Читать книгу: «Seewölfe Paket 35», страница 8

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„Laßt sie gewähren!“ rief der Seewolf. „Kein Widerstand!“

„Was haben Sie gesagt?“ Chandra Bose sah sich nun ebenfalls gezwungen, das Schiff zu betreten. Im Laufschritt stürmte er die Planken hinauf – ein farbenprächtiges Chamäleon, das den Arwenacks ein belustigtes Grinsen entlockte. „Nun?“ herrschte er den Kapitän an, als er gleich darauf unmittelbar vor ihm stand. „Sie sind mir eine Antwort schuldig, Senhor.“

„Ich habe meine Mannschaft nur wissen lassen, daß Sie und Ihre Soldaten willkommene Gäste seien.“

Der Hauptmann verfärbte sich, das Blut schoß ihm in die Wangen.

„Wer war der Mann, der über Bord gesprungen ist?“ Er schnaubte zornig.

„Ein Singhalese“, erklärte Hasard. „Ein Schiffbrüchiger, den wir von einer kleinen Insel geholt haben.“

„Natürlich.“ Bose fuchtelte mit der Flinte herum, als könne er sich nicht entscheiden, ob es besser sei, erst zu schießen oder erst Fragen zu stellen. „Der Mann bedankt sich bei Ihnen, indem er im nächsten Hafen über Bord springt. Einfach so. Und dann rudert er mit einem Boot, das ihm nicht gehört, aufs Meer zurück.“ Er deutete hinter dem Singhalesen her, der mittlerweile unbehelligt das Ende der Mole erreicht hatte.

„Er bat uns, ihn nach Tuticorin zu bringen.“

„Warum?“

„Fragen Sie ihn selbst. Ich weiß es nicht.“

„Senhor, ich glaube Ihnen nicht.“ Der Hauptmann klemmte sich den Schaft der Flinte unter die rechte Achsel. Auf die Distanz von nur zwei Schritten konnte er den Seewolf keinesfalls verfehlen. „Ihr Schiff ist beschlagnahmt, Sie selbst begleiten mich an Land. Falls Sie die Wahrheit sagen, wird sich das herausstellen. Wenn nicht …“ Die Bewegung mit der linken Hand an seiner Kehle entlang war eindeutig.

„Akzeptieren Sie einen Beweis?“

In den Augen des Inders blitzte es flüchtig auf, als hätte er nur auf diese Frage gewartet.

„Wenn der Beweis gut ist“, erwiderte er.

Malindi Rama dachte gar nicht daran, im Hafenbereich an Land zu gehen. Die Gefahr, daß ihn jemand erkannte, war zu groß.

Außerhalb der Mole ließ er das Boot in der Strömung treiben, überprüfte den Lederbeutel mit dem Weisheitszahn, wand die Wollmütze aus und zog sie sich bis zu den Ohren über den kahlrasierten Schädel. Er wußte, daß sein Anblick unweigerlich zum Lachen reizte, aber lieber hatte er dieses bunte Wollding auf dem Kopf, als daß ihm sofort der tätowierten Karte wegen der Prozeß bereitet wurde.

Malindi zweifelte nicht daran, daß inzwischen in allen Hafenstädten entlang des Golfs von Mannar bekannt war, welcher Frevel den Tempel von Kandy entweiht hatte. Jeder gläubige Singhalese würde ihm und seinen Helfern ohne Zögern die Kehle durchschneiden.

Er verließ den schon tief im Wasser liegenden Kahn eine halbe Meile vom Hafen entfernt und hielt sich im Schatten hoher Ölpalmen, bis er die ersten Häuser aus Korallengestein vor sich sah.

Ein Weg führte an der Küste entlang nach Süden, wo in größerer Entfernung als einzige deutliche Erhebung der rötliche Berg Valland aufragte. Ochsenkarren hatten tiefe Spuren in den sandigen Boden gegraben.

Aus den Ästen eines Gebüschs schnitt sich Malindi einen passenden Wanderstab. Es konnte nicht schaden, wenn jeder in Tuticorin glaubte, er hätte einen langen und beschwerlichen Fußmarsch hinter sich. Seine noch vom Salzwasser nasse Kleidung trocknete in der Sonne schnell.

Er staubte zwei Handvoll Sand über seine Beine und die Hose und verrieb sich den Rest im Gesicht. Bei der Vorbereitung seines Diebstahls in Kandy hatte er gelernt, selbst unbedeutenden Kleinigkeiten genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Anderenfalls wäre es wohl unmöglich gewesen, die Reliquie aus dem Tempel zu entwenden und Kandy mit heiler Haut zu verlassen. Nun, da das alles wie ein Traum hinter ihm lag, wollte er sich nicht durch einen lächerlichen Fehler verraten.

Zufrieden tastete er nach dem Lederbeutel. Er, Malindi Rama, hatte es geschafft. Die ewige Glückseligkeit, die Buddhas Weisheitszahn verhieß, war alle Strapazen wert.

Kläffend stürmten zwei abgemagerte Köter heran. Malindi stieß ihnen den Ast zwischen die hervorstehenden Knochen, daß sie sich jaulend verzogen.

Flüchtig verhielt er seinen Schritt und gab sich dem von allen Seiten auf ihn einstürzenden Lärm hin, den er auf der kleinen Insel im Golf von Mannar und ebenso auf der Schebecke der Engländer vermißt hatte. Lärm bedeutete Leben, die Stille der Einsamkeit erdrückte.

Er roch Fisch, der in der Hitze des Tages allmählich zu stinken begann, und frisch gebackenes Brot. Am Wegesrand trocknender Kuhdung vermischte sich mit dem Aroma verschiedener Gewürze, Wolken buntschillernder Fliegen stürzten sich auf ihn, als hätte er etwas an sich, das sie in Schwärmen anlockte.

Verschleierte Frauen, die vor den Häusern Teig kneteten, bedachten ihn mit scheuen Blicken. Er hörte, daß sie sich hinter seinem Rücken Bemerkungen über die seltsame Kopfbedeckung zuflüsterten.

Und dann, er hatte eine der beiden mit Steinen gepflasterten Straßen erreicht, die vom Hafen aus zum Tempel und sogar noch einige Meilen weit nach Norden führte, standen plötzlich Kinder vor ihm. Sie riefen, schrien und redeten wild durcheinander, aber sie kreisten ihn so zielstrebig ein, daß er sofort die Absicht dahinter erkannte.

Zwei Dutzend junge Burschen waren es, einige bestimmt schon dreizehn oder vierzehn Jahre alt.

„Verschwindet!“ herrschte Malindi sie an.

Die Meute achtete nicht darauf. Als er sich den Weg erzwingen wollte, sprangen sie ihn johlend an.

Malindi Rama hatte Mühe, sich der Vielzahl von Fäusten und Füßen zu erwehren, die ihn traktierten. Zugleich versuchte er, den Lederbeutel zu schützen. Wie eine Bande von Straßenräubern fielen die Burschen über ihn her.

Jemand zerrte ihm die bunte Wollmütze vom Kopf, die so ganz anders war als ein Turban. Auf sie hatten es die Kinder abgesehen.

Dann erklang ein Schrei: „Seht doch! Seht euch seinen Kopf an!“ Daß so etwas geschehen könnte, hatte Malindi nicht erwartet.

„Das ist eine Karte!“

„Von Ceylon und Kandy!“

Er schaffte es nicht, die Wollmütze wieder an sich zu bringen. Dazu war er nicht mehr gelenkig genug. Und das lauter werdende Geschrei lockte Erwachsene an.

Einige von ihnen waren Buddhisten. Sie verstanden vielleicht nicht, wer er war und was geschehen war, aber die Kandy-Rufe ließen sie hellhörig werden.

„Haltet ihn auf!“ gellte es zwischen den Häusern.

„Er ist ein Frevler, der gewagt hat, Buddha Schande anzutun!“

Malindi Rama begann zu rennen wie nie zuvor. Er wußte, daß er um sein Leben lief.

2.

Ein begehrliches Funkeln trat in die Augen des Hauptmanns, als ihm Hasard die geöffnete Hand hinhielt. Sichtlich zufrieden betrachtete er die kleine Goldmünze, ehe er sie lächelnd an sich nahm und zur Probe darauf biß.

„Gut?“ fragte der Seewolf.

Chandras Blick verriet, daß er mehr von diesen Beweismitteln sehen wollte. Er spreizte die Finger der rechten Hand, wobei er den Daumen an den Ballen drückte. Seine Rechenkünste waren eindeutig.

„Vier Soldaten, Dad“, bemerkte Philip junior. „Die Leute hier haben gesalzene Preise. Hoffentlich ist die Gegenleistung das Gold wert.“

„Wir werden sehen.“ Philip Hasard Killigrew brachte vier weitere Münzen zum Vorschein. Der Hauptmann nahm sie nacheinander entgegen, prüfte jede und nickte zufrieden.

„Wir sind keine Betrüger“, sagte Hasard.

„Natürlich“, bestätigte Bose.

„Und jetzt?“

Der Inder löste die Lunte, schnippte sie über Bord und schulterte die Flinte.

„Sie und Ihre Männer sind willkommene Gäste, Senhor. Sprachen Sie nicht davon, daß Sie viele Waren brauchen?“ Er wartete die Antwort nicht erst ab, sondern klatschte befehlend in die Hände und rief einige Sätze, deren Sinn die Zwillinge nur halb verstanden. „Wir halten das Schiff nicht länger besetzt“, sagte er entschuldigend zu Hasard. „Das bleibt nun anderen überlassen.“

Wen er damit meinte, wurde klar als seine Leute die Schebecke verließen und mit den wartenden Händlern redeten.

„Dad“, sagte Philip argwöhnisch, „wir sollten uns auf eine Invasion einstellen.“

Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Als nämlich gleich darauf die Inder das Schiff stürmten, schlug sogar der Profos entsetzt die Hände zusammen.

„Mann, o Mann!“ ächzte er. „Eine Horde wilder Affen ist nichts gegen diese Rübenschweine.“

Arwenack, der Bordschimpanse, reagierte gekränkt. Er schimpfte und zeterte von der Großrah herab, fletschte die Zähne und zeigte Carberry mit einer solchen Ausdauer einen Vogel, daß der Profos am liebsten aufgeentert wäre, um ihm Manieren beizubringen. Allerdings wußte Carberry zu gut, daß er Arwenack nie erwischen würde. Deshalb beließ er es bei dem Gedanken und stellte sich lieber den „verrückten Indern“ entgegen, die an ihm wie an einem Wellenbrecher vorbeifluteten.

Jeder wollte der Erste sein. Jeder hatte die besten und billigsten Waren und bemühte sich, seine Konkurrenten durch Lautstärke aus dem Feld zu schlagen.

Das Chaos war nahezu perfekt.

Die Arwenacks feixten. Wie es aussah, wollte keiner der Heimsuchung die Stirn bieten. Im Gegenteil. Alle warteten darauf, daß der Kutscher oder Mac Pellew ein Machtwort sprach. Schließlich war es deren Sache, die Proviantlast zu füllen.

Der Kutscher verschaffte sich schließlich Gehör, indem er sich auf das Gangspill zwischen Kombüse und Kuhlgräting schwang und laut um Ruhe bat. Das betreffende Wort der indischen Sprache hatte er mittlerweile gelernt.

Der erste Koch und Feldscher der Arwenacks stand plötzlich im Mittelpunkt des Geschehens.

„Weiter, Kutscher!“ rief Luke Morgan.

„Oder hat es dir schon die Sprache verschlagen?“ fragte Bob Grey scheinheilig.

„Was heißt ‚schöne Frauen‘ auf Indisch?“ Sam Roskill grinste erwartungsvoll.

Jung Hasard rettete die Situation, bevor Mac Pellew – oder gar der Kutscher selbst – auf die Idee verfiel, die Mannschaft auf halbe Ration zu setzen. Wer den Kopf voll dummer Sprüche hatte, brauchte sich nicht zu wundern, wenn später sein Magen knurrte.

„Wir wollen vor allem Früchte“, sagte Hasard zu den Händlern. „Bananen, Zitronen, und falls ihr Melonen beschaffen könnt, auch davon. Außerdem Salat. Und dann Fleisch, gepökelt oder gedörrt. Eier und ein paar lebende Hühner wären auch nicht schlecht.“

„Die Schebecke ist kein schwimmender Stall, wie die ‚Respectable‘ einer war“, maulte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Die Hühner müssen gerupft sein, Junge, sonst handeln wir uns Ärger ein.“

„… und Arbeit“, sagte Will Thorne, der Segelmacher.

Hasard junior hörte schon nicht mehr zu. Zum zweitenmal betete er seine Litanei herunter. Die Händler, die ihn immer noch nicht verstanden hatten, wurden von den anderen aufgeklärt.

Die Kuhl der Schebecke verwandelte sich in einen orientalischen Basar, zumindest was die Lautstärke und die Farbenpracht betraf. Es dauerte nicht lange, bis Helfer der Händler die ersten Körbe an Bord schleppten.

Ballen feinster Seidenstoffe wurden über die Gräting ausgerollt. Daneben bot ein greiser Mann mit schütterem, weißen Ziegenbart Krebse an. Und ein Jüngling – vermutlich sein Enkel, denn er trug die gleiche unverwechselbare Manneszierde – holte aus einem hölzernen Kübel Kugelfische hervor.

Der Anblick der heftig schnappenden Meeresbewohner rief bei Old Donegal unangenehme Erinnerungen wach.

„Weg mit dem Viehzeug!“ rief er. „Soll ich etwa wieder scheintot umfallen, hä?“

Der Jüngling, in der irrigen Annahme, einen entschlossenen Käufer gefunden zu haben – nachdem alle anderen Engländer zwar herzhaft gafften, aber keine Münzen zum Vorschein brachten –, hielt Old Donegal gleich zwei besonders große Exemplare unter die Nase.

Das allein wäre schon genug gewesen. Der tranige Geruch, den die Fische verbreiteten und die Art, wie sie ihn aus ihren vorstehenden Glotzaugen anstarrten, brachte Old Donegals Faß zum Überlaufen. Er sah plötzlich rot, stürzte sich auf den verdatterten jungen Mann und schüttelte ihn so heftig, daß seine borstigen Barthaare nach allen Seiten abstanden.

„Sieh zu, daß du Land gewinnst, du, du – Scharlatan“, giftete er. „Willst uns umbringen, was? Aber nicht mit mir. Die Fische sind ungenießbar, verstehst du? Un-ge-nieß-bar!“

Der Inder verstand nicht. Er versuchte vielmehr, Old Donegal mit Nachdruck von der Güte seiner Ware zu überzeugen. Letztlich erreichte er damit nur, daß der Admiral explodierte – wie eine Culverine bei der Zündung einer doppelten Pulvermenge.

Der alte Zausel versetzte dem Jüngling einen heftigen Stoß. Der Inder taumelte, prallte gegen das Lukensüll und setzte sich, zum einen auf die feinen Seidenstoffe, die keiner der Arwenacks haben wollte, zum anderen auf einen seiner Kugelfische, den er prompt zwischen seinem Achtersteven und der Seide zerquetschte.

Nicht nur der Stoffballen nahm ihm diese Behandlung übel, auch sein Großvater wirkte alles andere als begeistert. Im Nu standen sich beide wie Kampfhähne gegenüber.

„Hundert Rupien auf den Jungen!“ rief Paddy Rogers begeistert aus. „Wer hält mit?“

„Ich“, sagte Jack Finnegan. „Aber nur zwanzig Rupien.“

Erfreut und auffordernd zugleich blickte Paddy Rogers in die Runde. „Wettet noch einer auf den Tuchhändler und gegen mich?“

„Moment mal“, protestierte Finnegan. „Du verstehst mich falsch.“

„Ich setzte auf den mit den Fischen“, sagte Paddy zur Klarstellung.

„Ich ebenfalls“, erklärte Finnegan, was seinen Freund, der nicht nur gutmütig, sondern auch schwerfällig im Denken war, beinahe überforderte.

„Beide auf denselben ist un…“ Der Rest von Paddy Rogers’ Feststellung geriet zum unverständlichen Nuscheln, weil nämlich just in dem Moment der Jüngling seinen zweiten Kugelfisch Old Donegal schenkte. Das heißt, er warf den Fisch mit einer knappen Armbewegung.

Old O’Flynn dachte gar nicht daran, sich einen stinkenden und in seinen Augen ungenießbaren schuppigen Meeresbewohner andrehen zu lassen. Er tauchte unter dem zappelnden Wurfgeschoß weg.

Paddy Rogers’ Pech war es, daß er nur zwei Schritte hinter dem Admiral stand. Deshalb kriegte er gehörig eine gewischt. Es sah sogar so aus, als schnappe der Fisch nach seiner Nase.

Old Donegal meckerte wie ein Ziegenbock und vergaß dabei völlig, daß eigentlich er der Urheber dieses Durcheinanders war. Er lachte noch, als Paddy den Fisch packte und über Bord beförderte.

„Außergewöhnlich gut Fisch“, erklärte der Händler in miserablem Portugiesisch. „Sehr groß, sehr gut, sehr …“

„… teuer?“ fragte Jack Finnegan scheinheilig.

Der Jüngling mit dem abstehenden Bart nickte eifrig. „Ja, ja“, versicherte er. „Sehr …“ Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, denn offenbar dämmerte ihm, daß er genau das falsche Wort erwischt hatte. „Nix!“ rief er sofort. „Gar nix teuer.“

„Wieviel?“ erkundigte sich Philip junior.

„Untersteh dich!“ protestierte Old Donegal. „Von den Fischen will ich keinen in der Pfanne sehen.“

„Der Kutscher schafft es bestimmt, ein schmackhaftes Gericht aus ihnen zu zaubern. Mit einer Kräutersud übergossen …“

„Selbst dann nicht, wenn es Rumsoße dazu gibt.“

Der Inder, obwohl des Englischen nicht mächtig, erkannte immerhin, daß die Diskussion seiner Fische wegen geführt wurde. Böse Geister flüsterten ihm ein, daß ausgerechnet der Alte mit dem Holzbein besonders interessiert sei. Prompt zog er aus seinem Kübel zwei weitere stattliche Exemplare hervor.

„Zwei Cahuns. Ist nicht zuviel.“

Old Donegal atmete tief durch. „Weißt du, was du mich kannst?“

„Sieben Annas.“ Der Inder schraubte seine Preisforderung ein klein wenig zurück.

„Ich will keine Annas“, schnaubte der Admiral. „Schon gar nicht als Dreingabe zu dem Fischzeug. Mary Snugglemouse kratzt mir die Augen aus, wenn ich mit anderen Weibern antanze.“

„Mit Annas zahlt man in Indien“, klärte ihn Hasard junior auf. Old Donegal zog daraufhin verblüfft die Augenbrauen hoch.

„Siebenundzwanzig Pysas“, sagte der Inder.

„Paß auf, Granddad.“ Hasard hielt den Alten fest, bevor der auf dumme Gedanken verfiel. „Eine Rupie sind vier Cahuns. Die entsprechen sechzehn Annas oder vierundsechzig Pysas.“

„Ich will nichts davon hören. Absolut nichts. Von mir aus soll sich an den Fischen vergiften wer will, ich jedenfalls nicht.“ Old Donegal ließ den verblüfften Händler einfach stehen. Und vorbeugend fügte er hinzu, während er zwischen den feilschenden Indern hindurchschritt, die selbst vom letzten Quadratinch der Kuhl Besitz ergriffen hatten: „Ich will keine Seidentücher, kein Obst, keine Schnitzereien, einfach überhaupt nichts.“

Vor dem Backbordniedergang verharrte er, stemmte die Fäuste in die Hüfte und blickte zum Seewolf hinauf, der an der Querbalustrade stand und das bunte Treiben verfolgte. „He, Sir, wie kannst du zulassen, daß die Schebecke in einen Affenstall verwandelt wird?“

„Was hast du gegen eine Abwechslung?“ fragte der Seewolf zurück. „Außerdem brauchen wir wirklich einige Dinge, die wir günstig erstehen können.“

Mac Pellew, der stets sauertöpfische zweite Koch der Arwenacks, nahm sich des jungen Fischhändlers an. „Das Zeug da“, er deutete auf den Kübel, in dem die Kugelfische nach Luft schnappten, „kannst du in den Bach kippen. Keiner will die Viecher.“

Jung Hasard übersetzte wörtlich.

„Frisch ist die Ware auch nicht“, sagte Mac, kaum daß Hasard geendet hatte. „Sie stinkt zum Himmel. Übersetze das genau, Hasard.“

Der Inder starrte ihn wortlos an. Mac bemühte sich, den Blick auf andere Waren zu richten. Er pfiff eine leise Melodie vor sich hin.

„Fünfzig Pysas.“ Der Händler unternahm einen letzten Versuch, seine Fische zu verkaufen.

Mac Pellew schien den Tränen nahe. Stumm schüttelte er den Kopf, sein Blick wanderte in Richtung Kombüse. Die Arwenacks in unmittelbarer Nähe, die diese Geste verstanden, wandten sich daraufhin ab. Der Koch war zufrieden – weniger der Inder, der plötzlich allein dastand.

„Vierzig Pysas, Senhor!“ rief er Mac hinterher.

Der Kombüsenmann konnte seine schottische Abstammung nicht verleugnen. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen, bis es beim besten Willen nicht mehr tiefer ging, und pfiff eine schräge Melodie.

„Dreißig …“ Der Inder seufzte, als würde ihm soeben das letzte Hemd ausgezogen.

Langsam drehte sich Mac Pellew auf dem Absatz um. Sein Gesicht wirkte weinerlich.

„Fünf Pysas“, sagte er. „Aber selbst die tun mir in der Seele weh.“

Jung Hasard übersetzte wortgetreu, und der Inder fiel schier aus allen Wolken. Er schluckte schwer, räusperte sich, weil ihm die Stimme versagte, schluckte nochmals und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.

„Zwanzig!“ Das klang kläglich.

„Fünf“, wiederholte Mac Pellew. „Und das ist schon mehr, als ich vertreten kann. Warum sollte ich Fische kaufe, die niemand will? Nur weil ich so gutmütig bin?“

Sie feilschten auf Biegen und Brechen. Gegen den Schotten hatte der Jüngling, und mochte er noch so gewitzt sein, nicht den Hauch einer Chance. Mac reduzierte schließlich sein Angebot auf vier und kurz darauf sogar bis auf drei Pysas. Dem Inder stand der Schweiß auf der Stirn, er war blaß geworden und zitterte, als sie endlich handelseinig wurden.

Old Donegal stand nur wenige Schritte daneben und schüttelte mißbilligend den Kopf.

„Soviel Geld für das gräßliche Fischzeugs“, jammerte er. „Wen willst du damit umbringen, Mac?“

„Jeder kriegt etwas“, erwiderte der Koch. „Gebraten sind sie ein Leckerbissen.“

„Wenn du die Biester auf die Back bringst, Mac, dann mustert einer von uns beiden ab.“

Irritiert leckte sich der Kombüsenmann über die Lippen.

„Schade“, sagte er. „Ich denke, daß dich jeder vermissen wird.“

Der Schlag der Schiffsglocke hallte über die Decks. Seit die Inder die Schebecke betreten hatten, war mehr als eine Stunde verstrichen.

Mac Pellew bückte sich nach dem Kübel mit den Fischen und winkte Luke Morgan zu sich heran, der ihm helfen sollte, die verderbliche Ware in die Kombüse zu schleppen.

„Nimm’s leicht, mein Junge“, sagte er zu dem betreten dreinblickenden Händler. „Du fängst dir eben neue Fische und verkaufst sie zum doppelten Preis. Vielleicht lassen sich ja bald Portugiesen in der Gegend blicken.“

„Male den Teufel nicht an die Wand, Mac.“ Luke Morgan ließ den Kübel wieder sinken und klopfte vorsichtshalber auf Holz.

Der Steg, an dem die Arwenacks vertäut hatten, war keineswegs menschenleer geworden. Da waren Fischer, die Netze flickten, und andere, die in ihren Booten hantierten. Zwei Frauen spülten Wäsche und warfen neugierige Blicke zu dem schlanken Dreimaster, denn das war ein Schiff, wie sie so bald keins mehr sehen würden.

Als Mac Pellew und Luke Morgan zum zweitenmal den Kübel mit den Fischen anhoben, entstand Unruhe. Der Zweitkoch wußte hinterher nicht zu sagen, ob erst die aufgeregten Rufe zu vernehmen gewesen waren und der indische Jüngling danach eine Grimasse zog, als stünden sieben Tage Regenwetter bevor, oder ob alles vielleicht umgekehrt abgelaufen war. Jedenfalls gab es plötzlich großes Geschrei – und noch mehr böses Blut.

Es war erschreckend, mit anzusehen, wie sich die eben noch freundlichen und zuvorkommenden Inder verwandelten, wie Zorn und sogar Haß ihr geschäftstüchtiges Lächeln verdrängten. Nicht nur Mac Pellew war wie vor den Kopf gestoßen. Er fragte sich prompt, ob er vielleicht doch einen oder zwei Pysas mehr hätte zahlen sollen. Allerdings gelangte er zu der Erkenntnis, daß kein Händler mit Verlust verkaufte, sondern höchstens mit geringer Verdienstspanne.

„Wie war die Sache mit dem trojanischen Pferd?“ fragte Luke Morgan.

Die Frage erschien berechtigt. Schließlich hatten die Arwenacks ihre Gegner ungehindert an Bord gelassen. Oder anders ausgedrückt: sie hatten sich die Läuse selbst in den Pelz gesetzt, die nun kräftig zwickten.

Überall auf der Kuhl prügelten die Inder plötzlich los. Jung Philips warnender Ausruf verhallte ungehört in dem Getümmel.

Zum zweitenmal mußten Morgan und Mac Pellew den Kübel mit den Fischen absetzen. Aber diesmal war der Koch daran schuld, weil er es nicht schaffte, den Kübel festzuhalten und zugleich zwei schwielige Fäuste abzuwehren, die ihm die Luft aus den Lungen trieben. Der Jüngling hatte jedenfalls mehr Kraft in den Knochen als Verhandlungsgeschick, das gestand ihm Mac neidlos zu.

Aber so leicht ließ sich kein Arwenack unterbuttern.

„Du – bist wohl nicht ganz – bei Trost“, ächzte der Koch, während er nach Atem rang. Dem nächsten Hieb wich er schon geschickt aus, grapschte einen der glitschigen Fische aus dem Wasser und schlug ihn dem Jüngling um die Ohren, so daß sich der Kugelfisch fast in eine Scholle verwandelte. Grinsend dachte Mac daran, daß Old Donegal so ein vertraut aussehendes Fischlein wohl schon essen würde.

Der Händler wollte protestieren. Oder riß er den Mund nur auf, um Schmähungen auszustoßen? Egal. Luke Morgan eilte dem Zweitkoch zu Hilfe, indem er einen weiteren Fisch verkehrt herum als Ramme benutzte. Die Schwanzflosse drang dem Inder so tief in die Kehle, daß er nur noch röchelte.

„Jetzt den Mund zu!“ befahl Luke.

Mac Pellew half ihm dabei, indem er leicht das Kinn des Jünglings antippte.

Der Inder verstand keinen Spaß. Wie ein Wilder fuchtelte er mit den Armen in der Luft herum und hätte um ein Haar dem Koch ein blaues Auge verpaßt. Aber Mac war auf der Hut. Mit beiden Händen packte er den rechten Arm des Angreifers – Luke Morgan tat genau das gleiche mit dem linken Arm.

„Hiev an!“ Gemeinsam zerrten sie den Kerl von den Beinen. Für einen Augenblick lag er flach in der Luft. Er krachte mit dem Oberkörper gegen den Handlauf des Schanzkleids, spuckte den Fisch in hohem Bogen aus und flog anschließend selbst über Bord.

Zwei der Kupfermünzen, mit denen Mac die Fische bezahlt hatte, waren auf den Boden gefallen. Während eine zur Gräting rollte, stoppte der Koch die andere mit dem Fuß.

Er bückte sich, um die Münze aufzuheben. Gleichzeitig taumelte einer der Händler heran, der den berüchtigten Profoshammer kennengelernt hatte. Mac Pellews Rücken wurde für ihn zum Sprungbrett über die Verschanzung hinaus.

„Nicht übel, Mac“, lobte der Profos. „Bleib so gebückt, dann räumen wir die nächsten gemeinsam ab.“

Nicht nur an Bord, sondern auch an Land und vor allem auf dem Steg gab es mittlerweile ein großes Geschrei. Es sah ganz so aus, als wären die Engländer plötzlich nicht mehr willkommen.

Drohend wurden Fäuste gereckt und Schmähungen ausgestoßen. Steine flogen.

Während die Arwenacks ihre Decks aufklarten und immer mehr Inder im Hafenwasser planschten, wuchs der Volkszorn stetig an.

„Verstehst du, was sie rufen?“ Da die Zwillinge auf der Kuhl mitmischten, blieb dem Seewolf niemand anderes als Dan O’Flynn, an den er sich wenden konnte.

„Einiges“, erwiderte Dan. „Für die Leute sind wir Diebe und räudige Hurensöhne, und das ist noch nicht das Schlimmste, was sie uns an den Kopf werfen.“

„Warum?“

Dan zuckte mit den Schultern. „Es muß mit Malindi Rama zu tun haben.“

Im nächsten Moment zog er den Kopf ein und ging hinter dem Schanzkleid in Deckung. Hasard tat es ihm nach. Über ihnen prasselte Blei in die Planken. Die Soldaten hatten aus einer Distanz von gut dreißig Yards geschossen.

„Wenn ihre Flinten nicht so hoffnungslos veraltet wären …“ Dan ließ offen, was er noch hatte sagen wollen.

Das Geschrei von außenbords wurde lauter, weil Big Old Shane und der Profos die Stelling einholten, obwohl vier ausgewachsene Inder säbelschwingend versuchten, an Bord zu stürmen. Die Blankwaffen nutzten den Angreifern herzlich wenig. Keiner hatte erwartet, daß ihm plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Gurgelnd klatschten sie ins Wasser zwischen Bordwand und Steg. In dem Moment achteten wohl alle auf das Geschehen vor der Kuhl. Selbst Chandra Bose und seine Soldaten bildeten keine Ausnahme.

Hasard griff nach einem aufgeschossenen Tau, belegte es an der nächsten Nagelbank und warf das Ende übers Schanzkleid.

„Was hast du vor, Sir?“ Dan blickte überrascht auf.

„Ich will herausfinden, was der Stimmungsumschwung bedeutet – bevor die Burschen unser Schiff in Brand stecken.“

Seine Befürchtung war gar nicht abwegig. An Land loderten die ersten Fackeln auf. Daß sie für die Schebecke bestimmt waren, stand außer Zweifel.

„Die sind verrückt“, ächzte Dan O’Flynn. Dann schickte er sich an, Hasard zu folgen.

Auf der Kuhl blieb das Vorhaben nicht unbemerkt.

„He!“ rief Carberry. „Was ist los? Brauchst du Hilfe, Sir?“ Da der Seewolf nicht antwortete, war es für ihn beschlossene Sache, außenbords mitzumischen. Die paar Händler, die noch an Bord weilten, hatten ohnehin inzwischen die Hosen voll und sprangen freiwillig ins Wasser, sobald man sie nur scharf anblickte. Aber auf dem Steg gab es noch jede Menge aufzumischen, da rückte die ernstzunehmende Meute erst an.

Edwin Carberry beeilte sich, die Jakobsleiter auszubringen, denn mittlerweile hatten die Soldaten ihre Flinten wieder neu geladen. Sie stocherten nur noch mit den Ladestöcken in den Läufen herum.

„Was heißt Rübenschweine auf Indisch?“ rief der Profos in die Runde.

„Wissen wir nicht“, antwortete Philip junior.

Sein Zwillingsbruder und er stürmten die Back – der beiden Drehbassen wegen, die dort montiert waren.

Indessen wurde der Profos von wütenden Indern in Empfang genommen, denen jedoch keine große Freude an ihrem Fang vergönnt war. Carberry schwang die Fäuste wie Dreschflegel, und wo er hinschlug, da wurde die Luft noch dünner. Um ihn herum war der Steg schon nach wenigen Augenblicken wie leergefegt. Dafür tummelten sich immer mehr Inder im Wasser und kühlten ihre Blessuren.

Dem ersten Soldaten, der die Flinte auf ihn anlegte, stieg der Profos gehörig auf die Zehen. Der Mann brüllte, als habe ihn ein Elefant getreten. Das wiederum behagte dem Profos nicht. Er schlug zu. Mit beiden Händen gleichzeitig. Von rechts und links.

Der Inder mußte sich fühlen, als sei er zwischen die zusammenkrachenden Becken einer Militärkapelle geraten. Er verdrehte die Augen und ließ die Flinte fallen. Auf seinen Wangen zeichneten sich die kräftigen Abdrücke von zehn Fingern ab, die nach einiger Zeit wohl alle Farben aufweisen würden.

Carberry lüftete den Mann von den Füßen und benutzte ihn als lebenden Rammbock, um die anderen zurückzudrängen. Fünf Inder verloren nacheinander den Halt und klatschten rücklings in das fast schon überfüllte Hafenbecken.

Der nächste Schütze, fünf Schritte vom Profos entfernt, heulte auf und ließ seine Feuerwaffe fallen. Eins von Bob Greys Wurfmessern hatte seine Hand durchbohrt, ehe er den Schuß abgeben konnte.

„Danke, Bob!“ rief Carberry, ohne sich umzuwenden.

„Keine Ursache, Eddylein“, klang es von der Schebecke zurück.

Die Fackelträger stürmten heran. Gleichzeitig dröhnten auf der Back die Drehbassen. Holz splitterte, eine kleine Wasserfontäne stieg in die Höhe, dann wand sich ein mehrere Yards langes Teilstück des Steges – genauer gesagt, der Abschnitt zwischen zwei Stützpfosten – wie ein getretener Wurm und brach in sich zusammen.

Das ganze geschah rund zwanzig Schritte vor der Schebecke, und das Wasser war dort noch so tief, daß keiner stehen konnte.

Die Inder stimmten ein wütendes Geheul an. Einige schleuderten ihre Fackeln, die den Dreimaster aber nicht erreichten.

Das Blatt hatte sich damit vollends gewendet, nachdem die Arwenacks zunächst völlig überrascht worden waren.

Mit oft geübter Präzision schoben die Zwillinge neue Kugeln in die Hinterlader-Drehbassen, setzten die mit Pulver gefüllten Kammern ein und verkeilten sie. Sie brauchten dazu nur wenige Handgriffe.

Über den Kammergriff hinweg visierten sie erneut den Steg an, ein Stück weiter landwärts diesmal. Dann senkten sie die Lunten auf die Zündlöcher. Die beiden Pulverexplosionen klangen wie ein einziger Knall.

Abermals splitterte Holz. Armlange Bruchstücke wirbelten, Geschossen gleich, nach allen Seiten davon. Aber offenbar wurde niemand verletzt.

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