Das konnte Kala nicht verstehen, denn sie hatte zuletzt Volganis Stimme voll Schmerz und Todesangst vernommen, aber sie hatte keinen Ton gehört, aus dem sie auf die Natur seines Gegners hätte schließen können.
Dass ihr kleiner Tarzan einen großen Gorilla töten könnte, schien ihr unwahrscheinlich. Als sie sich der Stelle näherte, von wo die Laute des Kampfes hergekommen waren, bewegte sie sich behutsamer, und zuletzt drang sie langsam und mit äußerster Vorsicht zwischen den niedrigen Ästen hindurch vor, indem sie überall, wo der Mondschein hinkam, nach den Kämpfenden forschte.
Auf einmal stieß sie darauf. Sie lagen auf einer freien, vom Mond beschienenen Stelle: der zerfleischte, blutige Körper des kleinen Tarzan und daneben ein großer Gorilla — mausetot.
Mit einem lauten Schrei stürzte sie auf Tarzan zu, und den armen, blutbedeckten Körper an ihre Brust legend, horchte sie auf ein Lebenszeichen. Kaum hörte sie noch den schwachen Laut seines kleinen Herzens.
Zärtlich trug sie ihn durch den dunklen Dschungel zurück an die Stelle, wo der Stamm lag.
Nun wachte sie viele Tage und Nächte an seiner Seite, brachte ihm Nahrung und Wasser und jagte die Fliegen und andere Insekten von seinen schmerzenden Wunden.
Von Arznei und Wundheilkunde wusste das arme Wesen natürlich nichts. Es konnte nur die Wunden lecken, und auf diese Weise hielt es sie rein, sodass die heilende Natur ihr Werk rascher vollenden konnte.
Anfangs wollte Tarzan nichts essen, und wälzte sich im wilden Fieberdelirium ruhelos auf seinem Lager. Alles, was er verlangte, war Wasser, und dieses brachte Kala ihm auf dem einzigen möglichen Wege, nämlich in ihrem eigenen Maule. Keine menschliche Mutter hätte sich selbstloser aufopfern können als dieses arme wilde Tier für den kleinen verwaisten Findling, den das Schicksal ihrer Obhut anvertraut hatte. Endlich ließ das Fieber nach, und der Junge war auf dem Wege der Besserung. Keine Klage kam über seine Lippen, obschon die Wunden ihn sehr schmerzten.
Ein Teil des Brustkastens war bis auf die Rippen bloßgelegt, von denen drei durch die wuchtigen Schläge des Gorillas gebrochen waren. Ein Arm war durch die riesigen Fänge fast abgetrennt, und ein großes Stück war ihm vom Halse gerissen, und nur durch ein Wunder war die Schlagader verschont geblieben.
Mit der Ergebenheit der wilden Tiere, die ihn aufgezogen halten, ertrug Tarzan die Leiden geduldig, und schlich sich lieber von den anderen hinweg, um sich irgendwo in das hohe Gras niederzukauern, als ihnen sein Elend vor Augen zu führen.
Nur mit Kala war er gerne zusammen. Jetzt aber, da er auf dem Wege der Besserung war, blieb sie etwas länger aus, um Futter zu suchen, denn so lange Tarzan schwer krank war, hatte das treue Tier kaum so viel gefressen, um sein Leben zu erhalten, und es war infolgedessen kaum noch ein Schatten seines früheren Selbst.
Es dünkte dem kleinen Dulder eine Ewigkeit, bis er wieder imstande war, zu gehen. Von da an machte seine Genesung aber rasche Fortschritte, sodass er in einem weiteren Monat wieder so kräftig und gelassen war wie zuvor.
Während seiner Krankheit hatte er oft über seinen Kampf mit dem Gorilla nachgedacht, und seine erste Idee war, die wunderbare kleine Waffe wiederzufinden, die ihn, den hoffnungslosen fremden Schwächling, zum Sieger über den gewaltigsten Dschungelschrecken gemacht hatte.
Es drängte ihn daher, zu der Hütte zurückzukehren und seine Nachforschungen über die merkwürdigen Dinge, die sich darin befanden, fortzusetzen.
So ging er denn eines Morgens allein fort. Nach einigem Suchen fand er die Stelle des Kampfes wieder. Die Knochen seines Feindes waren schon rein abgenagt. Nahe dabei entdeckte er auch das Messer, das zum Teil von den abgefallenen Blättern verdeckt war. Durch die Feuchtigkeit des Bodens und das inzwischen getrocknete Blut des Gorillas war es verrostet.
Die Veränderung der früher so glänzenden Oberfläche gefiel Tarzan zwar nicht, aber das Messer war immerhin noch eine schreckliche Waffe, die er vorteilhaft gebrauchen konnte, sobald sich ihm eine Gelegenheit dazu bot. Er war auch nicht mehr gewillt, vor den mutwilligen Angriffen des alten Tublat zu fliehen.
Nun war er bei der Hütte angelangt, und schon bald hatte er den Drücker geöffnet und war eingetreten. Sein erstes Interesse galt dem Mechanismus des Schlosses. Er untersuchte es näher, während die Tür offen stand, und fand jetzt heraus, was die Tür zuhielt und wie sie geöffnet werden konnte.
Er sah ferner, dass man sie auch von innen schließen konnte, und das tat er denn auch, um bei seinen Nachforschungen nicht etwa gestört zu werden.
Er fing an, die Hütte gründlich zu durchsuchen, aber seine Aufmerksamkeit wurde bald durch die Bücher gefesselt, die ihn ganz gewaltig anzogen, weil sie eine Menge Rätsel für ihn enthielten.
Unter den Büchern waren eine Fibel, einige Lesebücher für Kinder, zahlreiche Bilderbücher und ein großes Wörterbuch. Er durchmusterte sie alle, aber die Bilder erregten seine Fantasie am meisten, wenn auch die merkwürdigen krabbligen Dinger, die die übrigen Seiten bedeckten, allerlei Gedanken in ihm wachriefen.
Hockend über dem Tisch, den sein Vater angefertigt hatte, war sein geschmeidiger, brauner, nackter Körper gebeugt über dem Buch, das er in der schlanken, aber kräftigen Hand hielt, indes sein langes, wirres schwarzes Haar von dem wohl, geformten Kopf über die hellen, intelligenten Augen herabhing. So bot Tarzan das Bild eines jungen Urmenschen, der aus der dunklen Nacht der Unwissenheit zum Lichte der Belehrung strebt.
An seinem Gesichte konnte man erkennen, dass er eifrig über etwas nachsann, denn er hatte, wenn auch noch ganz undeutlich, einen Gedanken erfasst, der ihm den Weg zeigen sollte, das Rätsel der merkwürdigen kleinen Zeichen zu lösen.
In seiner Hand war eine Fibel, geöffnet bei einem Bilde, das einen ihm ähnlichen Affen darstellte, der aber mit Ausnahme des Gesichtes und der Hände mit einem seltsamen farbigen Pelz bedeckt war, denn er hielt den Rock und die Hose für einen Pelz. Unter dem Bilde standen einige Zeichen:
Knabe
Und nun entdeckte er in dem Text auf derselben Seite, dass diese fünf Zeichen sich noch öfter wiederholten.
Er erkannte noch eine andere Tatsache, nämlich dass es verhältnismäßig wenig verschiedene Zeichen seien, dass diese sich oft wiederholten, manchmal allein, aber noch häufiger in Gesellschaft anderer Zeichen.
Langsam schlug er die Blätter um, indem er die Bilder und den Text genau prüfte, ob sich nicht das Wort Knabe wiederholte. Auf einmal fand er es unter einem Bilde, das einen anderen kleinen Affen und ein sonderbares Tier darstellte, das auf vier Beinen ging, wie ein Schakal, aber ihm gar nicht glich. Unter diesem Bilde standen folgende Zeichen:
Knabe und Hund
Das waren also wieder die fünf Zeichen, die den keinen Affen begleiteten.
So machte er langsame Fortschritte in der mühevollen Aufgabe, die er sich stellte, eigentlich ohne es selbst zu wissen, eine Aufgabe, die manchem unmöglich erscheinen wird, nämlich lesen zu lernen, ohne auch nur die geringste Kenntnis der Buchstaben und der geschriebenen Sprache zu besitzen, ja auch nur ohne zu ahnen, dass es solche Dinge überhaupt gab. Das erreichte er allerdings nicht in einem Tag oder einer Woche, auch nicht in einem Monat oder einem Jahr, aber er lernte langsam, sehr langsam, nachdem er einmal die Möglichkeit erfasst hatte, die in den kleinen Zeichen lag.
So wurde er fünfzehn Jahre alt, bis er die verschiedenen Verbindungen der Buchstaben erfasst hatte, die unter jeder gemalten Figur in der Fibel und in den Bilderbüchern standen.
Über die Bedeutung und den Gebrauch der Artikel und Beiwörter, der Zeitwörter und Umstandswörter und Fürwörter hatte er allerdings nur die nebelhaftesten Begriffe.
Eines Tages, — er war damals schon etwa zwölf Jahre alt — hatte er eine Anzahl Bleistifte in einer bis dahin unentdeckten Schublade unter dem Tisch gefunden, und als er damit auf der Tischplatte kritzelte, war er erstaunt, dass eine schwarze Linie darauf zurückblieb.
Er war so eifrig mit diesem neuen Spielzeug beschäftigt, dass der Tisch bald ganz mit seinen Kritzeleien bedeckt und der Bleistift bis zum Holze abgenutzt war. Dann nahm er einen anderen Bleistift, aber diesmal hatte er ein bestimmtes Ziel im Auge.
Er wollte versuchen, einige der kleinen Zeichen nachzumachen, die die Seiten seiner Bücher bedeckten.
Das war aber eine schwierige Sache, denn er hielt den Bleistift wie wenn er den Griff eines Dolches packen sollte, und das trug nicht gerade dazu bei, ihm die Arbeit zu erleichtern oder die Lesbarkeit seiner Buchstaben zu erhöhen.
Aber er hielt es monatelang aus, und so oft er in die Hütte gehen konnte, setzte er seine Versuche fort, bis er zuletzt die richtige Haltung für den Bleistift fand, sodass er die Buchstaben, wenn auch nur in roher Nachahmung, wiedergeben konnte.
So fing er an zu schreiben.
Während er aber die Buchstaben nachzeichnete, lernte er noch etwas anderes: das Zählen, und wenn er auch nicht zählen lernte, wie wir es tun, so hatte er doch einen Begriff von dem Mengenverhältnis, da die Grundlage seiner Rechenkunst die Zahl der Finger seiner Hand war.
Seine Nachforschungen in den verschiedenen Büchern überzeugten ihn davon, dass er all die verschiedenen Arten der am meisten in Verbindungen gebrauchten Wörter entdeckt hatte, und es war ihm leicht, sie in einer eigenen Reihenfolge aufzustellen, da er das fesselnde Abc-Buch mit den Bildern so oft benutzt hatte.
Er machte gute Fortschritte beim Lernen. Aber seine größten Funde verdankte er dem unerschöpflichen Vorrat des dicken, illustrierten Wörterbuches; allerdings lernte er mehr durch Vermittlung der Bilder als durch den Text, auch nachdem er die Bedeutung der Buchstaben erfasst hatte.
Als er die alphabetische Anordnung der Wörter entdeckt hatte, freute es ihn, die Wortgebilde, die er schon kannte, aufzusuchen; er studierte auch die nachfolgenden Wörter und ihre Begriffsbestimmung, und so fand er sich immer mehr im Labyrinth der Bildung zurecht. Er war imstande, die einfache Kinderfibel zu lesen, und kannte sich über den Zweck des Buchstabensystems aus.
Jetzt fühlte er sich nicht mehr beschämt über seinen unbehaarten Körper und seine menschlichen Züge, denn jetzt sagte ihm sein Verstand, dass er einer anderen Rasse angehörte als seine wilden, behaarten Genossen. Er war ein Mensch, und sie waren Affen. Jetzt wusste er auch, dass die alte Sabor eine Löwin war, Histah eine Schlange und Tantor ein Elefant. So lernte er lesen.
Von da an machte er schnellere Fortschritte. Mit Hilfe des großen Wörterbuches und seines ererbten gesunden Menschenverstandes, mit dem er manches richtig erriet, konnte er sein Wissen immer mehr vervollständigen.
Allerdings traten manche Unterbrechungen in dieser Ausbildung ein, weil sein Stamm immer hin und her wanderte, aber immer wieder kehrte er zu seinen Büchern zurück und sein unermüdlicher Geist suchte immer mehr in die Geheimnisse des Wissens einzudringen.
Zum Schreiben benützte er Rindenstücke, flache Blätter und glatt gestrichene Erdstellen, in die er mit der Spitze seines Jagdmessers einritzte, was er gelernt hatte.
Während er seiner Neigung folgte, die Geheimnisse seiner Bücher zu erforschen, vernachlässigte er aber nicht die ernsteren Aufgaben seines Lebens. So übte er sich auch weiterhin mit seiner Schlinge, und spielte mit seinem scharfen Messer, das er auf einem glatten Stein zu schärfen gelernt hatte.
Der Stamm der Affen hatte sich vermehrt, seitdem Tarzan zu ihm gekommen war, denn unter der Führung Kerschaks war es den Tieren gelungen, die anderen Stämme aus ihrem Teil des Dschungels zu vertreiben, sodass sie reichlich Nahrung fanden und fast keinen Verlust durch die räuberischen Einfälle der Nachbarn mehr erlitten.
Wenn die jungen Männchen heranwuchsen, fanden sie es bequemer, sich ein Weibchen aus dem eigenen Stamm zu wählen oder wenn sie schon ein solches aus einem anderen Stamme holten, so brachten sie es doch zu Kerschaks Truppe, damit sie in Freundschaft mit dieser leben konnten. Das alles war leichter, als einen eigenen Stamm zu begründen oder mit dem furchtbaren Kerschak um die Oberherrschaft zu kämpfen. Gelegentlich versuchten es zwar einzelne wildere Männchen mit dem letzteren, aber keinem gelang es, dem grimmigen Affen die Siegespalme zu entreißen.
Tarzan nahm eine eigentümliche Stellung im Stamme ein. Die Affen schienen ihn als einen der Ihrigen und doch wieder als einen anderen zu betrachten. Die älteren Männchen kümmerten sich entweder gar nicht um ihn, oder zeigten ihm einen so starken Hass, dass er ohne seine wundervolle Gewandtheit und Schnelligkeit und den starken Schutz der kräftigen Kala schon sehr bald erledigt gewesen wäre.
Tublat war sein ausdauerndster Feind. Aber als Tarzan dreizehn Jahre alt war, musste gerade jener die Ursache abgeben, dass diese Verfolgungen plötzlich aufhörten. Von nun an wurde er unbehelligt gelassen, ausgenommen wenn einer von den Affen einen jener wilden Wutanfälle hatte, in denen er auch die Männchen der stärkeren Tiere des Dschungels angriff. Dann war eben keiner sicher.
Es kam so: An dem Tage, an dem Tarzan sich Respekt zu verschaffen wusste, war der Stamm in einem natürlichen Amphitheater versammelt, einer Senkung mit einigen niedrigen Hügeln, die von dem Gewirr der Schlingpflanzen des Dschungels frei geblieben war.
Es war ein runder, freier Raum. Ringsum erhoben sich die gewaltigsten Bäume, und auch das Unterholz war so dicht, dass die kleine Arena völlig geschlossen und nur nach oben offen war.
Hier versammelte sich der Stamm des Öfteren, wenn er nicht auf der Wanderung war. Mitten im Amphitheater war eine jener sonderbaren Erdtrommeln, wie die Menschenaffen sie für ihre seltsamen Zeremonien bauen, deren Klänge die Menschen im Dschungel zwar schon gehört haben, denen aber noch keiner hat zuschauen können.
Der erste Mensch, der Gelegenheit hatte, dem tollen, berauschenden Dum-Dum-Gelage einer Affensippe beizuwohnen, war Tarzan, der junge Lord Greystoke.
Aus jenen Zeremonien, die heute noch bei den Menschenaffen üblich sind, haben sich im Laufe von unzähligen Jahren die menschlichen Feste entwickelt. Ihre Anfänge waren die Tänze der Affen, die diese beim Dum-Dum ihrer Erdtrommeln im hellen Scheine des tropischen Mondes inmitten des Urwaldes vollführten.
An dem Tag, wo Tarzan sich von den grausamen Verfolgungen befreite, denen er zwölf Jahre lang ausgesetzt war, hatte sich der Stamm, der jetzt wohl an die hundert Köpfe stark war, schweigend auf dem Boden des Amphitheaters niedergelassen.
Die Dum-Dum-Tänze bezeichneten stets ein wichtiges Ereignis im Leben des Stammes: einen Sieg, die Gefangennahme eines Feindes, die Tötung irgendeines großen Bewohners des Dschungels, den Tod oder die Thronbesteigung eines Königs, und sie wurden stets mit einer gewissen Förmlichkeit begangen.
Diesmal hatte man einen riesigen Affen aus einem anderen Stamm erschlagen, und als Kerschaks Volk in die Arena einzog, konnte man zwei mächtige Männchen sehen, die den Körper des Besiegten herbeitrugen.
Sie legten die Last vor der Erdtrommel nieder, und dann hockten sie daneben als Wache, während die andren Mitglieder der Gemeinschaft sich bald hier bald dort im Grase zusammenrollten und schliefen, bis der aufgehende Mond das Zeichen zum Beginn der wilden Orgie geben sollte.
Jetzt herrschte stundenlang völlige Ruhe in der kleinen Lichtung. Sie wurde nur unterbrochen durch die unharmonischen Töne der farbenprächtigen Papageien oder das Gezwitscher der tausend Dschungelvögel, die zwischen den Orchideen und anderen prächtigen Blumen im Rankenwerk der uralten, moosbedeckten Bäume umherflatterten.
Als die Dunkelheit über den Dschungel hereinbrach, fingen die Affen an, sich zu regen, und bald bildeten sie einen großen Kreis um die Erdtrommel. Die Weibchen und die Jungen hockten in einer Reihe am äußeren Rande des Kreises nieder, während ihnen gegenüber die erwachsenen Männchen saßen. Vor der Trommel hatten drei alte Weibchen Platz genommen, jedes mit einem Knüttel bewaffnet.
Langsam und sanft fingen sie an, auf die klingende Fläche der Trommel zu schlagen, als die ersten schwachen Strahlen des ausgehenden Mondes die Baumspitzen ringsum zu versilbern begannen.
Als der Mondschein im Amphitheater zunahm, schlugen die Weibchen schneller und kräftiger darauf los, sodass bald ein wilder Lärm meilenweit in die Wälder erklang. Die wilden Tiere, die auf der Jagd begriffen waren, hielten mit gespitzten Ohren inne, um auf den tollen Lärm zu horchen, den das Dum-Dum der Affen verursachte.
Zuweilen hatte wohl das eine oder andere Lust, mit einem schrillen Geschrei auf den wilden Lärm der Menschenaffen zu antworten, aber keines von ihnen kam zu einem Angriff heran, denn wenn die großen Affen in großer Zahl versammelt waren, hatten die anderen Tiere des Dschungels Respekt vor ihnen.
Als der Trommellärm alles ringsum betäubte, sprang Kerschak in den freien Raum zwischen den Wache haltenden beiden Männchen und den Trommlerinnen.
Aufrechtstehend warf er den Kopf zurück, und indem er dem Mond ins Angesicht sah, schlug er sich mit seinen großen, haarigen Händen auf die Brust und stieß ein fürchterliches Gebrüll aus.
Einmal — zweimal — dreimal drang der grauenerregende Ton in die vorher so lebendige, jetzt unsagbar stille Welt. Dann ging Kerschak in gebückter Haltung geräuschlos um den offenen Kreis; er hatte sich von dem toten Körper, der vor der als Altar dienenden Trommel lag, abgewandt, aber beim Vorübergehen richtete er seine kleinen, wilden, rotunterlaufenen Augen auf den Leichnam.
Nun sprang ein anderes Männchen in die Arena, wiederholte das fürchterliche Geschrei des Königs und folgte dann schweigend seiner Spur. So kam einer nach dem anderen in schneller Folge, sodass der Dschungel jetzt von dem fast ununterbrochenen, blutdürstigen Geschrei widerhallte.
Als alle erwachsenen Männchen in die Reihe der ringsum Tanzenden zurückgekehrt waren, begann der Angriff. Kerschak ergriff einen starken Knüttel von dem bereitliegenden Haufen, stürzte wütend auf den toten Affen und versetzte ihm einen fürchterlichen Schlag, indem er zugleich knurrende Töne von sich gab. Nun verstärkte sich der Lärm der Trommel, und die Zahl der Schläge nahm zu, und jedes Mal, wenn ein Krieger dem Opfer einen Keulenschlag versetzt hatte, nahm er an dem tollen Totentanz teil.
Tarzan war ebenfalls bei der wilden, wirbelnden Horde. Sein braungebrannter, muskulöser Körper, der im Mondlicht glitzerte, erschien biegsam und graziös inmitten der plumpen, behaarten Tiere.
Keines von ihnen war aber listiger in der dargestellten Jagd, keines wilder im Angriff und keines konnte so hoch wie er im Totentanz springen.
So wie der Lärm und die Schnelligkeit der Trommelschläge zunahmen, so beschleunigten sich auch der wilde Rhythmus und das Geschrei der Tänzer. Sie sprangen immer toller drauflos.
Der unheimliche Tanz dauerte schon eine halbe Stunde, als auf ein Zeichen von Kerschak der Trommellärm aufhörte und die Trommlerinnen durch die Linie der Tänzer zu der äußeren Reihe der dort hockenden Zuschauer eilten. Dann stürzten die Männchen alle zusammen auf den Leichnam, der infolge ihrer schrecklichen Schläge nur mehr eine unförmliche haarige Masse war.
Fleisch kam ihnen nur selten in genügender Menge zwischen die Zähne, und so war es ein willkommener Schluss ihrer wilden Orgie, einmal wieder frisches Fleisch zu genießen. Deshalb wandten sie jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, ihren getöteten Feind zu verschlingen.
Die großen Fänge senkten sich in das Gerippe und rissen gewaltige Bissen herab. Die mächtigsten Affen erhielten auch die besten Stücke, während die schwächeren erst in zweiter Linie herankamen und knurrend einen günstigen Augenblick abwarten mussten, um noch ein Stück Fleisch oder einen übrig gebliebenen Knochen zu erwischen.
Tarzan hatte noch mehr als die Affen Bedürfnis und Sehnsucht nach Fleisch. Von einer Rasse von Fleischessern abstammend schien es ihm, als habe er noch nie seinen Appetit nach tierischer Nahrung befriedigt, und so bemühte er sich gewaltsam, zwischen den Affen hindurchzugelangen, um wenigstens ein ordentliches Stück zu erhaschen.
An seiner Seite hing das Jagdmesser seines ihm unbekannten Vaters in einer Scheide, die er sich selbst nach einem auf einem Bild eines seiner Bücher befindlichen Muster angefertigt hatte.
Schließlich gelangte er an den fast verschwindenden Schmaus und mit seinem scharfen Messer schnitt er sich ein größeres Stück ab, als er noch erwartet hatte. Dies hatte nämlich unter den Beinen des mächtigen Kerschak hervorgeragt, der auf sein königliches Vorrecht der Gefräßigkeit so eifrig bedacht war, dass er Tarzans Tat fast als ein Majestätsverbrechen ansah.
Tarzan aber suchte mit seiner Beute zwischen den Ringenden hindurchzugelangen, indem er sie fest an seine Brust drückte. Unter denen, die sich außerhalb des Kreises der Schmausenden bewegten, befand sich auch der alte Tublat. Er war aber einer der ersten gewesen, die sich über die Beute hergemacht hatten, er hatte sich bereits mit einem ordentlichen Happen zurückgezogen, um ihn in Ruhe aufzufressen, und nun bahnte er sich den Weg zurück, um noch mehr einzuhamstern.
Da bemerkte er Tarzan, wie dieser sich mit seiner Beute aus dem Gedränge herausarbeitete.
Die kleinen, halbgeschlossenen, blutunterlaufenen bösen Augen Tublats warfen hassvolle Blicke auf Tarzan. Zugleich aber auch verrieten sie die Gier nach dem Leckerbissen, den der Knabe trug.
Tarzan hatte seinen Erzfeind schnell erblickt, und da er die Absicht des wilden Tieres sofort erriet, lief er schnell zwischen die Weibchen und die Kinder, da er hoffte, sich unter ihnen verbergen zu können. Tublat folgte ihm aber auf den Fersen, und als der Knabe sah, dass er sich nicht verbergen könne, musste er suchen, ihm zu entrinnen.
Er eilte nach einem der nächsten Bäume, ergriff mit gewandtem Sprung einen Ast und kletterte in die Höhe — seine Beute zwischen den Zähnen.
Tublat hinter ihm drein.
Tarzan aber kletterte den himmelanstrebenden Baumriesen hinan bis in den Gipfel, sodass sein schwerer Feind ihm nicht folgen konnte. Von seinem hohen Sitz aus rief er dem vor Wut schäumenden, fünfzig Fuß tieferen Tiere höhnische Schmähworte zu.
Und nun ward Tublat geradezu rasend.
Mit einem schrecklichen Gebrüll stieg er vom Baum, stürzte zwischen die Weibchen und die Jungen, biss mit seinen großen Fängen in ein Dutzend Nacken und schlug den Weibchen, die ihm zwischen die Fäuste fielen, große Wunden.
In dem glänzenden Mondlicht konnte Tarzan die ganze Szene beobachten. Er sah die Weibchen und die Jungen sich auf die Bäume flüchten.
Auch die großen Tiere in der Mitte der Arena fühlten die mächtigen Fänge ihres rasenden Genossen, und ihr Schmerzensschrei drang zwischen den Bäumen hinauf.
Bald war nur mehr ein Affe im Amphitheater in der Nähe Tublats, ein Weibchen, das sich verspätet hatte, und langsam zum Baum ging, auf dem Tarzan saß.
Es war Kala, der Tublat auf dem Fuße folgte.
Als Tarzan sah, dass seine Pflegemutter bedroht war, eilte er mit der Schnelligkeit eines fallenden Steines von Ast zu Ast hinunter.
Eben war Kala unter den herabhängenden Ästen, und dicht über ihr hockte Tarzan, den Verlauf des Kampfes abwartend. Sie sprang in die Höhe, wobei sie einen Ast erhaschte, und zwar fast über dem Kopf Tublats; so dicht war dieser ihr gefolgt. Nun wäre sie gerettet gewesen, aber der Ast brach, und sie stürzte gerade auf den Kopf Tublats, der unter ihrer Last zu Boden sank.
Im nächsten Augenblick waren beide wieder auf den Beinen, aber noch schneller war Tarzan heruntergesprungen, und als der wütende Tublat aufblickte, sah er das Menschenkind vor Kala.
Das war ihm gerade recht, und mit einem Triumphgeschrei stürzte er auf den kleinen Lord Greystoke. Aber seine Fänge sollten keine Arbeit mehr bekommen. Eine muskulöse Hand fasste ihn an der haarigen Kehle, und eine andere stieß ihm ein scharfes Jagdmesser ein dutzendmal in die breite Brust. Wie Blitze fielen die Stöße, und sie hörten erst auf, als Tarzan merkte, dass der Körper zuckend unter ihm zusammenbrach.
Der Körper des mächtigen Tieres stürzte zu Boden. Tublat war erledigt!
Tarzan setzte seinem lebenslänglichen Feind den Fuß auf den Nacken, und indem er die Augen zum Vollmond richtete, warf er den stolzen jungen Kopf zurück und stieß den schrecklichen wilden Schrei seines Volkes aus.
Nun kam einer nach dem anderen vom Affenstamme von den Bäumen, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten, herunter und bildeten einen Kreis um Tarzan und seinen besiegten Feind. Als sie nun alle da waren, wandte sich Tarzan zu ihnen und rief:
Ich Lin Tarzan! Ich kann töten! Habt Respekt vor Tarzan und seiner Mutter Kala! Es ist keiner unter euch so mächtig wie Tarzan. Mögen seine Feinde auf der Hut sein!
Der junge Lord Greystoke schaute tief in die bösen, roten Augen Kerschaks, schlug sich auf die starke Brust und stieß noch einmal den schrillen, trotzigen Schrei aus.
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