Читать книгу: «Seewölfe Paket 16», страница 28

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Nils Larsen war jetzt so aufgebracht und wütend, daß er am liebsten Mac die Faust zwischen die Augen gesetzt hätte.

„Bornholm?“ schrie er. „Das ist ’ne lausige Kackinsel, verdreckt, stinkig und vergammelt. Da legen die Hühner verfaulte Eier, wenn sie überhaupt mal legen, und nicht mal die Milch von den Kühen kann man saufen, weil sie sauer wie Essig schmeckt. Und die Leute sind alle bekloppt, da rennt kein einziger Vernünftiger herum.“

„Scheint ja furchtbar zu sein“, sagte Harsard. „Und woher hast du deine Kenntnisse über Bornholm?“

„Das weiß jeder Däne über die Insel, jeden kannst du fragen, Sir, und jeder wird dir das bestätigen.“

Mac Pellew und Nils gerieten sich schon wieder in die Haare, weil der Profos noch ein bißchen mitstänkerte und sich amüsierte.

Währenddessen hörte Hasard nur noch mit halbem Ohr zu. Dafür beobachtete er Nils Larsen etwas genauer und gelangte zu dem verblüffenden Schluß, daß der Mann sich immer mehr in Eifer redete und geradezu einen Haß gegen die Insel entwickelte. So war das bei Stenmark auch gewesen, als sie Göteborg anliefen, da hatte der zurückhaltende Schwede sich auch plötzlich sehr verändert, bis sie später seine Lebensgeschichte erfuhren.

Was weiß ich eigentlich über Nils? dachte Hasard. Gar nichts, absolut nichts, ich kenne zu meiner Schande von den meisten Männern nicht einmal die Vergangenheit, nicht einmal meine eigene ist mir restlos geläufig, auch da gibt es immer noch Fragezeichen.

Nils war damals in der Karibik zu den Seewölfen gestoßen – wie auch Sven Nyborg, Luke Morgan oder Sam Roskill. Karibikpiraten waren sie gewesen, Kerle, die ihre Vergangenheit geheimhielten und nie ein Wort darüber verloren.

Nur hin und wieder sickerte einmal durch, daß der eine ein Findelkind gewesen oder der andere im Waisenhaus aufgewachsen war. Der dritte war zu Hause ausgekniffen, und der vierte war von frommen Betschwestern erzogen worden. Und wieder einer hatte sich knüppelhart durchs Leben prügeln müssen oder was der Dinge mehr waren.

Solche Dinge sollten eigentlich ins rechte Licht gerückt werden, überlegte der Seewolf, er wollte nicht, daß seine Männer über sich selbst nicht Bescheid wußten oder an ihrer dunklen Vergangenheit nagten.

Und mit Nils stimmte etwas nicht, den Burschen wollte er ein wenig im Auge behalten, denn sobald der Name Bornholm fiel, benahm sich der sonst so fröhliche Kerl abweisend und wurde richtig biestig.

Hasard beschloß, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Freundlich erkundigte er sich bei den Arwenacks, wer denn dafür sei, daß man Bornholm anliefe – zwecks Bereicherung des Speisezettels.

Alle Hände hoben sich spontan, nur eine nicht: Nils Larsen ließ die Hand unten.

Das gab Hasard noch mehr zu denken und bestärkte ihn erst recht in der Annahme, daß da etwas nicht stimmte.

Dan O’Flynn erschien und deutete auf einen Punkt der Karte, die er mitgebracht hatte.

„Hier, an der Westküste der Insel“, verkündete er, „liegt eine kleine Hafenstadt namens Rönne. Das würde sich doch anbieten.“

„Sehr gut“, sagte Hasard nicht ohne Hintergedanken. „Dann laufen wir dieses Rönne einmal an. Es kostet ja nicht viel Zeit.“

Nils Larsen wurde merklich blaß und zurückhaltend. Auch das entging dem Seewolf nicht, und er sah, wie sich der Däne mit mürrischem Gesicht nach vorn verdrückte.

Als sich das Achterdeck geleert hatte, wandte sich Hasard leise an den Kutscher, den er beiseite nahm.

Da der Kutscher ein aufgeschlossener Mann war, der weitsichtig dachte und überlegte, konnte Hasard ihn ruhig fragen.

„Was hältst du von Nils, Kutscher?“

„Der gute Nils scheint Probleme zu haben, Sir, und das nicht zu knapp. Eben wurde er ganz blaß, als das Wort Rönne fiel. Warum fragst du mich das, Sir?“

„Weil du es verstehst, dem Volk sozusagen aufs Maul zu schauen. Ed kann ich danach nicht fragen, der hätte wieder was von Heringen und Hafenhuren gefaselt, aber du kennst dich aus. Glaubst du, das hat was mit seiner Vergangenheit zu tun, ähnlich wie bei Stenmark?“

„Davon bin ich überzeugt. Nils fürchtet sich vor Bornholm wie der Teufel vorm Weihwasser. Er tut so, als sei das eine Insel voller Aussätziger und Blödmänner. Er will sie uns mit aller Gewalt vermiesen, und aus eben diesem Grund steckt etwas dahinter.“

„Der Ansicht bin ich auch. Nun, wir werden uns um diese Heringe kümmern und dabei den guten Nils im Auge behalten. Ich bin schon sehr gespannt, was dabei herauskommt.“

5.

Der Kurs wurde auf neunzig Grad Ost gesetzt, und die Reise ging weiter, in Richtung Bornholm, das am Vormittag des anderen Tages dunstig an der Kimm auftauchte.

Gleichzeitig spielte auch der Kompaß verrückt. Immer wieder törnte die Kompaßrose durch und zeigte nach allen möglichen Richtungen.

„Ein ähnliches Phänomen wie damals in der Karibik“, sagte Hasard verblüfft. „Jetzt bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob das da vor uns wirklich Bornholm ist.“

„Da drüben an Steuerbord sind drei Fischerboote, Sir“, sagte Piet Straaten, der das Ruder übernommen hatte und fassungslos auf den rotierenden Kompaß starrte. „Sollen wir sie ansteuern und fragen? Vielleicht liegt das auch nur an unserem Kompaß.“

„Ja, wir halten darauf zu, Piet.“

Hasard ließ Nils Larsen rufen, doch der war unauffindbar, was er sehr merkwürdig fand. Aber es blieb keine Zeit mehr, jetzt das ganze Schiff abzusuchen, und so nahm er den Schweden Stenmark zum Dolmetschen, der ebenfalls Dänisch sprach.

Die Heringsfischer schauten der heransegelnden „Isabella“ neugierig und gespannt entgegen, als sie leicht den Kurs änderte. Stenmark stand vorn auf dem Galion und preite die überraschten Männer an.

„Unser Kompaß spielt verrückt“, sagte Sten nach der Begrüßung. „Ist das da im Osten die Insel Bornholm?“

„Das ist hier immer so mit dem Kompaß!“ rief ein älterer untersetzter Fischer zurück. „Das ist eben so. Hier kann man sich auf den Kompaß nicht verlassen. Aber ihr liegt richtig, ihr segelt genau auf Bornholm zu.“

„Besten Dank!“ rief Sten. „Wir haben in England gehört, daß es auf Bornholm besonders guten Räucherhering geben soll. Kann man den in Rönne kaufen? Und ist er wirklich gut?“

„Gut?“ schrie der grauhaarige Fischer. „Ha, das ist ja zum Lachen. Der Bornholmer ist der beste Räucherhering auf der ganzen Welt. In Rönne könnt ihr soviel kaufen, wie ihr wollt.“

Stenmark bedankte sich höflich und übersetzte die Antwort für die anderen. Also lag man doch richtig auf Kurs und konnte jetzt nach Sicht segeln und auf den Kompaß vorerst verzichten.

„Na, was habe ich gesagt?“ Mac Pellew strahlte. „Meine Svanhild hat doch recht gehabt – der beste Räucherhering weit und breit.“

Stenmark gab der Meldung weiter nach achtern, wo der Seewolf erfreut nickte.

„Sieh an, Mac Pellew“, sagte er zum Profos, „wer hätte das gedacht?“

„Daß der alte Sauertopf ’ne dänische Freundin gehabt hat“, meinte Ed, „das will mir nicht in den Kopf. Die scheinen recht viel über Räucherheringe gequasselt zu haben.“

„Laß mal das Schiff nach Nils durchsuchen“, sagte Hasard. „Das ist doch reichlich merkwürdig, daß der so plötzlich verschwunden ist. Über Bord kann er ja schließlich nicht gegangen sein. Such mal in der Schmiede, im Krankenraum oder in der Messe nach ihm.“

„Ich werde ihn schon finden.“

Gleich darauf suchten ein paar Männer nach Nils Larsen, aber der war immer noch nicht auffindbar. Erst als sie fast alles abgesucht hatten, entdeckte Carberry ihn in der Segellast, wohin Nils sich verkrochen hatte.

Er lag in einer Ecke auf einem Stapel zugeschnittener Segel und lamentierte vor sich hin. Bei Carberrys Eintritt drehte er sich um. Der Profos sah, daß seine linke Wange stark angeschwollen war. Dadurch hatte sich das Gesicht etwas verzogen, und der fröhliche Däne sah zum Fürchten und ganz entstellt aus.

„Was ist denn mit dir los?“ fragte der Profos erstaunt.

„Zahnschmerzen“, jammerte Nils. „Ich halte es kaum noch aus.“

„Tatsächlich“, sagte Ed, „deine Backe ist ganz geschwollen. Aber das werden wir gleich haben. Los, ab zum Kutscher.“

„Ich will nicht!“ jammerte Nils. „Ich will nicht zum Kutscher. Der Schmerz, der von allein kommt, geht auch wieder allein, hab ich mal irgendwo gehört.“

„Quatschkopf“, erklärte der Profos. „Das ist der größte Stuß, den ich jemals gehört habe. Wenn ich sage, du gehst zum Kutscher, dann gehst du auch zum Kutscher, was, wie?“

„Ich will aber nicht, ich weigere mich.“

„So, du weigerst dich? Dann werde ich dir mal zeigen, wer an Bord der Profos ist, du Hirschriese.“

Bevor Nils ausweichen konnte, hing er bereits im eisenharten Griff des Profos, der ihn einfach mit sich fortschleppte. Da half alles Sträuben und Zetern nichts, was Ed im Griff hatte, das ließ er so schnell nicht mehr los.

Er zerrte, stieß und knuffte den Dänen, der sich überall festhalten wollte, bis zur Kombüse. Dort schubste er ihn hinein.

„Nils hat Zahnschmerzen, Kutscher“, sagte Ed sachlich. „Sieht böse aus, seine Backe ist ganz dick geschwollen.“

Der Kutscher und Mac Pellew waren gleich zur Stelle.

„Na, dann reiß mal die Futterklappe auf“, sagte der Kutscher.

Doch zu seiner Verwunderung blieb Nils Larsen stur und preßte trotzig die Zähne nur noch mehr zusammen.

„Du Affenarsch“, sagte der Profos, „die beiden wollen dir doch nur helfen! Stell dich nicht so an. Gleich ist das Übel beseitigt.“

Als Nils sich immer noch sträubte, packte Carberry ihn kurzerhand im Genick und drückte ein bißchen, während sich der Kutscher Nils mit dem umgedrehten Ende eines Holzlöffels näherte.

„Wenn du nicht gleich die Beißerchen zeigst“, drohte er, „werde ich sie dir aufhebeln, aber das tut weh.“

Mac Pellew griff auch mit zu, und dann hatten sie den Dänen so in der Zange, daß er sich nicht mehr wehren konnte. Ed quetschte ein bißchen, der Kutscher half mit dem Löffelende nach, und Mac drückte ihm kräftig auf beide Wangen, bis dem Dänen die Tränen in die Augen schossen.

„Uuuaaahhh“, gurgelte Nils erstickt.

„Zahnschmerzen?“ sagte der Kutscher fassungslos und fummelte etwas aus Nils Futterluke heraus. „Ja, gibt’s das auch? Das ist doch eine Silbermünze, die du da im Hals hast!“

„Vielleicht ist das sein heimlicher Sparstrumpf“, meinte Ed und betrachtete verblüfft die Münze. Als die jetzt aus dem Rachen heraus war, sah Nils wieder ganz normal aus. Die Schwellung war augenblicklich weg.

„Der nimmt uns auf den Arm, der grüne Hering“, sagte Mac biestig. „Was soll das ganze Theater?“ fuhr er Nils an.

„Das ist ein uraltes Hausmittel. Das Silber nimmt die Schmerzen weg, und später sind sie in der Münze drin.“

„Nie davon gehört“, sagte der Kutscher kopfschüttelnd. „Das ist vielleicht ein Käse. Das gibt es doch gar nicht. Was sagst du, Mac?“

„Gibt es nicht“, bestätigte Mac entschieden. „Oder hast du das schon mal gehört, Ed?“

Auch der Profos verneinte. „Nicht mal die übelsten Kurpfuscher und Scharlatane wenden das an.“

Der Kutscher äugte noch einmal in den gewaltsam aufgesperrten Rachen des Dänen. Er sah keine Schwellung, keine Entzündung und erst recht keine Vereiterung. Der Kerl konnte auf sein Gebiß stolz sein.

„Nichts zu sehen“, stellte der Kutscher fest. „Du hast überhaupt keine Zahnschmerzen. Du markierst nur welche.“

Nils aber jammerte und stöhnte weiter und ließ sich nicht davon abbringen, daß da Zahnschmerzen wären, und zwar säßen sie ganz innen im Zahn und bohrten, klopften und hämmerten.

„In welchem Zahn schmerzt es?“

„Ganz links unten, im Backenzahn. Ahh, tut das weh, verdammt.“

Der Kutscher befühlte und betastete den Zahn und schüttelte immer wieder den Kopf. Dan plinkerte er Ed und Mac Pellew zu.

Für ihn war klar, daß der Kerl nur simulierte, aber was, zum Teufel, wollte er damit bezwecken? Darauf fand der Kutscher keine Antwort. Er wußte ja, daß mit Nils etwas faul war. Der versuchte, sie alle zu leimen – nur warum?

„Ach, du meine Güte“, sagte der Kutscher in gespieltem Entsetzen und bewunderte insgeheim den riesigen Prachtzahn, dem absolut gar nichts fehlte. „Der ist ja innen ganz vereitert. Kein Wunder, daß du Schmerzen hast, Nils. Hol mal die Zange, Mac!“

Inzwischen hatte auch Hasard durch Smoky davon erfahren und begab sich nach vorn, um nachzusehen, was da los sei.

„Zange?“ schrie Nils.

„Ganz ruhig bleiben, mein Sohn“, sagte der Profos. „Ganz ruhig, der Beißer muß unbedingt raus.“

„Der bleibt drin!“ schrie Nils wutschnaubend.

Die anderen grinsten hinterhältig, und als Mac die Zange brachte und Nils das fürchterliche Instrument zu sehen kriegte, da hakte es bei ihm aus.

Mac Pellew und der Profos hielten Nils fest, und der Kutscher tat so, als müsse er jetzt ziehen, da flogen auch schon Sterne durch die Kombüse.

Jäh und explosiv schlug der Däne zu. Und er hatte einen verflucht harten Schlag drauf, das spürte als erster der Profos, als ihm die knallharte Faust genau aufs Auge flog und bunte Sternchen einen wirbelnden Reigen vor seinem Schädel tanzten. Noch als der Profos verblüfft zusammenzuckte, erwischte es auch schon Mac Pellew. Etwas rammte mit der Wucht eines Huftritts Mac Pellews Magen und fegte ihn quer durch die Kombüse.

Der Kutscher hatte Glück, daß er keine gepfeffert kriegte, er erhielt nur einen Stoß vor die Brust und taumelte an den Herd.

„Verflucht!“ brüllte der Profos sauer. „Der Kerl hat mir die Klüse dichtgehauen. Den bring ich um!“

Damit raste er ebenfalls wie ein angestochener Büffel aus der Kombüse, um die Verfolgung des Klüsendichthauers aufzunehmen.

Auf der Kuhl rannte Nils fast noch den Seewolf um. Er sah nicht nach rechts und links, er wollte nur vor der Zange flüchten, doch da hielt ihn eine Hand so eisern fest, daß er nicht mehr weiterkonnte. Unbarmherzig hing er im Griff eines angespannten Schraubstocks.

„Nicht so wild“, sagte Hasard. „Wo willst du denn hin?“

„Ich lasse mir keinen Zahn ziehen!“ tobte Nils. „Erst wenn ich es nicht mehr aushalte, dann vielleicht ja. Aber die wollen mir mit aller Gewalt den Zahn ziehen, Sir, und das paßt mir nicht. Schließlich gehören meine Zähne ja mir, nicht? Und ich kann solange Schmerzen aushalten, wie ich Lust dazu habe. Aber übers Zähneziehen bestimme ich.“

Hasard blickte hoch, denn nun stand der Profos vor ihm und sah noch schlimmer aus als sonst. Sein rechtes Auge war nur noch ein kleiner schmaler Schlitz, und drumherum zeichnete sich etwas Dickes ab, das langsam, aber sicher beträchtlichen Umfang annahm. In spätestens einer halben Stunde würde das Veilchen in allen Farben des Regenbogens lieblich erstrahlen. Ein prächtiger Bluterguß war das.

Hasard grinste, als er den Profos so sah. In seinem einen Auge funkelte Mordlust, das andere schwoll zusehends weiter an. Schon jetzt konnte der Profos auf der Steuerbordklüse nur noch winzige Striche sehen. Bald würde auch das vorbei sein.

Carberry blieb verlegen stehen, als er den Seewolf sah, und setzte wieder sein harmloses Gesicht auf, als könne er kein Wässerchen trüben.

„Recht hast du, Nils“, sagte Hasard. „Wer Schmerzen hat, weiß wenigstens, daß er noch lebt.“ Dabei traf den Profos ebenfalls ein anzüglicher Blick, denn er hatte zweifellos auch welche.

„Die Frage ist nur“, meinte Hasard besorgt, „ob du unter diesen Umständen überhaupt voll einsatzfähig bist. Glaubst du denn, du kannst den Borddienst noch richtig versehen?“

„O ja, Sir, und wenn ich umkippe! Aber ich bin noch voll verwendungsfähig. Ich ignoriere die Schmerzen einfach, es wird schon gehen“, sagte Nils tapfer wie ein Held, der in eine bereits verlorene Schlacht zieht.

Inzwischen war auch Mac Pellew heran, der sich den Ellenbogen bei seinem Sturz aufgeschrammt hatte und jetzt Nils ans Leder wollte.

„Warte nur, du lausiger Dänenhering!“ brüllte er. „Du kriegst von mir noch eins auf die Luke, daß dir die Schmerzen vergehen!“

„Ruhe jetzt!“ befahl Hasard. „Ihr seid selbst schuld an euren Schrammen. Wenn Nils sich wehrt, könnt ihr ihm, das nicht verübeln. Ihr könnt ihm nicht mit Gewalt einen Zahn ziehen, wenn er damit nicht einverstanden ist. Es sind nun mal seine Zähne, und darüber bestimmt er.“

„Aber Sir“, schimpfte der Profos erbittert los. „Der Kerl hat mir eins auf die Klüse gedonnert, und das lasse ich mir nicht gefallen. Wie sehe ich denn jetzt aus?“

„Prächtig“, sagte Hasard. „Das Veilchen paßt wunderbar zu dir. Morgen wirst du noch viel besser aussehen und in allen Farben strahlen. Jetzt ist Schluß mit dem Gemotze, ich will nichts mehr hören.“

Damit drehte er sich um und ging zurück nach achtern.

„Dir wird das Grinsen noch vergehen, du falsch getakelter Wasserfloh!“ zischte der Profos drohend. „Bei der nächstbesten Gelegenheit wickel ich dich mit dem Hals achtmal ums Bratspill!“

Das impertinente Grinsen von Nils regte ihn dabei am meisten auf. Aber sie mußten Hasards Anordnung zähneknirschend befolgen, Ed wie auch Mac Pellew, der dem Dänen die übelsten Sachen androhte. Vergessen war die Angelegenheit noch lange nicht.

Etwas später liefen sie in den kleinen Hafen von Rönne ein und vertäuten die „Isabella“ an der Pier.

Auch Nils Larsen war wieder an Deck, und der sah so merkwürdig aus, daß sich alle nach ihm umdrehten und nichtbegreifend mit den Schultern zuckten. Nils trug einen dunklen Schlapphut. Und wegen seiner vorgeblichen Zahnschmerzen hatte er sich einen dicken Wollschal um das Gesicht gewickelt.

„Aber Großmütterchen Larsen“, höhnte der Profos, dessen Auge jetzt restlos zugeschwollen war und prächtige Farben aufwies. „Soll ich dir nicht auch noch eine Wärmflasche in die Koje legen?“

„Er sieht tatsächlich aus wie ’ne alte Oma“, stänkerte auch Mac Pellew herum. „Wie seine eigene Ahne, hihi.“

Auch Smoky grinste recht anzüglich, doch wenn sie meinten, Nils mit ihren Hetzereien aus der Reserve zu locken, dann täuschten sie sich, denn er ertrug den Hohn und Spott mit einer derartig stoischen Gelassenheit, daß es schon wieder den Profos ärgerte. Sie kamen dem Kerl einfach nicht bei, denn der war auf beiden Ohren taub.

Hasard beobachtete die seltsame Verkleidung ebenfalls. Nils war so in den Schal gehüllt, daß man gerade noch seine Augen sah. Sehr merkwürdig ist das, fand Hasard. Es hatte fast den Anschein, als wollte Nils sein Gesicht verbergen. Aber warum nur?

Rönne war ganz und gar nicht vergammelt oder dreckig, wie Nils behauptet hatte. Es war ein sauberes kleines Städtchen mit Backsteinhäusern, sauberen Straßen und einem malerischen Hafen. In unmittelbarer Nähe der Pier befand sich eine Fischräucherei, und von dort drang ein Düftchen herüber, das allen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

„Ich kaufe geräucherten Fisch ein“, sagte der Kutscher schwärmerisch und schnupperte wie ein junger Hund auf duftiger Fährte. „Los, Sten“, sagte er zu dem Schweden, „wir gehen an Land, und du übersetzt das. Mit Nils ist ja nichts anzufangen. Oder willst du mit?“

Nils Larsen muffelte nur herum. Angeblich konnte er kaum noch sprechen, so schmerzte sein Zahn.

Die beiden zogen ab, um Räucherhering nach Bornholmer Art einzukaufen, soviel wie sie kriegen konnten. Und weil jedem dieses liebliche Düftchen in die Nase stieg, konnten sie es kaum erwarten, bis die beiden wieder zurück waren.

Das dauerte jedoch nur eine Viertelstunde, dann schleppten sie ein Fäßchen an und stellten es an Deck. Als der Kutscher den Deckel hob, blähte der Profos die Nüstern wie ein Gaul und drängte die anderen rücksichtslos zur Seite.

„Hmm!“ rief er verzückt und verdrehte das eine Auge so entsetzlich, daß die anderen gleich freiwillig zurückwichen. „Das riecht! Mann, Kutscher, warum hast du denn für die anderen nichts mitgebracht? Das langt ja gerade für mich!“

Sauber waren die Räucherheringe in das Fäßchen gelegt worden. Sie sahen wie eine Ladung Goldbarren aus, und der Duft, der dem Faß entströmte, ließ schon die ersten Hände zucken und ganz kribbelig werden.

„Donnerwetter“, sagte auch Hasard begeistert. „Schon der Geruch dieser Fische verspricht den Himmel auf Erden.“

„Und spottbillig waren sie, Sir, fast geschenkt“, sagte der Kutscher. „Aber schon dieser Duft beweist, daß Nils ein Spinner ist. Was so gut riecht, muß ja noch besser schmekken.“

„Dann ab in die Messe damit“, sagte der Seewolf.

Mac Pellew war schon losgeflitzt, um die Holzteller bereitzustellen. Die anderen beeilten sich, um das Fäßchen nach unten zu bringen, und äugten die Räucherheringe mit fast peinlich wirkender Gier an. Der einzige, der sich beim Essen nicht blikken ließ, war Nils Larsen, der muffelig herumhockte und den Räucherhering ignorierte.

Dann hauten sie rein und verzückte „Ahhhs“ und stöhnende „Ohhhs“ erklangen. Die Zwillinge entwickelten einen barbarischen Appetit, und bei den anderen war es fast noch schlimmer. Der Profos hockte selbstvergessen vor der Back und mampfte, bis Ferris ihn anstieß.

„Die Köpfe frißt man doch nicht mit, Mann“, sagte er. „Du hast jetzt schon den achten Hering mitsamt dem Kopf gefressen.“

„Wenn man sie nicht mitfrißt“, konterte Ed, „dann hätte man sie ja wohl nicht geräuchert, oder?“

Das war wieder mal die umwerfende Logik des Profos, der jetzt immer fürchterlicher aussah, weil sein rechtes Auge nur noch ein dunkelblaues faustgroßes Ding war, mit dem er nichts mehr sah.

Innerhalb kürzester Zeit war das Faß leer, und die ersten rieben sich in wohligem Behagen die Bäuche.

„Du mußt noch mal an Land, Kutscher“, sagte Smoky. „Das reicht ja hinten und vorn nicht.“

Der Kutscher nickte. Er war sprachlos, daß die Kerle es in der kurzen Zeit geschafft hatten, diese Menge Bornholmer Räucherheringe zu vertilgen.

„Aber so einen Räucherofen bauen wir uns“, sagte er zu Ferris. „Man wird ja gar nicht satt bei diesem phantastischen Geschmack. Außerdem könnten wir auch Fleisch darin räuchern, wenn uns die Heringe mal zum Hals raushängen sollten. Und erinnert mich auch noch daran, daß wir eine Ladung Erlenholz mitnehmen, wegen des Geschmacks – und so!“

„Ja, den Ofen bauen wir“, sagte Ferris, „das ist ganz sicher. Der Räucheronkel kann uns ja die Anleitung dazu geben, oder Shane und ich gukken uns das Ding mal ganz genau an.“

Stenmark und der Kutscher verschwanden erneut, um Nachschub für die unersättlichen Mäuler zu holen.

Als sie zurückkehrten – das Faß war wieder voll –, brachte der Kutscher auch noch eine Flasche mit, die er unter die Back stellte. Anschließend ging die Fresserei ein zweites Mal weiter. Dann waren wirklich alle satt und lobten in höchsten Tönen Mac Pellew und seine Svanhild Detlevsen.

Mac ging das Lob wie Öl runter, und er begann nach dem Muster des alten O’Flynn die wundersamsten Geschichten über seine Svanhild zu erzählen. Dabei trug er immer dicker auf.

„Noch etwas“, sagte der Kutscher und stellte die Flasche auf die Back. „Die hat mir der Räucheronkel als Dreingabe mitgegeben. Damit sollen wir nachspülen, das passe gut zu den vielen Heringen, hat er gesagt.“

„Und was ist das?“ fragte Gary Andrews.

„Akvavit nennt er das, Wasser des Lebens.“

„Ha!“ schrie Mac. „Jetzt fällt mir ein, daß meine Svanhild auch immer von Akvavit gesprochen hat. Das soll ein tolles Zeug sein! Wunderbar, fast noch besser als der Bornholmer Hering. Das ist rein wie die Jungfrau, sagte sie, stark wie ihr Freier und heiß wie das Herdfeuer eines jungen Paares, ja, und so kalt wie ein Gebirgsquell im Lenz – und so. Das hat sie wirklich gesagt, und sie hatte ja auch mit dem Hering recht.“

„Dann probieren wir das Zeug doch mal“, sagte Ed, nahm die Flasche und reichte sie an den Seewolf weiter, der einen kleinen Schluck nahm.

„Sehr gut“, lautete sein Urteil, „wunderbar im Geschmack. Diese Insel wird immer lieblicher. Macs Svanhild erscheint mir fast wie ein verklärter Engel.“

„Oh, das war sie auch“, sagte Mac inbrünstig, „und sie konnte so gut über Heringe und Akvavit erzählen – stundenlang.“

Daraufhin brach wieherndes Gelächter los, und dann ging die Buddel gleich reihum.

Das war ein Wässerchen! Da hatte der Kutscher oder der Räucheronkel gewiß nicht übertrieben. Soff sich von ganz allein das Zeug und ließ die Heringe wieder aufschwimmen, heizte den Magen auf, gurgelte angenehm durch die Kehle und sorgte für prächtige Laune.

„Kutscher, du mußt noch mal an Land“, sagte Smoky, der begehrlich auf die leider leere Flasche schielte. „Davon brauchen wir unbedingt noch ein paar Buddeln Nachschub.“

Also entschwanden Kutscher und Stenmark bereitwillig und marschierten ein drittes Mal an Land.

Danach ging es in der Messe rund. Das neue Wässerchen des Lebens wurde in den höchsten Tönen gelobt und besungen. Medizin war das, und was für eine! Die schwemmte alle Sorgen weg, und man wurde richtig aufgekratzt danach und konnte stundenlang palavern, wie Mac Pellew mit seiner Svanhild.

„Vielleicht hilft das auch gegen Zahnschmerzen“, meinte der Kutscher und bot dem sauertöpfisch dahockenden Nils die Flasche an. Der nahm sie anfangs nur widerwillig, doch als er sie zurückgab, war mehr Luft in der Buddel als Akvavit.

„Man sollte wirklich darüber nachdenken, Sir“, wandte sich der Profos an Hasard, „mit diesem Wässerchen Handel und Wandel zu treiben. Man könnte es ja als Medizin in England einführen, meinst du nicht, Sir? Sogar bei Hofe wird man begeistert sein, da bin ich ganz sicher. Vielleicht sollten wir zehn Fäßchen von dem guten Stoff einkaufen. Ich meine, es kann ja immer mal einer unterwegs krank werden – und so. Und dagegen hilft dann nur noch die Medizin.“

„Dann wird sehr bald die gesamte Mannschaft krank sein“, sagte Hasard trocken, „und ich kann das Schiff allein segeln.“

„Vielleicht wirst du auch krank, Sir“, meinte Carberry.

Immer wenn der Seewolf seinen Profos ansah, zuckte er unwillkürlich zusammen und wurde an eine frisch geteerte Ankerklüse erinnert. Fast schwarz war das Veilchen auf dem rechten Auge jetzt und so dick wie eine Faust.

„Ganz richtig, Sir“, sagte auch der Kutscher drängend. „Wir sind doch aufgeschlossene Leute und denken kaufmännisch. Wir sollten ruhig zehn Fässer nehmen. Ich habe deshalb mit dem Räucherkerl auch schon kleine Verhandlungen angeknüpft. Das ist ein sehr netter und höflicher Mensch. Wir können ihn heute abend im Krug von Hansen treffen. Der Räuchermann heißt Knud Elvström.“

Nils Larsen zuckte zusammen, als hätte ihm ein Unsichtbarer eine Ohrfeige verpaßt. Die anderen merkten nichts, aber Hasard war dieses Zucken nicht entgangen, denn bei der Nennung des Namens Elvström hatte er Nils gerade angesehen.

Da liegt also der Hund begraben, dachte er. Nils sonderbares Gehabe schien auf irgendeine mysteriöse Art mit diesem Namen verknüpft zu sein. Na, das würde er schon noch rauskriegen, und so nickte er zur Freude aller fast spontan.

„Du hast recht, Kutscher“, sagte er. „Dieser Akvavit ist mal was anderes als immer und ewig nur Rum und Brandy oder auch mal Whisky. Schon diese Heringe waren einfach köstlich. Wir werden also zehn Fässer davon kaufen und mit diesem Elvström heute abend im Krug verhandeln. Bei einer solchen Sache möchte ich aber nicht nur Stenmark dabeihaben, sondern auch Nils, der ja Däne ist. Zwei Sprachkundige sind mir da lieber als einer, denn bei solchen Geschäften muß man aufpassen. Du gehst dann also heute abend auch mit an Land, Nils“, entschied er.

Geschrei brandete auf, die Kerle wurden ganz wild. Nur Nils Larsen wurde immer blasser und hielt sich wieder die Wange fest.

„Aber Großmütterchen Larsen, du darfst mit an Land“, höhnte der Profos. „Ja, freust du dich denn gar nicht darüber? Das Wässerchen im Krug wird deinen Zahn schon heilen.“

„Ich würde gern mitgehen, Sir“, sagte Nils kläglich, ohne den Profos auch nur eines Blickes zu würdigen, „aber es wird wirklich immer schlimmer mit den Zahnschmerzen. Ich glaube, ich kann nicht, Sir.“

„So, du kannst nicht“, meinte Hasard unnachgiebig. „Jetzt habe ich von dem Affenzirkus aber langsam die Nase voll. Du bist also nicht einsatzfähig, aber Akvavit kannst du gleich gallonenweise saufen. Es gibt nur zwei Entscheidungen, auch wenn es zehnmal deine eigenen Zähne sind: Entweder der kranke Zahn wird gezogen, oder du gehst mit an Land, denn für die Verhandlungen brauche ich dich. Überlege dir das gut.“

Nils Larsen wand sich, jammerte ein paar Takte, hielt sich dann wieder die Wange fest und blies sie auf. Diesmal würden sie ihm den Zahn mit Sicherheit ziehen, dachte er, aber darauf war er nicht scharf. Also doch lieber im Kro, wie die Dänen den Krug nannten, dolmetschen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, also nickte er kläglich.

„Ich gehe mit, Sir“, sagte er heiser, „aber darf ich wenigstens den Wollschal umbehalten? Der läßt mich die Zahnschmerzen leichter ertragen, und ich fühle mich wohler damit.“

„Einverstanden“, sagte Hasard. Er wirkte völlig ernst, aber am liebsten hätte er gegrinst. Er war wirklich gespannt darauf, was es mit Nils und seinem Theater auf sich hatte. Da war nicht nur ein Hund begraben, da lag mindestens ein ausgewachsener Elefant.

„Dann ist das also auch erledigt“, sagte Hasard. „Nur eins bitte ich mir beim Landgang noch aus: absolute Friedfertigkeit, keinen Stunk und auf keinen Fall Schlägereien. Wir sind als Gäste auf Bornholm und wollen die nette Kneipe nicht mit Plymsons ‚Bloody Mary‘ verwechseln. Hier wird also nicht rumgestänkert.“

Daß Hasards Blick dabei ganz besonders den Profos traf, war wirklich kein Zufall. Den brauchte nur einer wegen seiner blauschwarzen Klüse zu hänseln, dann würden die Fetzen fliegen.

Aber immer, wenn Ed so fixiert wurde, dann kriegte er sofort den himmlisch verzückten und völlig unschuldigen Blick, auch wenn der diesmal nur einäugig war. Richtig fromm sah der Profos dann aus, und auf seinem Gesicht prangte fast eine leichte Empörung, daß man ausgerechnet ihm, dem frommen Pilger, so etwas unterstellen konnte. Absurd war das, als ob er sich dauernd prügeln würde, noch dazu als Gast auf der Insel Bornholm.

„Falls es dich also jucken sollte, Mister Carberry, dann verspreche ich dir, daß ich dir die andere Klüse höchstpersönlich auch noch dichthaue, und wenn du tagelang nichts mehr siehst. Du wirst dann sowieso nichts mehr sehen, weil du dann nämlich in einer Kammer in Eisen liegst.“

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