John Flack

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John Flack
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Edgar Wallace

John Flack

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Impressum

Einleitung

Ehrlich gesagt ist es ungehörig, wenn nicht sogar gesetzwidrig, daß die wenigen Personen, die das traurige Vorrecht besitzen, im Irrengefängnis von Broadmoor aus- und eingehen zu können, auf irgendeinen auffallenden Insassen besonders aufmerksam gemacht werden. Es war dann meistens jemand, der sehr berüchtigt gewesen war, oder dessen Verbrechen das allgemeine Interesse in höchster Spannung gehalten hatten, bis Gerichtsärzte und Gerichtshof ihn nach diesem Platze ohne Hoffnung verbannten.

Aber häufig wurde auf John Flack hingewiesen, wie er über den Gefängnishof schlich, die Hände auf dem Rücken, das Kinn auf die Brust gesenkt, ein langer, dürrer, alter Mann in seinem schlechtsitzenden Anzug aus grauem Stoff, der mit niemand sprach, und an den niemand das Wort richtete.

»Das ist John Flack ... Der Flack; der gerissenste Verbrecher der Welt ... »Klaps-John Flack« ... Neun Morde ...

Gefangene, die wegen Totschlags in Broadmoor gehalten wurden, waren in ihren seltenen, klaren Augenblicken stolz auf den alten John. Die Beamten, die ihn für die Nacht einschlossen und während seines Schlafes beobachteten, hatten wenig zu seinen Ungunsten zu sagen. Niemals gab er Veranlassung zu irgendeiner Störung, und in all den sechs Jahren seiner Gefangenschaft hatte er nicht einmal einen jener Tobsuchtsanfälle gehabt, die so oft einen armen, unbeteiligten Teufel ins Hospital und den rasenden Übeltäter in eine Gummizelle bringen.

Die meiste Zeit verbrachte er mit Schreiben und Lesen, er war eine Art Genie mit der Feder und schrieb mit außerordentlicher Geschwindigkeit. Hunderte von kleinen Schulheften hatte er mit seiner großen Abhandlung über »Verbrechen« ausgefüllt. Der Gefängnisdirektor ließ ihm seinen Willen, erlaubte ihm, seine Hefte zu behalten, in der Erwartung, diese in gegebener Zeit seinem bereits sehr interessanten Museum einverleiben zu können.

Einmal gab ihm der alte Jack – es war ein außerordentliches Zugeständnis – eines seiner Hefte zu lesen, und der Direktor las und schnappte nach Luft. Der Titel lautete: »Wie raube ich ein Bankgewölbe aus, wenn nur zwei Wächter Dienst haben.« Der Direktor, ein ehemaliger Militär, las und las, hielt zeitweise inne und kratzte sich verblüfft hinter den Ohren; dies Schriftstück in der sauberen, deutlichen Handschrift John Flacks erinnerte ihn lebhaft an einen Divisionsbefehl zum Angriff. Keine Kleinigkeit war zu unbedeutend, um unerwähnt zu bleiben, jede Möglichkeit war vorausgesehen. Es war nicht nur die Zusammensetzung des Betäubungsmittels angegeben, das gebraucht werden sollte, um »den Außenwächter unschädlich zu machen«, es war sogar eine weitere Fußnote beigefügt, die hier wörtlich angeführt werden mag:

»Sollte das Betäubungsmittel nicht zu erhalten sein, rate ich, einen Vorstadtdoktor aufzusuchen und ihm folgende Krankheitserscheinungen anzugeben... Der Arzt wird dann das gewünschte Betäubungsmittel in verdünntem Zustande verschreiben. Man verschaffe sich sechs Flaschen von dieser Medizin und wende dann folgende Methode an, um das gewünschte Betäubungsmittel auszuscheiden ...«

»Haben Sie viel von dieser Sorte geschrieben, Flack?« fragte der Beamte erstaunt.

»Wie das?« John Flack zuckte seine mageren Schultern. »Das mache ich zu meinem Vergnügen, bloß um mein Gedächtnis zu üben. Ich habe schon dreiundsechzig Bücher über das gleiche Thema geschrieben, und da gibt es keine Verbesserung mehr. Während der ganzen sechs Jahre, die ich nun hier bin, habe ich auch nicht eine einzige Verbesserung meines alten Systems austüfteln können.«

Scherzte er? War das ein Produkt eines kranken Gehirns? Der Direktor, wie sehr er auch an seine Pfleglinge und deren Eigenarten gewöhnt war, konnte sich keine sichere Meinung bilden.

»Wollen Sie vielleicht sagen, Sie haben ein Lexikon über Verbrechen geschrieben?« fragte er ungläubig. »Wo ist es denn?«

Statt jeder Antwort verzogen sich Flacks schmale Lippen zu einem höhnischen Lächeln.

Dreiundsechzig handgeschriebene Bände stellten das Lebenswerk John Flacks dar. Es war die einzige Leistung, auf die er selbst stolz war.

Als bei einer anderen Gelegenheit der Direktor wieder auf seine außergewöhnlichen schriftstellerischen Arbeiten anspielte, sagte er:

»Ich habe ein großes Vermögen in die Hände irgendeines geschickten Mannes gelegt – vorausgesetzt natürlich,« fügte er nachdenklich hinzu, »daß er ein resoluter Kerl ist, und daß die Bücher bald in seine Hände kommen – in diesen Tagen wissenschaftlicher Entdeckungen ist, was heute neu ist, morgen ja schon überholt.«

Der Direktor hatte seine Zweifel an dem Vorhandensein dieser gefährlichen Bücher, mußte aber kurze Zeit nach dieser Unterhaltung seine Ansicht berichtigen. Scotland Yard, wo man selten, wenn überhaupt jemals, Phantomen nachjagt, sandte Oberinspektor Simpson, einen Mann ohne jede Phantasie, der diesem Umstande auch seine Beförderung verdankte. Seine Unterredung mit »Klaps-John Flack« war sehr kurz.

»Es handelt sich um deine Bücher, Jack,« sagte er, »es wäre bedauerlich, wenn sie in falsche Hände fallen würden. Ravini sagt, du hast fast hundert Bücher irgendwo versteckt.«

»Ravini?« Der alte John Flack fletschte die Zähne. »Hören Sie mal, Simpson! Sie glauben doch nicht etwa, daß Sie mich mein ganzes Leben lang an diesem verwünschten Platze festhalten können? Ja? ... Dann können Sie sich aber verdammt irren. In irgendeiner Nacht verschwinde ich stillschweigend – Sie können das dem Direktor erzählen, wenn Sie wollen – und dann werde ich mal mit Ravini unter vier Augen sprechen.«

Seine Stimme wurde laut und kreischend, und das alte wahnwitzige Flackern, das Simpson schon früher an ihm gekannt hatte, erschien wieder in seinen Augen. »Haben Sie jemals wache Träume, Simpson?... Ich habe drei. Ich habe eine neue Methode ausgefunden, um mit einer Million verschwinden zu können. Das ist Nummer eins, ist aber nicht so wichtig. Kummer zwei hat mit Reeder zu tun. Meinetwegen können Sie I. G. alles wiedererzählen. Ich träume davon, daß ich ihn mal treffe – allein – in einer netten, dunklen, nebligen Nacht, wenn die Schutzleute nicht sagen können, ans welcher Richtung die Schreie kommen. Und mein dritter Traum ist Ravini. George Ravini hat eine Chance, und die ist, er stirbt, bevor ich hier rauskomme.«

»Du bist verrückt,« entfuhr es Simpson.

»Darum bin ich ja hier,« erwiderte John Flack wahrheitsgemäß.

Diese Unterhaltung und die mit dem Direktor waren die beiden längsten, die er im Laufe der sechs Jahre in Broadmoor gehabt hatte. Wenn er nicht schrieb, schlenderte er durch die Gefängnisanlagen, das Kinn auf der Brust, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Manchmal kam er an einen bestimmten Platz in der Nähe der hohen Umfassungsmauer, und man munkelte, – obwohl das sehr unwahrscheinlich erscheint – daß er Briefe hinüberwarf. Wahrscheinlicher ist es, daß er einen Boten gefunden hatte, der seine zahlreichen, chiffrierten Briefe nach der Außenwelt beförderte und kurze Antworten zurückbrachte. Er war sehr gut Freund mit dem Aufsichtsbeamten seiner Abteilung, und eines Tages wurde dieser mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Das Tor der Abteilung stand weit offen, und John Flack war in die Welt zurückgekehrt, um seine »wachen Träume« zu verwirklichen.

1. Kapitel

Zwei peinliche Gedanken beschäftigten Margaret Belman, während der Süd-Expreß sie dem Knotenpunkt Selford und der kleinen Nebenbahn, die von dort nach Siltbury kroch, entgegenführte. Der erste Gedanke hatte natürlich mit den durchgreifenden Änderungen zu tun, die sie vorhatte, und mit der Wirkung, die diese bereits auf Mr. J. G. Reeder, einen so gütigen Menschen in mittleren Jahren, gehabt hatten.

 

Als sie ihm mitgeteilt hatte, daß sie eine Stellung auf dem Lande suchte, hätte er doch wenigstens ein kleines Zeichen von Bedauern sehen lassen können: eine gewisse Verdrossenheit wäre auf jeden Fall angemessen gewesen. Statt dessen hatte ihn aber diese Mitteilung sichtlich erfreut.

»Ich befürchte, ich werde nicht oft nach der Stadt kommen können,« hatte sie gesagt.

»Das freut mich aber wirklich,« hatte Mr. Reeder erwidert und noch irgend etwas Nichtssagendes über den Wert zeitweiliger Luftveränderung und den Vorzug, der Natur näher zu kommen, hinzugefügt. Er war tatsächlich viel heiterer geworden als in der letzten vergangenen Woche, und das war ziemlich kränkend.

Margaret Belmans hübsches Gesicht verzog sich, als sie an ihre Enttäuschung und ihren Ärger dachte. Alle Gedanken, ihre Bewerbung vielleicht doch noch aufzugeben, waren wie fortgeblasen. Sie bildete sich auch nicht einen Augenblick ein, daß ein Sekretärposten mit sechshundert Pfund pro Jahr ihr so ohne weiteres in den Schoß fallen würde. Für einen solchen Posten war sie ja völlig ungeeignet, hatte keinerlei Erfahrung im Hotelfach, und ihre Aussichten, angenommen zu werden, waren äußerst gering.

Und der Italiener, der so oft versucht hatte, ihre Bekanntschaft zu machen, war ja nur eine jener täglichen Unannehmlichkeiten, mit denen ein junges Mädchen, das für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß, so vertraut ist, daß sie unter gewöhnlichen Umständen keinen zweiten Gedanken an ihn verschwendet haben würde.

Heute Morgen war er ihr aber bis nach dem Bahnhof gefolgt und hatte sicher gehört, wie sie ihrer Begleiterin sagte, sie würde mit dem 6 Uhr 15 Zug zurückkommen. Ein Schutzmann würde ja kurzen Prozeß mit ihm machen – wenn sie sich den Unannehmlichkeiten eines öffentlichen Skandals aussetzen wollte. Aber jedes noch so vernünftige Mädchen schreckt vor einer derartigen, peinlichen Szene zurück, und sie mußte eben diese Angelegenheit auf eigene Faust erledigen. Das war keine angenehme Aussicht, und dies alles genügte, ihr einen sonst vielleicht netten und interessanten Nachmittag zu verderben. Und Mr. Reeder –

Margaret Belman runzelte die Stirn. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, befand sich also in einem Alter, in dem jüngere Männer manchmal recht langweilig erscheinen. Andrerseits sind aber Männer in der Nähe der Fünfzig auch nicht besonders anziehend, und Mr. Reeders Bartkoteletten, die ihm das Aussehen eines schottischen Kellermeisters gaben, konnte sie schon gar nicht leiden. Er war ja zweifellos ein lieber Mensch –

In diesem Augenblick lief der Zug in die Station ein, und sie befand sich schon auf dem überraschend kleinen Bahnhof in Siltbury, ehe sie sich noch im Klaren war, ob sie in Mr. Reeder verliebt war, oder sich nur über ihn geärgert hatte.

Der Kutscher der Bahnhofsdroschke hielt sein unglücklich in die Welt blickendes Pferd vor dem schmalen Torweg an und zeigte mit der Peitsche.

»Das ist der bequemste Weg für Sie, Miß! Mr. Davers Bureau ist am Ende des Weges.«

Er war ein schlauer, alter Mann, der schon so manche Bewerberin um den Sekretärsposten nach Larmes Keep gefahren hatte, und er vermutete, daß diese hier, die niedlichste von allen, nicht als Gast kam. Erstens brachte sie kein Gepäck mit, und außerdem war der Fahrkartenkontrolleur hinter ihr hergelaufen, um ihr die versehentlich abgegebene Rückfahrkarte zurückzugeben.

»Soll ich nicht lieber auf Sie warten, Miß –?«

»Ach ja, bitte,« sagte Margaret Belman hastig, als sie aus dem altersschwachen Vehikel stieg.

»Sind Sie bestellt?«

Der Kutscher war eine stadtbekannte Persönlichkeit und beanspruchte als solche gewisse Vorrechte.

»Ich frage bloß, weil 'ne Masse junger Frauensleute nach Larmes Keep gekommen sind, ohne bestellt gewesen zu sein, und Mr. Daver wollte sie nicht empfangen. Die haben bloß die Anzeige rausgeschnitten und sind hergekommen. Aber in der Anzeige steht ›Schriftliche Bewerbungen‹. Ich glaube, ich habe so ein Dutzend junger Frauensleute hierhergefahren, die nicht bestellt waren. Ich sage Ihnen das nur zu Ihrem eigenen Besten.«

Das junge Mädchen lächelte.

»Sie hätten ihnen das sagen sollen, bevor sie vom Bahnhof wegfuhren,« sagte sie gutgelaunt, »und hätten ihnen so die Kosten für die Droschke ersparen können. Ja, ich bin bestellt.«

Von ihrem Standpunkt am Tor hatte sie einen guten Ausblick auf Larmes Keep. Es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Hotel und noch weniger mit einer besseren Pension, die es doch sein sollte. Der Teil des Hauses, der ursprünglich das Verließ gewesen war, war deutlich zu erkennen, obgleich die steilen, grauen Mauern hinter Efeu versteckt waren, der auch einen Teil des in späterer Zeit angebauten Gebäudes bedeckte.

Sie sah über eine glatte, grüne Grasfläche, auf der einige Rohrstühle und Tische standen, zu einem Rosengarten hinüber, der jetzt noch im Spätherbst ein einziges Leuchten von Farben war. Dahinter befand sich ein Kranz von Fichten, der bis an den Rand der Klippen zu reichen schien. Sie sah ein Stückchen graublauer See und den leichten Rauchschleier eines Dampfers, der für sie unsichtbar war. Ein sanfter Wind trug den Duft der Blumen zu ihr, den sie entzückt einatmete.

»Ist es nicht wundervoll?« sie atmete tief.

Der Kutscher meinte, es wäre »nicht schlecht« und zeigte wieder mit seiner Peitsche.

»Es ist das kleine viereckige Haus dort – erst vor ein paar Jahren angebaut. Mr. Daver ist mehr Schriftsteller als Pensionsinhaber.«

Sie öffnete das eichene Tor und ging den Weg hinauf nach dem Allerheiligsten des schriftstellernden Pensionsbesitzers. Das unebene Pflaster wurde auf beiden Seiten von dichten Blumenbeeten eingefaßt. Es war, als ob sie durch den Garten eines kleinen Landhäuschens ging.

Der Anbau hatte ein hohes Fenster und eine schmale, grüne Tür. Augenscheinlich war sie gesehen worden, denn die Tür öffnete sich, als sie ihre Hand nach dem Messing-Klingelzug ausstreckte.

Es war sicher Mr. Daver selbst. Ein großer, magerer Mann in den Fünfzig, mit einem gelben, koboldartigen Gesicht und einem Lächeln, das allen Sinn für Humor, dessen sie fähig war, wach rief. Sie hätte am liebsten laut aufgelacht. Die lange Oberlippe hing über die untere hinweg, und trotzdem das Gesicht schmal und faltig war, sah er aus wie einer jener wunderlichen und komischen Glücksgötzen. Die runden, braunen Glotzaugen, die gerunzelte Stirn, ein Haarschopf, der aufrecht auf dem Wirbel seines Kopfes stand, verstärkten noch sein koboldartiges Aussehen.

»Miß Belman?« fragte er mit einer gewissen Hast.

Er lispelte etwas und hatte eine Art, seine Hände zu verschränken, als ob er die größte Besorgnis hätte, daß sein Wesen mißfallen könnte.

»Kommen Sie, bitte, in meine Höhle,« sagte er und legte auf das letzte Wort einen solchen Nachdruck, daß sie beinahe gelacht hätte.

Die »Höhle« war ein sehr bequem eingerichtetes Studierzimmer, dessen eine Wand hinter Büchern verschwand. Er schloß die Tür hinter ihr und schob ihr mit einem leisen, nervösen Lachen einen Stuhl hin.

»Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Hatten Sie eine angenehme Reise? Aber sicherlich, nicht wahr? Und London? – heiß und schwül – leider, kann ich mir denken. Wollen Sie nicht eine Tasse Tee trinken? – Aber natürlich!«

Er stieß Fragen und Antworten so schnell heraus, daß sie keine Möglichkeit hatte, eine Antwort zu geben, und er hatte das Telephon ergriffen und schon Tee bestellt, ehe sie noch irgendeinen Wunsch geäußert hatte.

»Sie sind jung – sehr jung,« er schüttelte traurig seinen Kopf. »Vierundzwanzig – nicht wahr? Können Sie Schreibmaschine schreiben? Was für eine lächerliche Frage!«

»Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. Daver, mich zu empfangen,« sagte sie, »und ich kann auch keinen Augenblick annehmen, daß ich Ihren Ansprüchen genügen werde. Ich habe gar keine Erfahrung im Hotelwesen und nach dem Gehalt, das Sie aussetzen, muß ich annehmen ...«

»Immer ruhig,« sagte Mr. Daver und schüttelte feierlich seinen Kopf. »Gerade das brauche ich. Arbeit gibt es sehr wenig, aber auch das ist mir zu viel. Meine Privatarbeiten« – er deutete mit der Hand auf ein Stehpult, das mit Papieren bedeckt war – »nehmen mich außerordentlich in Anspruch. Ich brauche eine Dame, die die Bücher führt – meine Interessen wahrnimmt. Jemand, dem ich trauen kann. Ich verlasse mich auf Gesichter. Sie auch? – Ich glaube, ja. Und auf die Handschrift? – Sie doch auch! ... Drei Monate lang habe ich annonciert. Mit fünfunddreißig Bewerberinnen habe ich sprechen müssen! – Einfach unmöglich – und ihre Stimmen – schrecklich! Ich beurteile Menschen nach ihrer Stimme – Sie sicherlich auch. Als Sie am vergangenen Montag telephonierten, sagte ich mir gleich: Die Stimme!«

Er hatte seine Finger so fest ineinander verflochten, daß die Knöchel ganz weiß waren, und diesmal konnte sie das Lachen nicht verbeißen.

»Aber Mr. Daver, ich weiß ja gar nichts von dem Hotelfach. Ich glaube ja sicher, daß ich es lernen könnte, – und ich möchte die Stellung natürlich schrecklich gern haben. Das Gehalt ist ja furchtbar anständig.«

»Furchtbar anständig,« wiederholte er brummend, »wie merkwürdig die beiden Worte nebeneinander klingen! – Meine Haushälterin. Sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Burton, daß Sie den Tee bringen.«

Die Tür hatte sich geöffnet, und eine Frau mit einem silbernen Teebrett kam herein. Sie war sehr adrett in schwarz gekleidet. Ihre matten Augen blickten kaum nach Margaret hin, als sie demütig wartete, während Mr. Davor sprach.

»Mrs. Burton – Diese junge Dame ist die neue Sekretärin unserer Gesellschaft. Sie muß das beste Zimmer im Hause haben – das blaue Zimmer. Aber – warten Sie mal!« er biß sich besorgt auf die Lippen – »vielleicht lieben Sie Blau gar nicht?«

Margaret lachte.

»Mir ist jede Farbe recht,« sagte sie, »aber ich habe mich doch noch gar nicht entschieden –«

»Gehen Sie, bitte, mit Mrs. Burton mit. Sehen Sie sich das Haus an – Ihr Bureau – Ihr Zimmer. – Mrs. Burton!«

Er wies auf die Tür, und ehe das junge Mädchen wußte, was sie eigentlich tat, war sie schon der Haushälterin durch die Tür gefolgt. Ein schmaler Gang verband Mr. Davers Privatbureau mit dem Hause, und Margaret wurde in einen großen, hohen Raum geführt, der die ganze Breite des Hauses einnahm.

»Der Bankettsaal,« erklärte Mrs. Burton mit dünner Stimme, die durch ihre Eintönigkeit auffiel, »wird jetzt als Gesellschaftszimmer benutzt. Wir haben nur drei Pensionäre. Mr. Daver ist sehr eigen. Im Winter haben wir 'ne Masse Gäste.«

»Drei Gäste ... Das ist nicht sehr rentabel.«

Mrs. Burton schnüffelte.

»Mr. Daver will ja gar nicht, daß sich das bezahlt macht. Ihm liegt hauptsächlich an der Gesellschaft. Er hat ja doch nur darum aus Larmes Keep eine Pension gemacht, weil es ihm Vergnügen macht, Leute kommen und gehen zu sehen, ohne daß er gezwungen ist, mit ihnen zu sprechen. Es ist eben sein Steckenpferd!«

»Ein teures Steckenpferd,« sagte Margaret, und Mrs. Burton schnüffelte wieder.

Auf der anderen Seite der großen Halle lag ein kleiner und viel gemütlicherer Salon mit großen, hohen Flügelfenstern, die auf den Rasenplatz hinausgingen. Außen, vor dem Fenster, saßen drei Personen beim Tee. Eine von ihnen war ein ältlicher Geistlicher mit einem strengen, harten Gesicht. Er aß Toast (geröstetes Brot), las ein klerikales Blatt und hatte anscheinend seine Nachbarn vergessen. Die zweite war ein junges Mädchen, ungefähr in Margarets Alter, mit einem sehr blassen Gesicht, aber trotz ihrer Blässe von außerordentlicher Schönheit. Ein Paar große, dunkle Augen betrachteten einen Augenblick den Neuankömmling und kehrten dann zu ihrem Gegenüber, einem militärisch aussehenden Mann in den Fünfzig, zurück.

Mrs. Burton wartete, bis sie die breite Treppe nach dem Oberstock hinaufgingen, ehe sie die drei Personen vorstellte.

»Der Geistliche ist ein Dekan aus Südafrika, die junge Dame ist Miß Olga Crewe und der andere Herr ist Oberst Hothling – alle sind Pensionäre. Hier ist Ihr Zimmer, Miß.«

Es war in der Tat das Juwel eines Zimmers; die Art Zimmer, wie Margaret es sich immer erträumt halte. Es war in auserlesenem Geschmack möbliert und hatte, wie alle anderen Zimmer in Larmes Keep, einen eigenen Baderaum. Die Wände waren bis zu halber Höhe getäfelt, die Decke von schweren Balken getragen. Sie vermutete, daß sich unterhalb des Parkettfußbodens der ursprüngliche Steinboden befand.

 

Margaret blickte um sich herum und seufzte. Es würde sehr schwer werden, diese Stellung abzulehnen, und warum sie überhaupt daran denken sollte, den Posten nicht anzunehmen, konnte sie um alles in der Welt nicht verstehen.

»Es ist ein wundervolles Zimmer,« sagte sie, und Mrs. Burton blickte gleichgültig im Zimmer umher.

»Es ist sehr alt,« sagte sie. »Ich kann alte Häuser nicht leiden. Früher habe ich in Brixton gewohnt ...«

Sie hielt plötzlich inne, schnüffelte in mißbilligender Weise und klapperte mit den Schlüsseln, die sie in der Hand hielt.

»Es gefällt Ihnen doch?«

»Gefallen? Sie meinen, ich nehme die Stellung an? Ich weiß noch nicht.«

Mrs. Burton blickte wieder im Zimmer umher. Das junge Mädchen hatte den Eindruck, als wollte sie versuchen, irgend etwas zum Lobe von Larmes Keep zu sagen – irgend etwas, das sie bestimmen sollte, die Stellung anzunehmen. Schließlich sagte sie:

»Die Kost ist gut,« und Margaret lächelte.

Als sie durch die Halle zurückkam, sah sie die drei Personen, die sie schon beim Tee gesehen hatte. Der Oberst ging allein, der Geistliche und das blasse Mädchen schlenderten über den Rasenplatz und sprachen miteinander. Mr. Daver saß an seinem Pult, hatte die Stirn auf die Hand gestützt und kaute an seinem Federhalter, als Mrs. Burton die Tür hinter ihnen beiden schloß.

»Das Zimmer gefällt Ihnen? ... Selbstverständlich. Sie treten an – wann? ... Ich denke, Montag in acht Tagen. Eine wirkliche Erlösung! Haben Sie mit Mrs. Burton gesprochen?« Er drohte schelmisch mit dem Finger. »Aha! Jetzt begreifen Sie. Es ist einfach unmöglich. Kann ich es ihr überlassen, eine Herzogin zu empfangen, oder einen Fürsten zu verabschieden? Kann ich es ihr überlassen, die kleinen Streitigkeiten zu schlichten, die natürlich zwischen Gästen vorkommen? Sie haben ganz Recht ... das kann ich nicht. Ich muß eine Dame hier haben ... ich muß, ich muß.«

Er nickte nachdrücklich, seine verschmitzten, braunen Augen waren auf die ihrigen geheftet, und die überhängende Oberlippe verzog sich zu einem entzückten Grinsen.

»Meine Arbeit leidet, wie Sie sehen; ständig herausgerissen zu werden, um Unwichtigkeiten, wie zum Beispiel Aufspannen eines Tennisnetzes zu erledigen – einfach unerträglich!«

»Sie schreiben wohl sehr viel?« gelang es ihr einzuwerfen. Sie hatte das Gefühl, daß sie ihre Entscheidung bis zum allerletzten Augenblick hinausschieben müßte.

»Sehr viel. Kriminalistik. Ah, das interessiert Sie wohl? Ich arbeite an einer Enzyklopädie des Verbrechens,« sagte er nachdrücklich, beinahe dramatisch.

»Des Verbrechens?«

Er nickte.

Das ist eine meiner Liebhabereien. Ich bin ein reicher Mann und kann mir Liebhabereien gestatten. Das Haus hier ist auch eine davon. Ich verliere jährlich ungefähr viertausend Pfund daran, aber das macht mir nichts aus. Ich suche und wähle mir meine Gäste aus. Wenn mich einer langweilt, sage ich ihm, daß er gehen muß – daß sein Zimmer anderweitig vergeben ist. Könnte ich das mit meinen Freunden oder Bekannten so machen? ... Sicherlich nicht. – Die Leute interessieren mich, füllen mein Haus, leisten mir Gesellschaft und amüsieren mich. Wann treten Sie an?«

Sie zögerte.

»Ich denke ...«

»Montag in acht Tagen. Ausgezeichnet!« Er schüttelte ihr kräftig die Hand. »Sie brauchen sich hier nicht einsam zu fühlen. Wenn meine Gäste Ihnen langweilig werden, laden Sie Ihre eigenen Freunde ein. Sie können als Gäste meines Hauses kommen. Also bis Montag!«

Sie ging den Gartenweg zu dem wartenden Droschkenkutscher hinunter, verwirrt und unentschlossener denn je.

»Haben Sie die Stelle erhalten, Miß?« fragte der freundliche Kutscher.

»Ich glaube, ja,« entgegnete Margaret.

Sie warf einen Blick nach Larmes Keep zurück. Die Rasenplätze waren verlassen, aber dicht in ihrer Nähe sah sie die Figur einer Frau auftauchen, nur für einen kurzen Augenblick, und dann verschwand diese hinter einem Gürtel von Lorbeerbäumen, der parallel mit der Umfassungsmauer des Grundstücks lief. Augenscheinlich führte ein wenig betretener Fußweg durch die Büsche, und Mrs. Burton hatte dies Versteck aufgesucht. Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und stolperte blindlings vorwärts, und zu seinem Erstaunen hörte das junge Mädchen, wie sie schluchzte.

»Das ist die Haushälterin – sie ist etwas übergeschnappt,« sagte der Kutscher gelassen.

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