hast von Bornholm doch noch nie was gehört, du abgetakelte Miesmuschel!“

„Was weißt du denn über Bornholm?“ erkundigte sich Hasard sanft.

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9783954397747
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