DER ELEGANTE MR. EVANS

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«Und es beantwortet meine Frage nicht. Was hältst du von ihm?«

»Das sage ich Ihnen heute Abend«, sagte Educated Evans vielsagend.

Am Abend zog er seine beste Krawatte aus seinem Schuhkarton, (in dem er seine wertvollsten Preziosen verwahrte, wie zum Beispiel eine Zigarettenkippe, die der Prince of Wales weggeworfen hatte und einen Rennpokal des allmächtigen Bart Snowball) und begab sich eilends zur Mornington Gardens. Mr. Kirz war nicht zuhause. Niemand konnte ihm sagen, wann er zurückkommen würde. Niemand wusste, wo er war. Rumms! Die Tür wurde ihm vor der Nase zugeknallt.

»Sklavenschinder!«, sagte Educated Evans und strebte der Stadt zu.

Mr. Kirz war nicht im »Arts and Graces Club«, ebenso wenig im prächtigen Privatsalon des »White Hart«, auch nicht in der Lounge des »Blue Boar«. Der hartnäckige Fahnder wandte sich in den Westen der Stadt und traf rein zufällig auf Mr. Kirz, der soeben das »Empire« verließ. Der trug festliche Kleidung, mit weißglänzender Hemdbrust und einem seidenen, ebenfalls glänzenden Hut.

»Ah! Meine arrrme Effens!«, begann er.

»Hat sich was mit ‚armer Effens’«, knurrte Evans wütend.

»Sie haben den Tipp am Telefon durchgegeben, als ich noch bei Ihnen war und sofern Isaachheim nicht tot ist, sind Sie dran!«

Mr. Kirz war peinlich berührt; in seiner Begleitung waren zwei weitere Herren und im Hintergrund hielt sich eine Dame auf, in rotem Samt gekleidet, die dermaßen stark glitzerte und glänzte, als sei sie einen Diamanthügel hinabgerutscht und viele der Steine seien hängen geblieben.

»Morrrgen, morrrgen, mein lieber Effens«, flüsterte Mr. Kirz ihm zu. »Ich kann nicht reden über Geschäfte jetzt.«

»Sie schulden mir fünf Pfund«, sagte Evans laut. »Sie haben mich wochenlang an der Nase herumgeführt und auf Trab gehalten und jetzt sind Sie aus meiner Liste gestrichen! Zahlen Sie endlich, was Sie mir schulden, Sie verdammter Hunne oder Sie werden mich nie mehr los!«

»Mein lieberrr gutter Mann...«, begann Mr. Kirz und hob schützend seine Hände vor diesem unerwünschten öffentlichen Aufsehen.

»Und fangen Sie jetzt nicht an, mit mir zu kumpeln, das führt zu nichts. Sie sind schlimmer als Shylock* Holmes, jawohl. Bezahlen – Sie – endlich – was – Sie – mir – schulden!«

Mr. Kirz durchsuchte mit zitternden Händen, hochrot im Gesicht, seine Taschen.

»Da – nämmen Sie!«, zischte er. »Und lassen Sie niemals Ihrre hässliche Gesicht noch einmal blicken! Und Ihrrre Tipps – Sie sind alle hundsmiserrrabel!«

Evans erging sich noch in Beleidigungen, als sein Kunde längst außer Hörweite war, und er hätte noch weiter gemacht, wenn nicht ein Polizist erschienen wäre.

»Schwirr ab!«, sagte der Mann in Blau. Evans entfernte sich.

Er fühlte sich glücklich und strebte hoch erhobenen Hauptes seiner Wohnung zu, war so stolz und in einer solch überheblichen Stimmung, dass er beinahe am Müller vorbeigegangen war, ohne ihn zu bemerken.

»Komm mal auf die Erde zurück, wenn’s recht ist!«, sagte der Müller. »Was ist denn los?«

Evans drehte sich um.

»Ich habe es diesem billigen Ausländer gezeigt«, sagte Evans.

»Und was hast du ihm gezeigt, Evans?«

»Fünf mal ein Pfund.« Evans zog eine zerknitterte Fünf-Pfund-Note hervor. »Es sieht ein bisschen dämlich aus, wenn du auf die Knie gehen musst, um dein Eigentum zu fordern!«, sagte er. »Und daran zu denken, dass ich meine Beziehungen auch noch zu seinen Gunsten eingesetzt habe.«

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dich bei der Somme gesehen zu haben«, sagte der Müller, (der dort gewesen war), »oder mit dir bei Toc H. einen getrunken zu haben.«

(Toc H: Talbot House, Poperinge, Belgien, 1. WK; d.Ü.)

»Ich war ein Hilfspolizist«, sagte Evans würdevoll und diese Antwort zauberte ein gezwungenes Lächeln in das Gesicht des Müllers.

»Zeig mir mal den Fünfer«, bat er plötzlich, und nach einer Sekunde des Zögerns händigte Evans sie ihm aus.

»Es gibt keinen zweiten Polizisten auf der Welt, dem ich in Geldangelegenheiten traue«, stieß er hervor.

Der Müller schaute sich den Schein an und pfiff leise.

»Niete!«, sagte er und ein kalter Schauer lief Evans über den Rücken.

»Das meinen Sie nicht wirklich?«, stammelte er.

»Oh ja, – schau dir nur die Nummer an: B/70 92533 – diese Nummer steht auf allen Blüten, die es auf dem Markt gibt. Die möchte ich behalten...«

»Die können Sie behalten!«, schnaubte Evans wütend. »Leide ich etwa unter mangelnder Bildung und Selbstachtung? Diesen Helden namens Kirz werde ich aufsuchen und dann reiße ich ihm sein Herz aus der Brust!«

»Gerede, nichts als Gerede!«, murmelte der Müller.

»Ich werde von Deutschland Entschädigungen erhalten«, sagte Evans ein wenig ruhiger, »selbst wenn ich seine Taschen persönlich durchsuchen muss, so wie auch der berühmte Lloyd George gesagt hat. Ich werde...«

»Du wirst gar nichts tun. Gib mir diesen Schein. Du bekommst ihn wieder zurück.«

»Den will ich gar nicht zurück haben«, jammerte Evans. »Ich will echtes Geld!«

Es bedurfte langen Zuredens, bis er endlich gehen wollte. Schließlich ging er nach Hause, gebeugt und mit schwarzen Gedanken wegen des Schicksals, das ihm widerfahren war.

Educated Evans wohnte in zwei Zimmern über einem Pferdestall. Man erreichte seine Wohnung von der Gasse aus über mehrere Treppen; und der mit einer Brüstung eingefasste Treppenabsatz bildete eine Art Balkon und vermittelte einen Hauch von Romantik, was Evans in mancher sentimentalen Stimmung immer sehr gefallen hatte.

Er kam herein, knallte die Tür zu und ging sofort zu Bett, ohne die Gasheizung anzuzünden. Dazu gab es auch keinen Anlass, denn er ließ seine Kleidung stets auf dem Fußboden vor dem Bett liegen. Er fiel in einen unruhigen Schlaf und träumte.

Es ging in dem Traum um eine erhabene Person, deren Name zu erwähnen sich nicht geziemt. Er träumte, man habe ihn zum Buckingham Palace bestellt und er sei in einer Staatskutsche dorthin gefahren, wobei er seine Visitenkarten einer jubelnden Menschenmenge aus dem Fenster zuwarf. Am Palast angekommen, war er von einem bärtigen Gentleman in einen langen pinkfarbenen Rock mit grünen Streifen gekleidet worden; der Herr hatte ihm die Hand geschüttelt und darauf bestanden, Evans solle ihn »Solly« nennen, worauf er sodann in eine purpurrote Kammer mit schwarzer Decke und golddurchflochtenem Teppich geleitet wurde. Die erhabene Person bat ihn, sich hinzuknien. Evans ließ sich würdevoll auf ein Knie herab und die vornehme Person sagte dann:

»Erheben Sie sich, Sir Educated Evans, Erster Turfratgeber und Sportautorität. Und vergessen Sie nicht, dass ‚Daydawn’ im Friary Rennen der Zweijährigen der Knüller sein wird.«

Ein donnernder Applaus erscholl. All die kleinen Prinzen klopften mit ihren Absätzen gegen die Holzvertäfelung.

Der Lärm war so stark, dass Sir Educated aufwachte und mittelalterlich fragte: »Wer klopfet an?«

»Machen Sie die Tür auf, Mr. Effens. Hier ist Mr. Kirz – es ist von allerrrgrößerrr Wichtigkeit.«

Evans stand auf, zog sich Hose und Schuhe an und entzündete ein Gaslicht.

»Kommen Sie herein«, sagte er, jetzt vollends wach. »Ich nehme an, Sie wollen wegen des gefälschten Fünfers etwas geraderücken?«

»In derrr Tat!«, antwortete Mr. Kirz. Er sah bleich und niedergeschlagen aus und hielt schon in seiner zitternden Hand eine Fünf-Pfund-Note bereit. Evans nahm sie an sich.

»Es war ein grrroßer Fehlerrr«, sagte Mr. Kirz und streckte seine Hand erwartungsvoll aus. »Ich wusste, dass ich einen schlechten Schein hatte. Und wie ich ihn jetzt suche, sage ich zu mirrr ‚Oh, mein Gott. Ich habe ihn Educated Evans gegeben’! Wo ist er?«

Evans schüßttelte den Kopf.

»Den hat die Polizei«, sagte er.

Mr. Kirz wurde gelb im Gesicht und taumelte gegen die Wand.

»Vorsicht mit dem Waschbecken«, warnte Evans, »es ist neu. Tja, mein Freund, der Müller hat ihn – Mr. Challoner, um es genau zu sagen, und es gibt keinen netteren Mann auf dieser Welt.«

Denn der Müller stand im Türrahmen und als Evans an Kirz vorbeiblickte, drehte dieser sich um.

»Ich brauche Sie, Kirz«, sagte der Müller. »Sie werden mit mir zur Wache kommen und mit dem Inspektor reden, klar?

»Ich wusste nicht, dass diese Note warrr gefälscht«, sagte Mr. Kirz zitternd.

»War sie auch nicht«, erwiderte der Müller kurz und knapp.

»Sie war in Ordnung, nur –Sie haben von diesem Muster die Platten hergestellt – ich fand die Anlage in Ihrem Keller in Mornington Gardens.«

Einer der Hauptbelastungszeugen bestieg den Zeugenstand und küsste inbrünstig die Bibel.

»Wie lautet Ihr Namen und Beruf?«, fragte der Protokollführer.

»Mein Name ist Educated Evans, ich bin gemeinhin bekannt als Englands führender Turfratgeber und das Genie von London Nordwest Drei. Ich gab den Tipp für ‚Braxted’ weiter, ‚Eton Boy’ (was für ein schönes Pferd!), ‚Irish Elegance’, ‚Music Hall’, ‚Granely’ und ‚Sangrail’...«

»Sie haben sich beinahe selbst an den Galgen gebracht«, sagte der Müller, nachdem man die Verhandlung vertagt hatte. »Und, übrigens, ich gebe dir besser einen anderen Fünfer für den, den wir bekommen haben – den werden wir noch als Ausstellungsstück benötigen. Kirz hat dir doch keinen mehr gegeben, oder?«

»Und wenn er es tat«, antwortete Evans diplomatisch, »dann schuldet er mir wieder einen – und noch ein paar mehr!«

Kapitel 6: Micky, der Trickser

Educated Evans saß eines Morgens im Regent’s Park, schaute den Enten zu und wartete auf eine Eingebung. Es war spät im Mai und die Weißdornbüsche standen in voller weißer und rosa Blüte. Die Sonne schien auf die gelblich verfärbten Wege und in der Luft herrschte der Geruch des kommenden Sommers; die Welt war jung und fühlte sich frisch und sauber an. Und die Starterliste zum »Royal Jagd Cup« war allgemein bekannt.

 

Educated Evans grübelte über das unerklärliche Walten des Schicksals nach, dass durch Vetternwirtschaft ein Pferd zum Derby gebracht werden konnte, welches er sich für sein Fünf-Pfund-Special aufgespart hatte. Da hörte er den ruhigen und festen Schritt einer Person näher kommen und sah im Aufblicken einen breitschultrigen Mann mit einem Strohhalm zwischen den Zähnen.

»Guten Morgen, Mr. Challoner«, sagte er höflich und Sergeant Challoner setzte sich an seine Seite.

»Ich dachte darüber nach, ob ‚Amboya’ zehn Pfund an ‚St. Morden’ verschenken sollte«, sagte Educated Evans.

»Und ich dachte, du wolltest mir etwas über ein neues Verbrechen erzählen«, erwiderte der Müller. »’Amboya’ ist sowieso nichts anderes als ein Klepper, und wenn du glaubst, du könntest Yardley zuvorkommen, ist dir der Ärger sicher.«

Educated Evans schürzte nachdenklich die Lippen.

»Ungewisse Dinge widerstreben mir«, sagte er, »obwohl ich nichts gegen Yardley sagen kann. Die Frage ist nur: Ist es wirklich ‚Amboyas’ Tag? Es wird einiges an Wetten für dieses Ereignis ausgegeben – die Dummen bestürmen die Buchmacher, ohne auf einen Ratschlag von Experten oder Vorhersagen zu hören, mit dem Ergebnis, wonach ‚Amboya’ 6 : 1 gehandelt wird. Aber wird er oder sie auch gewinnen? Ich habe Neuigkeiten gehört über ein gewisses Etwas, das vor allen anderen alleine ins Ziel kommt, wenn man es nur fordert.«

»Nach einem Frühstart?«, vermutete der Müller.

»Nach einem richtigen Start«, verbesserte Evans ernst. »Dieses Pferd könnte zwanzig Längen zurückliegen, dann anhalten um den Starter zu beißen und dann noch gewinnen. Es ist der Knüller des Jahrhunderts. Etliche kluge Männer des Rennsports wetten schon seit Wochen auf ihn – bevor die Gewichte bekannt wurden und bevor die Anmeldungen herauskamen.«

»Kaufe ich«, sagte der Müller interessiert.

»Das ist auch der einzige Weg, wie man daran kommen kann«, stellte Evans entschlossen fest. »Es hat mich manche schlaflose Nacht gekostet. Ich habe den Stall ausgekundschaftet und dieses Pferd beim Training beobachtet, und die Art und Weise, wie es läuft – mit dem Kopf auf der Brust!«

»Entschuldige bitte, wenn ich dumm frage: aber würde es denn nicht genauso gut laufen, wenn sein Kopf am Ende des Halses wäre?«

»Ich meine das doch als Redewendung oder auch Metapher«, sagte Evans und zündete sich eine Zigarre an. Sie sah aus, als habe man heftig darauf herumgetreten und sie dann aufgehoben. »Es ist ‚Catskin’«.

Der Müller schnaufte spöttisch.

»Du hast mal wieder den Zeitungsjungen zugehört«, sagte er mit ätzendem Spott. »’Catskin’ ist wochenlang an allen Straßenecken genannt worden. Und er ist nicht am Start.«

Educated Evans hob die Augenbrauen ein wenig an.

»Tatsache?«, fragte er höflich. »Und wer könnte Ihnen das erzählt haben?«

»Der Besitzer«, antwortete der Müller. »Ich nehme mal an, er weiß darüber nicht ganz so viel wie du, aber möglicherweise hat er Informationen über ‚Catskin’ von dem Burschen, der ihn versorgt. Und er hat ganz den Eindruck, dass ‚Catskin’ sich beim Training einen Nagel eingefangen hat und jetzt lahmt.«

»Er hat unrecht«, sagte Evans betont ruhig. »Das Pferd wird starten und gewinnen. Es ist von der Sorte, dem ein Nagel oder zwei nichts ausmachen.«

»Der Trainer erzählte Mr. Oliver«, sagte der Müller, »dass ‚Catskin’ dieses Jahr nicht wieder starten wird; und der Junge, der ihn betreut, sagt dasselbe«, fügte er clever hinzu.

Das klang in der Tat überzeugend. Der Besitzer kann keine Ahnung haben, der Trainer kann sich unwissentlich irren. Aber der Bursche, der ‚Catskin’ versorgte, war zweifellos ein schlagender Beweis.

»Dieser Mulcay ist großartig!«, sagte Evans, auf den Trainer zurückkommend. Und damit sprach er eine so unanfechtbare Wahrheit aus, dass der Müller ihm nicht widersprechen konnte.

Micky Mulcay kam aus Irland, das uns so viele gute, offene und aufrechte Trainer geschenkt hat.

Seine Freunde hätten ihn bei dieser Beschreibung allerdings nicht sofort wiedererkannt. Wäre er Trainer für die so genannte »Abteilung der Cleveren« gewesen oder gar für dubiose Besitzer, hätte er sich keine zehn Minuten am Turf halten können. Aber er war intelligent genug, in seinen kleinen Stall von Parlhampton ausschließlich die Pferde der angesehensten Personen aufzunehmen, von Männern, deren Namen mit Ehrenhaftigkeit und Gradlinigkeit gleich-zusetzen waren.

Der Raum des Chefstewards war auf das Feinste renoviert worden, als man Evans bat, an jenem hektischen Renntag von Kempton sein Urteil über den Lauf von ‚Cabbage Rose’ zu erklären.

Die Stewards akzeptierten seine Erläuterungen – (»Sie hätten mir dafür ruhig etwas aus der Almosenbüchse geben können«, sagte Educated Evans boshaft) – und danach stellte niemand mehr seine Tätigkeit in Frage. Micky war ein Lebenskünstler, der verstanden hatte, dass das Leben kurz und Geld schwer zu beschaffen war. Über seinem Schreibtisch hing sein Wahlspruch »Schmiede das Eisen, solang es noch heiß ist«. Und danach handelte er, auch dann, wenn das Eisen erkaltet war.

Besitzer, die selbst nicht regelmäßig wetten, sehen ihre Pferde sehr gerne gewinnen, wann immer es möglich ist.

Dazu zählte auch Micky, wenn seine Frau, seine Schwäger und ein paar gute Freude mehr so viele Wetten zu den Wettbüros kabelten, wie das Postamt verarbeiten konnte. Kein Mensch mit Verstand wettete jemals auf ein Pferd aus Mickys Stall, wenn sich Micky nebst Frau, Schwägern und guten Freunden am Rennplatz aufhielten, so zuversichtlich er sich auch gab.

Von Micky stammte der Satz: »Pferde sind keine Maschinen.« Es war Educated Evans, der dazu die historische Ergänzung lieferte: »Es ist für alle Beteiligten nur gut, dass es keine sprechenden Maschinen sind.«

»Dieser Mulcay ist wirklich großartig«, wiederholte Evans, »der kann einen schon begeistern. ‚Catskin’ kann es spielend schaffen. Aber ist Micky etwa pleite?«

Der Müller schüttelte den Kopf.

»Ich traf Lord Claverley beim Midland Rennen – beruflich, versteht sich, obwohl ich jetzt gar nicht weiß, warum ich dir so vertrauliche Informationen gebe«, sagte er. »Und Micky würde seine Lordschaft bestimmt nicht übers Ohr hauen.«

Evans verzog höhnisch die Lippen.

»Micky würde seine eigene junge Lehrerin von der Sonntagsschule übers Ohr hauen«, sagte er.

»Jedes Mal, wenn er am Zoo vorbeikommt, stehen die Schlangen stramm und grüßen ihn voller Ehrfurcht. Dieser Kerl ist dermaßen verschlagen und so geschickt, dass er mit seinen Zehen klauen kann. Es gibt nur einen einzigen Mann, den er nicht stoppen kann – das ist er selbst – der Teufel soll ihn holen!«

Educated Evans sprach diesen Wunsch aber nicht laut aus.

»Ich mag deine Kraftausdrücke nicht«, sagte der Müller und wandte sich zum Gehen. »Jedenfalls, Evans, kannst du ‚Catskin’ vergessen.«

»Wenn der Junge, der ihn versorgt, das sagt, wird es wohl stimmen«, sagte Evans und widmete seine weiteren Gedanken dem Derby Rennen.

Ein paar Tage nach seinem Sieg beim Derby startete ‚Catskin’ beim Midland Rennen und wurde von einem mittelmäßigen Pferd geschlagen. Gestartet war er mit einer Quote von 6 : 4. Seine Quote beim Hunt Cup hatte bei 100 : 6 gelegen und erreichte schließlich 25 : 1.

Evans nahm von der Veränderung keine große Notiz; bis eines Nachmittags, als er die Regent Street entlang spazierte, um in der Nähe der Piccadilly Station zu sein, wo er auf ein Ergebnis des Lingfield Rennens wartete. Da sah er Micky Mulcay und dessen Schwager. Sie gingen langsam am Piccadilly Hotel vorbei und Evans, ständig auf der Suche nach Informationen, überquerte die Straße und kam sehr langsam an die beiden heran, die Augen zu Boden gerichtet, wie wenn er tiefschürfende Gedanken zu wälzen hatte.

Im Überholen hörte er Micky mit seinem unverwechselbaren irischen Akzent sagen: »Ja, sicher...probier es mit Hereford....aber vergewissere dich, Dennis, dass die Post auf Mittwoch geöffnet hat. Einige dieser Postämter auf dem Land....«

Soweit konnte Evans mithören und sein Herz klopfte in Triumph. Hereford... Postamt...Mittwoch!

Instinktiv füllte er die Gesprächslücken aus. Die waren dabei, im Voraus per Kabel auf ‚Catskin’ zu wetten! Innerlich jubelte er bei dem Gedanken, was das alles für ihn bedeutete.

Und dann fasste Evans einen Entschluss zu etwas, das er noch nie in seinem Leben getan hatte. Er fuhr an diesem Abend nach Steynebridge, wo er in fünf Meilen Entfernung von diesem historischen Marktflecken Micky Mulcays Trainingsgelände liegen wusste.

Es ist schon ein bisschen traurig zu wissen, dass Educated Evans niemals zuvor ein Trainingsgelände gesehen hatte, Newmarket und Epsom einmal ausgenommen. Und was das Betreiben von Pferdeställen angeht, so war dies für ihn ein ebensolches Geheimnis wie das Frühstück des Tut-Anch-Amun. Zu seinem Glück konnte er sich ein Zimmer in einem Gasthof in der Nähe der Stallungen besorgen; und noch mehr Glück hatte er, dass er ‚Catskin’ als einziges Pferd der Welt ohne Farben und Nummern erkennen konnte: Es war ein Brauner mit drei weißen Beinen. Aber nur um dieser Erkenntnis willen hätte Evans die Reise nicht unternommen.

Er stand bei Tagesanbruch auf und wanderte durch das Hügelland bis zu der Stelle wo, glaubte man den Ortsangaben, Mr. Mulcay seine Pferde trainierte. Und tatsächlich – kurz nach 5 Uhr erschien in einiger Entfernung eine große Gruppe von Pferden, alle mit Decken und in leichtem Galopp.

Als sie an ihm vorbei gezogen waren, kamen drei weitere Pferde mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit, wovon das vorderste unzweifelhaft ‚Catskin’ sein musste. Der Junge auf dem Pferd versuchte, ihn zu stoppen, und einige hundert Yards an Evans vorbei gelang ihm das auch; er kam mit hochrotem Kopf zu Mr. Mulcay zurück, wiederum in vollem Galopp.

»Was zum Teufel soll das blöde Galoppieren, wenn ich leichten Trab befohlen hatte?«, schimpfte Mulcay wütend. Und er schlug dem Jungen seine Peitsche auf die Schulter.

Evans schaute interessiert zu, denn der Junge war Lakes, der Lehrling des Stalles, der für gewöhnlich Mr. Mulcays Pferde reiten durfte, wenn sie nicht so hart trainierten, wie sie sonst taten.

Evans stand immer noch interessiert zuschauend da, als Mulcay sich umdrehte und auf ihn zu schlenderte.

»Wer sind Sie?«, fragte er giftig. »Und was tun Sie hier? Weg von meinem Gelände!«

»Wenn Sie mir erlauben, die Sache mit Ihnen zu erörtern«, sagte Evans würdevoll. »Ich...« Klatsch!

Die Peitsche sauste auf Evans’ Schulter hernieder und für einen Augenblick war er vor Erstaunen und Zorn wie gelähmt. Und dann – mit einem Wutschrei – stürzte er sich auf den Angreifer. Mr. Mulcay mag ein sehr unehrlicher Mann gewesen sein, aber dennoch war er ein ausgezeichneter Reiter und die Peitsche fiel ein weiteres Mal; dieses Mal traf sie einen empfindlicheren Teil an Evans’ Körper.

»Dafür zeige ich Sie an!«, schnaubte Evans. »Ich werde Sie lehren, Sie...«

Es wäre nicht klug, getreulich alles wiederzugeben, was Educated Evans im Zorn des Augenblicks und in der Hitze seines Ärgers sagte.

»Ich erlaube niemandem, meine Pferde auszuspionieren«, sagte Mr. Mulcay mit jenem erhabenem, majestätischen Ausdruck, der bei einem irischen Trainer so charakteristisch ist und bei einem australischen noch viel mehr.

»Sie hauen ab und bleiben für immer weg!«

Evans gehorchte klug und weise. Den gesamten Weg zurück in den Ort beschäftigte ihn diese Erniedrigung durch Mulcay. In seiner Vorstellung sah er den Tyrannen auf der Straße um Brot betteln und wie er achtlos an ihm vorbei ging, ohne ihm eine Münze für den nächsten Tag zu geben. Aber neben seinem aktuellen Problem trug er noch die Erinnerung an etwas anders mit sich herum. Er dachte dabei an die Boshaftigkeit im Gesicht des Master Lakes und die wilde Wut dieses Jungen ließ in Educated Evans’ Natur eine Saite der Sympathie erklingen.

So schnell wie möglich suchte er den Müller auf.

»Dieses Pferd wird gewinnen, Mr. Challoner«, sagte er, »und ich habe es in der Hand, diesem Kerl sein Geschäft zu verderben! Als er mich sah, fiel er beinahe tot um. Schade, dass er’s nicht tat. Er hat das Pferd so weit und wird alle seine Kumpel beim Royal Hunt Cup verladen, so wahr ich Educated Evans und der Welt Erster Turfratgeber bin!«

 

»Du hättest dich besser von Steynebridge fern gehalten«, sagte der Müller besonnen. »Keiner dieser Trainer kann es leiden, wenn seine Pferde ausspioniert werden.«

»Und ich werde ihn weiter ausspionieren«, zischte Educated Evans, und wenn er einmal verärgert war, was eigentlich selten geschah, dann war er es richtig und doppelt. Seinen Feind in die Knie zu zwingen – dafür würde er sogar Geld ausgeben; was bedeutete denn ein Pfund hier oder da?

Er kannte einen Mann, weniger als Freund, aber von ihm abhängig, der einmal bessere Tage gesehen hatte; ein älterer, rotgesichtiger Mann namens »Old Joe«. Da man ihn noch nie verurteilt hatte, war sein weiterer Name bislang im Dunkeln geblieben. Er rauchte Tabak in einer kurzen Tonpfeife, half beim Kellnern aus und trank Bier. Niemand hat ihn jemals etwas anderes zu sich nehmen sehen.

Ein solcher »Old Joe« ist in Großbritannien in fast jeder Kneipe anzutreffen. Sie sind die Rentner, die jeder Wirt zu seinen Gästen zählt, eine geheimnisvolle Gruppe von rotgesichtigen Wache-Engeln mit schmierigen Hemdkragen, die rücklings an der Wand gelehnt stehen und über die Zeiten nachgrübeln, als es noch Pferdewagen gab und an jeder Kneipe die Pferde mit Futter versorgt werden konnten.

Educated Evans schickte nach Joe und der verließ höchst ungern die selbst gestellte Aufgabe, die Mauern des »White Hart« zu stützen.

»Ich soll rüber nach Hereford!«, schnappte er schockiert nach Luft. »Warum? Ich bin mein Lebtag noch nicht aus London herausgekommen, Mr. Evans.«

»Dann wirst du eben jetzt rauskommen«, sagte Evans bestimmt, »und du wirst tun, was ich dir jetzt erkläre.«

Er erklärte.

»Schick mir ein Kabel zum Sattelplatz von Ascot und zwar in dem Augenblick, wo du die Anzahl der Telegramme sehen kannst, die dieser Lump von einem Schwager abschickt. Er wird sie nicht eher abgeben als eine Viertelstunde vor dem Rennen. Wenn du dann in dem Postamt bist, kannst du sie leicht sehen. Und alles, was ich von dir will ist, mir die Anzahl der Telegramme zu kabeln, die dieser Schwager von Mulcay abschickt.«

Es bedurfte einer Menge Überzeugungsarbeit; aber nachdem Old Joe dabei auch erfahren hatte, dass es in Hereford verschiedene Pubs gab und das Westcountry-Bier von überraschend guter Qualität war, zog er los. Die Reise würde Educated Evans etwa vier Pfund kosten, aber was bedeutete schon Geld?

Oberster Chef des Mulcay-Stalles war Lord Claverley, ein Mann, der nur gelegentlich etwas riskierte und das auch nur auf Anraten seiner Trainer. Wenn Lord Claverley eines vor dem Royal Hunt Cup sicher wusste, dann war es die Tatsache, dass ‚Catskin’ das Rennen nicht gewinnen würde. Dies erzählte er nicht nur seinen Freunden, sondern ebenso seinem Chauffeur und seiner Dienerschaft, wie er es auch in die Ohren illustrer Persönlichkeiten und Potentaten flüsterte.

‚Catskin’ sackte bei den Voraussagen weiter durch, bis er zwischen 40 : 1 oder auch 33 : 1 gelandet war, immer abhängig vom Temperament oder der Ehrlichkeit der Wettkunden.

Educated Evans fuhr sehr selten nach Ascot. Wenn er es tat, hielt er sich konstant vom Sattelplatz fern. Aber bei dieser Gelegenheit beschloss er für sich, dass die Begleitumstände es rechtfertigten, einen Extrageldbetrag zu opfern, und mit einem leichten Stöhnen bezahlte er die horrende Summe, die der Verwaltungsbeamte von Ascot ihm abverlangte. Dafür erhielt er ein kleines, schokoladenbraunes Abzeichen, das er an sein Revers heftete und das ihm gestattete, entweder Tattersall’s oder den Sattelplatz zu betreten.

Der Müller, bekleidet mit Zylinderhut und schickem Ausgehrock, sah die unglückliche Gestalt am Geländer lehnen und ging auf ihn zu.

»Du bist dieses Jahr nicht in der königlichen Loge, Evans?«, fragte er.

»Nein, Mr. Challoner«, antwortete Evans gelassen. »Die Einladung dazu ist nicht angekommen. Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt«, fügte er mit respektvoller Anerkennung hinzu. »Sie sehen wie ein echter Gentleman aus.«

»Ich denke mir mal, diese Lästerung war so nicht gewollt«, sagte der Müller gutmütig, »sonst wäre ich noch beleidigt. Nun, hast du auf deinen ‚Catskin« gesetzt?«

»Jeden einzelnen Penny, den ich auf dieser Welt kriegen konnte«, erwiderte Evans emphatisch. »Ich habe den Tipp an 3240 Kunden verschickt und dafür zwei Nächte durchgearbeitet. Dieser ‚Catskin’ ist nicht nur ein Knüller, er ist dreimal ein Knüller. Er ist bisher der todsicherste Tipp, seitdem es das Hurst Park Rennen gibt – drei echte Rennpferde und ein Herausforderer. Sie wissen, wen ich meine.«

Der Müller schüttelte den Kopf.

»Keiner aus seinem eigenen Stall setzt auf ihn«, sagte er.

»Die sogenannten Leute vom Fach!«, spottete Educated Evans. »Ich könnte Ihnen etwas erzählen, das lässt Ihre Haare zu Berge stehen. Ihnen würden die Augen übergehen! Mr. Miller, ich treffe mich mit Lord Claverley.«

Der Müller starrte ihn an. »Du legst dich selbst herein«, warnte er. Aber diese Drohung zeigte bei Evans keinerlei Wirkung.

Er kannte Lord Claverley vom Ansehen her, von den Porträtaufnahmen der Klatschspalten, und als die Glocke am Sattelplatz den Hunt Cup eröffnete, traf er den Lord für einen Augenblick alleine an und ergriff die günstige Gelegenheit.

»Verzeihen Sie, Mylord«, sagte er und tippte grüßend an seinen Hut. »Sie haben vielleicht schon von mir gehört. Ich bin Educated Evans, der Welt führender Minister des Tippspiels.«

Der Lord schaute ihn mit blinzelnden Augen an. »So, so, das sind Sie wirklich?«, sagte er.

»Ich kann Ihnen leider keine Tipps geben, mein Herr.«

»Ich möchte auch gar keine haben, Mylord.« Evans Stimme klang feierlich und überzeugend. »Ich will Ihnen einen Tipp geben. Setzen Sie auf ‚Catskin’!«

Einen Augenblick lang schaute Lord Claverley ihn an, als wisse er im Moment nicht, ob er einen Polizeibeamten herbeirufen solle, auf dass der ihn auf oder über die Zaunspitzen des Geländes werfe oder sich einfach köstlich amüsieren sollte.

»Sie liegen falsch, mein Freund«, sagte er ruhig. »Kein Mensch hat Lust auf ’Catskin’. Mehr kann ich Ihnen leider nicht mitteilen.«

Noch während er sich wegdrehen wollte, hielt Evans ihn hartnäckig am Arm zurück.

»Mylord«, sagte er aufgeregt, »beachten Sie das Gerede über ‚Catskin’ einfach nicht; er wird gewinnen! Mulcay würde auch noch mit dem Geist seiner Großmutter falsches Spiel treiben! Ich sage Ihnen, das Pferd wird gewinnen und nicht anders wird es kommen!«

Nun war selbst Lord Claverley beeindruckt.

»Sie liegen völlig falsch, Mr. – äh – Evans«, sagte er dennoch. »Aber leider kann ich diese Angelegenheit jetzt nicht weiter mit Ihnen diskutieren.«

Evans schlängelte sich durch die Reihen elegant gekleideter Damen, um die Parade der Starterpferde zu beobachten. »Amboya« war ein heißer Favorit, wohingegen »Catskin« mit Lakes, dem jungen Stallburschen im Sattel, keine herausragende Quote erzielt hatte. Die bloße Anwesenheit eines Stall-Lehrlings statt des etatmäßigen Jockeys, der normalerweise für den Stall im Sattel hockte, reichte aus, um 999 von 1000 Wettern abspringen zu lassen. Aber Evans ließ sich nicht abschrecken. Dieser Mann investierte unerschütterlich seinen letzten Viertelpenny zum besten Preis, den er den Größen von Tattersall’s abringen konnte.

Von einer abgetrennten Rasenfläche aus beobachtete er das Rennen, welches keine besonders detaillierte Beschreibung erforderte. »Catskin« erschien als erstes Pferd oben auf dem Hügel; er blieb durchweg an der Spitze des Feldes und gewann mit sechs Längen Vorsprung, als sei sein Galopp ein Spazierritt. »Amboya« wurde Zweiter.

Educated Evans fühlte sich im siebten Himmel, als er zurück zum Sattelplatz eilte, wo man gerade das Siegerpferd hereinführte. Dabei entdeckte er drei Gesichter, von denen eines Mulcay gehörte und ziemlich grün aussah. Er lief umher, als habe er einen bösen Traum. Lord Claverleys Gesicht erinnerte an ein drohendes Gewitter. Lediglich die jungenhafte Miene des Jockeys strahlte eine Mischung von Glück bis hin zu langsam sich steigernder Ekstase aus.

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