Читать книгу: «Seewölfe Paket 33», страница 20
„Gleich bin ich für Sie bereit“, donnerte eine tiefe, tragende Stimme von oben. „Geduld, verehrte Señores.“
„Eine Löwenstimme“, meinte Ben Brighton zu Hasard. „Und eine gemütliche Residenz.“
Die Spanier betrachteten gelangweilt und hungrig die würdigen Señoras und Señores, die auf den Ölbildern in den schweren Rahmen dargestellt waren. Nicht eine Person davon war ihnen bekannt. Ein farbenprächtiger Teppich lag unter den Beinen eines riesigen Tisches und vieler hölzerner Sessel.
Endlich stieg ein unordentlich angezogener, kleiner Mann die Treppe hinunter, breitete die Arme aus und rief: „Willkommen, die Señores! Ich habe mir erlaubt, einen Imbiß bereiten zu lassen. Willkommen! Kommt bitte herauf.“
Die Löwenstimme gehörte zu einem Zwerg, nicht größer als fünf Fuß. Er verbeugte sich vor den Männern, deutete zur Treppe und war von überströmender Höflichkeit.
„Gestatten Sie, Gouverneur, daß wir uns vorstellen“, begann Don Ricardo. „Wir brauchen dringend für neun Schiffe Proviant und Wasser. Und vielleicht ein Fäßchen Wein dazu.“
Der Gouverneur schüttelte die Hände und rief begeistert: „Bestes, frisches Wasser von den Quellen der glücklichen Hügel – ihr werdet unser Vigo-Wasser mit Genuß trinken!“
Don Jaime führte die Gäste die Treppe hinauf und in seine Räume. Eine Tafel war schon gedeckt, Mägde und Diener hasteten herum. In Vigo schien jede Unterbrechung des täglichen Einerleis mit Begeisterung aufgenommen zu werden.
„Und wie steht es mit Proviant? Wir haben noch etliche Tage einer langen Reise vor uns“, sagte Hasard. „Ich habe Order, die Schiffe möglichst schnell und natürlich sicher zum Zielhafen zu bringen. Dazu gehört, die Proviantlasten wieder zu füllen. Wenn der Gouverneur den Proviant nicht herbeischafft, dann kaufen wir, was wir brauchen, von den Bauern. Lerma und unser König Philipp haben genaue Anweisungen erteilt.“
Don Jaime wies ihnen Plätze zu und setzte sich an das Kopfende der Tafel. Die Spanier schnallten die hinderlichen Waffengurte ab und hängten sie über die Sessellehnen.
„Sie werden alles empfangen, was Sie brauchen“, beteuerte der Gouverneur. „Ich habe schon nach den Boten geschickt.“
Frisches Brot verbreitete seinen herrlichen Geruch. Die Diener brachten heiße, dünne Schokolade und gossen sie in die Becher. Butter und Käse wurden aufgefrischt, und aus der Küche ertönte das verheißungsvolle Klappern von Geschirr.
„Wir können nicht drei Tage in Vigo liegen, trotz eurer angepriesenen Schenken und Bodegas“, sagte Ben Brighton. „Danke für das reichhaltige Frühstück.“
Die Spanier fingen zu tafeln an, als hätten sie seit zwei Monaten nichts zwischen den Zähnen gehabt. Je mehr sie abbissen und kauten, desto wacher wurden sie. Die Unterhaltung wurde lauter und drehte sich natürlich nur um die Erlebnisse, Gefechte und Verhältnisse auf See.
„Ich spüre es in den Knochen“, dröhnte der kleine Gouverneur. „In den nächsten Tagen gibt’s schweres Wetter.“
„Wir werden den Sturm auf See ertragen“, entgegnete Hasard.
Nacheinander erschienen einige Boten. Der Gouverneur verlangte Papier und wollte wissen, welche Nahrungsmittel und wieviel davon die einzelnen Schiffe brauchten. Er schrieb die Zahlen untereinander und rechnete aus.
Dem Boten rief er zu: „Mit dem Wasser ist alles klar?“
„Die Fässer verladen sie auf Fuhrwerke und bringen sie zu den Schiffen zurück, wenn sie gereinigt und gefüllt sind.“
„Gut so. Helft ihnen! Sie haben es eilig.“
„Sehr wohl, Don Jaime.“
Der Bote rannte hinaus. Die Spanier nickten beifällig. Ihnen gefiel die Eile, die Don Jaime zeigte. Und die frischen und lecker zubereiteten Speisen, die aus der Küche herbeigeschleppt wurden, fanden reichlich Zuspruch.
Hasard hob seinen Becher, visierte Don Jaime an und sagte: „Es ist gut, als Spanier von einem Spanier auf solch angenehme Weise in Vigo willkommen geheißen zu werden. Ich werde nicht versäumen, bei Hofe zu schildern, wie aufmerksam Sie waren, Gouverneur.“
„Eine Selbstverständlichkeit, Señor“, erwiderte La Roda und führte eine großartige Geste aus. „Jedenfalls für Vigo.“
Der nächste Bote wurde abgefertigt. Ein paar Kannen Wein standen plötzlich zwischen den leeren Tellern und den Resten.
„Haben Sie Magazine und Vorräte, um Schiffe auszurüsten?“ fragte Ben den Gouverneur.
„Eine kleine Werft. Die Galeonen werden gerade repariert, späte Opfer der englischen Geschütze. Sonst haben wir da nur ein paar Fässer Mehl, Wein und Bier, aber nichts, mit dem man eure kleine Flotte ausstatten könnte.“
„Ich bin ermächtigt“, erklärte Hasard, „für den königlichen Seerechnungshof einzukaufen und vernünftige Preise zu zahlen.“
„Das war es“, antwortete Don Jaime, „was ich den Boten sagte. Es wird sich sehr schnell herumsprechen, daß Sie Proviant brauchen. Die Schiffe werden umlagert sein von Bauern und Händlern.“
„Das hoffen wir.“
Hasard und Ben Brighton wechselten einige unauffällige Signale. Sie beschlossen, noch zu warten und die Verproviantierung der Schebecke dem Kutscher zu überlassen. Überdies würde Don Juan alles unternehmen, was er für nötig hielt. Und bisher waren sie mit ihren geschickten Lügen sehr gut gefahren.
3.
Daß Don Juan de Alcazar kein Spanier wäre, nicht durch und durch ein Grande, ein wahrer Don – nicht einer der schätzungsweise fünfhundert Einwohner von Vigo bezweifelte seine wirkliche Herkunft. Kühl, arrogant und mit scharfen Adleraugen stand er am Ende des Steges auf den nassen Quadern und hielt seine Hand mit affektiert abgespreizten Fingern am Degengriff.
Unter den tiefhängenden Wolken, die über der Bucht von Vigo aus Südosten herantrieben und Regen versprachen, waren die Seewölfe wieder einmal die schnellsten.
Zurufe und Kommandos erfolgten in Spanisch. Er grinste dünn, wer sich der Sprache nicht sicher war, redete einfach nichts oder tauschte Bemerkungen in sehr leisem Ton aus.
Die leeren Fässer, von denen der Kutscher und Mac Pellew auch die letzten verräterischen Schriftzeichen in Englisch abgeputzt hatten, waren über den Steg geschleppt und gerollt worden. Jetzt verhandelten Hasard und Philip junior mit einem Gespannführer, schienen handelseins geworden und winkten Smoky, Pete Ballie und Carberry zur Hilfe herbei.
Spanische Silbermünzen wechselten den Besitzer. Dann setzten sich zwei Gespanne in Bewegung. Der Brunnen lag ungefähr drei Kabellängen weit entfernt, etwa in der Mitte des Buchtendes, vor einigen größeren Häusern.
Roger Brighton und Ferris Tucker hielten Listen der beiden Köche in den Händen.
Sie verhandelten mit Bauern und Händlern, die schon vom Anblick der einlaufenden Schiffe in den Hafen gelockt worden waren – und durch die Gerüchte, daß sie auf leichte Weise viel Geld verdienen konnten.
Auch die Seeleute der fünf Galeonen luden alle Fässer aus, die leer oder teilweise leer waren. Schließlich mußte rund die Hälfte auf See an die anderen Schiffe übergeben werden.
Viele aus der Seewölfe-Crew packten mit an. Sie dachten an das gemeinsame Ziel, und für den Erfolg des großen Raids taten sie fast alles.
Unter dem Gewimmel der Menschen fesselte schließlich, nach mehr als einer Stunde schärfster Beobachtung, eine einzelne Gestalt Don Juan de Alcazar.
Langsam und wie unabsichtlich ging Don Juan auf Big Old Shane zu, der an einer Hausmauer lehnte und dem geräuschvollen Treiben zusah. Higgy und Sven Nyberg schleppten vier riesige Schinken auf den Schultern über den knarrenden Steg an Bord der Schebecke.
„Siehst du dort drüben die braune Kutte und ihren mißtrauischen Inhalt?“ fragte Don Juan flüsternd.
„Beim Ladebaum am Kai?“ fragte der Schiffsschmied. Das spanische Wams über seinen Schultern krachte in den Nähten.
„Richtig. Ein Angehöriger der Gesellschaft Jesu. Ein Jesuit, ein Mönch. Man betreibt in diesem Land die Inquisition. Ich habe euch erzählt, was das bedeutet. Abgesehen davon, daß Fremde ohnehin alle als Ketzer, Schismatiker, Ungläubige und andere Unglückliche von Staats wegen zu verfolgen sind. Warum betrachtet dieser Kerl unser Schiff so genau?“
Die Männer schauten einander in die Augen. Der Schiffsschmied kratzte sich unschlüssig im Gestrüpp seines Bartes und beantwortete Don Juans Frage.
„Aus dem gleichen Grund, warum du ihn so genau anstarrst, Juan.“
Unschlüssig hob der Spanier die Schultern. „Ich setzte mal voraus, daß sich keiner aus unserer Crew verrät. Der Gouverneur, tatsächlich noch Don Jaime, wird wohl nur dann Verdacht schöpfen, wenn einer von uns eine riesengroße Dummheit begeht.“
Der Schiffsschmied blickte sehnsüchtig zu der offenen Tür einer Bodega hinüber, dann richtete er seinen Blick zu dem hoch aufragenden Turm der Kirche hinter den ersten drei Häuserzeilen, die sich den Hang hinaufzogen.
„Da habe ich keine Sorgen. Hasard auch nicht.“
„Meine ich auch, Shane. Da, unser Freund rückt näher.“
Der wuchtige Ladebaum, dessen Blöcke und Verankerungen tief im Boden befestigt waren, ragte schräg wie ein gelegter Mast über ein Stück Hafen, in dem Abfälle wie ein dichter Teppich lagen, der unablässig Wellen schlug. Vögel hüpften und stelzten zwischen dem Abfall herum.
Der Mönch, der seine Hände in die weiten Ärmel der Kutte geschoben hatte, schritt auf dicken Sandalen langsam näher. Sein Blick irrte ab, strich über die vielen schuftenden Männer, hefteten sich auf Big Old Shane und Don Juan, dann schwenkte er wieder zurück zu dem ungewohnten Anblick der Schebecke, eines Schiffes, das offenbar nicht in den Hafen paßte.
Am Rand der Uferbefestigungen ging der Mönch ohne Eile auf die Stelle zu, wo der hölzerne Steg über drei Steinstufen mit der bemoosten und von Algen bedeckten Steinmauer anfing.
„Er hält die Schebecke zweifellos für ein Werk des Teufels“, meinte Don Juan schließlich. „Ich spüre es fast.“
Aus der offenen Tür wehte der Geruch von Wein und frischem Bier. Er überdeckte sogar den Schweißgeruch der Mulis, Ochsen und Pferde vor den Gespannen und den Gestank nach totem Fisch.
„Soll ich hinübergehen und ihn, ohne böse Absicht, ins Wasser werfen?“ erkundigte sich Old Shane.
„Das würde ihn noch neugieriger werden lassen“, widersprach Don Juan. „Abwarten, was er vorhat.“
Jetzt sahen sie den Mönch genauer. Über den Kragen der Kutte und der Kapuze ragten ein faltiger, sehniger Hals und ein kleiner, runder Kopf. Der Mann ging bemerkenswert gerade aufgerichtet, als habe er einen Ladestock verschluckt.
Kleine schwarze Augen unter buschigen Brauen, ein halbkahler Schädel mit dem Haarkranz der Tonsur, ein schmaler Mund und bräunliche Gesichtszüge waren weitere Eindrücke. Keiner davon ließ den Jesuiten angenehmer erscheinen.
„Ein Fanatiker“, sagte Big Old Shane. „Darf ich Sie, Generalkapitän, auf ein spanisches Cerveza einladen?“
„Später, gern. Jetzt will ich wissen, was der Mönch hier sucht.“
„Einverstanden, nachher. Gehen wir näher heran.“
Sie lösten sich von der kalten Hausmauer und folgten dem Mönch, der den Steg betrat und den Männern der Seewölfe-Crew auswich und um die Händler einen Bogen schlug.
Nach zwanzig Schritten hielt Don Juan einen Händler am Oberarm fest und fragte höflich: „Wer ist dieser geistliche Herr, der sich so für unsere schönen Schiffe interessiert?“
„Ein Jesuit, Señor Capitán“, antwortete der schwarzhaarige, bärtige Mann. „Er heißt Hernando Ferrer und berät unseren Geistlichen in Fragen des Glaubens.“
„Wie lange lebt er schon bei euch?“
Nils Larsen half einem Bäcker, zwei riesige Körbe voller Brot und feinem Gebäck über das Schanzkleid der Schebecke zu mannen.
„Seit einem halben Jahr, Señor.“
„Und woher kommt Hochwürden?“
„Aus Madrid, wenn’s richtig ist, was man sagt.“
„Danke.“
Der Mönch schien, tief in wichtige Gedanken versunken, nichts und niemanden auf dem Steg und in der näheren Umgebung zu bemerken. Er ging mit kurzen Schritten auf der äußersten rechten Kante der Bohlen und Bretter und blieb kurz vor dem Ende stehen.
Als er sich umdrehte, hatte er zur rechten Hand den Bugspriet der Schebecke. Ein schwer zu erklärendes Lächeln spielte um seine farblosen Lippen, als er Schiff und Crew einer schweigenden Musterung unterzog.
Don Juan sah die Blicke und hoffte, daß an Deck der Schebecke weder ein englisches Wort zu hören war noch irgendwelche Dinge herumstanden oder lagen, die dem Mönch verrieten, daß die Spanier in Wirklichkeit Engländer waren. Hoffentlich steckte nicht gerade jetzt Batuti seinen Kopf an die frische Luft.
Mit einer Genauigkeit, die Don Juan und jeden anderen, der dem Mönch zusah, verblüffte, musterte der Mann in der Kutte jede Einzelheit. Er ging langsam wieder zurück in Richtung des Hecks. Die Culverinen und die eingeschwenkten Drehbassen schienen dem Gottesmann besonders wichtig zu sein.
Neben dem Steg, innerlich voller Spannung, blieben der Schmied und Don Juan am Beginn des Steges stehen. Hinter ihnen klapperten die Hufe der Zugtiere über das Pflaster. Das Gespann hielt mit knirschenden Rädern.
„Erstklassiges Wasser“, bemerkte Bill. „Kann man direkt trinken.“
„Wie schön“, erwiderte Don Juan auf spanisch und führte eine beschwörende Geste aus. „Siehst du den Mönch?“
„Natürlich. Was will er?“
„Er will herausfinden, ob wir von der Schebecke englische Spione, Schnapphähne oder Ketzer sind. Kein Scherz, Bill. Seid verdammt vorsichtig!“
„Aha! Ein Mönch. Keine Angst, wir passen schon auf.“
Bill schulterte ein Fäßchen und schlurfte über die Steinstufen abwärts. Das Gefühl der Unsicherheit in Don Juan wuchs. War der Mönch seinerseits echt? Oder versteckte sich hinter der Kutte ein Spion des spanischen Hofes?
„Wie auch immer. Hernando Ferrer ist gefährlich“, murmelte Don Juan und überlegte, was er unternehmen sollte.
Hinter ihm luden die Arwenacks die Fässer ab. Vier Mann packten das große Faß und schoben sich die Stufen hinunter. Die Seewölfe schleppten schwer an dem großen Faß voller Wasser, riefen ein paarmal „Gracias!“ und „por favor!“ und vertrauten darauf, daß ihre Kameraden und die Händler auswichen. Kurz vor den Planken schwenkten Sam Roskill und Paddy Rogers zur Seite, ließen das Faß auf das Holz hinunterkrachen und stemmten sich dagegen.
„Achtung!“ schrie jemand.
Don Juan erstarrte innerlich. Natürlich war es Paddy gewesen, der den englischen Fluch, den er hinterhersetzen wollte, gerade noch herunterschluckte.
Sein Stiefel rutschte aus und traf die Knöchel des hinter ihm stehenden Glaubensbruders, ohne ihn allerdings zu verletzen. Aber der Mönch schwankte, glitt auf den nassen Brettern aus und ruderte hilflos mit den Armen, als er nach rückwärts fiel. Er krümmte sich halb zusammen, ehe er mit einem spanischen Ausruf ins aufspritzende eiskalte Wasser fiel.
Von den umstehenden Spaniern schien niemand den englischen Ruf gehört oder richtig verstanden zu haben.
Die Seewölfe rollten das Faß über die Planke aufwärts, und an Deck wurde es gepackt und durch das Luk gewuchtet. Von Land folgte das nächste wassertriefende Faß, während sich Sam und Paddy um den Kuttenträger kümmerten, der zwischen den Abfällen paddelte, Wasser ausspuckte und sein Gesicht voller Angst verzerrte.
Sie warfen sich auf den Steg, streckten die Arme aus, und Jeff Bowie sprang mit einem Riemen auf den Steg. Mit viel Geschrei wurde der Mönch auf den Steg gezogen, auf die Beine gestellt und an den Armen festgehalten.
„Laßt mich reden“, sagte Don Juan und drängte sich zwischen den Bauern, Seewölfen und Fässerschleppern hindurch. Er blieb vor dem Mönch stehen, aus dessen Kutte das Wasser rann.
Wuterfüllt zeterte der Triefende: „Sie sind von diesem seltsamen Schiff, Señor?“
Seine Stimme war hoch und grell. Die Worte sprudelten zwischen seinen gelben Zähnen hervor. Aus der Kapuze lief ein dicker Wasserstrahl und plätscherte auf die Planken.
„Und ich bedaure überaus das Mißgeschick, das Ihnen passierte, Señor Hochwürden“, sagte Don Juan und zupfte an den Enden der Ärmel. Er packte sie nacheinander und wrang sie aus, „Sie sind unvorsichtig gewesen. Es ist indessen ungeschickt, sich zwischen schwer schuftende Seeleute zu mengen. Was veranlaßt Sie, Hochwürden, das Schiff so ausgiebig zu betrachten?“
Der tropfende Mönch schüttelte sich. Die meisten Arwenacks sahen, daß sich Don Juan um den Vorfall kümmerte und Big Old Shane mit vor der Brust verschränkten Armen wachsam hinter ihm stand.
Die Arwenacks arbeiteten schnell und schweigend weiter. Sie wußten, daß viel davon abhing, als erstes Schiff wieder bereit zum Auslaufen zu sein.
Die zweite Ladung gefüllter Wasserfässer wurde eines nach dem anderen über den Steg an Bord gemannt. Der Kutscher schleppte ein Faß aus dünneren Holzdauben, das voller gesalzener Butter war, über die schwankende Planke. Der Mönch ließ sich von Don Juan und Big Old Shane über den Steg bis zum Kai führen.
„Sie müssen sofort in Ihre Klause, Don Ferrer“, sagte Don Juan drängend. „Bei diesem Wetter holen Sie sich den Tod, schneller, als es das Schicksal wollte.“
„Was wissen Sie schon vom Schicksal? Meines ist in der Hand des Herrn“, murmelte der Mönch.
„Da gehört es auch hin“, brummte Big Old Shane. „Dürfen wir sie dorthin bringen, wo Sie Trockenheit, Wärme und Gemütlichkeit finden?“
„Zur Kirche“, ächzte Hernando Ferrer. „Zum Stadtgeistlichen.“
Dan O’Flynn, sagte sich Don Juan, wäre in stilles Grinsen ausgebrochen, wenn er diese eindrucksvolle Szene gesehen und miterlebt hätte. Er verbeugte sich tief vor dem nassen Jesuiten und dachte daran, wie viele aufrechte Männer die Inquisition in die Kerker geworfen, verurteilt, um ihren Besitz gebracht und schließlich bei lebendigem Leib verbrannt hatte. Mit dem Mönch hatte er nicht eine Spur Mitleid. Ganz im Gegenteil: wenn Hernando wieder trocken war, würde er sich um so mehr um das rätselhafte Schiff kümmern.
„Zeigen Sie uns den Weg“, sagte Big Old Shane mitfühlend.
„Ja. Mir ist kalt. Ich friere. Don Leon kümmert sich um die Notwendigkeit meines Leibes.“
„Wenn Sie sich von meinen Kameraden ins Wasser gestoßen fühlen, dann entschuldige ich mich in ihrem Namen“, sagte Don Juan und schob den Mönch in die Richtung des Kirchturms. „Vielleicht klingelt in der nächsten Kollekte ein großes, glänzendes Goldstück.“
„Für die Armen der Gemeinde“, meinte Big Old Shane, der den anderen Arm des Mönches gepackt hatte.
An verblüfften Stadtbewohnern vorbei, die sich ihr Grinsen nur mühsam verkniffen und erst dann laut lachten, als die seltsame Gruppe außer Sichtweite war, zogen sie den Mönch. Stufen, ein Stück Sandfahrweg, einige uralte Seitengassen, deren Pflaster aufgerissen und voller Pfützen war, schlossen sich an. Zwischen zwei engbrüstigen Häusern traten sie auf einen freien Platz, in dessen Mitte sich die Kirche samt ihren Nebengebäuden erhob.
„Wohin, Hochwürden?“ fragte Don Juan, innerlich sehr erheitert, aber äußerlich ruhig und zuvorkommend. „Ins Pfarrhaus?“
„Ja, dorthin. Nach rechts.“
„Bueno.“
Sie zogen den Mönch, dessen schwerer Kuttenstoff sich voller Wasser gesogen hatte und auf der Haut des hageren Körpers klebte, zu der schmalen Tür des abseits angebauten Pfarrhauses. Die Tür ging auf, kaum daß Don Juan angeklopft hatte. Ein dicker Geistlicher mit rotem Gesicht öffnete.
„Ein Unglück, Don Ginestra“, zeterte der Jesuit. „Man stieß mich ins Wasser.“
„Eine Ungeschicklichkeit seinerseits“, beteuerte Don Juan mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit. „Er ist auf dem nassen Steg ausgerutscht.“
Don Ginestra musterte die seltsame Gruppe und zog den Mönch ins Haus.
„Rasch! Ans Feuer! Trockenes Zeug für Padre Ferrer.“
Er rief aufgeregt in das Innere des Hauses. Der Jesuit warf beiden Seewölfen böse Blicke zu und drängte sich an seinem Gastgeber vorbei. Der Geistliche breitete entschuldigend beide Arme aus.
„Er ist ein wenig aufgeregt“, sagte er. „Ihr seid von den Schiffen, die heute früh eingelaufen sind?“
„So ist es, Hochwürden“, erwiderte Big Old Shane. „Und wir laufen bald wieder aus, wenn wir unseren Proviant gebunkert haben.“
„War Hernando Ferrer schon an Bord?“ erkundigte sich der Dicke.
„Nein. Was sollte er dort?“ fragte Don Juan sofort zurück.
„Er ist Vertreter der heiligen Inquisition. Zwar richtet sich die Durchsuchung der Bücher und Schriften nur gegen ausländische Schiffe, aber auch die spanischen Kapitäne müssen Rede und Antwort stehen, wenn nach verdächtigen Büchern und verschlossenen Paketen gesucht wird.“
„Derlei Teufelswerk findet sich nicht an Bord unserer Schiffe“, sagte Don Juan de Alcazar und bemühte sich, seinen Schrecken und seine Betroffenheit nicht zu zeigen. „Wenn er wieder trocken ist, werden wir ihm an Bord ein herzliches Willkommen bieten.“
Er verbeugte sich. Big Old Shane rang sich zu einem langsamen Nicken des mächtigen Schädels durch.
„Bis dahin: Buenas dias, Hochwürden.“
Er verbeugte sich ein zweites Mal, packte Old Shane am Arm und zog ihn mit sich. Jetzt kannte er den Grund seines Mißtrauens. Er hatte vergessen, daß in jedem spanischen Hafen fremde Handelsschiffe nicht nur von den Vertretern der Gesundheitsbehörden, des Zolls und der Hafenverwaltung durchsucht wurden, sondern daß in Spanien die Inquisition herrschte.
Der Jesuit unter Deck? fragte er sich und grinste kalt. Das wäre die dümmste Maßnahme, den ganzen Plan mit einem Schlag auffliegen zu lassen!
„Jetzt wird’s gefährlich“, sagte er entschlossen. „Die Inquisition streckt ihre Finger nach unserer Schebecke aus. Das muß verhindert werden, Old Shane.“
„Ich verstehe kein Wort“, erwiderte der Schiffsschmied. „Aber es klingt nicht gut.“
Sie eilten zurück zum Hafen. Das Gewimmel um die Schiffe war deutlich größer geworden.