Читать книгу: «Seewölfe Paket 33», страница 19

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1.

Philip Hasard Killigrew alias Don Julio de Vilches hatte an diesem Morgen wieder einmal ein deutliches Gefühl des Unbehagens. Er konnte sich selbst nicht erklären, was diese innere Unruhe hervorrief. Nach der furchtbaren Explosion, von der die „Respeto“ zerrissen worden war, hatte sich der Konvoi wieder neu formiert und segelte weiter.

„Neun verdammte Silberschiffe“, murmelte Hasard im Selbstgespräch. Der kräftige Wind riß ihm die Worte von den Lippen. „Ob sie jemals heil in London eintreffen, das mag der Teufel wissen.“

Der Schiffsverband befand sich außerhalb der Sicht von Land. Bei besserem Wetter würde man vielleicht die Gipfel der Cordillera Cantabrica an Steuerbord sehen.

„Wer ist der nächste?“ fragte sich der Seewolf leise und richtete das Spektiv auf die „Salvador“.

Er ahnte – auch das war ein Teil seiner steigenden Besorgnis –, daß im vorletzten Monat des Jahres die Stürme aus der Biscaya eine zusätzliche Gefährdung für die Schiffe darstellten. Immerhin war jedes Schiff auf seine Weise nicht gerade neu und zumindest ebenso gefährdet wie die unglückliche „Respeto“ oder die „Nobleza“, die verschollen blieb und wahrscheinlich zu den Opfern des großen Raids gezählt werden mußte.

Auf der „Salvador“ schien alles in Ordnung zu sein. Hasard sah die weißen Schaumkronen der Atlantikwellen und hoffte, der Wind würde so bleiben und nicht stärker werden. Hinter sich hörte er Schritte, er drehte sich um, und seine Augen begegneten dem Blick des Kutschers.

Der mittelgroße Mann fuhr in leichter Verlegenheit durch sein dunkelblondes Haar.

„Was gibt’s?“ fragte Hasard ruhig.

Der Kutscher zwinkerte mit seinen blauen Augen.

„Sir“, begann er und griff nach einem Tau, „da ist etwas, das man nicht vergessen sollte.“

„Ich bemühe mich, nichts zu vergessen“, entgegnete Hasard. „Neuer Ärger, diesmal bei uns, unter Deck?“

Der Kutscher schüttelte den Kopf und lächelte zurückhaltend. Er deutete vage in die Richtung der neun Schiffe und meinte: „Ich wäre nicht sonderlich überrascht, Sir, wenn sich bei dem einen oder anderen Schiff Schwierigkeiten mit Proviant und Wasser herausstellen sollten. Ist ja schon verdammt lange her, seit sie gebunkert haben.“

Der Seewolf dachte nach und nickte schweigend. Dieses Problem hatten sie alle vorübergehend aus den Augen verloren. Die dramatischen Ereignisse, die einander fast ohne Unterbrechung abgelöst hatten, schlugen nicht nur Hasard und seine Seewölfe in ihren Bann.

„Und wie steht es bei uns mit dem Proviant?“ fragte er den Kutscher.

„Ganz gut. Natürlich könnten wir immer frisches Gemüse und Wasser, Wein oder Bier brauchen. Aber wir halten schon noch eine Weile durch.“

Der Kutscher richtete seine Augen dorthin, wo die portugiesische und nordspanische Küste hinter der Kimm lagen.

„Das ist natürlich das Lustigste, das uns einfallen könnte“, sagte der Seewolf und zuckte mit den Schultern. „Kaum hat der Wind den Rauch von der explodierten ‚Respeto‘ weggeblasen, laufen ausgerechnet wir in einen spanischen Hafen ein, um im Auftrag der Krone Proviant und Wasser zu fassen.“

„Warum eigentlich nicht?“ erkundigte sich der Kutscher trocken.

„Hm.“

Sie blieben eine Weile nebeneinander stehen und dachten schweigend darüber nach – über völligen Unsinn, wie Hasard sich sagen mußte.

„Ein Dutzend spanischer Schiffe, die das in Frankreich versuchen, würden weniger Glück haben“, brummte er schließlich. „Mit den Frenchmen haben wir ja unsere Erfahrungen schon hinter uns, und das nicht nur einmal.“

„Mit den Dons auch, aber sie sind von uns leichter hereinzulegen“, meinte der Kutscher. „Wie auch immer: Mac Pellew meint ebenfalls, daß allmählich bei denen das Wasser knapp wird. Vom Wein gar nicht zu reden.“

„Ich kann abwarten“, entgegnete Hasard und hob wieder sein Spektiv.

Schon zweimal hatte er den Konvoi und die Begleitschiffe durchgezählt. Die Zahl stimmte. Die Rauchfahne, die unter der Kimm zu sehen gewesen war, hatte also weder einen Kaperer noch ein neugieriges Patrouillenschiff angelockt. Trotzdem mußte damit gerechnet werden, daß sich gerade in diesem Gebiet des Atlantiks portugiesische, französische, spanische und niederländische Schiffe herumtrieben. Und kaum ein Kapitän würde gegen die Verlockungen in den Laderäumen des Konvois immun sein.

Hasard zweifelte nicht daran, daß wieder einmal die Gerüchte schneller waren als die Wirklichkeit. Natürlich gab ihm die Warnung des Kutschers zu denken.

Er richtete das Spektiv auf jenen Abschnitt der Kimm, hinter der nach Dan O’Flynns Berechnungen Kap Finisterre liegen sollte, unterhalb von Santiago de Compostela.

„Bei allen Fabelwesen der Sieben Meere“, sagte er schließlich zu sich und enterte von der Back auf die Kuhl ab. „Da werden wir uns wohl was einfallen lassen müssen. Dan? Mister Brighton? Her zu mir!“

„Aye, aye, Sir.“

Wie von keinem Seewolf anders erwartet, wehte im November vor dieser Küste ein steifer Südwest, der die Oberfläche des Atlantiks zerfurchte und harte, hohe Wellen voller Schaumkronen vor sich hertrieb. Dementsprechend würde an der meist steilen Küste ziemlicher Seegang herrschen. Die Brandung würde jedes Schiff, das auf Legerwall geriet, auf den Felsen erbarmungslos zerschmettern. Vielleicht war dieser starke Wind der Grund dafür, daß außer den Schiffen des Konvois zu dieser frühen Stunde kein anderer Segler unterwegs war.

Hasard wartete, bis sich auch Don Juan de Alcazar zu der Gruppe gesellte, dann sagte er: „Wie der Kutscher schon meinte, kann eine üble Überraschung auf uns zukommen. Ich überlege mir gerade, wie wir diese Überraschung an unsere spanischen Freunde an Land weitergeben können.“

Mit wenigen Sätzen unterrichtete er die kleine Crew von den Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die er sah.

Sofort antwortete der Spanier: „Da käme eigentlich nur Vigo in Frage.“

„Danke für den Rat, mein Freund“, erwiderte der Seewolf und zeigte ein Lächeln von der Art, das sie gut kannten. „Was hat Vigo, das andere Häfen nicht haben?“

„Wenn ich nicht irre, hat die Stadt einen leicht zu überzeugenden Statthalter oder Kleingouverneur. Da er seinen Wimpel in jedem Wind flattern läßt, denke ich, daß er noch immer Don Jaime La Roda heißt.“

„Du kennst ihn, Juan?“ fragte Dan O’Flynn.

„Ich habe genug von ihm gehört“, antwortete der Spanier. „Mehr als genug.“

„Was sagen die anderen Kapitäne dazu?“ fragte der Erste in sachlichem Ton.

„Die sind noch nicht gefragt worden“, erwiderte der Seewolf und schaute mit blitzenden eisblauen Augen zur „Isabella“ und zur „Wappen von Kolberg“ hinüber. „Zuerst beraten wir uns mit unseren Freunden.“

„Das empfiehlt sich dringend.“

Auch Ben Brighton schien sich für bestimmte Teilbereiche des zu erwartenden Abenteuers oder besser Vorhabens zu begeistern. Welches Risiko sie eingingen, wußten sie – darüber brauchte kein Wort verloren zu werden.

In Luv der Schatzgaleonen, die nicht gerade im Kielwasser des vorderen Schiffes, aber in einer klar erkennbaren Linie segelten, hielten sich die drei Begleitschiffe.

Vigo in der nordspanischen Provinz Galizien, nicht viel mehr als eine kleine Stadt um einen wenig bedeutenden Fischerhafen, hatte in seinem Rücken grüne, fruchtbare Hochflächen und Täler.

Die Küste war von tief eingekerbten Buchten geprägt, den „Rias“, die am Rand des stürmischen Atlantiks für unzählige Schiffe ideale Schlupfwinkel und Zufluchtstätten darstellten. Vigo lag an Steuerbord in einer Bucht, die tief ins Landesinnere führte. Soweit reichten die Informationen, die Dan O’Flynn hatte.

„Wie lange willst du noch warten, Sir?“ fragte er.

Wollten sie wirklich Vigo anlaufen, wenn auch nur mit einem Schiff, mußten sie bald daran denken, einen neuen Kurs abzusetzen. Dan schätzte die Entfernung auf einen Tag, einen Törn von etwa vierundzwanzig Stunden also.

Die Überlegungen der Seewölfe wurden unterbrochen.

Ihre Köpfe fuhren herum, als der Knall einer abgefeuerten Drehbasse an ihre Ohren drang.

„Das war auf Don Ricardos Flaggschiff“, stellte Ben Brighton fest. „Ein Signal.“

Aus einer Bugdrehbasse hatte der spanische Kapitän einen blinden Schuß abgeben lassen. Hasard und Dan hoben die Spektive an die Augen und peilten hinüber zur „Salvador“. Nach genauerem Hinsehen erkannten sie den Zweiten Offizier, Bernardo de Murcia, der aufgeregt seine kurzen Arme schwenkte.

Hasard rief zur Back: „Zeigt ihm, daß wir verstanden haben. Wir gehen näher. Jan, zwei Strich nach Steuerbord abfallen.“

„Aye, aye, Sir!“ rief Jan Ranse zurück.

Während die Schebecke den Kurs änderte und auf das erste Schiff des auseinandergezogenen Verbandes zusegelte, löste sich an Backbord, auch auf der Back, auf der „Concordia“ der nächste Signalschuß. Dumpf hallte der Lärm der Explosion über die Wellen. Eine dicke Rauchfahne wirbelte am Bugspriet der Galeone vorbei.

„Die Dons kriegen wohl alle gleichzeitig Hunger, wie?“ rief Carberry, der gerade an Deck erschien. „Kann uns nicht passieren.“

„Vielleicht meinen sie wirklich beide gleichzeitig dasselbe“, sagte Hasard und zuckte mit den Schultern. „Aber es ist durchaus vorstellbar, daß die Dons in Wirklichkeit etwas anderes wollen. Wir werden es in ein paar Minuten genau wissen.“

Ben Brighton hob die Hände an den Mund und rief im Befehlston: „Ab sofort kehren auf unserem Schiff wieder echt spanische Verhältnisse ein, verstanden, ihr falschen Dons?“

„Dann mußt du dem Plappergei auch noch gutes Spanisch beibringen“, riet Batuti lachend. „Was hast du vor, Sir?“

„Abwarten“, entgegnete der Seewolf. „Zuerst sprechen wir mit unseren Freunden.“

Es dauerte nicht länger als eine gute Viertelstunde, bis die Schebecke in Rufweite querab der „Salvador“ segelte. Die Arwenacks, die seit langen Tagen mit ihrer Maskerade keine Schwierigkeiten hatten, winkten.

„Don Ricardo!“ schrie Hasard vom Grätingsdeck zur Kampanje hinauf. „Was gibt es?“

„Es wird knapp mit Wasser und Proviant, Don Julio“, rief der Kapitän der „Salvador“ zurück. „Zwei, bestenfalls vier Tage, und dann hungern wir alle.“

„Wissen Sie, wie es auf den anderen Schiffen aussieht?“ rief Hasard und sah ein, daß er mit seiner Meinung recht behalten hatte.

„Von der ‚Concordia‘ weiß ich es genau. Die Männer sind ebenso übel mit den Vorräten dran.“

„Das heißt, daß wir unsere spanischen Freunde an Land in Anspruch nehmen müssen!“ rief Hasard. „Ärgerlich, diese Verzögerung.“

„In Vigo gäbe es Wasser“, empfahl der andere Kapitän.

„Aber ich hörte“, antwortete Hasard, innerlich über dieses vorgeschlagene Ziel hocherfreut, „daß der Hafen von Vigo zu klein für unsere vielen Schiffe sei.“

„Dann sollten wir nur mit ein paar Schiffen einlaufen und die Vorräte auf See oder in einer Bucht übergeben.“

„Recht so!“ schrie der Seewolf. „Sie sind dabei, Don Ricardo?“

„Mit Freude. Wir haben, meine ich, die größten Fässer und die größten leeren Laderäume und Proviantlasten.“

„Einverstanden. Wir befragen die anderen Kapitäne!“ rief Hasard. „Meinen Sie, daß, uns eingeschlossen, ein halbes Dutzend Schiffe ausreicht?“

„Das will ich meinen, Señor Capitán.“

Der Bug der Schebecke setzte nur weniger stark als der runde Bug der Galeone in die hohen Wellen ein. Gischt und Sprühregen überschütteten die Back und die bugwärtige Hälfte der Kuhl. Hasard ließ abdrehen und gab nach einem kurzen Gruß an Don Ricardo in bestem Spanisch seine Befehle.

Die Schebecke ging in den Wind. Die Seewölfe warteten, bis die „Concordia“ heranstampfte. Wieder rief Hasard den Kapitän und seine Offiziere an, die auf dem Quarterdeck standen und sich weit über das Schanzkleid lehnten.

Auch auf der „Concordia“ waren Proviant und Wasser knapp. In zwei bis drei Tagen würden die wichtigsten Vorräte aufgebraucht sein. Auch die Männer dieses Schiffes erklärten sich gern bereit, nach Vigo einzulaufen und dort zu bunkern.

„Dann hören wir auch, was es Neues von Philipp gibt, unserer Majestät“, tönte es laut von der Galeone.

„Schon möglich. Ihr seid auch dabei. Dann sind wir schon drei Schiffe“, rief Hasard und beendete den Nachrichtenaustausch.

Die „Concordia“ passierte die wartende Schebecke.

Don Juan de Alcazar schlug Hasard auf die Schulter und sagte: „Ich weiß, daß du den Dons nicht traust. Glaubst du ihnen?“

Hasard hob die breiten Schultern unter dem spanischen Tuch.

„Mir bleibt kaum etwas anderes übrig“, erklärte er.

„Gewißheit ist eine herrliche Sache“, sagte der Spanier. „Aber wir sollten eine Stichprobe verlangen. Ganz einfach auf irgendein Schiff dort überwechseln, entern und eine scharfe Kontrolle der Vorräte durchführen.“

„Ein guter Rat. Welches Schiff sollten wir uns aussuchen?“ fragte der Seewolf nach einer Weile.

„Ganz gleich. Irgendeine der Galeonen dort hinten“, meinte Don Juan. „Keiner von uns weiß, wieviel Wasser und Proviant sie am Anfang der Fahrt in den Laderäumen hatten.“

„Stimmt.“

Die falschen Spanier warteten, bis ein Schiff nach dem anderen an ihnen vorbeisegelte. Überall erhielten sie die gleichen Auskünfte. Bis nach Irland würden weder Wasser noch Proviant reichen, auf keinen Fall.

Hasard sammelte ein Enterkommando um sich und sagte schließlich: „Wir sehen uns die ‚Santa Helena‘ unter Deck genauer an. Einverstanden?“

Der Profos nickte und stieß den Schiffszimmermann an.

„Und wehe, wenn wir volle Fässer und fette Schinken in der Proviantlast finden. Wird wohl ein aufregender Landgang werden, nicht wahr, Sir?“

Jetzt grinste Hasard breit und fast fröhlich.

„Wenn sechs Schiffe in Vigo auftauchen, dann wird es im Hafen recht lebendig werden, Freunde. Und daß wir unsere Rolle ausgezeichnet spielen, haben wir ja schon beweisen müssen.“

„Die Dons in Vigo werden uns dabehalten wollen!“ rief Old Donegal. „So gute Spanier wie uns gibt’s sonst nirgendwo.“

„Hoffentlich“, murmelte Hasard und gab Befehl, die Schebecke längsseits zur „Santa Helena“ zu steuern.

2.

Hasard saß neben Don Juan auf dem Achterdeck der Schebecke und stemmte seine Sohlen gegen die Stufen des Steuerbordniederganges. Sein rechter Arm hing über dem Schanzkleid. Die vier Galeonen, die der „Salvador“ folgen und einen geringfügig veränderten Kurs laufen sollten, scherten gerade aus der Kiellinienformation aus und fielen um einen Strich nach Steuerbord ab.

Leise bemerkte der Seewolf zu seinem spanischen Freund: „Den Spaniern von der ‚Honestidad‘ oder den anderen wird es nicht schwerfallen, den Gouverneur zu überzeugen. Wir müssen versuchen, unsere Rolle richtig zu spielen.“

„Wenn Don Jaime über das Kaff herrscht“, meinte Don Juan, „wird es nicht schwer sein, ihn zu überzeugen. Er ist nicht der Klügste. Ich bin sicher, du willst unseren Aufenthalt so kurz wie möglich halten?“

Hasard nickte mit Bestimmtheit.

„Keine Minute länger als unbedingt nötig. Wir werden alle anpacken müssen. Meinst du, daß sie insgesamt ein Dutzend Schiffe versorgen können?“

„Wasser und Wein? Da sehe ich keinen Engpaß“, erwiderte Don Juan. „Wenn man den Bauern und Händlern mehr Zeit läßt und gut zahlt, kriegen wir alles.“

„Aber nicht innerhalb von ein paar Stunden.“

Al Conroy schob sich entlang des Schanzkleides auf die beiden Männer zu und blieb dicht vor ihnen stehen.

„Sir? Will sich das Flaggschiff von Don Julio de Vilches in schläfrigem Frieden oder mit dem Nachdruck der königlich spanischen Culverinen dem Hafen von Vigo nähern?“

Don Juan und der Seewolf lachten schallend.

„Wie lange fährst du schon auf unserem Schiff?“ fragte schließlich der Seewolf. „Wie immer, Mister Stückmeister. Wir sind auch am Kai von Vigo auf jeden denkbaren Zwischenfall vorbereitet.“

Al Conroy hatte keine andere Antwort erwartet. Er grinste zufrieden und zeigte zu seinen Culverinen.

„In Ordnung, Sir. So halten wir’s. Meine kleinen Lieblinge werden bereit sein.“

Die Schebecke schob sich an die „Wappen von Kolberg“ heran. Arne von Manteuffel und seine Mannen erfuhren in fast allen Einzelheiten, was Hasard mit den fünf anderen Schiffen vorhatte. Brüllendes Gelächter begleitete die Schebecke, als das Schiff weit nach Backbord überlegte und auf jenen Punkt zusegelte, an dem es mit der „Isabella“ Ribaults zusammentreffen würde. Zwei Stunden danach waren die Seewölfe wieder zur Spitze des Konvois unterwegs und segelten am frühen Nachmittag querab der „Salvador“ von Don Ricardo.

„Lange werden wir die Ruhe, die wir jetzt noch haben, nicht mehr genießen können, Sir“, sagte Dan O’Flynn warnend. Auch seine Unruhe wuchs mit jeder Seemeile, die sie sich Vigo und der Küste näherten.

„Du hast sicher recht, Dan“, erwiderte der Seewolf. „Ich bin ganz fest entschlossen, Vigo zur letzten Station zu ernennen.“

„Bist du sicher?“ fragte Ferris Tucker, der immer wieder unruhig nach Osten peilte und erwartete, bald die Küstenlinie zu sehen.

„Nein.“ Hasard schüttelte heftig den Kopf.

Mittlerweile wirkten die Schebecke und die Crew der Seewölfe auf jeden, der einen Blick an Deck werfen mochte, wie ein Schiff voller Spanier. Die Kleiderlast war nahezu geplündert worden. Aber die Gesichter unter den spanischen Helmen und Hüten, über den auffallenden Kragen, sie sahen keineswegs aus, als stammten sie alle aus der Mancha oder aus Kastilien. Und blauäugige Spanier gab es auch nicht gerade häufig.

„Nein“, wiederholte Hasard einige Minuten später. „Ich bin nicht sicher. Zwischen Cabo Finisterre und unserem guten alten London warten Sturm und Gezeiten, Strömungen und viele Schiffe auf uns. Da allerdings bin ich ziemlich sicher. Aber die Spanier in Vigo werden wir mit wahrer Meisterschaft überrumpeln.“

„Und du versteckst deinen schwarzen Kopf unter Deck, Gambiamann!“ rief Big Old Shane. „Oder hat man jemals was von pechschwarzen Spaniern gehört?“

Batuti ging auf den Scherz ein und rief zurück: „Ich ziehe meine schlechtesten Lumpen an, Mistah! Dann ich sein dein Niggersklave, Yessir?“

„Wäre auch eine Lösung“, stimmte Big Old Shane zu.

Gegen Abend nahmen die richtigen und die falschen Spanier am östlichen Horizont die Wolken, dann einige Berggipfel und schließlich, im letzten Licht, die schroffe Küstenlinie wahr. Dan O’Flynn suchte die Strände, die bewaldeten grünen Hänge und die Einschnitte ab, zwischen denen sich die fjordartigen Rias abzeichneten. Die Inselchen, die im Fahrwasser jener tief ins Land reichenden Meeresbucht zu sehen sein sollten, fand er noch nicht. Sie galten als untrügliche Landmarken vor der Einfahrt nach Vigo.

„Morgen früh sind wir so dicht unter Land, daß du keine Schwierigkeit mehr haben wirst“, tröstete ihn Higgy.

„Morgen früh sind wir vielleicht viel zu nahe unter Land“, sagte Dan einschränkend. „Und das wollen wir doch vermeiden, nicht wahr, Señores?“

„Kein Legerwall, por favor“, stimmte Jung Philip zu.

„Aus diesem Grund bin ich auch besorgt“, erklärte Dan und suchte so lange weiter, bis die Dunkelheit über dem Wasser und an Land sämtliche Einzelheiten verwischte und auslöschte. Der Konvoi war kurz nach dem ersten Augenkontakt mit dem Land auf einen Kurs gegangen, den Hasard signalisiert hatte: ein Strich östlicher als Nord.

Schon im ersten, feuchten Morgengrauen stand die Gruppe der fröstelnden Seewölfe zwischen Bugspriet und Fockmast und hielt sich an Fallen und Stagen fest.

„Ich erkenne sie wieder“, sagte Don Juan gerade. „Das ist die Einfahrt nach Vigo.“

Die Ria de Vigo, nördlich der unsichtbaren Grenze von Portugal zu Nordspanien, bot den Blicken der Männer ihre dunkelgrüne Front, die nach Westen zeigte. Die kleinen Inseln vor der Einfahrt tauchten, im zunehmenden Licht der Morgendämmerung, eine nach der anderen aus dem Dunst der Küste auf.

„Alles klar“, sagte Dan und bestätigte die Beobachtungen des Spaniers. „Meinst du, daß wir einen Lotsen brauchen?“

„Nicht, wenn du dich mit deinen scharfen Augen auf die Back stellst. Du kannst ja den Sardinhas-Fischern zusehen.“

Dan verzog das Gesicht.

„Landratten-Ratschläge“, kommentierte er. „Immerhin folgen uns die anderen Schiffe.“

Vor der Küste, wie erwartet, waren die winzigen Segel kleiner Fischerboote aufgetaucht. Über dem Wasser bis zur halben Höhe der Hänge und Felsen schwebte eine Schicht aus grauem Nebel. Die Sonne versteckte sich noch hinter den Gebirgsgipfeln, die irgendwo unsichtbar im Landesinneren aufragten. Die kleinen Kaps von Tuy und Sangenjo, im Norden, schoben sich deutlicher aus dem Nebel in den Atlantik hinaus.

„Wir sind auf dem richtigen Kurs“, sagte Dan O’Flynn nach einer Weile. „Dahinter liegt Vigo. An Steuerbord.“

„Wir werden sie gebührend aufwecken“, meinte der Seewolf, gab seine Befehle und ließ als Signal für die folgenden fünf Galeonen die Drehbasse Steuerbord achtern abfeuern.

Längst hatten sich die Seewölfe auf das Kommando vorbereitet. Die Schebecke steuerte das Fahrwasser zwischen den größten mittleren Inseln an, die als natürliche Barriere und Wellenbrecher vor der Ria aus der Brandung wuchsen.

Eine Kabellänge, bevor die Schebecke die kleinen Felsbrocken in Sichtweite hatte, sagte der Seewolf in unüberhörbarer Schärfe: „Ab jetzt wird’s ernst, klar?“

Etwa zwanzig Seewölfe, die sich zwischen der Back und dem Grätingsdeck aufhielten und zur nahen Küste hinüberstarrten, riefen laut, deutlich und aus morgendlich rauhen Kehlen: „Si, si, Señor Capitán!“

Dan O’Flynn, um die Schultern einen zerschlissenen spanischen Mantel gegen die klamme Kälte, stand auf der Back und beobachtete das Fahrwasser. Bisher hatte er keine Untiefen entdecken können. Die Fischer schienen über die sechs Schiffe nicht gerade erstaunt zu sein. Sie hatten ihre Boote hinter die Inseln an den Rändern der Ria verholt und warfen die Netze aus.

„Gut so. Geradeaus weiter.“

Dan schaute sich um. Vigo breitete sich in einem unregelmäßigen Halbrund um das Ende der Bucht an Steuerbord aus. Im Hafen lagen kleine und größere Fischerboote und zwei Galeonen, deren Masten entfernt waren und vielleicht an Land oder in der Werft überholt oder neu gezimmert wurden.

Das Focksegel der Schebecke wurde eingeholt, die Rahrute hing waagerecht zum Heck. Von den Culverinen und den Drehbassen, die noch nicht ausgerannt worden waren, hatte Al Conroy längst die Persennige abgeschlagen und verstaut.

„Fahrwasser ist frei!“ rief Dan und turnte entlang des Schanzkleides nach achtern.

Die kleine Stadt erweckte einen friedlichen, fast schläfrigen Eindruck. Auf einem Burgberg thronte ein Castillo, aus dessen Mauerscharten fünf Geschützrohre hervorstarrten.

In Kiellinie passierten die fünf Galeonen, angeführt von der „Salvador“ die Inseln vor der Einfahrt. Aus den Kaminen vieler Häuser ringelten sich Rauchsäulen in die Höhe. Der Wind verwirbelte sie langsam landeinwärts. Enge und verwinkelte Gassen führten vom Hafen zwischen alten Häusern hangaufwärts.

„Wir legen uns achtern an den Steg voraus“, ordnete Hasard an. „Die Galeonen, wenn sie es schaffen sollten dort hinüber.“

Er deutete zu den beiden entmasteten Rümpfen, die an einem steinernen Kai vertäut waren. Ein paar Fischer blieben auf dem schmalen Streifen zwischen dem Wasser und den Hausfronten stehen, schauten verblüfft die kleine Armada an und beruhigten sich, als sie die spanischen Flaggen erkannten. Im ruhigen Hafenwasser beschrieb der Bug der Schebecke einen Halbkreis. Die Segel wurden eingeholt, knappe spanische Kommandos hallten durch den Hafen. Es roch nach kaltem Rauch und nach Fisch.

„Sieht nicht nach Schwierigkeiten aus“, meinte Ben Brighton leise zu Hasard. „Fünfhundert oder sechshundert Einwohner?“

„Möglicherweise etwas mehr“, erwiderte der Seewolf.

Die Belegtaue flogen auf den Steg, die Zwillinge sprangen hinterher und winkten zu den Fischern hinüber.

„Buenos Dias, Freunde! Wir wollen euch reich werden lassen!“ rief Philip junior.

Hasard dirigierte die „Salvador“ und die „Santa Helena“ zum Kai hinüber. Inzwischen liefen mehr Leute zusammen, Türen und Fenster öffneten sich. Im Abfall zwischen den Fischerbooten flatterten die Möwen auf.

„Wollt ihr Fisch kaufen?“ fragten die Fischer lachend.

Die Schebecke wurde belegt, und zwei breite Planken, die auf dem Steg lagen, krachten auf das Schanzkleid.

„Wir wollen den Statthalter sprechen“, erklärte Hasard junior. „Ist es noch immer Don Jaime?“

„Drüben, an der Plaza Mayor“, lautete die Antwort.

Nacheinander glitten die Galeonen an den Kai und wurden an rissigen, uralten Pollern aus gebündelten Holzstämmen belegt. Die spanischen Seeleute lachten und schrien wild durcheinander. Knarrend rieben die Bordwände der Schatzgaleonen gegeneinander, die Belegtaue ächzten und rissen morsche Splitter aus den Pollern.

Hasard schrie durch den Hafen: „Die Señores Kapitäne bitte zu mir an Land. Wir statten dem Gouverneur einen Höflichkeitsbesuch ab.“

Das Kommando der falschen Spanier, angeführt von Don Juan de Alcazar, hielt sich auf dem schwankenden Steg bereit. An Bord der Schebecke wurden schon jetzt die leeren Fässer aus den Laderäumen gewuchtet. Hasard balancierte über die Planke. Auf den Galeonen bereiteten sich die Kapitäne und ein paar Offiziere auf den Landgang vor.

Don Juan de Alcazar stand ein paar Schritte abseits, schaute sich schweigend um und richtete seine Blicke immer wieder zu dem Castillo auf dem Burgberg. Inzwischen tauchten aus dem Viertel der Fischerhäuser noch mehr Leute von Vigo auf und riefen den Spaniern auf den Decks Fragen zu.

Die Antworten zeigten den Fischern und Einwohnern von Vigo, daß die Schiffe lange Zeit unterwegs gewesen waren.

„Holt eure Würste aus dem Rauchfang!“

„Wir brauchen Wasser. Und Wein.“

„Rieche ich frisches Brot aus dem Bäckerofen, Hombre?“

„Habt ihr gutes Wasser in Vigo?“

Die Gruppe der Kapitäne war nicht größer als ein Dutzend Personen. Die weißen spanischen Kragen bildeten Farbtupfer vor der dunklen, wolkenverhangenen Kulisse des Hafenstädtchens. Von den Schiffen hörte man die Kommandos, nach denen die leeren Fässer aus den Laderäumen der Galeonen hochgehievt wurden.

Hasard wandte sich an einen erwachsenen Mann, der so aussah, als sei er zu den Hafenwachen zu zählen.

„Señor“, bat er, „zeigen Sie uns den Weg zum Amtssitz des Gouverneurs?“

„Gern. Folgt mir. Sind nur ein paar Schritte. Woher kommt ihr?“

Bevor noch ein anderer antworten konnte, drehte sich Hasard um, legte den Zeigefinger an die Lippen und erwiderte: „Der Hafen, aus dem wir ausliefen, und unser Ziel sind beide strengster Geheimhaltung unterworfen. Wir segeln für seine Allerkatholischste Majestät und dürfen nichts sagen. Wie heißt der Gouverneur? Ist es noch Don Jaime?“

„Ja, Don Jaime La Roda. Ein gerechter, guter Statthalter.“

Hasard winkte Don Ricardo zu. „Besuchen wir den Herrn über Hafen und Kastell, Señores.“

Etwas steifbeinig in ihren hohen Stiefeln, mit klirrenden Degen, folgten sie dem hochgewachsenen, schwarzhaarigen Mann mit den eisblau blitzenden Augen – einer seltsamen Augenfarbe für einen Spanier.

Der Mann aus Vigo zeigte zu den verwinkelten Gassen und vielen alten Häusern, die sich zusammendrängten und miteinander durch viele Erker, Bögen, Treppen und Stege verbunden waren.

„Unser uraltes Fischerviertel. Hier finden Ihre Seeleute die feinsten Schenken. El Berbés nennen wir den alten Stadtteil. Ihr seid fremd in Vigo, nicht wahr?“

„So ist es“, antwortete Miguel Salcho, der Erste der „Salvador“. „Und wir legen sofort wieder ab, wenn wir Essen und Wasser haben. Gibt es bei euch Schwierigkeiten?“

„Keine größeren, Señor.“

„Gut zu hören“, brummte Hasard.

Schon nach einigen hundert Schritten durch die Stadt, die langsam erwachte, befanden sie sich auf dem großen Platz, der Plaza Mayor. Sie war fast an allen Stellen von schwungvollen Arkaden gesäumt. Struppige Bäume, an denen nur noch wenige vertrocknete Blätter zitterten, umstanden den Platz.

Ein langgestrecktes, zweistöckiges Gebäude sprang in der Mitte der Fläche auf seinem Sockel aus Bruchstein einige Fuß weit vor. Ein prächtiges Portal, mehrere geschmiedete Balkongitter und Fahnen, die feucht und schlaff von den Masten hingen, ließen erkennen, daß es wohl der Sitz des Statthalters war.

„Dort finden Sie Don Jaime, unseren verehrten Gouverneur“, sagte der Mann. „Vielleicht schläft er noch, unser guter Don.“

„Dann wird es uns nicht schwerfallen, ihn zu wecken“, erklärte der falsche Don Julio de Vilches. „Wohlan, Señores.“

Ein nächtlicher Regenguß hatte das dunkle Pflaster zu einer glänzenden Fläche werden lassen. Durch ein paar flache Pfützen stiefelten die Spanier auf das Portal zu. Vigo war, wenigstens stellte es sich jetzt so dar, ein verschlafenes Nest, in dem es überall nach Wein und noch mehr nach Fisch roch. Ein Hund bellte die Männer an, als sie an das rissige Holz der Türflügel klopften.

Fensterläden und Türen öffneten sich ringsum klappernd. Wassergüsse zischten auf das Pflaster. Irgendwo keifte eine Frau. Mit leisem Knarren wurde ein Türflügel geöffnet.

Hasard und Don Ricardo blickten in ein verschlafenes, unrasiertes Gesicht, das einem alten Mann gehörte, der einen zerknitterten Hut trug.

„Buenas dias“, sagte Hasard. „Die Señores Kapitäne und ich möchten mit Don Jaime sprechen.“

„Ich verstehe Sie nicht“, erwiderte der Alte.

„Gouverneur Don Jaime La Roda!“ schrie Don Ricardo mit fahlem Gesicht und roter Nase. „Schnell, Mann.“

„Jawohl, Señor Capitán“, murmelte der Alte zahnlos, drehte sich um und verschwand in einer düsteren Halle.

Langsam und zögernd traten die Spanier ein.

„Diese Stadt befindet sich nicht im Verteidigungs- oder Kriegszustand, soviel ist sicher“, sagte Hasard laut und versuchte einen Scherz.

Innerhalb des Gebäudes wurde es lebendig: Tritte, knallende Türen klirrende Becher und halblaute Befehle. Dann wurden ein paar Fensterflügel aufgerissen, und das trübe Tageslicht drang in die Halle. Große Bilder hingen an den Wänden, eine Treppe führte aufwärts, in den Ecken standen kleine Kanonen, kaum größer als die Drehbassen.

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9783966881074
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