Читать книгу: «Seewölfe Paket 29», страница 9

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„Du – Teufel!“ schrie sie.

„Mir reicht’s jetzt“, knurrte Dario.

„He“, sagte Brodzu. „Schüttel doch einfach den Baum, Dario. Dann fällt sie runter wie eine reife Olive.“

Dario trat mit dem Fuß gegen den Baum. Salome stieß einen klagenden Laut aus. Der Bandenführer trat noch einmal zu, und sie begann zu weinen. Die Kerle lachten und hieben sich mit den Händen auf die Schenkel. Die Hunde hechelten und winselten.

Salome klammerte sich verzweifelt fest. Aber es nützte ihr nichts. Die Panik gewann vollends die Oberhand über sie. Ihre Knie knickten ein. Mit einem spitzen Schrei kippte das Mädchen von dem Ast, auf dem sie stand.

Sie fiel, aber Dario fing sie unten auf. Sein Atem schlug ihr entgegen und traf ihre Wange.

„Endlich halten wir uns wieder in den Armen“, sagte er rauh. „Es wäre doch schade gewesen, wenn wir uns nie wiedergesehen hätten.“

Brodzu stieß einen Pfiff aus. „Hoppla, was ist das? ’ne Liebeserklärung?“

Die anderen johlten dazu.

Dario versetzte dem Mädchen einen Stoß. Sie stürzte auf den Boden. Sein Gesicht verzerrte sich zu eine Fratze des Hasses. Plötzlich hieb er mit der Peitsche auf sie ein. Salome stöhnte und schützte ihr Gesicht mit den Händen. Sie schrie und wimmerte, als der Lederriemen immer wieder ihre nackte Haut traf.

Dario ließ die Peitsche sinken. „Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was dich noch erwartet!“ zischte er. „Niemand überlistet mich ungestraft!“

Langsam wandte sich das Mädchen zu ihm um.

„Dann töte mich“, sagte sie.

„Das könnte dir so passen.“

„Es ist mir lieber, wenn deine Hunde mich zerreißen“, sagte sie.

„Ach, rede doch keinen Blödsinn.“ Er trat zu ihr und wollte sie packen. Aber sie kroch vor ihm davon – ins Dickicht.

Dario war mit einem langen Satz bei ihr, griff nach ihrem Arm und zerrte sie vom Boden hoch.

„Spiel doch nicht die Heldin“, sagte er verächtlich. „Das liegt dir nicht.“

Er riß sie mit sich und stieß sie zu seinem Pferd. Brodzu reichte ihm grinsend einen schwarzen Stoffetzen, und der Anführer band dem Mädchen damit die Augen zu.

„Auf geht’s“, sagte er. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“

Er hievte Salome auf den Rücken seines Pferdes. Als sie zu zappeln begann, verpaßte er ihr wieder zwei Peitschenhiebe. Dann ließ er sie von seinen Kerlen am Sattel festbinden, damit sie nicht hinunterfallen konnte.

Dario Porceddu saß auf. Er gab seinen Begleitern ein Handzeichen, und die Meute setzte sich wieder in Bewegung. Im Galopp ging es zurück zum Schlupfwinkel. Die Hunde rannten kläffend neben den Reitern her.

Etwa anderthalb Stunden später erreichten die Kerle ihr Versteck, ein altes, burgähnliches Gemäuer in den Bergen. Früher hatten hier einmal türkische Wegelagerer gehaust. Die Pest hatte sie dezimiert, bis keiner von ihnen mehr am Leben gewesen war. Seit dem wurde das Gebäude von den Einheimischen gemieden.

Dario Porceddu, sein Bruder Silvestro und die Meute der Gesetzlosen, die auf ihr Kommando hörten, lebten schon seit einigen Jahren hier. Sie hatten sich so gut eingerichtet, wie es ging, und sie fühlten sich in dem düsteren, finsteren Gemäuer sicher und wohl. Etwas Besseres, darin waren sie sich einig, hätten sie für ihre verbrecherischen Zwecke gar nicht finden können.

Die Porceddu-Brüder und ihre Kerle stammten aus Sardinien. Dort wurden sie wegen Mordes, Raubes und Totschlags gesucht. Fing man sie, würde man sie auf der Stelle erschießen.

Diesem Risiko hatte sich die Bande nicht aussetzen wollen. Eines Nachts hatten die Kerle in einem Fischernest bei Cagliari eine größere Schaluppe entwendet und waren mit ihr auf und davon gesegelt.

Damals hatten sie zunächst einen Abstecher nach Sizilien unternommen. Eigentlich hatten sie sich dort niederlassen wollen. Aber die sizilianischen Banditen waren schlimmer als sie. Sie duldeten keine Sarden auf ihrer Insel. Bei einem Überfall, den die Gegner geführt hatten, hatten die Porceddus und ihre Kerle Federn lassen müssen. Dann war ihnen wieder nur die Flucht geblieben.

Dario und Silvestro gelangten zu der Erkenntnis, daß es wahrscheinlich keinen Sinn hatte, in italienischen Gefilden zu bleiben. Sie setzten mit der Schaluppe nach Tunesien über. Von dort aus ging es weiter nach Tripolis, dann zum Hochland von Barka.

Im Anschluß daran segelten die Kerle nach Kreta. Hier gefiel es ihnen aber auch nicht – es gab nichts zu holen. Sie suchten die Ägäis auf und stießen in die Dardanellen vor. Einem Zufall war es zu verdanken, daß sie ins Marmarameer gelangten und an der Küste der Türkei landeten.

Als erstes überfielen sie einen Kaufmann und plünderten ihn aus. Seine Leiche warfen sie ins Meer. Das Opfer hatte Gold- und Silbermünzen bei sich gehabt.

Das gefiel den Porceddus, und auch ihre Kumpane waren begeistert. In diesem Land mußte es noch mehr solcher Münzen geben. Hier sollte man also tunlichst die Zelte aufschlagen.

Irgendwie gelang es den Kerlen, die Schaluppe zu verkaufen. Sie besorgten sich Pferde und wagten sich immer tiefer ins Landesinnere vor. Mal überfielen sie ein Gehöft, dann wieder lauerten sie Handelsreisenden auf.

Sie drangen in einen Harem ein und entführten Frauen. Sie verschleppten alles, was ihnen in die Finger geriet, in die Berge. Und hier stießen sie dann auf das Gemäuer.

Die Burg des Scheitans, so nannten die Einheimischen das unheimliche Gebäude. Angeblich lastete ein schlimmer Fluch darauf. Aber all das konnte die Sarden nicht beeindrucken. Sie waren nicht sonderlich abergläubisch.

Dario und Silvestro verstanden es, ihren Spießgesellen alle Bedenken wegen des auserwählten Schlupfwinkels auszureden. Die Türken waren allesamt Narren, einem Moslem durfte man nicht trauen. Außerdem waren sie Memmen und Waschweiber. Ein richtiger Kerl fürchtete sich auch vor dem Teufel nicht.

So lebten die Sarden seit Jahren in dem alten Gemäuer. Sie hatten ihre Frauen und ihre Freuden. Einige der Haremsdamen hatten es vorgezogen, bei den Banditen zu bleiben, statt ins Frauenhaus zurückzukehren. Andere wurden dazu gezwungen, den Kerlen als Unterhaltung und Zeitvertreib zu dienen.

Nachts feierten die Sarden die wüstesten Orgien. Tagsüber ritten sie auf Raubzug aus. Es gab Wochen, da kundschafteten sie einfach nur neue Unternehmungen aus.

Dann aber schlugen sie zu. Wo sie hinlangten, zeichneten Leichen ihren Weg. Nur ganz selten brachten sie keine Beute in ihr Versteck.

Dario führte seinen Trupp in den Hof des Gemäuers. Die Hufe der Pferde klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Die Kerle saßen ab. Dario warf sich das Mädchen über die Schulter.

Sie war unterwegs ohnmächtig geworden. Als er aber die schwere Tür zu ihrem Verlies aufstieß und sie auf den Boden warf, erlangte sie das Bewußtsein wieder.

„Ich habe jetzt keine Zeit und keine Lust, mich mit dir zu beschäftigen“, sagte er schleppend. „Aber wir sprechen uns noch.“

Salome schlug die Hände vors Gesicht. Sie schluchzte. Wenn ich doch tot wäre, dachte sie verzweifelt. Die Tür krachte zu, Darios Schritte entfernten sich.

Dario Porceddu betrat den Raum, in dem sein Bruder sein Allerheiligstes eingerichtet hatte. Grinsend erwartete ihn Silvestro. Er verpaßte der dicken Frau, die auf seinem Schoß hockte, einen derben Klaps. Sie kicherte und eilte davon. Ihre Brüste und ihr Hinterteil wackelten.

„Na?“ fragte Silvestro. „Hast du deinen Liebling wiedergefunden?“

„Allerdings.“

„Und sie lebt noch?“

„Ja“, erwiderte Dario. „Du weißt, so schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Ich kriege sie schon noch weich.“

„Ich an deiner Stelle würde sie zwingen“, sagte Silvestro ohne sichtbare Regung.

Im Gegensatz zu seinem schlanken Bruder war er untersetzt und hatte einen Schnauzbart, dessen Enden ihm sichelförmig über die Mundwinkel hingen. Darios Gesicht war glatt, spitz und verkniffen.

„Ich will, daß sie mitspielt“, entgegnete Dario. „Das finde ich besser. Darüber brauchst du dir aber nicht den Kopf zu zerbrechen.“

„Jeder hat eben seinen ganz persönlichen Geschmack“, sagte Silvestro höhnisch.

„Bist du fertig?“

„Ja“, sagte Silvestro. Seine Stimme wurde kalt und nüchtern. „Reden wir über das Wichtigere. Heute nachmittag geht es los, klar?“

„Wie besprochen.“

Silvestro faltete die Hände vor dem Bauch, gab einen grunzenden Laut von sich und sagte: „Dann sollten wir noch etwas essen und ein wenig ruhen. Vor der Arbeit ist es immer richtig, sich zu stärken und frische Kräfte zu schöpfen. Schließlich ist es heute nacht ja wieder sehr spät geworden.“

Dario grinste. „Weil du das Saufen und Huren nicht lassen kannst.“

„Was gibt es denn Schöneres im Leben?“

„Nichts“, erwiderte Dario. „Solange uns niemand an den Kragen will, führen wir hier ein herrliches Leben.“

„Dabei wird es bleiben“, sagte Silvestro Porceddu, und er glaubte wirklich fest an seine Worte.

3.

Nach fünfzehn Meilen Fahrt hatten sich der Seewolf und seine Mannen an die neue Umgebung gewöhnt. Es war angenehm warm, obwohl man den Monat November schrieb. Das Wetter blieb ruhig, der Wind fiel raumschots ein – und nirgends zeigten sich Schnapphähne. Was wollten sie also noch mehr?

„Ich sehe am Ufer nur Ziegen und Vögel“, sagte Dan O’Flynn. „Von Leuten keine Spur.“

„Vielleicht geht es den Menschen hier gut“, Sagte Don Juan de Alcazar. „Vielleicht existieren gar keine Banditen oder Piraten.“

„Das denkt nur einer, der an Märchen und Wunder glaubt“, erklärte Old O’Flynn. „Die Gegend ist nach wie vor für Überraschungen aller Art gut. Das sagt mir nicht nur mein Beinstumpf, sondern auch mein Verstand.“

„Wie weit mag es noch bis zu diesem Ort Beylerbey sein?“ fragte sich Ben Brighton.

„Nach dem, was die Fischer erklärt haben, höchstens noch zehn, fünfzehn Meilen“, entgegnete der Seewolf. „Irgendwann müßten die ersten Häuser auftauchen.“

Der Bosporus verlief nicht linear, sondern wies in seinem Verlauf einige Krümmungen auf. Gerade beschrieb er eine Biegung nach Südsüdost. Hasard rechnete damit, daß sich hinter der nächsten oder übernächsten Landspitze die ersten Häuser zeigten.

Die Dubas segelte mit etwa fünf Knoten Geschwindigkeit weiter. Hasard und seine Crew blieben weiterhin auf der Hut. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.

Es wurde Mittag. Der Kutscher und Mac Pellew hatten einen Eintopf mit Fleisch und Gemüse zubereitet. Es wurde zum Backen und Banken aufgerufen. Die Zwillinge teilten die Mahlzeit aus. Die Arwenacks aßen mit Appetit, denn wie immer hatten es die beiden Kombüsenmänner verstanden, eine schmackhafte Mahlzeit zu zaubern.

„Wann haben wir das letzte Mal einen vernünftigen Humpen Bier getrunken?“ fragte Blacky. „Kann sich einer von euch daran erinnern?“

„Auf Tortuga“, antwortete Smoky.

„Bei Plymson in der ‚Bloody Mary‘“, sagte Stenmark.

„Also ungefähr vor zweihundert Jahren“, sagte Blacky. „Ich würde für einen Schluck Bier schon einiges geben.“

„Ein ganzes Faß müßte es sein“, sagte Al Conroy.

„Unter einem Faß fangen wir gar nicht erst an“, sagte Higgy feixend.

„Ihr habt vielleicht eine große Klappe“, sagte Will Thorne. „So hohe Ansprüche stelle ich nicht. Ich bin schon froh, daß ich keine Datteln mehr futtern muß.“

„Ja, da hast du recht“, pflichtete Gary Andrews ihm bei. „Der Orient liegt ja nun wirklich hinter uns. Aber wie schaffen die Araber das bloß, daß sie sich ihr Leben lang ein solches Zeug einverleiben?“

„Über Geschmack läßt sich eben streiten“, meinte der Kutscher. „Und jedes Land hat seine Kultur und seine Traditionen.“

„Halt uns jetzt keinen Vortrag“, sagte der Profos. „Verrate mir lieber, was für heute abend auf dem Speiseplan steht.“

„Fisch“, erwiderte der Kutscher.

Carberry blickte argwöhnisch drein. „Frischer?“

„Natürlich. Bei uns gibt’s nur frischen Fisch“, sagte der Kutscher.

„Das ist ja wohl Ehrensache“, sagte der Profos. „Weiß der Henker, was ihr uns alles unterjubelt. Ihr laßt euch ja nie in die Kübel schauen. Aber das eine sage ich euch. Wenn der Fisch heute abend stinkt, hau’ ich ihn euch um die Ohren.“

„Die Zwillinge haben ihn selbst gefangen“, entgegnete Mac mit griesgrämigem Gesicht. „Du kannst sie ja fragen, ob die Biester schon tot waren, als sie sie aus dem Wasser zogen.“

„Versuche bloß nicht, witzig zu werden, Mister Pellew, sonst schicke ich dich als Kundschafter zu den Nixen, die in diesem Kanal baden“, sagte Carberry.

Und Sir John, der auf seiner Schulter hockte, plärrte: „Pfeifen und Lunten aus – alle Mann von Bord!“

Die Zeit verging. Hinter der nächsten Krümmung der Meerenge entdeckte Bill, der Ausguck, ein paar Bauten am östlichen Ufer. Bald waren auch Menschen zu sehen, die auf einem Bootssteg zusammenliefen. Nur Männer. Sie schirmten ihre Augen mit den Händen gegen die Sonne ab und spähten zu der Dubas.

Hasard ließ etwas näher unter Land gehen. Kurze Zeit darauf waren die Mannen mit dem Zweimaster auf Rufweite an die Siedlung herangesegelt. Der Seewolf gab seinen Söhnen ein Zeichen. Sie sollten sich mit den Einheimischen verständigen.

„He, das soll Beylerbey sein?“ fragte Ferris Tucker. „Na, da bin ich aber enttäuscht.“

„Hallo!“ rief Philip junior zu den Türken hinüber. „Welcher Ort? Sind wir in Beylerbey?“

Die Türken begannen zu lachen.

„Nein!“ schrie einer von ihnen. „Dies ist Beikoz.“

„Ihr seid Fischer?“ wollte Philip wissen.

„Ja!“

„Und wie weit ist es bis Beylerbey?“

„Zwei, drei Stunden!“ erwiderte ein anderer Türke. „Wer seid ihr?“

„Handelsfahrer!“ rief Hasard junior.

„Woher?“

„Aus Batumi!“ antwortete Philip der Einfachheit halber.

„Nie gehört!“ schrie ein dritter Türke. „In welchem Land liegt das?“

„Im Morgenland!“ erwiderte Hasard junior kurzerhand.

„Aha! Segelt ihr nach Istanbul?“ erkundigte sich der erste Sprecher an Land.

„Die sind aber neugierig“, sagte Carberry mit finsterer Miene. „Was geht die das eigentlich alles an?“

„Wir wollen nach Istanbul!“ erklärte Philip junior. „Ist der Weg dorthin offen, oder muß man Zoll bezahlen?“

„Offen“, gab der zweite Türke Auskunft.

„Aber paßt auf!“ rief der dritte. „Es könnte unterwegs gefährlich sein! Geht nicht an Land! Es ist in eurem Interesse!“

„Warum?“ fragte Hasard junior.

„Weil es an Land Banditen gibt!“ schrie ein vierter Türke. „Eine schlimme Bande! Giaurs! Sie wüten wie die Teufel! Wir alle müssen uns vor ihnen schützen!“

„Aha“, sagte der Seewolf, als seine Söhne für ihn übersetzten. „Das hört sich nicht sehr gut an. Fragt doch mal, welcher Herkunft diese Banditen sind.“

Das taten die Zwillinge, und prompt wurden sie auch darüber unterrichtet.

„Giaurs!“ schrie einer der Türken auf dem Steg. „Weiße Gesichter, schwarze Haare! Sie töten, plündern, rauben – auch unsere Frauen!“

„Feine Gegend“, sagte Big Old Sahne. „Hier scheinen rauhe Sitten zu herrschen. Landsleute von uns werden diese sogenannten Giaurs aber wohl kaum sein. Sonst wären ein paar Blonde darunter.“

„Vielleicht sind es Griechen“, sagte Ferris.

„Warum zieht ihr nicht weg von hier, wenn es so gefährlich für euch ist?“ erkundigte sich Philip junior bei den Türken.

„Wir haben hier unsere Häuser!“ entgegnete der zweite Sprecher. „Und jeder hat sein Stück Land, wo er Knoblauch und Kürbisse anbaut! Das können wir nicht aufgeben! Lieber verrammeln wir unsere Türen und Fenster und gehen nachts mit der Flinte schlafen!“

„Seid ihr schon angegriffen worden?“ fragte Hasard junior.

„Wir noch nicht!“ rief der erste der Türken. „Aber Nachbarn von uns! Denen wurde ein junges Mädchen entführt! Bis heute ist es nicht wieder aufgetaucht!“

„Menschenraub“, sagte der Seewolf. „Das übelste aller Verbrechen. Man sollte diesen Hundesöhnen das Handwerk legen.“

„Mal nicht den Teufel an die Wand“, sagte Old O’Flynn. „Ein Gefecht mit solchen Bastarden hat uns gerade noch gefehlt.“

„Wo befindet sich denn der Schlupfwinkel der Bande?“ rief Philip junior den Türken zu.

Die Fischer konnten nur mit den Schultern zucken und die Köpfe schütteln.

„Das weiß keiner“, rief einer von ihnen zurück. „Man vermutet, daß sie in den Bergen hausen! Vielleicht in den Dodullu-Bergen! Aber es hat sich noch keiner dort hingetraut!“

„Hölle und Teufel“, sagte Carberry, der den Übersetzungen der Zwillinge ebenso gespannt lauschte wie die anderen Mannen. „Diese Galgenstricke scheinen aufzutauchen und wieder zu verschwinden wie der reinste Spuk. Ein starkes Stück. Sie müssen ziemlich gerissen sein, denn solche Hasenfüße und Memmen sind die Türken gewiß auch nicht.“

Die Dubas hatte sich während der Unterhaltung auf die Siedlung zugeschoben. Jetzt glitt sie an der wacklig wirkenden, aus Bohlen zusammengezimmerten Pier vorbei, auf der die Türken standen und an der die Fischerboote vertäut waren.

Der Zweimaster segelte weiter. Es blieb nicht mehr viel Zeit, noch weitere Worte zu wechseln. Die Distanz vergrößerte sich rasch wieder.

„Vielen Dank“, rief Hasard junior den Türken noch schnell zu. „Wir werden uns an eure Ratschläge halten!“

„Salem aleikum!“ erwiderte der erste Sprecher der Fischer. „Gute Fahrt!“

Etwa eine halbe Stunde verstrich, und es ereignete sich nichts Besonderes. Die Männer richteten ihre Blicke verstärkt auf das östliche Ufer. Etwas Bemerkenswertes war jedoch nirgends zu registrieren. Nichts regte sich. Nur Vögel kreisten wie üblich über den bewaldeten Hängen.

Plötzlich stieß Bill einen Warnlaut aus. „Achtung! Da sind Reiter!“

Die Männer richteten ihren Blick in die Richtung, in die Bill deutete. Hasard, Ben, Dan und Don Juan griffen sofort zum Spektiv. Und nun sahen sie deutlich, was sich am Land abspielte.

Ein Pulk Reiter raste hinter zwei einzelnen Männern her, die ihre Pferde zum Galopp antrieben. Eine Verfolgungsjagd. Sie führte quer durch den Zypressen- und Pinienwald.

Zwei weiße Wolken Pulverqualm stoben hoch. Gleich darauf war das Knallen von Schüssen zu hören. Die Reiter stoben den Hang hinunter und hielten auf das Ufer des Bosporus zu.

Schon lange planten die Brüder Porceddu, den reichen Kaufmann Kemil Haydar zu überfallen. Aber bislang hatten sie ihn nicht erwischen können. Einmal im Monat sammelte Haydar in den Dörfern nördlich von Üsküdar die Gelder ein, die die Bauern und Fischer ihm für die Waren schuldeten, die er ihnen auf Kredit verkaufte.

Sein Sohn Balat half ihm dabei, er begleitete seinen Vater auf Schritt und Tritt. Am Ende hatten sie eine Menge Geld zusammen, das sie nach Üsküdar transportierten. Sie nahmen ein hohes Risiko auf sich, wußten aber auch sehr gut mit ihren Musketen umzugehen.

Anderen Männern als seinem eigenen Sohn traute der Kaufmann Haydar nicht. Deshalb wollte er nur ihn bei sich haben, wenn die Gelder geholt wurden. Im übrigen legte Haydar nie den Tag und die Stunde fest, wann er nach Üsküdar zurückkehrte. Und jedesmal bediente er sich einer anderen Strecke, um dorthin zu gelangen.

Die Porceddus und ihre Kumpane hatten schon dreimal versucht, den beiden Haydars einen Hinterhalt zu legen. Jedesmal hatten sie vergebens gewartet. Dario und sein Bruder Silvestro wurden jedesmal fuchsteufelswild, wenn die Sache schiefging.

Aber vor Tagen hatten sie einen Hinweis von einem Türken erhalten, der Kemil Haydar wie die Pest haßte. Der Türke hatte bei Haydar in der Kreide gestanden und kaum noch einen Heller zahlen können. Haydar hätte ihn „ausgepreßt wie einen Schwamm“, behauptete der Kerl.

Jetzt war er bettelarm. Dafür wollte er sich rächen. Zufällig hatte er erfahren, durch welchen Wald die Haydars reiten würden, wenn sie nach Üsküdar zurückkehrten.

Für diese vorzügliche Information hatte Dario Porceddu dem Spitzel einen Goldpiaster gezahlt. Das war es ihm wert. Der Türke war überglücklich. Er würde auch in Zukunft mit guten Hinweisen dienen können, soviel stand fest.

Etwa anderthalb Stunden hatten die Porceddus mit ihrer Meute im Wald gelauert. Dann hatten sich die beiden Reiter genähert. Durch ein Fernrohr konnte Dario sehen, daß an den Sätteln ihrer Tiere dicke Ledersäcke hingen. Darin war das Gold. Die Beute.

Dario, Silvestro und Brodzu hatten als erste auf die Haydars gefeuert. Aber die hatten sich gerade noch rechtzeitig geduckt. Die Kugeln pfiffen an ihnen vorbei. Sie nahmen Reißaus – und die Bande preschte hinter ihnen her.

Jetzt trachteten die Porceddus danach, die beiden Opfer wieder einzuholen. Aber die Haydars hatten gute Pferde. Erstklassige Renner. Es war nicht leicht, den Abstand zu verkürzen, der zwischen beiden Parteien lag.

Wütend droschen die Porceddus mit Peitschen auf ihre Tiere ein. Hinter ihnen tobte die Meute. Um jeden Preis mußte man die Hundesöhne von Türken erwischen und ihnen die Hälse umdrehen. Die Beute, die da winkte, war zu fett!

Erstaunt nahmen die Banditen wahr, daß die Haydars nunmehr aus dem Wald auf das Ufer des Bosporus’ zuhielten. Und dort näherte sich ein Schiff. Ein Zweimaster. Was hatte das zu bedeuten? Erhofften sich Vater und Sohn Haydar etwa Unterstützung von der Besatzung?

Darüber mußte Dario nun doch lachen. Er blickte zu seinem Bruder hinüber. Der stieß ebenfalls ein Meckern aus.

„Die bilden sich ein, sie können uns noch abhängen!“ brüllte Silvestro.

„Da haben sie sich schwer geirrt!“ schrie Dario.

„Und Hilfe erhalten sie sowieso nicht!“

„Drauf!“ röhrte Brodzu hinter ihnen. „Machen wir sie kalt, diese Pfeffersäcke!“

Kemil Haydar uns sein Sohn Balat ritten in gestrecktem Galopp nebeneinander her. Sie wußten, daß es wenig Zweck hatte, sich im Sattel umzudrehen und auf die Banditen zu feuern. Es waren zu viele. Und bei diesem Tempo konnte man nicht gut zielen. Sie vergeudeten nur ihre Munition.

Früher oder später ermüdeten die Pferde. Dann konnten sich die Haydars ihren Gegner nur noch ergeben. Kemil Haydar wußte, was das bedeutete. Die Banditen schossen oder stachen sie nieder und entkamen mit dem Geld. Gnade kannten sie nicht.

Haydar wußte, mit wem er es zu tun hatte. Es waren die gefürchteten Wegelagerer und Schnapphähne, die schon seit Jahren die Gegend terrorisierten. Bisher hatte er es verstanden, ihnen auszuweichen. Dieses Mal hatten er und sein Sohn Pech gehabt.

Es gab nur noch eine Chance. Der Zweimaster, der sich dort näherte, schien ein Geschenk des Himmels zu sein. Gelang es Haydar und seinem Sohn, rechtzeitig ins Wasser zu springen und zu dem Segler zu schwimmen, so war die Lage gerettet.

Schwimmen konnten sie beide. Und die Geldsäcke ließen sich im Wasser leichter schleppen als an Land. All das war kein Problem. Es ging lediglich darum, den Kugeln der Banditen zu entgehen.

„Hilfe!“ schrie Kemil Haydar der Besatzung der Dubas zu. „Steht uns bei!“

„Was hast du vor?“ rief sein Sohn.

„Wir schwimmen!“

Ob die Männer an Bord der Dubas Türken waren? Bei Allah, hoffentlich verstanden sie Haydars Worte! Wieder versuchte er, einen Kontakt mit den Leuten aufzunehmen. Dieses Mal glückte es. Eine Stimme wehte von Bord des Zweimasters zurück.

„Wir geben euch Feuerschutz!“

Es war Philip junior, der auf die Anweisung seines Vaters diese Worte ausstieß. Dem Seewolf und seinen Männern fiel es nicht sehr schwer, die Meute zu taxieren, die hinter den beiden einzelnen Reitern her war.

Das waren Galgenstricke der übelsten Sorte – wahrscheinlich die Kerle, von denen die Fischer berichtet hatten. Also galt es, diejenigen zu unterstützen, die im Nachteil waren und das Recht auf ihrer Seite hatten.

Gefechtsklar war die Dubas ohnehin. Hasard ließ die beiden Verfolgten dicht genug ans Ufer reiten. Sie zügelten ihre Tiere, rissen die Satteltaschen an sich und sprangen von den Pferden. Im nächsten Gebüsch suchten sie Deckung.

„Feuer!“ rief der Seewolf.

Al Conroy, Gary Andrews und Sam Roskill traten als Schützen in Aktion. Sie zündeten die Drehbassen an der Backbordseite der Dubas. Zischend brannten die Lunten ab, dann krachten die Geschütze. Drei Kugeln rasten auf die heranpreschenden Sarden zu. Sie schlugen vor der Meute in die Erde.

Ganze Grassoden wirbelten hoch. Die Banditen fluchten. Ihre Pferde bäumten sich wiehernd auf. Einer der Kerle stürzte vom Sattel zu Boden und mußte sich schleunigst zur Seite rollen, um nicht von den Hufen der Tiere zu Tode getrampelt zu werden.

„Das war die Vorwarnung“, sagte der Seewolf. „Wenn sie sich nicht zurückziehen, gibt es Zunder. Ladet die Geschütze nach.“

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