Читать книгу: «Seewölfe Paket 33», страница 6

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8.

Jean Ribault sah aus schmalen Augen zu den Negern, die jetzt die Beine in die Hand nahmen und verschwanden.

„Diese verdammten Halunken schießen auf unbewaffnete Leute“, sagte er erbittert. „Auf Menschen, die vor Freude ein bißchen verrückt spielen, weil der Drang nach Freiheit sie übermannt. Diesen Mistfliegen werden wir es noch härter zeigen, verlaßt euch darauf. Der Kerl würde auch auf Schiffbrüchige schießen lassen.“

Die Dons luden ihre Musketen auf Kommando nach und feuerten weiter.

„Keiner getroffen“, sagte der Profos. „Sie sind außer Schußweite und wissen genau, wie weit die Musketen tragen. Das haben ihnen die Dons ja schließlich selbst beigebracht.“

Nach einer Weile war der ganze Spuk verschwunden, und die Musketenträger verließen das Oberdeck.

Jetzt waren nur noch Don Julio und sein eingebildeter Erster Offizier auf dem Achterdeck. Der Kommandant deutete zur „Isabella“.

„Die reden über uns“, meinte Karl von Hutten. „Offenbar beratschlagen sie, wie sie sich revanchieren können. Der Alte ist ein sehr nachtragender und zäher Brocken, wie mir scheint.“

„Wer sollte da wohl nicht nachtragend sein, wenn man ihm einen derart üblen Streich spielt“, sagte Ribault lachend. „Ich wäre auch sehr nachtragend und würde versuchen, mein Mütchen zu kühlen. Er wird es sicherlich heute nacht versuchen.“

„Glaube ich auch“, sagte von Hutten. „Bei Nacht und sieht-mich-keiner. Wie, glaubst du, werden sie das anstellen?“

Der Franzose brauchte nicht lange zu überlegen.

„Mit zwei Booten oder Jollen, besetzt mit Soldaten. Eine von See her, die andere von Land, damit sie uns in der Zange haben. Vielleicht auch nur mit einer Jolle von See und Landangriff von der anderen Seite. Aber uns soll das egal sein, wir werden unser Schiff verlassen.“

Der Profos zwinkerte mit den Augen und stierte den Franzosen an, als sei der soeben vom Himmel gefallen.

„Ah, einfach so, spazierengehen an Land, was, wie?“ fragte er völlig verdutzt.

„Nur scheinbar“, erwiderte Jean Ribault. „Wir werden ein bißchen nachhelfen, damit die Dons noch früher in Erscheinung treten. Wir verlassen scheinbar das Schiff und erwecken weiterhin den Eindruck, als sei mit dem Ruder was nicht in Ordnung. Ein bißchen Windmacherei gehört natürlich dazu. Wir kehren aber so zurück, daß die Dons uns nicht bemerken.“

„Und du glaubst, sie werden anbeißen?“ fragte der Profos.

Ribault zeigte sein sorgloses Lächeln.

„Warum nicht? Ein paar Männer können ja an Land bleiben und so tun, als würden sie verschwinden.“

„Und die anderen lauern hinter dem Schanzkleid?“

„Im Geheimgang. Dieses Schiffchen hat doch einen wunderschönen Geheimgang direkt über dem Kielschwein, oder hast du das schon wieder vergessen, Mister Carberry? Wir haben einen versteckten Zutritt zu diesem Gang in Hasards Kammer und einen weiteren in der Kammer, die sonst Ferris bewohnte. Dieser Gang …“

„Ich weiß“, sagte Carberry, „er zieht sich durch die Gesamtlänge des Schiffes und kann auch von vorn betreten oder verlassen werden. Er ist besonders stark abgedichtet und kann auch gelenzt werden, falls das erforderlich wird. Eine gute Idee, und was glaubst du, werden die lieben Dons dann tun?“

„Ich nehme an, sie werden die Gelegenheit nutzen und der ‚Isabella‘ einen Besuch abstatten. Außerdem werden sie sich sehr wundern, das Schiff verlassen vorzufinden, während wir im Geheimgang hocken und sie dann hochnehmen.“

„Weiter“, sagte Matt Davies gespannt. „Das ist ein feiner Trick. Wir haben ihn ja schon einmal ähnlich erprobt, und es hat geklappt. Angenommen, wir haben die Dons vereinnahmt. Was dann?“

Ribaults Grinsen wurde impertinent.

„Dann geben wir uns für Dons aus, wie wir das schon oft getan haben und immer noch tun und statten der Galeone unsererseits einen Besuch in der Dämmerung ab. Die Dons werden keinen großen Unterschied bemerken.“

„Und dann nehmen wir gleichzeitig noch ein Geschenk für sie mit“, sagte der Profos und grinste breit. „Vielleicht ein paar Fäßchen Schießpulver?“

„Genau das ist meine Überlegung, Ed. Ein paar Fäßchen Schießpulver. Die servieren wir ihnen unter dem Achterschiff, wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstelle. Mit den besten Empfehlungen setzen wir uns dann ab. Dann erst dürfte die Freude für Don Julio vollkommen sein.“

„Eine wahre Freude“, meinte der Profos. „Hoffentlich klappt das auch alles so. Der Kutscher sagte einmal: ‚Grau, mein Freund, ist alle Theorie‘, wenn ich mich recht entsinne.“

„Natürlich bleibt ein Unsicherheitsfaktor“, entgegnete der Franzose. „Aber uns bleibt immerhin die Probe aufs Exempel. Und aus welchem Grund sollen wir es nicht versuchen, wenn es sich so schön anhört?“

Von der List des Franzosen waren die Kerle restlos begeistert. Auf diese Art und Weise würden die Dons noch einen weiteren Denkzettel verpaßt kriegen, einen Brocken, an dem sie hart schlucken würden – wenn er in die Tat umgesetzt wurde und klappte.

Dann konnten sich die Dons auf einen längeren Aufenthalt in Mauretanien einrichten.

„Dann wollen wir nichts anbrennen lassen“, sagte der Profos eifrig und rieb sich in der Vorfreude die Hände. „Wir besprechen noch ein paar Einzelheiten und gehen unverzüglich an die Arbeit.“

Das taten sie umgehend.

Auf der „Casco de la Cruz“, wunderten sich die Dons – und ganz besonders der Kommandant.

Die „Bastarde“ schienen Schwierigkeiten zu haben, wie deutlich zu sehen war. Sie reparierten das Ruder, das anscheinend doch einen Treffer erhalten hatte. So genau ließ sich das aber nicht erkennen, weil die Sicht auf das Ruder ständig durch Kerle verdeckt war, die eifrig und aufgeregt hantierten.

„Sie haben ein Problem“, stellte Don Julio fest. „Kein Wunder, daß sie nicht weitergesegelt sind. Ruderschaden. Sie können gar nicht oder nur sehr langsam segeln. Das wird ihnen zum Verhängnis.“

„Was befehlen Sie, Don Julio?“ fragte der Erste.

„Hm, wir werden dafür sorgen, daß sie nervös werden“, entschied der Kommandant. „Lassen Sie eine Jolle mit bewaffneten Männern hinüberschicken. Sie sollen sich aber außerhalb der Reichweite ihrer Stücke aufhalten und nur beobachten. Das wird die Kerle verunsichern, wenn bewaffnete Soldaten in ihrer Nähe auftauchen. Geben Sie dem Jollenführer strenge Anweisungen. Vorerst nicht schießen und auf Distanz bleiben.“

„Verstanden, Don Julio.“

Während der Kommandant weiter beobachtete, ließ Pergoza eine Jolle mit sieben Seesoldaten bemannen. Ein Teniente führte sie, dem er alles das eintrichterte, was der Alte befohlen hatte.

Die Jolle legte ab und nahm Kurs auf die „Isabella“, hielt dabei aber sehr großen Abstand.

Anfangs schienen die Kerle das nicht zu bemerken, doch dann wurde einer aufmerksam und deutete erregt zu der Jolle. Er rief etwas, das Don Julio nicht verstand.

Daraufhin hasteten zwei Kerle an Deck und hantierten an einer der Drehbassen.

De Vilches sah das mit hämischem Vergnügen.

„So einfach geht das, um ein paar Kerle in Panik zu versetzen“, sagte er. „Sie sind verunsichert und warten ab, wissen aber nicht, was wir vorhaben.“

Pergoza staunte selbst, daß die Kerle wahrhaftig immer unsicherer wurden, seit die Jolle mit den Seesoldaten aufgekreuzt war. Sie unterbrachen ihre Arbeit, nur einer hämmerte noch am Ruderblatt herum, warf aber dabei immer wieder nervöse Blicke zu der Jolle.

„Tatsächlich“, sagte er erstaunt. „Dabei haben wir ihnen noch gar nicht die Zähne gezeigt.“

„Das ist vorerst auch nicht nötig“, sagte de Vilches hochnäsig. „Mitunter genügt die bloße Anwesenheit. Möglicherweise sind sie sich erst jetzt darüber im klaren, was sie angerichtet haben, wenn sie das gestrandete Schiff sehen. Sie haben sich wohl doch überschätzt. Angst vor der eigenen Courage nennt man das, mein Lieber.“

Die Drehbasse wurde herumgeschwenkt und auf die Jolle gerichtet.

Don Julio verzog höhnisch die Mundwinkel. Die Entfernung war viel zu groß. Sie konnten nichts ausrichten. Aber das bewies ihm wieder, daß sie doch sehr nervös waren.

Er betrachtete noch einmal die Männer auf dem Schiff. Dann kratzte er sich nachdenklich das Kinn.

Irgend etwas stimmte dort drüben nicht. Er hatte das Gefühl, als seien nicht mehr so viele Leute an Bord. Vielleicht täuschte er sich auch nur, weil sich unter dem Heck eine Menge aufhielten.

Na ja, das war jetzt nicht weiter wichtig. Wichtig war, daß die Kerle sich immer unbehaglicher zu fühlen begannen. Besonders nervös war der Mann an der Drehbasse, der sie wie ein Wilder schwenkte und mit dem Rohr jeder Bewegung der Jolle folgte.

Dann feuerte er in seiner Nervosität und drückte die Lunte auf das Zündloch.

Ein dunkelroter Blitz fuhr aus dem Rohr. Es gab einen donnernden Knall, und im Wasser erschienen viele kleine Fontänen.

Für die anderen war der Schuß offenbar ein Signal. Sie wurden noch kribbeliger und brüllten durcheinander. Der Schütze rannte nach achtern und beschwichtigte den aufgeregten Haufen durch wilde Gesten und gebrüllte Worte.

Don Julio de Vilches gluckste. Das Glucksen drang tief aus seiner Kehle und sollte ein Lachen andeuten.

„Angst vor der eigenen Courage“, wiederholte er. „Eine geradezu ergötzliche Vorstellung, daß sie auf einmal die Hosen voll haben. Señor Pergoza, lassen Sie sofort aus den beiden noch verbliebenen Backbordgeschützen feuern. Oder sind die bereits ebenfalls nach achtern gebracht worden?“

„Nein, noch nicht, Don Julio. Darf ich dazu bemerken, daß der Winkel viel zu spitz ist? Wir werden auf mindestens zwei Schiffslängen vorbeifeuern.“

„Haben Sie denn meine Taktik noch immer nicht begriffen, Sie Unschuldslamm? Zermürben, in Panik versetzen! Sie sehen doch, wie die Kerle fast überängstlich reagieren. Schon das Boot hat sie völlig durcheinander gebracht. Los, lassen Sie die Musik aufspielen!“

Pergoza gab den Befehl einigermaßen verblüfft an den Stückmeister des Zwischendecks weiter.

Der wunderte sich nicht lange und fragte auch nicht, ob er vorbeischoß oder traf. Ihm war das gleichgültig. Er hatte einen Befehl auszuführen, und das tat er mit eifriger Hingabe.

Zwei Zehn-Pfünder gingen auf die Reise. Im Rumpf krachte es so laut, als fliege die Galeone auseinander. Die Resonanz war unglaublich stark und ging selbst de Vilches durch und durch. Er spürte, wie die Planken unter seinen Füßen bebten und ein wilder, höllischer Gesang durch das gesamte Schiff ging.

Dafür war der Effekt um so erstaunlicher.

Auf der „Isabella“ gerieten die Kerle schier aus dem Häuschen, als unvermittelt zwei Zehn-Pfünder krachten. Beide Kugeln donnerten in die See und ließen sie wild aufschäumen. Sie lagen allerdings sehr weit querab und richteten keinen Schaden an.

„Noch zwei!“ schrie Don Julio. Sein faltiges Gesicht, sonst eingetrocknet und leblos wirkend, blühte sichtlich auf, als er den „Erfolg“ seiner Ballerei sah.

Noch zweimal ging ein Bersten und Krachen durch das Schiff. Die Resonanz übertrug sich dabei auf alle Decks und ließ sogar die Masten heftig vibrieren.

Wieder schlug es an fast der gleichen Stelle ein. Gleichzeitig näherte sich auch die Jolle von der anderen Seite her dem vermeintlichen Ruderhavaristen.

Das Aufbrüllen der Stücke war tatsächlich ein Erfolg. Don Julio war jetzt restlos davon überzeugt, daß die Kerle mit ihren Nerven langsam am Ende waren.

Zwei wurden von solcher Panik ergriffen, daß sie sich mit einem wilden Sprung ins Wasser stürzten. Sie waren noch nicht richtig aufgetaucht, als sie auch schon zum Land schwammen.

Ein weiterer hüpfte ebenfalls ins Meer, zappelte im Wasser und schrie gellend um Hilfe.

De Vilches ließ seine knöcherne Faust krachend auf den Handlauf der Balustrade sausen.

„Wir kriegen sie“, sagte er heiser. „Das wird mein Triumph! So kann ich mich wenigstens an den Kerlen schadlos halten. Genau beobachten, wohin sie rennen. An Land fassen wir die Halunken später, und dann werde ich alles aus ihnen herausprügeln, was ich wissen will. Bewahren Sie dieses Beispiel in Ihrer Erinnerung, Pergoza. Eines Tages können Sie auf diese List auch einmal zurückgreifen. Sehen Sie sich jetzt genau an, was drüben geschieht.“

Pergoza schluckte trocken. Er konnte trotz allem nicht glauben, was er sah, doch es war nüchterne Wirklichkeit.

Hinter dem Ruderblatt schwammen ein paar Hölzer im Wasser, mit denen die Kerle ihr Flickwerk begonnen hatten. Jetzt ließen sie alles einfach im Stich.

Über eine Jakobsleiter enterten noch ein paar Kerle ab und drängten sich in der Jolle. Das Beiboot wurde abgestoßen, dann pullten sie wie die Wilden zum Land hinüber, wo sie für etliche Augenblicke hinter der Landzunge verschwanden. Die anderen an Bord warteten ungeduldig, daß man sie ebenfalls holte. Ein Kerl konnte es vor Angst mal wieder nicht erwarten und wählte den kürzeren und schnelleren Weg direkt ins Wasser.

An Land tauchten die Kerle wieder auf und verschwanden in wilden Sprüngen hinter den flachen Sandhügeln. Manche rannten, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her.

De Vilches konnte sich kaum beruhigen. In seinem Blick lag Genugtuung, und er reckte die magere Brust raus.

„Das war ihr größter Fehler“, erklärte er kühn. „Diese übereilte Flucht wird ihnen das Genick brechen, mein Lieber. Da, jetzt kehrt die Jolle wieder zurück.“

„Tatsächlich“, murmelte Pergoza fassungslos.

Ein Mann pullte die Jolle wie ein Verrückter zum Schiff. Seine Arme bewegten sich wie Dreschflegel.

„Noch zwei Schuß!“ befahl de Vilches. „Wir werden sie völlig zermürben. Die Flucht dieser Bastarde ist für mich wie Musik in den Ohren. Sie kriegen noch einen Ehrensalut für ihre Feigheit.“

Jetzt enterten auch die letzten Kerle in die Jolle ab, die erneut Kurs auf die Landzunge nahm.

Die beiden Zehn-Pfünder wühlten wieder das Meer auf und beschleunigten die Ruderer ganz enorm.

De Vilches lachte mißtönend und höhnisch.

Er sah allerdings nicht, daß ein Großteil der Männer wieder zurückschwamm und an einer Seite aufenterte, die er selbst nicht einsehen konnte. Auch für die Jolle lag dieses Blickfeld im toten Winkel.

De Vilches sah nur den scheinbaren Erfolg und flüchtende Männer, die ihre Jolle einsam am Strand zurückgelassen hatten. Weitere Kerle verschwanden in wilden Sprüngen hinter den Hügeln.

„Vielleicht ist das ein neuartiger Trick“, murmelte Pergoza hilflos.

De Vilches musterte ihn durchdringend und fast verächtlich von oben bis unten.

„Sie haben wohl überhaupt noch nichts begriffen“, sagte er von oben herab. „Gar nichts haben Sie kapiert.“

Er sah, wie die eigene Jolle jetzt Kurs auf das verlassene Schiff nahm und sich ihm näherte.

„Pfeifen Sie augenblicklich die Kerle zurück“, befahl er schrill. „Sie erhalten von mir erst detaillierte Anweisungen, ehe sie eingreifen dürfen. Los, pfeifen und winken Sie!“

Zwei grelle Pfiffe ertönten. Pergoza winkte aufgeregt. Er wußte wirklich nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte.

Als die Jolle mit den Seesoldaten abdrehte, griff er zum Spektiv und musterte die „Isabella“ genau und ausgiebig.

Er sah keinen Menschen mehr an Deck. Es war nicht zu fassen, aber die Kerle hatten ihr Schiff feige im Stich gelassen und waren an Land geflüchtet.

„Keiner mehr an Bord“, meldete er.

„Das sage ich doch, sie haben sich abgesetzt, weil sie Angst hatten. An Land versprechen sie sich noch eine Chance zum Überleben, aber die werden sie garantiert nicht mehr haben. Wir fangen sie alle ein, einen nach dem anderen. Sie werden heute abend ein grandioses Schauspiel erleben. Die Gefangenen werden natürlich zur Zwangsarbeit auf unserem Schiff verpflichtet und in Eisen gelegt, sobald wir wieder flott sind. Vorher aber werde ich ihnen die Seelen aus dem Leib peitschen lassen.“

Er blickte zu der Jolle, die sich näherte. Als sie an die Bordwand stieß, sah er hinunter und deutete mit dem dürren Zeigefinger auf den Teniente.

„Das Schiff durchsuchen“, sagte er hart. „Alles durchstöbern. Krempeln Sie die Räume um, Teniente, lassen Sie keine Ecke aus. Falls sich noch ein Bastard an Bord versteckt hat, ist er sofort in Gewahrsam zu nehmen. Unblutig, versteht sich, mit Toten kann ich nichts anfangen. Sobald die Galeone requiriert ist, gehen Sie wieder von Bord und an Land. Dort jagen Sie die Flüchtlinge. In dem Fall ist auch Waffengewalt anzuwenden, falls die Kerle sich nicht ergeben. Aber einige von ihnen brauche ich unbedingt lebend. Sie haften mir dafür. Haben Sie alles genau verstanden?“

„Si, Don Julio, alles verstanden.“

„Sehr gut. Dann pullen Sie jetzt hinüber und entern Sie mit gebotener Vorsicht auf. Vollzugsmeldung in spätestens einer Stunde, noch vor Anbruch der Dämmerung.“

Der Teniente salutierte. Die Jolle wurde zurückgepullt und legte etwas später an der „Isabella“ an.

Zum ersten Male seit langer Zeit lag ein stilles Leuchten auf dem Gesicht des geprüften Kommandanten.

Jetzt würde sich seiner Meinung nach endlich alles aufklären, und er sah im Geist auch schon die elf Schatzschiffe vor sich, die er nach Spanien bringen würde.

9.

Ein paar Männer befanden sich tatsächlich an Land, damit Don Julio keinen Verdacht schöpfte.

Die anderen hatten den Geheimgang aufgesucht und sich versteckt, wo sie jetzt abwarten, was weiter geschah.

„Einen größeren Gefallen hätten die Dons uns gar nicht tun können, als sie das Feuer eröffneten“, sagte Ribault erheitert.

„Mann, was habe ich Angst gekriegt“, meinte der Profos. „Hundert Yards haben die Kerle vorbeigeballert. Ob der Alte das wirklich gefressen hat?“

„Es sah jedenfalls sehr überzeugend aus“, versicherte von Hutten. „Außerdem braucht er jetzt ganz dringend ein Erfolgserlebnis nach allem, was er hinter sich hat. In einem derartigen Zustand wird man leichtsinnig und sieht alles mit anderen Augen. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß sie auch wirklich alle an Bord aufentern.“

Roger Lutz hockte achtern in Hasards ehemaliger Kammer und peilte durch das Bleiglasfenster die Lage. Was er sah, gab er an Grand Couteau weiter, der in dem geöffneten Geheimgang hockte und Verbindung zu den anderen Männern hielt, die er seinerseits über die augenblickliche Lage informierte.

Vorn am Mannschaftslogis saßen ebenfalls zwei Späher, die Kontakt zu den anderen im Geheimgang hielten, der sich über dem Kielschwein durch die gesamte Galeone zog. Von See her konnte man sie unmöglich sehen.

„Sie legen gleich an“, raunte Roger Lutz zu Grand Couteau. „Ich werde bis zum letzten Augenblick beobachten. Dann müssen wir nach unten verschwinden, denn meist nehmen sie sich die Kammer des Kapitäns zuerst vor.“

Tief unten im Schiff waren sie blind wie Maulwürfe und auf die Zeichen und das Flüstern angewiesen. Hier unten hörte sich auch alles anders als an Deck an. Die Geräusche verzerrten sich.

„Insgesamt sieben Dons“, flüsterte Roger Lutz. „Alle mit Musketen und Pistolen bewaffnet – wie vorhin schon. Es sind dieselben Kerle.“

Die Jolle legte ziemlich hart an. Roger Lutz verließ seinen Posten und spähte durch das angelehnte Schott nach draußen. Durch die Bleiglasfenster konnte er aus seinem Blickwinkel nichts mehr sehen.

Ein dumpfes Wummern war zu hören.

Als erster enterte ein Teniente auf, der auf der Kuhl stehenblieb und vorsichtig und mißtrauisch die Lage sondierte. Er hielt eine Muskete schußbereit in den Fäusten, hatte sich etwas vorgebeugt und lauschte auf irgendwelche Geräusche.

Auf dem Schiff rührte sich nichts.

Roger Lutz stand im Halbdunkel der Kammer und konnte nicht gesehen werden. Das Sonnenlicht fiel schräg auf die Decks und blendete den Spanier auf der Kuhl.

„Meldet euch, ihr Bastarde!“ sagte der Spanier in die Totenstille hinein. „Wir zünden jetzt das Schiff an. Wer freiwillig an Deck erscheint, dem passiert nichts.“

Solche miesen Tricks kamen bei den Mannen von Jean Ribault und den Arwenacks allerdings nicht an. Sie konnten sich nicht mal zu einem müden Lächeln durchringen.

Der Teniente stieß ein Schott auf und sah hinein. Es war die Kombüse. Sie war leer und verlassen, als er den Lauf der Muskete hineinhielt.

Er stieß auch noch ein weiteres Schott auf und wiederholte seine Drohung etwas lauter.

Alles blieb totenstill. Nur weit entfernt an Land entdeckte er einen Kerl, und das gab ihm die Sicherheit zurück. Sie waren alle einfach abgehauen, diese Feiglinge!

Er trat ans Schanzkleid und rief hinunter: „Alle aufentern!“

Getrappel war zu hören. Einer nach dem anderen enterte auf, trat auf die Kuhl und sah sich unbehaglich um. Die Musketen hielten sie dabei schußbereit in den Fäusten. Zwei Dons waren lediglich mit doppelläufigen Pistolen bewaffnet.

„Alle sieben Mann an Bord“, meldete Roger Lutz.

Er trat vom Schott zurück, ließ es angelehnt und begab sich in den Geheimgang. Hinter der Wandvertäfelung schloß sich eine Klappe, unsichtbar für einen Fremden, der den Mechanismus nicht kannte.

Getrappel jetzt an Deck, Befehle und Kommandos.

„Zwei Mann mit nach achtern. Zuerst die Kapitänskammer durchsuchen!“ rief der Teniente. Er hatte jetzt offenbar Mut gefaßt.

Harte Tritte wandten sich nach vorn, ein paar andere gingen nach achtern. Der Teniente führte sie großspurig an.

Mit dem Kolben stieß er das Schott auf und blickte in den Raum. Auch er war verlassen.

Er räusperte sich. In seinem Gesicht zuckte es, als er die Schapps, das Pult und die Kojenkiste sah.

„Alles in Ordnung“, schnarrte er die beiden Kerle an. „Ihr könnt nach vorn gehen, ich sehe mich inzwischen hier mal um.“

Er hatte vor, ein bißchen zu plündern, und als die Soldaten verschwunden waren öffnete er ein Schapp, fand eine Buddel Rum, nahm sie heraus und öffnete sie, wobei er sich nach allen Seiten umsah. Dann gluckerte er schnell einen weg.

Dann stöberte er etwas herum, grinste und nahm wieder einen Schluck.

Das Grinsen verging im allerdings, als wie aus dem Nichts unvermittelt ein riesiger, narbiger Kerl mit einem Rammkinn auftauchte. Der Kerl schien aus den Planken gewachsen zu sein.

Der Teniente schrak so heftig zusammen, daß er sich nicht rührte und nur fassungslos diesen narbigen Kerl anstarrte.

Der war ganz freundlich und fragte trocken: „Na, Rübenschwein, hat’s geschmeckt?“ Dabei deutete er auf die Buddel.

Der Teniente schluckte hart, denn der Kerl griff blitzschnell nach seiner funkelnden Hurratüte. Er nahm sie in die linke Hand, grinste und holte dann mit der rechten Hand aus. Die war zur Faust geballt und nannte sich „Profoshammer“.

Aber das wußte der Teniente noch nicht. Er hatte nur einen halben Lidschlag lang das Gefühl, als habe ihn ein Pferdehuf getroffen. Dann flog er in die Koje und blieb regungslos mit ausgebreiteten Armen darin liegen.

„Der erste Seesack ist backgebraßt“, sagte Carberry zufrieden und hauchte über seinen Knöchel. Der Don hatte ein hartes Kinn. Aber das half ihm jetzt auch nicht mehr.

Carberry wartete ab, und weil ihm das Warten zu lange dauerte, nahm er ebenfalls einen Zug aus der Buddel, bis er Schritte hörte.

Aha, einer der Kerle kreuzte auf, um dem Teniente Meldung zu erstatten. Konnte er haben.

Der ahnungslose Seesoldat hörte scheinbar seinen Vorgesetzten in der Kammer rumoren und betrat ebenso ahnungslos den Raum.

„Oh – oh – Madre …“, sagte der Don verdutzt.

„Nix Madre, ich bin der Padre“, sagte Carberry, „und da hab ich den Segen für dich drin.“

Auf den Don flog eine Faust, die wie ein Hammerwerk zuhieb. Es zog ihm fast die Stiefel aus. Der Segen fiel so großzügig aus, daß der Don sofort erschlaffte.

„Sich regen, bringt Segen“, kommentierte der Profos und warf den Kerl zu dem Teniente in die Koje.

Na, einer wird schon noch antanzen, dachte er, und damit lag er richtig. Auch der nächste erschien und lernte den Profoshammer kennen. Die Verstörtheit wich aus seinem Gesicht. Es wurde still und friedlich, und der Profos glaubte sogar, ein „dämliches Grinsen“ darin zu erkennen.

Jetzt lagen drei Spanier in der Koje. Zum Leidwesen des Profosen erschienen keine weiteren, aber dafür hörte er ein trockenes Schluchzen irgendwo unter sich, und da wußte er, daß auch der vierte Don seinen vorläufigen Frieden gefunden hatte.

Die restlichen Seesoldaten wurden von den Mannen im Vorschiff übergangslos abgeräumt. Sie waren wie gelähmt, als vor ihnen plötzlich Kerle auftauchten, die buchstäblich aus dem Nichts erschienen.

Sie wurden in den Geheimgang gezerrt und nach achtern in Hasards Ex-Kammer gebracht. Dort stapelten sich jetzt sieben bewußtlose Dons.

Einer nach dem anderen erschien von Ribaults Mannen.

„Da haben wir ja den Haufen“, meinte der Franzose unbekümmert. „Ganz so, wie ich vermutet habe. Und niemand hat auch nur den geringsten Verdacht geschöpft. Zieht die Burschen aus und legt die Plünnen selbst an. Schließlich müssen wir auf unser Schiffchen zurückkehren.“

„Das wird ein Spaß“, sagte der Profos und begann damit, die regungslosen Dons zu entkleiden.

Zu seinem großen Leidwesen war jedoch nichts dabei, was ihm paßte.

„Macht nichts“, sagte Ribault. „Du bist sowieso viel zu groß und würdest nur auffallen. Du hast drei Kerle abgeräumt. Jetzt laß bitte den anderen den Vortritt.“

Da mußte sich der Profos schweren Herzens fügen, aber er konnte in der Zwischenzeit ja die anderen Dons bewachen.

Ribault zog sich um, dann Jack Finnegan, Higgy, Roger Lutz und die anderen, bis sie sieben an der Zahl waren.

Sie musterten sich gegenseitig und grinsten sich an.

„Wir warten noch eine halbe Stunde“, sagte Jean Ribault. „Dann herrscht genau das Zwielicht, das wir brauchen. Die Zeit nutzen wir, um ein paar Pulverfäßchen in die Jolle zu verstauen. Der gute Don Julio wird zwischen Dämmer und Nacht keinen Unterschied bemerken. Wir müssen nur noch die Jolle auf die andere Seite bringen.“

„Ohne, daß die drüben es merken“, sagte von Hutten. „Das übernimmst am besten du selbst in deiner schönen Uniform.“

Ribault ähnelte dem Teniente auf ein paar Yards ziemlich verblüffend.

Er ging an Deck und ließ sich von drei anderen begleiten. Dann sah er zur „Casco de la Cruz“ hinüber und zeigte kurz klar.

Don Julio winkte höchstpersönlich zurück, als sie die Jolle auf die andere, nicht einsehbare Seite brachten.

Die Dons sahen auch nicht, daß ein paar Fäßchen Schießpulver in die Jolle geladen wurden. Wenn sie die Fässer später entdeckten, würden sie sie für eine erste Beute halten.

Die Sonne versank langsam im Westen. Der Himmel wurde merklich dunkler. An der westlichen Kimm stand eine lilafarbene Wolkenbank aus bizarren Mustern.

Von der Kriegsgaleone gellten Pfiffe. Ein Mann winkte nachdrücklich und pfiff erneut.

„Aber ja doch“, sagte Ribault. „Ihr fliegt noch früh genug in die Luft. Könnt es wohl gar nicht mehr erwarten, wie?“

„Wir sind bereit“, sagte von Hutten und warf einen letzten Blick über die leeren Decks der „Isabella“.

Sie enterten ab und begannen zu pullen. Bei dem jetzigen Licht unterschieden sie sich in nichts von den sieben Dons, die Don Julio de Vilches in Marsch gesetzt hatte.

Ribault musterte das Achterdeck der riesigen Galeone, die wie ein zusammengefallenes Gebirge zur Hälfte im Wasser lag. Kein Bewaffneter war zu sehen. Aber etliche Dons standen neugierig herum und sahen ihnen gespannt entgegen.

„Sie haben Wein mitgebracht!“ schrie einer vom Deck aus freudig.

„Längsseits am Backbord anlegen. Teniente!“ rief Don Julio. „Alles in Ordnung?“

„Alles in Ordnung, Don Julio“, versicherte Ribault.

Statt an Backbord anzulegen, pullten sie am Rumpf des Schiffes vorbei, bis sie das gewaltige Hennegat erreichten.

Gerade noch sah Jean Ribault den greisen Schädel des Don Julio verschwinden, der sich hinunter gebeugt hatte.

„Mittschiffs anlegen!“ schrie Don Julio. „Haben Sie meinen Befehl nicht verstanden? Mittschiffs habe ich gesagt. Ja, wo sind sie denn?“ hörten sie ihn gleich darauf fragen.

Das Hennegat war ebenfalls wegen seiner starken Krümmung von oben nicht einzusehen.

Karl von Hutten zündete die Lunten, die die Schießpulverfässer miteinander verbanden.

Ribault und Roger Lutz vertäuten die Jolle so fest, wie es nur ging. Schnell wurde noch einmal alles überprüft.

„Leise über Bord“, raunte der Franzose. „Hinüber zum Land. Auf der Sandbank können wir laufen. Inzwischen kehren auch die anderen wieder vom Land zurück. Die restliche Strecke schwimmen wir.“

„Uns bleiben vier Minuten“, sagte von Hutten. „Bis dahin müssen wir verschwunden sein.“

Sie glitten über Bord und schwammen von der Jolle weg, in deren Innern es leise zischte. Von oben hörten sie de Vilches quengeln und nörgeln.

Nach drei Minuten, in denen ungeduldig gerufen wurde, erreichten sie die Sandbank und begannen zum Land zu laufen.

Erstaunte Blicke folgten ihnen. Niemand begriff, was da vor sich ging.

Sie begriffen es erst ein wenig später.

Ein Blitz zuckte auf, so grellweiß und blendend, als sei schlagartig die Sonne aufgegangen. Eine fürchterliche Explosion riß mit einem gewaltigen Donnerschlag der Kriegsgaleone das halbe Heck weg.

Ribault sah noch, wie de Vilches in einer grotesk anmutenden Bewegung in die Höhe gewirbelt wurde und sich dabei mit einem langen Salto in der Luft überschlug, bevor er ins Wasser klatschte. Vermutlich hatte sich der Ärmste das ganze Knochengestell verstaucht.

Das Achterschiff fing Feuer, eine heiße Glutwelle raste heran, und die Druckwelle fegte sie fast zu Boden.

Auf der „Casco de la Cruz“ war der Teufel los. Das Schiff war nicht mehr zu retten. Brüllende Spanier verließen es in überstürzter Flucht und sprangen in Panik über Bord.

Noch während die Flammen loderten, waren Ribault und die sechs anderen Männer wieder an Bord ihres Schiffes. Sie hatten die riesige, uneinnehmbare Festung doch noch geknackt.

„Ankerauf“, sagte Ribault, als alle Mannen an Bord waren. „Wir segeln dem Verband nach.“

Der Profos aber war damit beschäftigt, die sieben „Kastanienfresser zu löschen“, die sich noch an Bord befanden. Er warf einen nach dem anderen kurzerhand ins Wasser …

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