Mansfield Park

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Mansfield Park
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Читает Benedict Cumberbatch, Cast Full, David Tennant
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5. Kapitel

Die jungen Leute fanden von Anfang an Gefallen aneinander. Auf beiden Seiten war viel Anziehendes vorhanden, und die Bekanntschaft versprach, so rasch der gute Ton es nur zuließ, zu einer intimen Freundschaft zu werden. Daß Miss Crawford so hübsch war, schadete ihr in den Augen der Fräulein Bertram nicht. Sie waren ihrer eigenen Schönheit zu sicher, um anderen Frauen ihr gutes Aussehen zu verübeln, und zeigten sich von Marys lebhaften, dunklen Augen, ihrem klaren, bräunlichen Teint und ihrer zierlichen Anmut fast ebenso bezaubert wie ihre Brüder. Wäre sie groß und stattlich und blond gewesen, hätten sie die Prüfung vielleicht schwerer zu bestehen gefunden, doch wie die Dinge lagen, kam ein Vergleich gar nicht in Frage, und sie ließen Mary Crawford von Herzen gern als liebes, reizendes Mädchen gelten, während sie natürlich die Schönsten im Lande blieben.

Der Bruder hingegen war nicht schön. Nein, als sie ihn zum erstenmal erblickten, war er ausgesprochen häßlich, schwarz und häßlich; nichtsdestoweniger war er ein Gentleman mit sehr angenehmen Manieren. Bei der zweiten Begegnung stellte es sich heraus, daß er gar nicht so furchtbar häßlich war; häßlich zweifellos, aber er besaß so viel Haltung und so schöne Zähne und war so gut gebaut, daß man seine Häßlichkeit bald vergaß. Und nach der dritten Zusammenkunft, bei einem Dinner im Pfarrhaus, war es niemand mehr gestattet, ihn häßlich zu nennen; er war vielmehr der angenehmste junge Mann, dem die Schwestern je begegnet waren, und beide zeigten sich gleichermaßen entzückt von ihm. Der Umstand, daß Miss Bertram verlobt war, machte ihn zu Julias rechtmäßigem Eigentum. Julia war sich dessen vollauf bewußt, und ehe er noch eine Woche in Mansfield verbracht hatte, war sie durchaus bereit, sich in ihn zu verlieben.

Marias diesbezügliche Gefühle waren verworrener und unklarer. Sie wollte nicht klarsehen. Es konnte doch nichts dabei sein, einen angenehmen Menschen sympathisch zu finden – jedermann kannte ihre Situation – Mr. Crawford müßte sich eben in acht nehmen … Mr. Crawford seinerseits hatte gar nicht die Absicht, in Gefahr zu geraten. Die Fräulein Bertram waren bereit, an ihm Gefallen zu finden, und er fand es der Mühe wert, ihnen zu gefallen. Mehr wollte er vorläufig nicht; er verlangte durchaus nicht, daß sie aus Liebe zu ihm vergehen sollten. Obwohl sein Verstand und sein Charakter ihn befähigt hätten, richtiger zu denken und zu empfinden, gestattete er sich in solchen Dingen große Leichtfertigkeit.

«Deine Fräulein Bertram gefallen mir außerordentlich gut, Schwester», sagte er, als er sie nach dem Dinner im Pfarrhaus zu ihrem Wagen hinausbegleitet hatte. «Es sind wirklich sehr elegante, liebenswürdige Mädchen.»

«Ja, das sind sie, und es freut mich, es von dir bestätigt zu hören. Julia gefällt dir natürlich am besten.»

«O gewiß, Julia gefällt mir am besten.»

«Ernsthaft, Henry? Miss Bertram gilt nämlich allgemein als die größere Schönheit.»

«Das kann ich mir denken. Sie ist in jeder Beziehung hübscher und auch mehr mein Typ – aber Julia gefällt mir am besten. Miss Bertram ist ohne Frage die Schönere, und ich habe sie auch liebenswürdiger gefunden – aber Julia wird mir stets am besten gefallen, da du es so gebietest.»

«Ich werde überhaupt nicht mehr mit dir reden, Henry. Aber ich weiß, daß dir letzten Endes Julia wirklich am besten gefallen wird.»

«Habe ich dir nicht erklärt, daß sie mir schon ersten Endes am besten gefällt?»

«Und außerdem ist Miss Bertram verlobt. Vergiß das nicht, mein Lieber. Sie hat ihre Wahl bereits getroffen.»

«Ja, und darum mag ich sie noch besser leiden. Ein verlobtes Mädchen ist immer sympathischer als ein unverlobtes. Sie ist mit sich selber zufrieden. Sie hat keine Sorgen mehr und kann alle ihre Verführungskünste entfalten, ohne daß man sie bestimmter Absichten verdächtigt. Mit einer verlobten jungen Dame fühlt man sich sicher. Es kann nichts passieren.»

«Nun, was das betrifft … Mr. Rushworth ist ein sehr braver junger Mann und eine ausgezeichnete Partie für sie.»

«Und seiner Braut liegt nicht soviel an ihm! So urteilst du über deine gute Freundin! Aber ich schließe mich deinem Urteil nicht an. Ich bin überzeugt, daß Miss Bertram ihren Mr. Rushworth zärtlich liebt. Das habe ich in ihren Augen gelesen, als die Rede auf ihn kam. Ich habe eine zu hohe Meinung von Miss Bertram, um anzunehmen, daß sie ihre Hand ohne ihr Herz verschenken würde.»

«Mary, was sollen wir nur mit ihm anfangen?» «Ich fürchte, wir müssen ihn aufgeben. Alles Reden nützt nichts. Zum Schluß wird auch er hineinfallen.» «Aber ich möchte nicht, daß er hineinfällt, ich möchte nicht, daß er sich düpieren läßt! Er soll sich ehrlich und ehrbar verlieben!»

«Ach, du lieber Himmel! Überlaß ihn ruhig seinem Schicksal. Es kommt auf dasselbe heraus. Früher oder später fällt doch jeder hinein.»

«Nicht wenn es zum Heiraten kommt, liebste Mary.» «Gerade wenn es zum Heiraten kommt. Mit allem gebührenden Respekt für allfällig verheiratete Anwesende sei es gesagt, daß kaum eines von hundert Männlein oder Weiblein beim Heiraten nicht hineinfällt. Wohin ich auch blicke, sehe ich das gleiche. Und wenn ich es recht bedenke, kann es gar nicht anders sein, denn eine Heirat ist von allen Transaktionen diejenige, bei der man die größten Erwartungen in einen anderen Menschen setzt und sich selber der größten Unaufrichtigkeit befleißigt.»

«Was die Ehe betrifft, warst du in Hill Street in einer schlechten Schule, Mary.»

«Meine arme Tante hatte gewiß wenig Grund, den Ehestand zu loben. Aber auch wenn ich nur nach meinen eigenen Beobachtungen urteile, ist es eine trügerische Sache. Ich kenne so viele, die geheiratet haben, weil sie von einem bestimmten Vorteil der Verbindung oder einem bestimmten Vorzug der betreffenden Person fest überzeugt waren – um nachträglich zu erkennen, daß sie sich gründlich getäuscht hatten und mit dem genauen Gegenteil von dem, was sie erhofften, fertig werden mußten. Kann man das anders nennen als hineinfallen?»

«Mein liebes Kind, deine Phantasie geht ein bißchen mit dir durch. Verzeih mir, wenn ich dir nicht rechtgeben kann. Du siehst nur das halbe Bild, verlaß dich darauf. Du siehst das Schlechte, aber nicht das Gute, durch das es aufgewogen wird.

Es gibt überall kleine Schwierigkeiten und Enttäuschungen, und wir neigen allesamt dazu, allzuviel zu erwarten. Aber wenn die eine Glückshoffnung sich nicht erfüllt, wendet sich die menschliche Natur einer anderen zu, wenn unsere erste Rechnung falsch war, machen wir eine zweite, die besser stimmt; irgendwie klappt es zum Schluß. Und die hämischen Zuschauer, die aus jeder Kleinigkeit so gern eine große Affäre machen, sind letztlich weit eher die Betrogenen als die Beteiligten selber.»

«Wacker gesprochen, Schwester! Ich ehre deinen esprit de corps, und wenn ich selbst erst eine Ehefrau bin, sollst du mich ebenso standhaft sehen. Ich wünschte nur, ganz im allgemeinen, meine Bekannten dächten auch so. Das würde mir manchen Kummer ersparen.»

«Du bist um kein Haar besser als dein Bruder, Mary, aber wir werden euch beide kurieren. Mansfield wird euch beide kurieren – und niemand wird dabei hineinfallen. Bleibt bei uns, und wir werden euch kurieren.»

Auch wenn sie nicht kuriert werden wollten, waren die Crawfords gern zum Bleiben bereit. Mary war mit ihrem neuen Heim zufrieden, und Henry hatte nichts dagegen, seinen Besuch zu verlängern. Er hatte ursprünglich die Absicht, nur ein paar Tage zu bleiben, doch Mansfield schien einiges zu versprechen, und es gab nichts, was ihn anderswohin zog. Mrs. Grant war glücklich, die beiden bei sich zu behalten, und Dr. Grant zeigte sich mehr als einverstanden; für einen behäbigen Mann, der sich nicht gern aus dem Haus rührt, ist eine hübsche, plauderhafte junge Dame immer die angenehmste Gesellschaft, und Mr. Crawfords Besuch bot einen ausgezeichneten Vorwand, täglich Rotwein zu trinken.

Die Bewunderung, die die Fräulein Bertram Henry Crawford zollten, war ungehemmter als die Gefühle, die Miss Crawford sich zu gestatten pflegte. Sie gestand sich jedoch ein, daß die jungen Herren Bertram sehr sympathische junge Männer wären, wie man sie selbst in London nicht oft beisammen sähe, und daß sie ausgezeichnete Manieren besäßen. Dies galt besonders für Tom, der sich viel in London aufhielt und sich durch größere Lebhaftigkeit und Galanterie auszeichnete als Edmund. Daß er der Ältere war, sprach natürlich besonders zu seinen Gunsten. Mary Crawford hatte von Anfang an geahnt, daß der Ältere ihr besser gefallen würde. Sie kannte sich.

Tom Bertram mußte aber unter allen Umständen gefallen. Er gehörte zu den jungen Leuten, die allgemein beliebt sind. Seine Liebenswürdigkeit war von der Art, die man häufiger liebenswürdig findet als manche Gabe höherer Prägung, denn er hatte eine unbefangene Art, war stets guter Dinge, besaß einen großen Bekanntenkreis und fand immer eine Menge zu erzählen; die Anwartschaft auf Mansfield Park und den Baronet-Titel machte ihn um nichts unsympathischer. Miss Crawford hatte bald das Gefühl, daß er der Richtige für sie sein könnte. Sie sah sich mit löblicher Besonnenheit um und stellte fest, daß so gut wie alles zu seinen Gunsten sprach: der Park, ein wirklicher Park von fünf Meilen im Umkreis, das geräumige, modern gebaute Haus, das dank seiner malerischen Lage einen Ehrenplatz in jeder Sammlung von Abbildungen englischer Landsitze verdient hätte und nur neu möbliert zu werden brauchte – sympathische Schwestern – eine unaufdringliche Mutter – und er selbst war ein angenehmer Mensch mit dem besonderen Vorzug, daß er sich gegenwärtig durch ein Versprechen seinem Vater gegenüber verpflichtet hatte, nicht hoch zu spielen, und daß er später einmal selbst Sir Thomas heißen würde. Ja, es war nichts gegen ihn einzuwenden. Sie würde wohl recht daran tun, ihn zu nehmen. Und dementsprechend begann sie sich ein wenig für das Pferd zu interessieren, das beim Rennen in B. für ihn laufen sollte.

 

Dieses Rennen sollte Tom bald nach dem Beginn ihrer Bekanntschaft hinwegrufen, und da es sich zeigte, daß seine Familie auf Grund seiner sonstigen Gepflogenheiten ihn nicht vor Ablauf vieler Wochen zurückerwartete, schien dies eine erwünschte Gelegenheit, die Stärke seiner Leidenschaft in diesem frühen Stadium auf die Probe zu stellen. Er seinerseits suchte sie beredt zur Teilnahme am Rennen zu bewegen, und es wurden alle möglichen Pläne geschmiedet, daß die ganze Gesellschaft mittun sollte – doch es blieb beim Reden.

Und Fanny? Was trieb sie, was dachte sie während dieser ganzen Zeit? Was hielt sie von den neuen Freunden? Es gab wohl wenige achtzehnjährige Mädchen, die seltener aufgefordert wurden, ihre Meinung zu äußern, als Fanny. Auf ihre stille Art und ohne viel beachtet zu werden, zollte auch sie Miss Crawfords Anmut ihre Bewunderung. Doch da sie Mr. Crawford noch immer häßlich fand, obwohl ihre Cousinen ihr mehr als einmal das Gegenteil bewiesen hatten, sprach sie niemals von ihm. Miss Crawford ihrerseits richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf Fanny. «Jetzt beginne ich Sie alle richtig zu verstehen», sagte sie, als sie eines Tages mit den beiden jungen Herren im Garten spazierte, «bis auf Miss Price. Sagen Sie bitte, ist sie eingeführt oder nicht? Ich kenne mich nicht mehr aus. Sie war mit der ganzen Familie beim Dinner im Pfarrhaus, was dafür sprechen würde, daß sie eingeführt ist; andererseits tut sie so selten den Mund auf, daß ich es kaum annehmen kann.»

Edmund, an den diese Worte hauptsächlich gerichtet waren, erwiderte: «Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen – aber ich nehme es nicht auf mich, Ihre Frage zu beantworten. Meine Cousine ist ihrem Alter und ihrem Verstand nach ein erwachsenes Mädchen, aber eingeführt oder nicht eingeführt, das geht über meinen Horizont.»

«Und dabei ist im allgemeinen nichts leichter festzustellen. Der Unterschied im Auftreten, in der Kleidung, in der ganzen Erscheinung ist so groß. Bis jetzt hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß man sich in diesem Punkt irren kann. Ein junges Mädchen, das noch nicht eingeführt ist, kleidet sich immer auf die gleiche Art – ein knappes, schmuckloses Hütchen zum Beispiel wirkt sehr züchtig – und spricht kein Wort. Sie lachen – aber ich versichere Ihnen, so ist es, und abgesehen davon, daß es manchmal zu weit getrieben wird, ist es ganz in der Ordnung. Junge Mädchen sollen still und bescheiden sein. Allenfalls könnte man einwenden, daß ihr Betragen, sobald sie in die Gesellschaft eingeführt sind, sich oft gar zu abrupt ändert. Es schlägt manchmal in der kürzesten Zeit von äußerster Zurückhaltung ins reine Gegenteil, in Dreistigkeit um. Das ist zweifellos ein Fehler des bestehenden Systems. Es macht keinen guten Eindruck, wenn ein achtzehn- oder neunzehnjähriges Mädchen plötzlich bei allem mitredet und über alles informiert ist, wenn man weiß, daß sie vor einem Jahr noch kaum imstande war, den Mund aufzutun. Sie, Mr. Bertram, dürften diese Verwandlung öfter beobachtet haben, nicht wahr?»

«Und ob! Aber das ist nicht fair von Ihnen, ich protestiere! Ich weiß, wo Sie hinauswollen. Sie wollen mich mit Miss Anderson aufziehen.»

«Ganz und gar nicht. Miss Anderson? Keine Ahnung, wen oder was Sie meinen. Ich tappe völlig im dunkeln. Aber ich werde Sie natürlich mit dem größten Vergnügen aufziehen, wenn Sie mir erklären, um was es sich handelt.»

«Oh, Sie spielen Ihre Rolle sehr gut, aber so leicht lasse ich mir nichts vormachen! Nein, bei Ihrer Beschreibung einer so jäh verwandelten jungen Dame haben Sie ganz bestimmt Miss Anderson im Auge gehabt! Sie haben sie gar zu präzise geschildert. Es war wirklich genau so. Die Andersons von Baker Street – wir haben noch kürzlich von ihnen gesprochen. Edmund, du hast mich öfter von Charles Anderson sprechen gehört. Die Umstände waren tatsächlich so, wie Miss Crawford sie schildert. Als Anderson mich vor zwei Jahren seiner Familie vorstellte, war seine Schwester noch nicht eingeführt, und ich konnte sie nicht dazu bringen, mit mir zu reden. Ich saß einmal eine ganze Stunde dort, während ich auf Anderson wartete. Außer mir war nur die junge Dame im Zimmer und noch ein oder zwei kleine Mädchen – die Gouvernante war krank oder davongelaufen, und die Mutter hatte irgendwelche Geschäftsbriefe zu erledigen und schaute nur immer auf einen Augenblick herein. Also gut – es war mir einfach nicht möglich, der jungen Dame ein Wort oder einen Blick zu entlocken. Sie preßte die Lippen zusammen und wandte sich mit steinerner Miene von mir ab. Ich sah sie erst nach einem Jahr wieder – da war sie eingeführt. Ich traf sie bei Mrs. Holford und erinnerte mich gar nicht mehr an sie. Sie aber kam geradewegs auf mich zu, begrüßte mich als einen alten Bekannten, brachte mich mit ihren Blicken ganz aus der Contenance und schwatzte und lachte, daß ich nicht wußte, wo ich bleiben sollte. Ich hatte das Gefühl, daß alle im Zimmer sich über mich lustig machten – und Miss Crawford, soviel ist klar, hat von dieser Geschichte gehört.»

«Nein, aber es ist eine sehr hübsche Geschichte, in der mehr Wahres steckt, als es Miss Anderson Ehre macht. Doch der Fehler ist allgemein verbreitet. Die Mütter haben es offenbar noch nicht ganz heraus, ihre Töchter richtig zu leiten. Ich weiß

nicht, woran es liegt. Ich maße mir nicht an, die Menschen zu belehren, aber ich sehe, daß sie es oft falsch machen.»

«Wer der Welt das Beispiel gibt, wie eine echte Dame sich zu benehmen hat», bemerkte Mr. Bertram galant, «trägt am meisten zu ihrer Belehrung bei.»

«Der Fehler liegt klar zutage», sagte der weniger artige Edmund. «Solche Mädchen sind einfach schlecht erzogen. Man hat ihnen von Anfang an nicht die richtigen Begriffe beigebracht. So oder so ist Eitelkeit ihr einziger Beweggrund. Ihr Benehmen, bevor sie in die Gesellschaft eingeführt sind, verrät ebensowenig echte Bescheidenheit wie nachher.»

«Ich weiß nicht», erwiderte Miss Crawford zögernd. «Nein, da kann ich Ihnen nicht rechtgeben. Diese falsche Bescheidenheit ist noch das Harmloseste an der ganzen Sache. Viel schlimmer ist es, wenn Mädchen, die nicht eingeführt sind, sich das gleiche Ansehen geben und die gleichen Freiheiten herausnehmen, wie wenn sie schon ein Recht darauf hätten. Das habe ich auch schon gesehen, und es ist einfach widerlich.»

«Ja, das ist wirklich etwas Lästiges», sagte Mr. Bertram. «Es führt einen irre, man weiß nicht, wie man daran ist. Das schmucklose Hütchen und die sittsame Miene, die Sie so richtig schildern (nichts könnte treffender sein), zeigen einem jungen Mann, was von ihm erwartet wird. Aber wo sie fehlen – letztes Jahr geriet ich da in eine peinliche Lage. Im September, gleich nach meiner Rückkehr aus Westindien, fuhr ich mit meinem Freund Sneyd auf eine Woche nach Ramsgate – Edmund, du hast mich von meinem Freund Sneyd sprechen gehört. Seine Eltern und seine Schwestern, die ich alle noch nicht kannte, waren dort. Na schön, wir kommen ins Albion, und sie sind ausgegangen. Wir gehen ihnen nach und finden sie am Pier, Mrs. Sneyd mit ihren beiden Töchtern und verschiedenen Bekannten. Ich mache in aller Form mein Kompliment, und da Mrs. Sneyd von Herren umringt ist, schließe ich mich einer der Töchter an, weiche den ganzen Heimweg lang nicht von ihrer Seite und versuche nach Kräften, mich angenehm zu machen. Die junge Dame ist ganz unbefangen und scheint ebensogern zu plaudern wie zuzuhören. Ich hatte nicht die geringste Idee, daß ich einen Fauxpas begehen könnte. Die beiden Mädchen sahen ganz gleich aus, beide in hübschen Kleidern mit Schleierhütchen und Sonnenschirm wie jedes andere junge Mädchen. Aber hinterher habe ich erfahren, daß ich meine Aufmerksamkeit an die jüngere Schwester verschwendet hatte, die noch nicht eingeführt war, und damit hatte ich die ältere tödlich beleidigt. Miss Augusta hätte die nächsten sechs Monate lang noch nicht bemerkt werden dürfen, und Miss Sneyd hat mir, glaube ich, niemals vergeben.»

«Das war wirklich arg. Arme Miss Sneyd! Obwohl ich keine jüngere Schwester habe, fühle ich mit ihr. Vorzeitig übergangen zu werden – das muß sehr ärgerlich sein. Doch es war ausschließlich die Schuld der Mutter. Miss Augusta hätte sich zu ihrer Gouvernante halten müssen. Solche Halbheiten tun nie gut. Aber jetzt müssen Sie meine Neugier betreffs Miss Price befriedigen. Besucht sie Bälle? Ist sie nur zu meiner Schwester gekommen, oder wird sie auch in andere Häuser zum Essen eingeladen?»

«Nein, ich glaube, sie war noch nie auf einem Ball», erwiderte Edmund. «Meine Mutter geht selten in Gesellschaft und speist niemals auswärts, außer bei Mrs. Grant, und Fanny bleibt mit ihr zu Hause.»

«Oh, dann ist die Sache ganz klar. Miss Price ist nicht eingeführt.»

6. Kapitel

Mr. Bertram reiste ab, und Miss Crawford machte sich darauf gefaßt, eine große Lücke in ihrem Kreis zu finden und ihn bei den jetzt fast täglich stattfindenden Begegnungen der beiden Familien schmerzlich zu vermissen. Als sie kurz nach seiner Abreise alle zum Essen nach Mansfield Park geladen waren, nahm sie ihren gewohnten Platz am unteren Ende der Tafel mit recht melancholischen Erwartungen ein. Sie war sicher, daß die Mahlzeit äußerst langweilig verlaufen würde. Edmund, der an Stelle seines Bruders den Hausherrn spielte, würde im Gegensatz zu diesem nichts zu sagen haben. Er würde die Suppe ganz temperamentlos austeilen, den Wein ohne Lachen und nette Scherze einschenken und die Rehkeule tranchieren, ohne eine einzige lustige Anekdote über einen früheren Wildbraten oder eine unterhaltsame Geschichte über «meinen Freund Soundso» zum besten zu geben. Ihr einziges Amüsement würde wohl darin bestehen, aufzupassen, was am oberen Ende der Tafel vor sich ging, und Mr. Rushworth zu beobachten, der heute zum erstenmal seit dem Eintreffen der Crawfords in Erscheinung trat. Er war bei einem Freund in der benachbarten Grafschaft zu Besuch gewesen, und da dieser Freund kürzlich seine Parkanlagen von einem Fachmann hatte umgestalten lassen, war Mr. Rushworth jetzt ganz von diesem Gegenstand erfüllt und höchst begierig, seine eigene Besitzung auf die gleiche Weise zu verschönern. Obwohl er nicht viel Zweckmäßiges vorbrachte, konnte er von nichts anderem reden. Das Thema war bereits im Salon abgehandelt worden und wurde nun im Eßzimmer wieder aufgegriffen. Mr. Rushworth wünschte offensichtlich vor allem, Miss Bertram dafür zu interessieren und ihre Meinung zu hören; und obwohl sich in ihrer Haltung eher das Bewußtsein ihrer Überlegenheit als Anteilnahme an seinen Bestrebungen verriet, erfüllten sie die Erwähnung von Sotherton Court und die damit zusammenhängenden Aussichten mit einer Selbstzufriedenheit, die sie davor bewahrte, ausgesprochen ungnädig zu wirken.

«Ich wollte, Sie könnten Compton sehen», sagte Mr. Rushworth. «Es ist wirklich vollkommen. Ich habe nie im Leben eine solche Veränderung gesehen. Ich habe zu Smith gesagt, ich wüßte gar nicht, wo ich wäre. Die jetzige Zufahrt ist etwas Großartiges. Das Haus präsentiert sich ganz überraschend. Ich muß sagen, wie ich gestern nach Sotherton zurückkam, sah es aus wie ein Gefängnis – ein düsteres, altes Gefängnis.»

«Oh, schämen Sie sich!» rief Mrs. Norris.

«Wahrhaftig, ein Gefängnis! Sotherton Court ist der vornehmste alte Landsitz der Welt.»

«Aber es muß verschönert werden, gnädige Frau, es muß unbedingt verschönert werden. Ich habe nie im Leben einen Platz gesehen, der so dringend eine Verschönerung gebraucht hätte. Und es sieht so hoffnungslos aus, daß ich gar nicht weiß, was man damit anfangen kann.»

«Kein Wunder, daß Mr. Rushworth gegenwärtig so denkt», bemerkte Mrs. Grant lächelnd zu Mrs. Norris. «Aber keine Sorge – Sotherton wird bald in jeder Beziehung verschönert sein, wie es seinem Herzenswunsch entspricht.»

«Ich muß versuchen, etwas daraus zu machen, aber ich weiß nicht was», erklärte Mr. Rushworth. «Ich hoffe, daß meine Freunde mir dabei helfen werden.»

«Ich stelle mir vor, daß in diesem Fall Ihr bester Freund Mr. Repton wäre», bemerkte Miss Bertram ruhig.

«Ja, daran denke ich auch. Nachdem er sich bei Smith so bewährt hat, sollte ich ihn vielleicht sofort engagieren. Sein Honorar beträgt fünf Guineen täglich.»

«Und wenn es zehn wären, bedeutet das für Sie kein Hindernis!» rief Mrs. Norris. «Die Kosten spielen keine Rolle. Ich an Ihrer Stelle würde nicht an die Kosten denken, sondern alles im besten Stil und so gut wie möglich ausführen lassen. Ein Platz wie Sotherton Court ist des Besten würdig, was Geld und Geschmack zu leisten vermögen. Sie haben Raum für alle erdenklichen Anlagen und ein Grundstück, aus dem sich etwas machen läßt. Ich für mein Teil, wenn ich nur ein Fünfzigstel eines solchen Besitzes hätte, würde ihn ständig umgestalten und verschönern, denn das tue ich für mein Leben gerne. Mit dem winzigen Stückchen Land, das ich jetzt habe, wäre es lächerlich, etwas Derartiges anzustreben – die reine Farce. Aber wenn ich mehr Platz hätte, wäre es mein höchstes Vergnügen, ihn zu verschönern und zu bepflanzen. Im Pfarrhof haben wir ja in dieser Hinsicht allerlei vollbracht, wir haben den Platz zur Unkenntlichkeit umgewandelt. Ihr jungen Leute erinnert euch nicht, wie es früher war; sofern unser lieber Sir Thomas hier wäre, könnte er euch erzählen, welche Verbesserungen uns zu verdanken sind. Wir hätten noch viel mehr getan, wenn mein armer Norris nicht so leidend gewesen wäre. Der Arme, er war ja kaum jemals imstande, vor die Tür zu gehen, um sich daran zu erfreuen, und das hat mir natürlich auch die Lust genommen, die verschiedenen Pläne auszuführen, die Sir Thomas und ich besprochen hatten. Wäre das nicht gewesen, hätten wir die Gartenmauer weitergeführt und die Sträucher angepflanzt, die den Blick auf den Friedhof ausschließen, wie Dr. Grant es getan hat. Trotzdem haben wir ständig etwas verbessert. Ein Jahr vor dem Tod meines armen Norris haben wir noch den Aprikosenbaum an der Stallmauer gepflanzt, der jetzt zu einem so prächtigen Baum herangewachsen ist und immer noch schöner wird, Sir», schloß sie, zu Dr. Grant gewandt.

 

«Der Baum gedeiht, das ist nicht zu leugnen, Madam», versetzte Dr. Grant. «Der Boden ist gut. Und ich gehe nie vorbei, ohne zu bedauern, daß die Früchte von so schlechter Qualität sind, daß sie kaum das Einernten lohnen.»

«Aber, Sir, es ist ein Moorpark, wir haben ihn als Moorpark gekauft, und gekostet hat er uns – das heißt, es war ein Geschenk von Sir Thomas, aber ich habe die Rechnung gesehen und weiß, daß er sieben Shilling gekostet hat, weil es ein echter Moorpark ist.»

«Da hat man Sie angeschmiert, Madam», erwiderte Dr. Grant. «Diese Kartoffel hier besitzt eher das Aroma einer Moorpark-Aprikose als die Früchte von jenem Baum. Es ist im besten Fall ein fades Obst, aber eine gute Aprikose ist zumindest genießbar, was man von denjenigen in meinem Garten nicht behaupten kann.»

«Die Wahrheit ist nämlich», flüsterte Mrs. Grant über den Tisch hinweg Mrs. Norris angelegentlich zu, «daß Dr. Grant gar nicht weiß, wie unsere Aprikosen schmecken. Er bekommt sie kaum jemals zu kosten. Die Früchte sind so gut verwendbar, und die unsrigen werden so besonders groß und schön, daß die Köchin sie sich sämtlich für ihre Obstkuchen und Marmeladen aneignet.»

Mrs. Norris, die schon im Begriff stand, einen roten Kopf zu bekommen, war besänftigt, und eine kleine Weile lang redete man von anderen Dingen als von der Verschönerung von Sotherton. Dr. Grant und Mrs. Norris waren selten gut Freund. Ihre Bekanntschaft hatte mit Auseinandersetzungen über die Baufälligkeit des Pfarrhauses begonnen, und sie waren kaum jemals einer Meinung.

Nach dieser kurzen Unterbrechung begann Mr. Rushworth von neuem: «Smith’s Besitzung wird jetzt weit und breit bewundert. Dabei war gar nichts daran, bevor Repton die Sache in die Hand genommen hat. Ich glaube, ich werde doch Repton heranziehen.»

«Mr. Rushworth», sagte Lady Bertram, «an Ihrer Stelle würde ich ein hübsches Boskett anlegen. Bei schönem Wetter hält man sich gern in einem hübschen Boskett auf.»

Mr. Rushworth beeilte sich, Ihrer Ladyship zuzustimmen, und bemühte sich, ein feines Kompliment zu drechseln; doch zwischen seiner Begeisterung für ihre Idee, seiner Versicherung, daß er selber das gleiche im Sinn gehabt hätte, seinen Beteuerungen, daß ihm vor allem daran läge, es den Damen allesamt recht angenehm zu machen, und seinen Andeutungen, daß es nur eine einzige gäbe, deren Wünsche ihm Befehl seien, verhaspelte er sich, und Edmund beeilte sich, ihm aus der Verlegenheit zu helfen, indem er ihn aufforderte, mit ihm ein Glas zu leeren. Doch obwohl Mr. Rushworth sonst kein großer Redner war, konnte er sich von dem Gegenstand, der ihm am Herzen lag, noch nicht losreißen. «Smith hat im ganzen nicht mehr als hundert Morgen Land, was herzlich wenig ist. Gerade darum ist es so erstaunlich, was daraus gemacht wurde. In Sotherton haben wir gut siebenhundert Morgen, die Wiesen am Fluß nicht mitgerechnet, und ich denke, wenn man aus Compton so viel machen konnte, brauchen wir die Hoffnung nicht aufzugeben. Man hat dort zwei oder drei hohe, alte Bäume gefällt, die vor dem Haus standen, und es ist unglaublich, wie der Prospekt dadurch gewinnt. Ich nehme an, daß Repton, oder wer sonst den Plan entwirft, wohl auch in Sotherton die Allee umlegen würde. Wissen Sie, die Allee, die von der Westfront zum Gipfel des kleinen Hügels führt», fügte er eigens für Maria hinzu. Doch Maria fand es passend, zu antworten:

«Die Allee? Ach – ich erinnere mich nicht. Ich kenne ja Sotherton so wenig.»

Fanny, die an Edmunds anderer Seite Miss Crawford gegenüber saß und aufmerksam zugehört hatte, blickte ihren Cousin an und sagte leise:

«Eine ganze Allee fällen! Wie traurig! Erinnert es dich nicht an Cowper? ‹Ihr hingesunkenen Alleen, noch einmal beklag’ ich euer unverdientes Los …›»

Edmund antwortete lächelnd: «Ich fürchte, um die Allee steht es schlecht, Fanny.»

«Ich würde Sotherton so gern sehen, ehe sie verschwindet, so, wie es jetzt ist, bevor es ganz verändert wird. Aber ich werde wohl nie hinkommen.»

«Warst du denn niemals dort? Nein – für einen Ritt ist es wohl zu weit. Ich wollte, ich könnte dir deinen Wunsch erfüllen.»

«Ach, es ist nicht wichtig. Wenn ich es jemals zu sehen bekomme, wirst du mir beschreiben, wie es früher war.»

«Ich entnehme dem allem», sagte Miss Crawford, «daß Sotherton ein alter Landsitz ist und recht großartig sein muß. Ist es in einem besonderen Stil gebaut?»

«Das Haus stammt aus der Zeit von Königin Elisabeth – ein großes, regelmäßiges Ziegelgebäude, etwas schwerfällig, aber von imponierendem Aussehen, mit vielen, wohldimensionierten Räumen. Unvorteilhaft ist seine Lage, an einer der tiefsten Stellen des Parks, wogegen sich nicht viel machen läßt. Aber der Wald ist prächtig, und es gibt auch einen kleinen Fluß, der sicher sehr günstige Möglichkeiten für die Gestaltung des Landschaftsbildes bietet. Mr. Rushworth hat ganz recht, wenn er dem Ganzen ein modernes Gewand zu geben gedenkt, und ich bin überzeugt, daß es ausgezeichnet gelingen wird.»

Miss Crawford hörte unterwürfig zu und dachte bei sich: Er ist ein wahrhaft wohlerzogener Mensch. Mit wieviel Takt er das Gute hervorhebt!

«Ich möchte Mr. Rushworth nicht hineinreden», fuhr Edmund fort, «aber wenn ich einen solchen Besitz umzugestalten hätte, würde ich mich nicht einem Architekten ausliefern. Lieber begnügte ich mich mit weniger glänzenden Resultaten, wenn sie dafür meinen eigenen Ideen entsprechen und ich sie mir Schritt für Schritt erarbeitet habe. Ja, ich möchte lieber meine eigenen Fehler in Kauf nehmen als die eines Fremden.»

«Sie wüßten so eine Sache natürlich richtig anzupacken, aber für mich wäre das nichts. Ich habe nicht das Auge dafür und keine Einfälle – ich sehe nur, was vor mir steht. Falls ich einen Landsitz hätte, wäre ich sehr dankbar, wenn irgendein Mr. Repton mir alles abnähme und mir für mein Geld soviel Schönheit wie möglich herausholte. Ich würde keinen einzigen Blick darauf werfen, ehe es nicht fix und fertig dastünde.»

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