Читать книгу: «Seewölfe Paket 35», страница 11

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„Ich denke, wir werden auch den Frevler noch fassen.“

Bis dahin haben wir hoffentlich längst den Anker gelichtet, dachte Mac. Laut sagte er: „Darf ich mich darauf verlassen, daß die Waren schnell an Bord unseres Schiffes gebracht werden? Selbstverständlich bezahle ich. Die Reliquie ist unser Geschenk an Sie.“

Er holte drei kleine Goldstücke hervor. Danach klappte alles wunderbar. Chandra Bose übersetzte den Händlern die Liste, die Mac Posten für Posten vortrug, angefangen von Gewürzen über Reis und Obst bis hin zu einigen Fässern Frischwasser. Das Gold zauberte freundliche Mienen und flinke Hände.

Mac Pellew brauchte nicht lange zu warten, bis die ersten Boote am zerschossenen Steg vorbei auf die Schebecke zuhielten.

„Obwohl sich alles zufriedenstellend aufgeklärt hat, wollen Sie Tuticorin schon wieder verlassen?“ fragte der Hauptmann. „Warten Sie wenigstens, bis meine Soldaten den Dieb gefangen haben. Wir wissen, daß er versucht, nach Norden zu gelangen.“

Das war eine weniger angenehme Neuigkeit. Mac Pellew schüttelte bedauernd den Kopf.

„Unser Ziel ist Madras, das wir so schnell wie möglich erreichen wollen.“

„Dann erlauben Sie mir, daß ich Ihrem Kapitän eine gute Reise wünsche. Ich mochte ihm selbst sagen, wie sehr ich das Mißverständnis bedauere.“

Die Rudergasten staunten nicht schlecht. Bis Mac Pellew in Begleitung des Hauptmanns erschien, hatten schon mehrere Boote mit Lebensmitteln bei der Schebecke angelegt. Das Umladen war in vollem Gange.

„Ein Koch wird leider viel zu oft unterschätzt“, sagte Mac. „Aber was wäre eine Crew ohne ihn?“

Nicht zu unrecht fühlte er sich als der Held des Tages. Daß der Tag noch sehr viele Stunden hatte, in denen eine Menge geschehen konnte, übersah er geflissentlich.

Über die Jakobsleiter an Backbord enterte er nach dem Hauptmann zur Schebecke auf. An Deck stapelten sich Kisten und Fässer, die nicht schnell genug in der Proviantlast gestaut werden konnten. Nahezu alle Arwenacks waren oben versammelt.

Der Seewolf eilte auf Chandra Bose zu.

Und noch einer: Edwin Carberry. Hätte der Koch in dem Moment geahnt, was sich da unter heiterem Himmel zusammenbraute, er hätte auf der Stelle umgedreht und das Weite gesucht.

Carberry war ein klein wenig schneller als der Seewolf, der erst vom Achterdeck abenterte.

„Wir haben ihn“, eröffnete er triumphierend. „Halten Sie sich fest, Hauptmann: Buddhas Weisheitszahn liegt hier, in meiner Hand, sicher verwahrt vor jedem neuen Frevel.“

Chandra Bose blickte den Profos an, als zweifle er an dessen Verstand. Aber als Carberry die Faust öffnete, blitzte es in seinen Augen.

Mac Pellew hatte im selben Moment das Gefühl, unter ihm klaffe ein tiefer Schlund auf, um ihn zu verschlingen.

Der Hauptmann nahm den zweiten Zahn entgegen. Es war ein schöner, blankpolierter Backenzahn, und er sah dem anderen zum Verwechseln ähnlich, den Chandra Bose in der Linken hielt.

Mac Pellew wurde es schwarz vor Augen. Er mußte nach einem Halt suchen, weil plötzlich alles um ihn her in Bewegung begriffen war. Er hörte ein unterdrücktes Stöhnen, erkannte aber nicht, daß er selbst diese Laute hervorbrachte.

Völlig überrascht starrte Carberry beide Zähne an. „Noch einer?“ fragte er tonlos. „Wie soll ich das verstehen?“

Der Blick des Hauptmanns wanderte vom Profos zu Mac Pellew und zurück. Seine eben noch gesunde Gesichtsfarbe glich fahlem Grau.

„Lug und Betrug!“ brüllte er. „Ich hätte es von Anfang an wissen müssen.“ Mit einer verächtlichen Geste schleuderte er beide Zähne hinter sich ins Wasser.

In dem Moment brandete Lärm an der Hafenmauer auf. Zwei Elefanten und mehrere Soldaten waren der Grund für einen Volksauflauf. Blitzschnell wandte sich der Hauptmann um und enterte in eins der soeben gelöschten Händlerboote ab.

„Laßt ihn!“ befahl Hasard, als mehrere Arwenacks noch versuchen wollten, Bose aufzuhalten.

Er zog sein Spektiv auseinander und betrachtete das Geschehen an Land durch die Vergrößerung. Die Soldaten hatten Malindi Rama gefangengenommen und ihn offenbar übel zugerichtet. Das bedeutete, daß sie nun auch über den echten Weisheitszahn Buddhas verfügten.

„Pech“, sagte Edwin Carberry. „Die Idee war jedenfalls gut.“

„Das war sie“, bestätigte Mac Pellew. „Immerhin haben wir neue Verpflegung an Bord. Was wollen wir mehr?“

6.

„Hoch mit dem Anker!“

Philip Hasard Killigrew gab den Befehl höchst ungern. Alles was nach Flucht aussah, behagte ihm nicht. Andererseits standen weitere Verwicklungen bevor. Dabei konnte er weder Carberry noch Mac Pellew gram sein, daß sie das ihrer Meinung nach Beste versucht hatten.

„An die Riemen!“

Der Wind, um diese Jahreszeit häufig veränderlich, hatte gedreht und stand denkbar ungünstig. Nur mit Muskelkraft konnte die Schebecke aus dem Hafen gebracht werden. Sobald der Bug auf die Einfahrt in der Mole zielte, war jedoch das Schlimmste überstanden.

Rings um den Hafen herrschte buntes Treiben. Die Inder karrten eine Vielzahl Fässer heran, die sie auf kleine Boote verluden. Was sie damit bezweckten, wurde erst klar, als sie an mehreren Stellen des Hafenbeckens begannen, den Inhalt der Fässer ins Wasser zu entleeren. Es war eine dunkle schillernde Flüssigkeit.

„Das ist Öl“, sagte Don Juan de Alcazar zum Seewolf und setzte den Kieker ab. „Eine Flamme genügt, um den Haffen mit einer Feuerwand abzuriegeln.“

Old Donegal vollführte eine ausschweifende Bewegung, die ganz Tuticorin umfaßte, oder auch Tuttukuddi, wie die Stadt von ihren Bewohnern genannt wurde.

„Die Inder werden nicht so verrückt sein, uns anzugreifen. Sie müssen doch wissen, daß wir uns in einem solchen Fall mit allem, was wir haben, zur Wehr setzen. Bis der Wind das brennende Öl herantreibt, können wir noch etliche Breitseiten abfeuern.“

„Chandra Bose greift uns nicht an“, sagte der Seewolf überzeugt. „Er hat lediglich vor, uns am Auslaufen zu hindern.“

„Aber warum?“ fragte Don Juan skeptisch. „Er hat alles, was er will.“

Hasard zuckte mit den Schultern. „Wir werden es erfahren, mein Freund. Solange müssen wir uns wohl oder übel in Geduld fassen.“

Er gab Befehl, die Riemen einzuziehen. Die Schebecke hatte inzwischen ihren alten Liegeplatz verlassen und trieb der Mitte des Hafenbeckens zu. Da das Schiff achteraus zu sacken begann, befahl Hasard: „Fallen Anker!“

Ein nervenzermürbendes Warten begann. Die Inder kippten kein Öl mehr ins Wasser, hatten aber eine Kette aus Booten bis zum Molenkopf gebildet und konnten jederzeit von neuem beginnen. Es war offensichtlich, daß sie das Ankermanöver der Arwenacks vorerst zufriedenstellte.

Unaufhaltsam näherte sich die in allen Farben des Regenbogens schimmernde Schicht der Schebecke. Nervosität breitete sich an Bord aus.

„Sir“, schlug Ferris Tucker vor, „wir könnten versuchen, das Öl mit Sand abzudecken und absinken zu lassen. Wenigstens um das Schiff freizuhalten.“

Unter anderen Umständen hätte der Seewolf den Vorschlag aufgegriffen. Jetzt schüttelte er nur den Kopf. Er wollte ein Kräftemessen vermeiden, das letztlich doch nur auf den Schultern der unbeteiligten Stadtbevölkerung ausgetragen wurde.

„Wir überlassen den Indern den nächsten Schritt“, sagte er. „Al, halte für alle Fälle die Culverinen klar.“

„Aye, aye, Sir!“ Der Stückmeister der Arwenacks hatte nichts anderes erwartet. Ketten- und Stangenkugeln, Pützen mit Sand und Wasser sowie die Kohlebecken standen bereit. Die ersten der 18-Pfünder-Kanonen waren ausgerichtet. Al Conroy würde beide Batterien abfeuern, die an Steuerbord auf die Stadt und die Kanonen an Backbord, um die anderen großen Schiffe im Hafen zu versenken.

Der Doppelschlag der Schiffsglocke erinnerte die Arwenacks daran, daß sie nun schon fast eine Stunde lang zum Abwarten verurteilt waren. Das Öl schillerte auf der Wasseroberfläche. Es hatte die Schebecke inzwischen eingeschlossen, wurde aber merklich dünner.

„Aaachtung!“ rief Dan O’Flynn von der Back. „Da tut sich was an Land!“ Er hatte zweifellos die schärfsten Augen und zudem eine gute Beobachtungsgabe.

Tatsächlich dauerte es nicht lange, dann gewahrten auch alle anderen die aus dem Stadtinnern anrückenden Soldaten. Sie bemannten ein Boot, das gleich darauf ablegte.

„Wir erhalten hochehrwürdigen Besuch“, sagte Dan. „Chandra Bose persönlich.“

Die Männer der Stadtwache hielten ihre altertümlichen Flinten schußbereit, als der Hauptmann die Schebecke betrat. Er blieb neben der Pforte im Schanzkleid stehen, sein Blick huschte über die Decks. Im Gegensatz zur letzten Begegnung wirkte er selbstsicher und zufrieden.

„Es ist gut, daß Sie uns noch nicht verlassen haben“, sagte er mit etwas spöttischem Unterton und in der Gewißheit, mit den Engländern nach seinem Gutdünken verfahren zu können.

„Nachdem uns die Ausfahrt auf so deutliche Weise verwehrt wurde, hatten wir wohl keine andere Wahl“, erwiderte der Seewolf. „Aber zur Sache: Was wollen Sie? Verlangen Sie ein Lösegeld?“

„Senhor“, sagte Chandra Bose entrüstet, „wo denken Sie hin?“ Er schien nicht im geringsten zu befürchten, daß ihn die Arwenacks als Geisel nehmen und sich so die Freiheit erzwingen konnten. Hatte er eine derart hohe Meinung von ihnen, oder fühlte er sich von den Flinten seiner Männer ausreichend beschützt?

Dan O’Flynn, der ähnliche Gedanken wälzte und sich ausgiebig umsah, entdeckte auf den beiden Sambuken kleinere Geschütze, die auf die Schebecke gerichtet waren. Eine besonders durchschlagende Wirkung würden die Inder damit aber nicht erzielen.

Nach einer kurzen Pause fuhr der Hauptmann fort: „Meine Leute haben den Frevler gefaßt und ihm die heilige Reliquie abgenommen. Ihre schändliche Absicht, alle gläubigen Singhalesen zu betrügen, war also unnötig. Schweigen Sie, und hören Sie mir zu!“ herrschte er den Seewolf an, der zu einer Erwiderung ansetzte. „Noch weiß nur ich davon, und ich bin Hindu. Aber ein Wort von mir genügt, und alle Buddhisten stürmen Ihr Schiff. Ihr Versuch war eine Verhöhnung Buddhas und fast so schlimm wie der Diebstahl selbst.“

„Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?“ fragte Hasard.

„Der heilige Weisheitszahn muß wieder zurück, und zwar zuerst nach Mannar. Von dort werden ihn ‚heilige Männer‘ nach Kandy bringen, in den Tempel, in dem er immer aufbewahrt wurde. Sie, Senhor Capitán, und Ihre Leute werden den Transport nach Mannar übernehmen.“

„Und wenn ich mich weigere?“

Chandra Bose lächelte überheblich, „überlegen Sie sich das gut. Kaum jemand hat soviel Verständnis wie ich.“

Dan O’Flynn, der Navigator der Arwenacks, der sich ausgezeichnet aufs Kartenlesen verstand, wandte sich an den Seewolf: „Mannar liegt nur rund hundert Seemeilen und nur unwesentlich von unserem eigentlichen Kurs entfernt. Der Umweg kostet uns bestenfalls ein paar Stunden.“

„Ich erwarte von Ihnen, daß Sie meinem Wunsch Folge leisten“, sagte der Inder mit Nachdruck. „Nur dann habe ich die Gewißheit, daß der Zahn tatsächlich bis nach Mannar gelangt.“

„Strengen Sie sich nicht unnötig an, mich zu überreden, Hauptmann“, erwiderte Philip Hasard Killigrew. „Mein Entschluß steht schon fest. Aber glauben Sie nicht, daß wir uns von Ihnen einschüchtern lassen. Geben Sie mir den Zahn, und wir bringen ihn heil nach Ceylon.“

Chandra Bose entspannte sich. Er lächelte plötzlich, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.

„Ich trage das Heiligtum natürlich nicht bei mir. Ihre Passagiere, darunter eine Abordnung der in Tuticorin lebenden Singhalesen, werden Ihnen den Zahn für die Dauer der Überfahrt aushändigen. Die Männer und Frauen wollen den Tag damit verbringen, Buddha anzurufen. Sie sagen, solange das Heiligtum noch entweiht sei, würde es sie dabei nur stören.“

„Passagiere?“ fragte der Seewolf überrascht.

„Vergaß ich, das zu erwähnen? Natürlich haben Sie gegen eine Begleitung ebensowenig einzuwenden wie gegen meine Bitte, den Zahn nach Mannar zu bringen.“

Eine halbe Stunde später erschienen fünfzehn Männer und Frauen. Auf den ersten Blick war zu erkennen, daß sie verschiedenen Bevölkerungsschichten angehörten.

An ihrer Spitze stand ein nur fünf Fuß großer, schmächtiger und verschlagen wirkender Mann. Sein Haupthaar war schütter, der gezwirbelte Oberlippenbart bestand nur aus wenigen Borsten. Trotzdem war sein Alter kaum zu schätzen.

Alokeranjan hieß er, aber das erfuhren die Arwenacks nicht von ihm selbst. Er begnügte sich vorerst damit, die Crew und das Schiff herablassend zu mustern.

Nicht nur sein Äußeres wirkte abweisend, er schien auch sehr von sich überzeugt zu sein. Jedenfalls redete er wie ein Wasserfall, und noch dazu in seinem Dialekt, den keiner der Arwenacks verstand. Anschließend zeigte er sich wütend darüber, daß niemand reagierte.

Der Seewolf wandte sich an seine Söhne: „Habt ihr mitgekriegt, was der Kerl will?“

„Kein Sterbenswörtchen“, erklärte Philip. „Dann sagt ihm das gefälligst.“

Eine Frau drängte sich nach vorn. Ihr Anblick wirkte auf einige Arwenacks wie ein junger Seehund auf ein Rudel ausgehungerter Haie. Die Männer raunten sich recht eindeutige Bemerkungen zu.

Dina, mit dem Namen stellte sie sich vor, stand dem orientalischen Schönheitsideal recht nahe. Sie war also keineswegs gertenschlank, sondern hatte einen wohlgerundeten Körper, der durch den eng anliegenden Sari betont wurde. Ihr pechschwarzes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt und hing trotzdem noch darüber hinaus bis auf die Schultern. Auch ihre Augen leuchteten schwarz und erschienen unergründlich tief, ein Ozean, in dem man sich leicht verlieren konnte.

„Alokeranjan wünscht, den Kapitän unter vier Augen und ohne die gaffende Meute zu sprechen“, sagte sie. „Außerdem verlangt er, daß uns die besten Unterkünfte zugewiesen werden. Das Schiff scheint einigermaßen Platz zu bieten.“ Sie sprach nahezu akzentfreies Portugiesisch.

„Was erwartet der Kerl?“ schimpfte Big Old Shane im Hintergrund. „Wir sind doch nicht seine Lakaien.“

„Ich bin der Kapitän der Schebecke, Philip Hasard Killigrew“, sagte der Seewolf. „Bestimmt werden wir nicht länger als höchstens vierundzwanzig Stunden miteinander das Vergnügen haben, aber das erscheint mir schon zuviel bei dem Tonfall, den Ihr Anführer anstimmt. Sagen Sie ihm, daß er Gast an Bord dieses Schiffes sei und sich folglich wie ein solcher zu benehmen habe.“

„Alokeranjan ist es nicht gewohnt, daß seine Anordnungen mißachtet werden.“

„Das beruht auf Gegenseitigkeit.“ Herausfordernd verschränkte der Seewolf die Arme und sah zu, wie sich die Gesichtszüge des Schmächtigen verzerrten, als Dina übersetzte. Alokeranjans Blick war Ausdruck seiner Verachtung. Er reagierte schroff und abweisend.

„Der legt es auf eine Machtprobe an“, murmelte Philip junior.

„Ich auch“, erwiderte der Seewolf. „Sobald wir den Hafen verlassen haben.“

„Ist das ein Befehl, Sir?“ fragte Ben Brighton.

„Natürlich.“ Philip Hasard Killigrew wandte sich wieder den Indern zu, während der Erste Offizier die Mannschaft auf Trab brachte.

Eilends wurde der Anker aufgehievt. Die Männer am Gangspill legten ein beachtliches Arbeitstempo vor.

Andere schoben die Riemen durch die Ruderpforten im Schanzkleid und begannen zu pullen. Die Schebecke aus dem Stand heraus in Fahrt zu bringen, noch dazu im Stehen, da Ruderbänke an Deck fehlten, war eine schweißtreibende Arbeit. Außerdem hatten die Arwenacks den Wind gegen sich und legten gerade deshalb eine beachtliche Schlagzahl vor.

„Was bedeutet das?“ bellte Alokeranjan mit sich überschlagender Stimme.

„Wir verlassen Tuticorin“, sagte der Seewolf. „Mannar ist unser Ziel.“

Der Singhalese schnappte nach Luft.

„Vorher gibt es noch einiges zu klären“, protestierte er. „Sie unterstehen meinem Befehl, Kapitän.“

„Davon ist mir nichts bekannt.“

„Ich sage es Ihnen hiermit!“

Die Schebecke näherte sich dem Molenkopf. Schon fiel der Wind nicht mehr exakt von vorlich ein. Ein flüchtiger Blick hinauf zum Flögel im Großmasttop bestätigte Hasards Gefühl. Der trichterförmige, aus leichtem Segeltuch bestehende und an seinen beiden unterschiedlich großen Öffnungen mit Metallringen verstärkte Windsack hatte leicht nach Backbord gedreht.

Noch war es zu früh, die Segel aus dem Gei zu nehmen. Aber im Gegensatz zu anderen Schiffen konnte der Mittelmeerdreimaster bis zu 4 Strich – teilweise noch höher – an den Wind gehen. Bei der momentan vorherrschenden Windrichtung Südwest zum Süden bedeutete das immerhin, daß ein Kurs Süden zum Osten unter Segeln möglich war. Vier Strich entsprachen genau 45 Grad des Kreises.

„Alles in Ordnung, Sir“, sagte Ben Brighton, dem der forschende Blick des Seewolfs keineswegs entgangen war. Als Erster Offizier mußte er seine Augen überall haben.

Aufreizend langsam wandte sich Hasard wieder den Indern und Singhalesen zu, die deutliche Unruhe erkennen ließen. Offenbar sahen sie ihre Felle davonschwimmen. Sogar Alokeranjan sackte merklich in sich zusammen.

Von Land aus waren keine Unstimmigkeiten zu erkennen. Chandra Bose ließ die Schebecke ungehindert auslaufen.

„Sie dürfen mich um Dinge bitten, Alokeranjan“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Wenn Ihnen das nicht paßt, steht es Ihnen jederzeit frei, das Schiff zu verlassen. Schwimmen können Sie hoffentlich. Und nachdem dieser Punkt eindeutig geklärt ist, bitte ich Sie, mir unter Deck zu folgen. Für eine Nacht werden Sie etwas zusammenrücken müssen, aber ich versichere Ihnen dafür, daß Sie wie in Buddhas Armen schlafen werden.“

Dina übersetzte. Die letzte Bemerkung ließ sie jedoch weg. Das behaupteten hinterher sowohl die Zwillinge als auch Dan O’Flynn.

Hasard führte die Passagiere ins Achterschiff und den Niedergang hinunter, wo er ihnen auf dem unteren Deck zwei Kammern beidseits des Besanmasts zuwies. Beide Räume lagen unterhalb der Wasserlinie, aber jeden diesbezüglichen Protest ließ er unbeachtet.

„Ich stelle zwei Männer zu Ihrer Verfügung ab“, sagte er. „Es kann also gar nicht geschehen, daß Sie das Backen und Banken verpassen oder sich an Bord verlaufen.“

„Das klingt, als sollten wir bewacht werden, Capitán“, entgegnete Dina.

„Fassen Sie das auf, wie Sie es für richtig halten. Mir liegt wenig daran, Leute wie Alokeranjan unbeaufsichtigt zu lassen.“

„Ja“, sagte die Frau zu seiner Überraschung, „das verstehe ich.“

Bis Philip Hasard Killigrew an Deck zurückkehrte, lief die Schebecke schon unter vollen Segeln auf Ostkurs durch die Bucht von Tuticorin.

Das Meer war von hellem Blau, was auf geringe Tiefe schließen ließ. Kleine, langgezogene Wellen folgten der Windrichtung und der momentan vorherrschenden Strömung, die an der Küste entlang nach Nordosten verlief.

Hasard kommandierte Bill und Matt Davies zu den Indern ab, bevor er sich aufs Achterdeck begab.

Old Donegal empfing ihn mit den Worten: „Wir haben Geleitschutz, Sir. Eine Armada ist hinter uns.“

Das war nicht mal übertrieben. Dutzende von Segeln folgten der Schebecke im Kielwasser. Sie gehörten zu Booten unterschiedlichster Größe. Durch das Spektiv, das Don Juan ihm reichte, erkannte Hasard mehrere Pattamars, eine der Sambuken, die im Hafen von Tuticorin gelegen hatten, und eine Vielzahl von Fischerbooten.

„Die meisten können auf Dauer nicht mithalten“, sagte er. „Sobald der Wind auffrischt, fallen sie zurück. Sonst noch was?“

„Der Hauptmann hat uns eine Bande von Rübenschweinen aufgehalst“, polterte Old Donegal. „Wenn wir mit denen keinen Ärger kriegen, gluckere ich nie wieder einen Tropfen.“

Das war in der Tat ein besonderes Versprechen. Ehe Hasard darauf reagieren konnte, wurde es unter Deck unangenehm laut.

„Und schon geht es los“, versetzte der alte Zausel.

„Mister Carberry!“ rief Hasard nach vorn. „Wer glaubt, sich da aufführen zu müssen?“

„Ich kann es nicht erkennen, Sir. Scheint aber so, als hätten unsere Passagiere Streit angefangen.“

„Kümmere dich darum!“

Edwin Carberrys „Aye, Sir!“ klang gar nicht so erfreut, wie das zu erwarten gewesen wäre.

Jeder erwartete, ihn losbrüllen zu hören, daß die Masten wackelten. Als nichts dergleichen geschah, warfen sich die Männer vielsagende Blicke zu.

Wenig später tauchte der Profos wieder unter der Querbalustrade des Achterdecks auf.

„Senhor Capitán“, sagte er, „Senhor Alokeranjan erbittet ihre Gegenwart in seiner Kammer. Es geht um wichtige Dinge.“

Hasard kniff die Brauen zusammen.

„Hat er das genauso gesagt?“

„Natürlich nicht.“ Carberry reckte trotzig sein Rammkinn und knirschte mit den Zähnen, daß man meinen konnte, zwei aneinanderreihende Mühlsteine zu hören. „Der Affenarsch hat sich noch ganz anders ausgedrückt.“

„Und?“

„Ich verstehe nicht …“

„Hast du ihm gesagt, was du von ihm hältst?“

Der Profos betrachtete bedauernd seine Fäuste. „Soll ich’s nachholen?“

Philip Hasard Killigrew winkte ab. „Ich rede selbst mit ihm, und es wird mir ein besonderes Vergnügen sein.“

Natürlich, hatte Alokeranjan eine der beiden Kojen in dem Raum für sich in Beschlag genommen. Obwohl er wie elend dalag, starrte er den Seewolf wütend an.

„Ihr Schiff ist eine Gefahr. Seit ich unter Deck weile, setzt mir die Übelkeit zu.“

„Dann sollten Sie schlafen“, sagte Hasard. „Das hilft.“

„Unsinn!“ brauste der Singhalese auf. „Wir müssen Buddhas Zorn besänftigen. Aber davon verstehen Sie nichts.“ Ungeduldig wartete er darauf, daß Dina übersetzte und fügte hinzu: „Die See ist zu wild. Lassen Sie Segel wegnehmen!“

„Das Meer ist überraschend ruhig“, erwiderte Hasard. „Wir haben nur eine langgezogene Dünung. Außerdem denke ich gar nicht daran, auch nur ein winziges Stück Tuch bergen zu lassen. Falls keine anderen Probleme anstehen, begebe ich mich wieder an Deck.“ Er wandte sich zum Gehen.

Abrupt fuhr Alokeranjan hoch. Die hastige Bewegung tat ihm nicht gerade gut, er wurde übergangslos blaß, doch das hinderte ihn nicht daran, mit sich überschlagender Stimme zu befehlen: „Sie bleiben hier, Capitán, bis alles besprochen ist. Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, daß Sie Ihr Verhalten spätestens in Mannar bereuen. Ich habe viele einflußreiche Freunde.“

Hasard verharrte vor dem Schott und wartete darauf, daß Dina die Übersetzung beendete. Ihr Blick wirkte bedauernd. Offenbar war sie mit Alokeranjans Verhalten ebenfalls nicht einverstanden.

„Senhor Capitán“, fügte sie hinzu, „bitte versuchen Sie, Verständnis aufzubringen. Wir befinden uns in einer wenig glücklichen Lage. Die Entweihung von Buddhas Weisheitszahn ist einer der größten Frevel, die sich Alokeranjan vorstellen kann.“

„Ich denke, wir alle werden die Überfahrt nach Mannar irgendwie überstehen“, sagte der Seewolf. „Der eine besser, der andere eben schlechter.“ Er bedachte den schmächtigen Singhalesen mit einem bedauernden Blick. „Außerdem ist morgen um die Mittagszeit alles vorbei, falls der Wind nicht abflaut.“

„Das Heiligtum!“ rief Alokeranjan. „Der Capitán soll die Reliquie verwahren, bis wir Mannar vor uns sehen.“

Der Weisheitszahn Buddhas lag inzwischen in einem schmucken Elfenbeinkästchen. Als es Dina dem Seewolf aushändigte, zögerte sie kaum merklich.

„Wo wollen Sie den Schatz aufbewahren?“ fragte sie. „Ein zweiter Diebstahl wäre eine Katastrophe für alle Gläubigen gleichzusetzen.“

„Seien Sie unbesorgt“, sagte Hasard. „In meiner Kammer ist der Zahn sicher. Außerdem kann niemand unbemerkt an Bord gelangen.“

„Wie viele Schiffe folgen uns?“

„Einige Dutzend.“

„Ich dachte es mir. Viele Singhalesen wollen dabei sein, wenn der Weisheitszahn von den ‚heiligen Männern‘ zurückgebracht wird. Aber vielleicht sind auch einige Strauchdiebe darunter, die es nur auf den unschätzbaren Wert der Reliquie abgesehen haben.“

Im Laufe des Nachmittags drehte der Wind wieder auf südliche bis östliche Richtungen und zwang die Arwenacks zum Kreuzen. Der Golf von Mannar zeigte sich jedoch weiterhin von seiner angenehmsten Seite mit mäßigem Seegang.

Das Land an Backbord war immer noch niedrig, sandig und teils mit Palmen bestanden. Selbst durch die Spektive ließen sich keine Besonderheiten erkennen.

Dem Land vorgelagert war eine breite Küstenbank. Zahllose Untiefen und kleine und kleinste Inseln ließen das Gewässer schwierig werden. Aber die Schebecke geriet nie so dicht unter Land, daß eine Gefahr bestanden hätte.

Die Karten aus England, so genau sie auch waren, zeigten doch nicht den Detailreichtum der Küste. Dan O’Flynn nutzte die Gelegenheit und das strahlende Sonnenwetter, die Karte zu vervollständigen. Insbesondere der Inselkette, die sich scheinbar endlos hinzog, galt sein Hauptaugenmerk.

Er bedauerte vor allem, daß die Schebecke die Pamban-Passage während der Nacht und in sicherer Distanz passieren würde. Im vorliegenden Kartenmaterial war die Passage auf 9° 17’ Nord und 79° 12’ Ost besonders gekennzeichnet und mit einem erläuternden Text versehen. Demnach handelte es sich um einen etwa sechzig Yards breiten Durchbruch in einem schmalen Felsrücken. Er trennte das indische Festland von der Pamban-Insel. Zugleich stellte er die einzige schiffbare Verbindung zwischen Ceylon und Indien dar. Die Alternative dazu war eine Rundung von ganz Ceylon.

Der Pamban-Passage vorgelagert waren Riffe mit starker Brandung und nur geringer Wassertiefe. Offenbar reichten sie von der Küste aus etliche Meilen nach Süden.

Unmittelbar an Pamban Island anschließend, erstreckte sich eine sechzehn Seemeilen lange Sand- und Felsbank bis nach Mannar Island. Der Kartograph hatte die gut zwei Meilen breite Bank Adam’s Bridge getauft. Die Strände schienen veränderlich und selbst für Boote nicht passierbar zu sein. Dan O’Flynn besaß genügend Erfahrung, um richtig anzunehmen, daß bei kräftigen Winden starke Strömungen über die Sandbank hinwegsetzten.

Einige der die Schebecke verfolgenden Boote waren inzwischen weit zurückgefallen. Aber die Mehrzahl segelte immer noch dichtauf im Kielwasser. Auf dem Kreuzkurs waren sie dem Dreimaster überlegen, da sie höher an den Wind gehen konnten.

Nur gelegentlich erschien der eine oder andere der Passagiere an Deck, als wollten sie sich überzeugen, daß Mannar Island tatsächlich noch nicht an der Kimm zu sehen war. Mit den Arwenacks redete kaum einer. Überhaupt erweckten sie den Eindruck, als seien für sie die Engländer nichts weiter als ein notwendiges Übel.

Daran, daß keiner die Sprache des anderen beherrschte, konnte es kaum liegen, denn Dina begleitete jeden ihrer Landsleute. Sie war überhaupt die einzige, die sich ständig umsah und gelegentlich Fragen über das Schiff oder die Mannschaft stellte. Und wer hätte einer Schönheit wie ihr schon die kalte Schulter gezeigt?

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2002 стр. 21 иллюстрация
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9783966881098
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