Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten

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herbei und regalierte die Kinder schonend sparsam mit diesen

auserlesenen Leckerbissen. Auch schickte er eine hungrig

aussehende Magd hinaus, um dem Postillion ein Gläschen

anzubieten, wofür dieser aber mit den Worten dankte, wenn es

von demselben Faß wie das vorige sei, möchte er lieber nicht

kosten. Während dieser Zeit war Master Scrooges Koffer auf

den Wagen 26

den Wagen 26

gebunden worden, und die Kinder nahmen ohne Rührung von

dem Schulmeister Abschied, setzten sich in den Wagen und

fuhren so schnel zum Garten hinaus, daß der Reif und der

Schnee wie Schaum von den immergrünen Gebüschen

hinwegstob.

»Sie war immer ein zartes Wesen, das von einem Hauch hätte

verwelken können«, sagte der Geist. »Aber sie hatte ein großes

Herz.«

»Ja, das hatte sie«, rief Scrooge. »Ich will nicht widersprechen,

Geist. Gott verhüte es.«

»Sie starb als Frau«, sagte der Geist, »und hatte Kinder, glaube

ich.«

»Ein Kind«, antwortete Scrooge.

»Ja«, sagte der Geist. »Dein Neffe.«

Scrooge schien unruhig zu werden und antwortete kurz: »ja.«

Obgleich sie die Schule kaum einen Augenblick hinter s ich

gelassen hatten, befanden sie s ich doch plötzlich mitten in den

lebendigsten Straßen der Stadt, wo schattenhafte Fußgänger

vorübergingen, wo gespenstige Wagen und Kutschen um Platz

stritten und wo das ganze wirre Leben einer wirklichen Stadt

stritten und wo das ganze wirre Leben einer wirklichen Stadt

herrschte. Am Aufputz der Läden sah man, daß auch hier

Weihnachten war; aber es war Abend und die Straßenlaternen

brannten.

Der Geist blieb vor dem Eingang eines Lagerhauses stehen und

fragte Scrooge, ob er dies kenne.

»Ob ich es kenne?« sagte Scrooge. »Hab ich hier nicht gelernt?«

Sie traten ein. Beim Anblick eines alten Herrn in einer

Stutzperücke, der hinter einem so hohen Pult saß, daß er mit

dem Kopf hätte an die Decke stoßen müssen, wäre er zwei Zoll

größer gewesen, rief Scrooge in großer Aufregung:

»Ha, das ist ja der alte Fezziwig, Gott segne ihn, es ist Fezziwig,

wie er leibt und lebt!«

Der alte Fezziwig legte seine Feder hin und sah hinauf nach der

Uhr, deren Zeiger auf sieben stand. Er rieb die Hände, zog seine

geräumige Weste herunter, schüttelte sich vor heimlichem Lachen

von Kopf bis Fuß und rief mit einer behäbigen, voll und doch

mild tönenden heiteren Stimme: »Hallo, dort!

Ebenezer! Dick!«

Scrooges früheres Selbst, jetzt zu einem Jüngling geworden, trat

flink herein, begleitet von seinem Mitlehrling.

»Dick Wilkins, wahrhaftig!« sagte Scrooge zu dem Geist.

»Wahrhaftig, er ist es. Er war mir sehr zugetan, der Dick. Der

arme Dick! Du meine Güte!«

»Hallo, meine Burschen«, rief Fezziwig. »Feierabend heute.

Weihnachten, Dick! Weihnachten Ebenezer! Macht die Läden

zu, schnel ! Ehe einer Jack Robinson sagen kann.« So rief der

alte Fezziwig, munter die Hände zusammenschlagend.

Kaum zu glauben, wie rasch und munter die beiden Jungen

darangingen. Sie liefen mit den Läden hinaus -eins, zwei, drei -

hatten sie eingesetzt - vier, fünf, sechs - sie zugeriegelt und

zugeschraubt - sieben, acht, neun - und kamen zurück, ehe man

zwölf sagen konnte, außer Atem, wie Rennpferde.

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»Hussahoh!« rief der alte Fezziwig, mit wunderbarer

Geschicklichkeit von seinem hohen Sessel herunterspringend.

»Aufräumen, Jungens, und macht viel Platz! Hussahoh, Dick!

Hallo, Ebenezer!«

Aufräumen! Es gab nichts, was sie nicht wegräumen wol ten

oder wegräumen konnten, wenn der alte Fezziwig zusah. Es war

in einer Minute geschehen.

Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde in die Winkel

geschoben, als sei es für immer aus dem öffentlichen Dienste

geschoben, als sei es für immer aus dem öffentlichen Dienste

entlassen; der Flur wurde gekehrt und gesprengt, die Lampen

geputzt, Kohlen auf das Feuer geschüttet, und der Laden war so

behaglich, so warm und hel wie ein Ballsaal und wie man es nur

an einem Winterabend verlangen konnte.

Jetzt trat ein Fiedler mit einem Notenbuch herein, er kletterte auf

Fezziwigs hohen Stuhl, machte ihn zum Orchester und begann zu

stimmen, als hätte er fünfzigfaches Bauchweh. Dann kam Mrs.

Fezziwig, ein einziges behagliches Lächeln. Dann kamen die drei

Miss Fezziwig, freudestrahlend und liebenswürdig. Dann kamen

die sechs Jünglinge, deren Herzen s ie brachen.

Dann kamen die Burschen und Mädchen, die im Haus einen

Dienst hatten: das Hausmädchen mit ihrem Vetter, dem Bäcker,

die Köchin mit ihres Bruders vertrautem Freund, dem

Milchmann. Dann kam der Bursche von gegenüber, von dem

man sagte, er habe bei seinem Herrn knappe Kost; er versuchte,

sich hinter dem Mädchen aus dem Nachbarhaus zu verstecken,

der man nachwies, sie sei von ihrer Herrschaft an den Ohren

gezogen worden. Sie kamen alle, einer nach dem andern; einige

schüchtern, andere keck, einige mit Geschick, andere mit

Ungeschick, die zerrend und jene stoßend. Dann ging es los,

zwanzig Paare auf einmal, eine halbe Runde hin und zurück, dann

die Mitte des Zimmers hinauf und wieder herab, dann in

zärtlichen Gruppen sich drehend: das alte erste Paar immer an

der falschen Stelle, das nächste erste Paar immer zur falschen

Zeit, bis alle Paare erste waren und kein einziges mehr das letzte.

Zeit, bis alle Paare erste waren und kein einziges mehr das letzte.

Als sie so weit gekommen waren, klatschte der alte Fezziwig

zum Zeichen, daß der Tanz aus sei, in die Hände und rief

»Bravo!«, und der Fiedler senkte sein glühendes Gesicht in einen

Krug Porter, der besonders zu diesem Zweck neben ihm stand.

Aber kaum war er wieder heraus, als er, obgleich noch keine

Tänzer dastanden, wieder aufzuspielen begann, als sei der alte

Fiedler erschöpft nach Hause getragen worden und er ein ganz

frischer, entschlossen, den alten vergessen zu machen oder zu

sterben.

Dann folgten noch mehrere Tänze und Pfänderspiele und wieder

Tänze. Dann kam Kuchen und Negus und ein großes Stück

kalter Braten, und dann ein großes Stück kaltes Siedfleisch und

Fleischpasteten und viel Bier. Aber der Glanzpunkt des Abends

kam nach dem Siedfleisch, als der Fiedler (ein heller Kopf, er

kannte sein Geschäft besser, als ihr oder ich es hätte lehren

können) den Großvatertanz »Sir Roger de Coverley«zu spielen

begann. Da trat der alte Fezziwig mit Mrs. Fezziwig an, und zwar

als das erste Paar. Sie hatten ein gutes Stück Arbeit vor sich,

drei- oder vierundzwanzig Partner, Leute, mit denen nicht zu

spaßen war, Leute, die tanzen wol ten und keine Lust hatten, zu

spazieren.

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Aber selbst wenn es zweimal, ja viermal soviel gewesen wären,

hätte es der alte Fezziwig mit ihnen aufgenommen und auch Mrs.

Fezziwig. Sie war im vollen Sinn des Wortes würdig, seine

Tänzerin zu sein. Wenn das kein großes Lob ist, so sagt mir ein

größeres und ich will es aussprechen. Von Fezziwigs Waden

schien ein eigener Glanz auszugehen. Sie leuchteten in jedem Teil

des Tanzes wie ein Paar Monde. Ihr hättet zu keiner Minute

voraussagen können, was aus ihnen in der nächsten wird. Und

als der alte Fezziwig und Mrs.

Fezziwig alle Touren des Tanzes durchgemacht hatten, sprang

Fezziwig alle Touren des Tanzes durchgemacht hatten, sprang

Fezziwig so geschickt, als zwinkere er mit den Beinen, und kam,

ohne zu wanken, wieder auf die Füße.

Mit dem Glockenschlag elf war dieser häusliche Ball zu Ende.

Mr. und Mrs.

Fezziwig stellten sich zu beiden Seiten der Tür auf, schüttelten

jedem einzelnen der Gäste die Hand zum Abschied und

wünschten ihm oder ihr fröhliche Weihnachten.

Als alles, außer den zwei Lehrlingen, fort war, wünschten sie

diesen das gleiche. So waren die heiteren Stimmen verklungen,

und die Burschen gingen in ihr Bett, das sich unter einem

Ladentisch hinten im Lagerraum befand.

Während dieser ganzen Zeit hatte sich Scrooge wie ein

Verrückter benommen.

Sein Herz und seine Seele waren bei dem Ball und seinem

früheren Selbst. Er bestätigte alles, erinnerte sich an alles, freute

sich über alles und befand sich in der seltsamsten Aufregung.

Nicht eher als bis die fröhlichen Gesichter seines früheren Selbst

und das Antlitz Dicks verschwunden waren, dachte er daran,

daß der Geist neben ihm stand und ihn anschaute, während das

Licht auf seinem Haupt in voller Klarheit brannte.

»Eine Kleinigkeit war's doch«, meinte der Geist, »diesen

närrischen Leuten solche Dankbarkeit einzuflößen.«

närrischen Leuten solche Dankbarkeit einzuflößen.«

»Eine Kleinigkeit!« gab Scrooge zurück.

Der Geist bedeutete ihm, den beiden Lehrlingen zuzuhören, die s

ich gegenseitig mit Lobpreisungen Fezziwigs überboten; und als

Scrooge das getan hatte, sprach der Geist: »Nun, ist es nicht so?

Er hat nur ein paar Pfund irdischen Mammons hingegeben;

vielleicht drei oder vier. Ist das so der Rede wert, daß er solches

Lob verdient?«

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»Das ist's nicht«, sagte Scrooge, von dieser Bemerkung gereizt

und wie sein früheres, nicht wie sein jetziges Selbst sprechend.

»Das ist's nicht, Geist. Er hat die Macht, uns glücklich oder

unglücklich, unsern Dienst zu einer Lust oder zu einer Bürde, zu

 

einer Freude oder zu einer Qual zu machen. Du magst sagen,

seine Macht liege in Worten und Blicken, in so unbedeutenden

und kleinen Dingen, daß es unmöglich ist, sie herzuzählen: was

schadet das? Das Glück, das er bereitet, ist so groß, als wenn es

sein ganzes Vermögen kostete.«

Er fühlte des Geistes Blick und schwieg.

»Was gibt's?« fragte der Geist.

»Nichts, nichts«, sagte Scrooge.

»Aber doch etwas, wie?« drängte der Geist.

»Nein«, sagte Scrooge, »nein. Ich möchte nur eben jetzt ein paar

Worte mit meinem Kommis sprechen. Das ist al es.«

Sein früheres Selbst löschte gerade die Lampen aus, als er

diesen Wunsch aussprach, und Scrooge und der Geist standen

wieder im Freien.

»Meine Zeit geht zu Ende«, sagte der Geist. »Schnel !«

Dieses letzte Wort war nicht zu Scrooge oder zu jemand, den er

sehen konnte, gesprochen, aber es wirkte sofort. Denn wieder

sah Scrooge sich selbst. Er war jetzt älter geworden -. ein Mann

in der Blüte seiner Jahre. Sein Ges icht hatte noch nicht die

schroffen, rauhen Züge seiner späteren Jahre, aber schon begann

es Anzeichen der Sorge und des Geizes anzunehmen. In seinem

Auge brannte ein ruheloses, habsüchtiges Feuer, das Zeugnis gab

von der Leidenschaft, die dort Wurzeln geschlagen hatte, und

zeigte, wohin der Schatten des wachsenden Baumes fal en

würde.

Er war nicht allein, sondern saß neben einem schönen jungen

Mädchen in Trauerkleidern. In ihren Augen standen Tränen, die

in dem Licht glänzten, das von dem Geist vergangener

Weihnachten ausströmte.

»Es ist ohne Bedeutung«, sagte sie sanft, »und für Sie von gar

»Es ist ohne Bedeutung«, sagte sie sanft, »und für Sie von gar

keiner. Ein anderes Götzenbild hat mich verdrängt; und wenn es

Sie in späterer Zeit trösten und aufrecht erhalten kann, wie ich es

versucht hätte, so habe ich keine Ursache zu klagen.«

»Welches Götzenbild hätte Sie verdrängt?« erwiderte er.

»Ein goldenes.«

»Dies ist die Gerechtigkeit der Welt!« sagte er. »Gegen nichts ist

sie so hart als gegen die Armut; und nichts tadelt s ie

unnachsichtiger als das Streben nach Reichtum.«

»Sie fürchten das Urteil der Welt zu sehr«, antwortete sie sanft.

»Al e Ihre andern Hoffnungen sind in der einen aufgegangen, vor

diesem engherzigen Vorwurf gesichert zu sein. Ich habe Ihre

edleren Bestrebungen eine nach der andern verschwinden sehen,

bis Sie ganz die eine Leidenschaft, die Gier nach Gold, erfül te.

Ist es nicht so?«

»Und wenn es so wäre?« antwortete er. »Wenn ich soviel klüger

geworden wäre, was dann? Gegen Sie bin ich nie anders

geworden.«

Sie schüttelte den Kopf.

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»Bin ich anders?«

»Unser Bund ist alt. Er wurde geschlossen, als wir beide arm und

zufrieden waren, unser Los durch ausdauernden Fleiß verbessern

zu können. Sie haben sich aber verändert! Damals, als er

geschlossen wurde, waren Sie ein anderer Mensch.«

»Ich war ein Knabe«, sagte er ungeduldig.

»Ihr eigenes Gefühl sagt Ihnen, daß Sie nicht so waren, wie Sie

jetzt s ind«, antwortete sie. »Ich bin noch dieselbe. Das, was uns

Glück versprach, als wir noch ein Herz und eine Seele waren,

muß uns Unglück bringen, da wir im Geiste nicht mehr eins sind.

Wie oft ich und wie bitter dies gefühlt habe, will ich nicht sagen;

es ist genug, daß ich es gefühlt habe und daß ich Ihnen Ihr Wort

zurückgeben kann.«

»Habe ich dies jemals verlangt?«

»In Worten? Nein. Niemals.«

»Wie dann?«

»Durch ein verändertes Wesen, durch einen andern Sinn, durch

andere Bestrebungen im Leben und durch andere Hoffnungen -

in allem, was meiner Liebe in Ihren Augen Wert gab. Wenn alles

Frühere nicht zwischen uns geschehen wäre«, sagte das

Mädchen, ihn mit sanftem, aber festem Blicke ansehend,

»würden Sie mich jetzt aufsuchen und um mich werben? Gewiß

nicht!«

nicht!«

Er schien die Wahrheit ihrer Worte wider seinen Wil en

zuzugeben. Aber er tat seinen Gefühlen Gewalt an und sagte:

»Sie glauben nicht?«

»Gern glaubte ich es, wenn ich könnte«, sagte sie, »Gott weiß es.

Wenn ich eine Wahrheit wie diese erkannt habe, weiß ich, wie

unwiderstehlich sie sein muß. Aber sol ich glauben, daß Sie ein

armes Mädchen wählen würden, wenn Sie heute oder morgen

oder gestern frei wären, Sie, der selbst in den vertrautesten

Stunden al es nach dem Gewinn mißt? Oder sol ich mir

verhehlen, daß Sie gewiß einst sich getäuscht und bittere Reue

fühlen würden, weil Sie für einen Augenblick Ihrem einzigen

leitenden Grundsatz untreu werden? Nein, und deswegen gebe

ich Ihnen Ihr Wort zurück: wil ig und um der Liebe dessentwillen

der Sie einst waren.«

Er wol te sprechen, aber mit abgewendetem Gesicht fuhr sie fort:

»Vielleicht - der Gedanke an die Vergangenheit läßt es mich fast

hoffen - wird es Sie schmerzen. Eine kurze, sehr kurze Zeit, und

Sie werden dann die Erinnerung daran fallenlassen, wie die

Gedanken an einen nichtigen Traum, aus dem zu erwachen ein

Glück für Sie war. Möge Sie alles Glück auf dem gewählten

Lebensweg begleiten!«

Sie schieden.

Sie schieden.

»Geist«, sagte Scrooge, »zeig mir nichts mehr, führ mich nach

Hause. Warum erfreust du dich daran, mich zu quälen?«

»Noch einen Schatten«, rief der Geist aus.

»Nein«, rief Scrooge. »Nein. Ich mag nichts mehr sehen. Zeig

mir nichts mehr.«

31

Aber der erbarmungslose Geist hielt ihn mit beiden Händen fest

und zwang ihn, zu betrachten, was als nächstes geschah.

Sie befanden sich an einem andern Ort, in einem Zimmer, nicht

sehr groß oder schön, aber voller Behaglichkeit. Neben dem

Kamin saß ein schönes junges Mädchen, das der, die Scrooge

soeben gesehen hatte, so ähnlich war, daß er glaubte, es sei

dieselbe, bis er diese, jetzt eine stattliche Matrone, der Tochter

gegenüber sitzen sah. In dem Zimmer war ein wahrer Aufruhr,

denn es befanden sich mehr Kinder darin, als Scrooge in seiner

Aufregung zählen konnte; und hier betrugen sich nicht vierzig

Kinder wie eins, sondern jedes Kind wie vierzig. Die Folge

davon war ein Lärm sondergleichen; aber niemand schien sich

darüber aufzuregen. im Gegenteil, Mutter und Tochter lachten

herzlich und freuten sich darüber, und die letztere, die sich bald in

die Spiele mischte, wurde von den kleinen Schelmen gar

grausam mitgenommen. Was hätte ich darum gegeben, eines

grausam mitgenommen. Was hätte ich darum gegeben, eines

dieser Kinder zu sein, obgleich ich nie so ungezogen gewesen

wäre! Nein, nein! Für al e Schätze der Welt hätte ich nicht diese

Locken zerdrückt und zerwühlt; und diesen lieben, kleinen Schuh

hätte ich nicht entwendet, selbst um mein Leben zu retten. Im

Scherz ihre Taille zu messen, wie die dreiste junge Brut tat, hätte

ich nicht gewagt aus Furcht, mein Arm würde zur Strafe krumm

und nie wieder gerade wachsen. Und doch, wie gern, ich gestehe

es, hätte ich ihre Lippen berührt; wie gern sie ausgefragt, damit

sie s ich geöffnet hätten; wie gern hätte ich die Wimpern dieser

niedergeschlagenen Augen betrachtet, ohne ein Erröten

hervorzurufen; wie gern dieses wogende Haar gelöst, von dem

eine einzige Locke ein unschätzbares Andenken gewesen wäre:

kurz, wie gern hätte ich das kleinste Vorrecht eines dieser

Kinder gehabt, mit der Bedingung, Manns genug zu bleiben, um

seinen Wert zu fühlen.

Aber jetzt wurde ein Klopfen an der Tür laut, was einen so

allgemeinen Ansturm hervorrief, daß sie mit lachendem Gesicht

und zerknülltem Kleid in der Mitte eines lärmenden Haufens nach

der Tür gedrängt wurde, dem Vater entgegen, der nach Hause

kam in Begleitung eines mit Weihnachtsgeschenken beladenen

Mannes. Aber nun das Geschrei und das Gedränge und der

Sturm auf den verteidigungslosen Träger! Wie sie an ihm auf

Stühlen hinaufstiegen, in seine Taschen guckten, die

Papierpäckchen raubten, an seiner Halsbinde zupften, an seinem

Halse hingen, ihm auf den Rücken trommelten oder an die Beine

stießen - alles in unwiderstehlicher Freude! Dann die Ausrufe der

stießen - alles in unwiderstehlicher Freude! Dann die Ausrufe der

Verwunderung und des Frohlockens, mit denen der Inhalt jedes

Päckchens begrüßt wurde! Die schreckliche Kunde, daß das

Kleinste ertappt worden sei, wie es die Puppenbratpfanne in den

Mund gesteckt und wohl gar das hölzerne Huhn samt der

Schüssel hinuntergeschluckt habe! Die große Beruhigung, als

man entdeckte, daß es falscher Alarm gewesen war! Die Freude

und die Dankbarkeit und das Entzücken! Dies alles übertrifft alle

Beschreibung. Es muß genügen, zu wissen, daß die Kinder und

ihre Freunde endlich aus dem Zimmer kamen und über eine

Treppe in den obersten Stock hinaufgingen, wo sie zu Bett

gebracht wurden und blieben.

32

Und als Scrooge jetzt sah, wie sich der Herr des Hauses, die

Tochter zärtlich an seine Seite geschmiegt, mit ihr und ihrer

Mutter an seinem eigenen Herd niedersetzte; und wie er dachte,

daß ihn ein solches Wesen ebenso lieblich und hoffnungsfroh

hätte Vater nennen und wie der Frühling im öden Winter seines

Lebens hätte sein können, da wurden seine Augen wirklich

trübe.

»Belle«, sagte der Mann, sich lächelnd zu seiner Gattin wendend,

»ich sah heut nachmittag einen alten Freund von dir.«

»Wer war es?«

»Rate mal.«

»Wie kann ich das? Ach, jetzt weiß ich schon«, fügte sie sogleich

hinzu, lachend, und auch er lachte. »Mr. Scrooge.«

»Ja, Mr. Scrooge. Ich ging an seinem Kontorfenster vorüber;

und da kein Laden davor war und Licht brannte, mußte ich ihn

sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er war

sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er war

allein. Ganz allein in der weiten Welt, glaube ich.«

»Geist«, rief Scrooge mit bebender Stimme, »führe mich weg

von diesem Ort.«

»Ich sagte dir, daß dies Schatten gewesener Dinge sind«, sagte

der Geist. »Gib nicht mir die Schuld, daß sie sind, wie sie sind.«

»Führe mich weg«, rief Scrooge aus. »Ich kann es nicht

ertragen.«

Er wandte sich dem Geist zu, und wie er sah, daß er ihn mit

einem Gesicht anblickte, in dem sich auf eine seltsame Weise all

die Gesichter zeigten, die er bisher gesehen hatte, rang er mit

ihm.

»Verlaß mich, führ mich weg. Verfolge mich nicht länger.«

In dem Kampf, wenn es ein Kampf genannt werden kann, wie

der Geist, ohne sichtbaren Widerstand seinerseits, von den

Angriffen seines Gegners unberührt blieb, bemerkte Scrooge,

daß das Licht auf seinem Haupt hoch und hel brannte, und in

einem dunklen instinktiven Gefühl jenes Licht sei mit des Geistes

Einfluß auf ihn verbunden, ergriff er den Löschhut und stülpte ihn

auf des Geistes Haupt.

Der Geist sank zusammen, so daß der Löschhut seine ganze

Gestalt bedeckte; aber obgleich Scrooge ihn mit seiner ganzen

Kraft niederdrückte, konnte er das 33

Licht nicht ganz verbergen, das darunter hervor- und mit hellem

Schimmer über den Boden floß.

Er fühlte sich erschöpft und von einer unüberwindlichen

Schläfrigkeit befallen und wußte, daß er in seinem eigenen

Schlafzimmer war. Er gab dem Löschhut einen letzten Druck und

fand kaum Zeit, in das Bett zu wanken, bevor er in tiefen Schlaf

sank.

34

Dritte Strophe

Der zweite Geist

Scrooge erwachte mitten in einem tüchtigen Geschnarche und

setzte sich im Bett auf; um seine Gedanken zu sammeln. Diesmal

hatte niemand nötig, ihm zu sagen, daß es gerade eins sei. Er

fühlte, daß er just zu der rechten Zeit und zu dem ausdrücklichen

Zweck erwacht sei, um eine Zusammenkunft mit dem zweiten an

ihn durch Jacob Marleys Vermittlung abgesandten Boten zu

haben.

Aber bei dem Gedanken, welche seiner Bettgardinen das neue

Gespenst wohl zurückschlüge, wurde es ihm ganz unheimlich

kalt, und so schlug er sie mit seinen eigenen Händen zurück.

Dann legte er s ich wieder zurück und beschloß, genau

aufzupassen, denn er wol te den Geist in dem Augenblick seiner

 

Erscheinung anrufen und wünschte nicht überrascht und

erschreckt zu werden.

Leute von keckem Mut, die sich schmeicheln, es schon mit

etwas aufnehmen zu können und immer an ihrem Platz zu sein,

drücken den weiten Bereich ihrer Fähigkeiten mit den Worten

aus: Sie wären gut für al es, vom Brotessen bis zum

Menschenverschlingen, da zwischen beiden Extremen ohne

Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

Ohne gerade zu behaupten, daß es Scrooge so weit gebracht

hätte, muß ich doch von dem Leser den Glauben fordern, daß er

auf eine recht schöne Auswahl von Erscheinungen gefaßt war

und daß ihn nichts zwischen einem Wickelkind und einem

Rhinozeros al zusehr in Verwunderung gesetzt hätte.

Eben weil er beinahe auf alles gefaßt war, war er nicht

vorbereitet, nichts zu sehen; und daher überfiel ihn ein heftiges

Zittern, als die Glocke eins schlug und keine Gestalt erschien.

Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde vergingen, aber

es kam nichts. Die ganze Zeit über lag er auf seinem Bett, dem

Kern und Mittelpunkt eines rötlichen Lichtes, das sich darüber

ergoß, als die 35

Glocke die Stunde verkündete, und das, weil es nur Licht war,

viel beunruhigender als ein Dutzend Geister war, da es ihn

unmöglich erraten ließ, was es bedeute oder was es wol e. Ja, er

fürchtete zuweilen, er könnte in diesem Augenblick ein

merkwürdiger Fall von Selbstentzündung sein, ohne den Trost zu

haben, es zu wissen. Endlich jedoch fing er an zu begreifen, daß

die Quelle dieses geisterhaften Lichtes wohl in dem anliegenden

Zimmer sei, aus dem es bei näherer Betrachtung zu strömen

schien. Wie dieser Gedanke die Herrschaft über seine Seele

bekommen hatte, stand er leise auf und schlich in den Pantoffeln

nach der Tür.

In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

Klinke legte, rief ihn eine fremde Stimme bei Namen und hieß ihn

eintreten. Er gehorchte.

Es war sein eigenes Zimmer. Daran ließ sich nicht zweifeln. Aber

eine wunderbare Umwandlung war mit ihm vorgegangen. Wände

und Decke waren ganz mit grünen Zweigen bedeckt, daß es

aussah wie eine Laube, in der überall glänzende Beeren

schimmerten. Die glänzenden, starren Blätter der Stechpalme,

der Mistel und des Efeus warfen das Licht zurück und erschienen

wie ebenso viele kleine Spiegel. Eine so gewaltige Flamme

loderte die Esse hinauf, wie sie dieses Spottbild eines Kamines

zu Scrooges oder Marleys Zeit seit vielen, vielen Wintern nicht

gekannt hatte. Auf dem Fußboden waren zu einer Art von Thron

Truthähne, Gänse, Wildbret, große Braten, Spanferkel, lange

Reihen von Würsten, Pasteten, Plumpuddings, Austerfäßchen,

glühende Kastanien, rotbäckige Äpfel, saftige Orangen,

appetitliche Birnen, ungeheure Stollen und siedende

Punschbowlen aufgehäuft, die das Zimmer mit köstlichem

Geruch erfül ten. Auf diesem Thron saß behaglich und mit

fröhlichem Angesicht ein Riese, gar herrlich anzuschauen. In der

Hand trug er eine brennende Fackel, fast wie ein Füllhorn

gestaltet, und hielt s ie steil in die Höhe, um Scrooge damit zu

beleuchten, wie er in das Zimmer guckte.

»Nur herein«, rief der Geist. »Nur herein, und lerne mich besser

kennen.«

Scrooge trat schüchtern ein und senkte das Haupt vor dem

Geiste. - Er war nicht mehr der hartfühlende, nichtsscheuende

Scrooge von früher, und obgleich des Geistes Augen hell und

mild glänzten, wünschte er ihnen doch nicht zu begegnen.

»Ich bin der Geist der diesjährigen Weihnachtsnacht«, sagte die

Gestalt. »Sieh mich an.«

Scrooge tat es mit ehrfurchtsvollem Blick. Der Geist war

gekleidet in ein einfaches, dunkelgrünes Gewand, mit weißem

Pelz verbrämt. Die breite Brust war entblößt, als verschmähe sie,

sich zu verstecken. Auch die Füße waren bloß und schauten

unter den weiten Falten des Gewandes hervor; und das Haupt

hatte keine andere Bedeckung, als einen Stechpalmenkranz, in

dem hie und da Eiszapfen glänzten. Seine dunkelbraunen Locken

wallten fessel os auf die Schultern. Sein munteres Gesicht, sein

glänzendes Auge, seine fröhliche Stimme, sein ungezwungenes

Benehmen, alles sprach von Offenheit und 36

heiterem Sinn. Um den Leib trug er eine alte Degenscheide

gegürtet; aber sie war von Rost zerfressen und kein Schwert

steckte darin.

»Du hast meinesgleichen nie vorher gesehen«, rief der Geist.

»Niemals«, entgegnete Scrooge.

»Hast dich nie mit den jüngern Gliedern meiner Familie

»Hast dich nie mit den jüngern Gliedern meiner Familie

abgegeben; ich meine (denn ich bin sehr jung) meine älteren

Brüder, die in den vergangenen Jahren geboren worden sind?«

fuhr das Phantom fort.

»Ich glaube nicht«, sagte Scrooge. »Doch es tut mir leid, es nicht

getan zu haben. Hast du viele Brüder gehabt, Geist?«

»Mehr als achtzehnhundert«, sagte dieser.

»Eine schrecklich große Familie, wenn man für sie zu sorgen

hat«, murmelte Scrooge.

Der Geist der diesjährigen Weihnacht erhob sich.

»Geist«, sagte Scrooge demütig, »führe mich, wohin du willst.

Gestern Nacht wurde ich durch Zwang hinausgeführt und mir

wurde eine Lehre gegeben, die jetzt Wirkung zeigt. Heute bin ich

bereit zu folgen, und wenn du mich etwas zu lehren hast, will ich

gern hören.«

»Berühre denn mein Gewand.«

Scrooge tat wie ihm geheißen und hielt es fest.

Stechpalmen, Misteln, rote Beeren, Efeu, Truthähne, Gänse,

Spanferkel, Braten, Würste, Austern, Pasteten, Puddings,

Früchte und Punsch, al es verschwand blitzschnell. Auch das

Zimmer verschwand, das Feuer, der rötliche Schimmer, die

Zimmer verschwand, das Feuer, der rötliche Schimmer, die

nächtliche Stunde, und sie standen in den Straßen der Stadt, am

Morgen des Weihnachtstages, wo die Leute - denn es war sehr

kalt - eine rauhe, aber fröhliche und nicht unangenehme Musik

machten, indem sie den Schnee von dem Straßenpflaster und

den Dächern der Häuser zusammenfegten. Und daneben standen

die Kinder und freuten sich und kreischten, wenn die

Schneelawinen von den Dächern herunterstürzten und in

künstliche Schneestürme zerstoben.

Die Häuser erschienen schwarz und die Fenster noch schwärzer,

verglichen mit der faltenlosen, weißen Schneedecke auf den

Dächern und dem schmutzigeren Schnee auf den Straßen. Dort

war er von den schweren Rädern der Wagen und Karren in tiefe

Furchen gepflügt; Furchen, die sich hundert- und aberhundertmal

kreuzten, wo eine Straße abging, und die in dem dicken, gelben

Schmutz und halberstarrten Wasser labyrinthische Gerinnsel

bildeten. Der Himmel war trübe, und selbst die kürzesten

Straßen schienen sich in einem dicken Nebel zu verlieren, dessen

schwerere Teile in einem rußigen Regen niederfielen, als hätten

alle Essen von England s ich auf einmal entzündet und qualmten

jetzt nach Herzenslust. Es war in der ganzen Umgebung nichts 37

Heiteres, und doch lag etwas in der Luft, was die klarste

Sommerluft und die hellste Sommersonne nicht hätten verbreiten

können.

Denn die Leute, die den Schnee von den Dächern schaufelten,

waren lustig und mutwilliger Laune. Sie riefen von den Dächern

waren lustig und mutwilliger Laune. Sie riefen von den Dächern

einander zu und wechselten dann und wann einen Schneeball -

ein Pfeil, der harmloser war als manches Wort - und lachten

herzlich, wenn er traf, und nicht minder herzlich, wenn er fehlging.

Die Läden der Geflügelhändler waren noch halb offen und die

der Fruchthändler strahlten in heller Freude. Da sah man - als

wären es Westen lustiger alter Herren - große runde,

dickbäuchige Körbe mit Kastanien an den Türen lehnen oder in

ihrem apoplektischen Überfluß auf die Straße rol en. Da sah man

braune, umfangreiche, spanische Zwiebeln, in ihrer Fettigkeit

spanischen Mönchen gleichend und mutwil ig den Mädchen

winkend, die vorübergingen und verschämt nach dein

Mistelzweig schielten. Da sah man Birnen und Äpfel zu

Pyramiden aufeinandergepackt: Trauben, die der Kaufmann in

seiner Gutmütigkeit recht augenfällig im Gewölbe hängen ließ,

daß den Vorübergehenden der Mund gratis wässerte, Haufen

von Haselnüssen, bemoost und braun, mit ihrem frischen Duft an

vergangene Streifzüge im Wald durch das raschelnde, fußhohe,

welke Laub erinnernd, Norfolk-Biffins, fett und kraus, mit ihrer

Bräune von den gelben Orangen abstechend und gar dringlich

bittend, daß man sie nach Hause trage und nach Tische esse. Ja,

selbst die Gold-und Silberfische, die in einem Glase mitten unter

den erlesenen Früchten standen, schienen zu wissen, daß etwas

Besonderes los sei, obgleich sie von einem dick- und kaltblütigen

Geschlecht waren, und schwammen um ihre kleine Welt in

langsamer und leidenschaftsloser Bewegung.

Ach die Kolonialwarenläden! Fast geschlossen waren sie,

Ach die Kolonialwarenläden! Fast geschlossen waren sie,

vielleicht ein oder zwei Laden vorgesetzt: aber welche

Herrlichkeiten sah man durch diese Öffnungen! Nicht al ein, daß

die Waagschalen mit fröhlichem Klingklang auf dem Ladentisch

rumorten, oder daß der Bindfaden so munter von seiner Rolle

schnurrte, oder daß die Büchsen blitzschnell hin und her fuhren

wie durch Zauberei, oder daß der Mischgeruch von Kaffee und

Tee der Nase so wohl tat, nicht daß die Rosinen so

wunderschön, die Mandeln so außerordentlich weiß, die

Zimtstengel so lang und gerade, die andern Gewürze so köstlich,

die eingemachten Früchte so dick mit geschmolzenem Zucker

belegt waren, daß der kälteste Zuschauer entzückt wurde; nicht

al ein, daß die Feigen so saftig und fleischig waren, oder daß die

Brignolen in bescheidener Koketterie in ihren verzierten Büchsen

erröteten, oder daß alles so gut zu essen oder so schön in seinem

Weihnachtskleid war: das war es nicht al ein. Die Kaufenden

waren auch alle so eifrig und eilig in der Vorfreude auf das Fest,

daß sie in der Türe gegeneinanderrannten, wie von Sinnen mit

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