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Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band.

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Endlich, in der fünften Woche traf der so heiß Ersehnte mit der »Diana« wieder ein, aber – Schwabe erschrack, als er ihn erblickte und wurde todtenbleich – allein war er – das Kind war nicht bei ihm und der zitternde Vater fürchtete schon das Schlimmste. Das, was ihm im Anfange das Herz mit so unendlichem Weh durchzuckt, erwies sich jedoch als unbegründet. Welbauer beruhigte ihn bald über das Befinden und Wohlergehen seiner Tochter – er hatte das junge Mädchen gesund und heiter angetroffen, sie war gar rasch in die Höhe geschossen, und sollte kräftig und blühend aussehen – das Uebrige aber verkündete ein Brief, den er – statt dem Kinde – als Antwort mitbrachte.

Schwabe ahnte jetzt fast, was das Schreiben enthielt – in letzter Zeit, als die Erwarteten immer und immer nicht kommen wollten, waren ihm so allerlei trübe und häßliche Gedanken durch den Sinn gefahren, die er sich ordentlich gefürchtet hatte seiner Frau mitzutheilen, weil er sie doch nicht mit nur bloßen vielleicht sogar unbegründeten Vermuthungen ängstigen wollte. Rasch erbrach er jetzt den Brief und sah hier seine schlimmen Besorgnisse bestätigt. Das Schreiben lautete also:

»Lieber Freund und Vetter« –

»Recht sehr hat es mich gefreut zu hören, daß es Dir wohl geht und Du Dir durch Arbeit und Sparsamkeit, wodurch man in Amerika nur allein zu etwas kommen kann, ein kleines Vermögen erworben hast. Uns geht es auch hier recht gut, und viel besser als damals, wo Du mich zuerst in dem kleinen Häuschen an der Ecke der Sykamore-Straße aufsuchtest. Ich bin jetzt auf dem Mittelmarkt – Du weißt ja schon, in der fünften Straße – gezogen, habe ein gutes Boardinghaus9 errichtet, und mache sehr gute Geschäfte, habe aber auch sehr viel zu thun, und weiß kaum wie ich fertig werden soll.«

»Was nun Deine Tochter Louise anbetrifft, so ist die recht gewachsen, und ein braves gutes Mädchen geworden, meine Frau hat sich aber so an sie gewöhnt, daß sie gar nicht daran denken kann, sich von ihr zu trennen. Seid deshalb auch nicht böse, daß ich Euch Euren Wunsch nicht erfülle und sie mitschicke. Eigentlich kannst Du es uns auch gar nicht verdenken. Sieh, wir haben bis jetzt blos die Noth und Sorge mit dem kleinen Kind gehabt und sollen es jetzt, da es groß geworden ist und anfängt, uns für alle die Mühe und Auslage zu belohnen, wieder herausgeben. Meine Frau hält es dabei wie ihre eigene Tochter. Wir lassen es noch immer in die Schule gehen und geben ihm eine ganz gute Erziehung. Was willst Du mehr? Aber trennen möchte sich meine Frau nicht wieder von dem Kinde und wir bitten Dich daher recht dringend es uns zu lassen.«

»Mit dem Wunsche, daß es Euch in St. Francisville Allen gut geht und Ihr manchmal unser gedenkt, unterschreibe ich mich als Dein

Dir treu ergebener Freund und Vetter
Fürchtegott Wagner.«

Mittelmarkt – nordwestliche Ecke von Walnut street.

Nachschrift. »Louise läßt schönstens grüßen und Euch Allen Glück und Gesundheit wünschen. Was kostet denn bei Euch die Butter – hier ist sie gestern auf zwei Bit gestiegen, das Schweinefleisch ist aber dafür noch billiger geworden als wie damals, wie Du hier warst.

Dein Vetter.«

Der Brief war verworren, der Inhalt desselben aber doch auch wieder einfach und deutlich genug, und Schwabe ging wohl eine halbe Stunde lang, wie vor dem Kopf geschlagen, an der Dampfbootlandung hin und her. – Sollte er das was hier mit klaren dürren Worten in dem Brief stand, seiner Frau mittheilen? – Aber wie konnte er es ihr auch verheimlichen, hätte sie am Ende nicht gar geglaubt es wäre ihrem Kinde irgend ein Unglück zugestoßen? Der Verdacht übrigens, den er gegen Wagner hegte, wurde von Welbauer noch bestätigt.

Dieser hatte sich nämlich, da er den Eltern doch versprochen, das Kind zu bringen und nun dort, wo er es am wenigsten vermuthete, so unverhofften Widerstand gefunden, nach den Verhältnissen und dem ganzen Leben und Treiben jener Leute genauer und näher erkundigt. Hier erfuhr er nun, daß sie allerdings die angenommene Tochter im Hause selbst sehr gut behandelten, aber keineswegs so viel in die Schule schickten, als Jener hier in dem Brief geschrieben; im Gegentheil mußte das arme Mädchen, wenn es auch keine schwere Arbeit zu thun hatte, von Morgens früh bis spät Abends auf dem Platze sein, während sich Missis Wagner fast ganz und gar von jeder Arbeit zurückgezogen habe, und nur allein die Dame spiele. Louise war ihnen dabei durch ihren unausgesetzten Fleiß von ungemeinem, ja unbezahlbarem Nutzen. Gaben sie das Mädchen heraus, so mußten sie jedenfalls eine fremde Haushälterin annehmen und diese nicht allein mit theuerem Gelde bezahlen, sondern ihr auch – etwas besonderes Gefährliches in Amerika, wo die Leute oft, Gott weiß woher, geschneit kommen – Alles und Jedes im Hause anvertrauen. Bei Louisen dagegen, die sich ihrer eigenen Mutter kaum noch erinnerte, ihren Pflegeeltern aber mit aller Liebe einer wirklichen Tochter anhing, hatten sie das Eine nicht nöthig, das Andere nicht zu fürchten, und es ließ sich daher voraussehen, wie sie unter diesen Umständen gewiß Alles thun würden, was in ihren Kräften stand, die Pflegetochter den vollen Ablauf der gesetzlichen Frist, also bis zu deren einundzwanzigstem Jahr bei sich zu behalten.

Gerichtlich konnte Schwabe, wie Wagner ebenfalls gut genug wußte, keine Schritte mit nur irgend einer Aussicht auf Erfolg thun, denn ein wirklicher Kontrakt war gar nicht abgeschlossen, und wenn es zur Klage kam, so wurde dem Verklagten entweder die vorerwähnte gesetzliche Frist zugestanden, oder der Kläger hätte eine Kostenberechnung zahlen müssen, die dieses eigene Mittel jedenfalls weit überstiegen haben würde. – Der Frau übrigens ein Geheimniß daraus zu machen, ging nicht an, über kurz oder lang hätte sie es doch erfahren müssen, und gemeinschaftlich konnten sie auch besser berathen, welche Schritte jetzt am besten zu thun wären.

Er ging denn auch ohne weiters nach St. Francisville zurück, zeigte ihr erst den Brief und ließ sie dann später Alles das, was sie noch zu wissen wünschte, von Welbauer selber erfragen. Im Anfange war sie nun, als sie die Nachricht wie ein Schlag aus heiterem Himmel traf, außer sich, wollte ohne weiters »an die Gerichte gehen,« und meinte, kein Gesetz der Welt dürfe ihr solcher Art und widerrechtlich, das eigene Kind gewaltsam zurückhalten. Schwabe hatte durch einen dreizehnjährigen Aufenthalt in Amerika die Sitten und Gesetze des Landes aber so ziemlich kennen gelernt, und fürchtete nicht ohne Grund, durch eine Klage erstlich einmal sein gutes Geld einzubüßen, und dann nicht einmal etwas auszurichten.

»Selbst ist der Mann,« reifte endlich der Entschluß in ihm, »einen bloßen Brief können sie Dir leicht mit »Nein« beantworten, gehst Du aber als Vater, und forderst Dein eigenes Kind zurück, so werden sie es Dir, wenn sie es auch wirklich vor dem Gesetze dürften, doch nicht länger vorenthalten können.«

Jetzt hatte er gerade alle die Geschäfte, die ihm vor mehren Wochen noch eine Reise unmöglich gemacht, beendet, er entschloß sich also kurz, beruhigte seine Frau, der er fest versprach ihr Kind zu bringen, und wenn er es stehlen sollte, und rüstete sich fröhlich zur Fahrt nach Ohio.

»Sei gutes Muthes, Mutter,« lachte er dabei, als er sich zu der rasch beschlossenen Fahrt rüstete, »was ist's denn auch weiter! geben sie mir mein Kind nicht gutwillig, ei, so thue ich, als wenn ich mich in das Unabänderliche füge, verabrede mich aber heimlich mit Louisen, bringe sie auf ein Dampfboot und gehe förmlich mit ihr durch. Nachher mögen sie uns verfolgen oder gar verklagen, kein Gesetz wird einen Vater verdammen, daß er sein eigenes Kind gestohlen, wenn sie es ihm auch vorher nicht freiwillig zusprächen.«

Die wenigen Vorbereitungen waren bald getroffen, es galt ja hier auch nur eine kurze Fahrt und schnelle Rückkehr; nur etwas gab ihm die Mutter noch mit, das sie schon seit vielen Jahren für ihr Kind bestimmt, dessen Absendung sie aber bis jetzt noch immer verschoben hatte – ihr Bild. Ein junger deutscher Maler, der vor einigen Jahren mehre Monate lang bei ihnen gewohnt und dort krank geworden war, hatte aus Dankbarkeit für die treue Pflege der guten Leute, die Miniaturbilder der Beiden gemalt und ihnen zum Andenken zurückgelassen, und das ihre schickte jetzt die Mutter dem Kinde. Warum? wußte sie selber nicht, erwartete sie ja doch das Heißgeliebte in wenigen Tagen, dennoch trug sie dem Vater auf, die Ablieferung desselben ja nicht zu vergessen, und es war fast, als ob sie mit dem Bewußtsein, daß es bald in den Händen ihrer Louise sein werde, auch ruhiger würde, und der Zukunft gefaßter entgegensähe.

Schwabe schiffte sich auf dem nächsten, stromaufgehenden Dampfboote ein, ging mit diesem bis nach Kairo, der Mündung des Ohio, benutzte von hier aus ein anderes, das gerade Fracht für Pittsburg einnahm, und betrat neun Tage später die Stadt wieder, in der er vor vierzehn Jahren, ein armer heimathloser Auswanderer, gelandet war, und zuerst Schutz und Aufnahme gefunden hatte.

Sonderbarer Weise schlug und klopfte ihm aber jetzt das Herz so bang und ängstlich, als ob er irgend eine böse That begangen oder beabsichtige, und doch wollte er ja Nichts, gar Nichts auf der weiten Gotteswelt, als sein Kind, sein eigenes liebes Kind zurück in die Arme der Mutter führen. Das peinliche Gefühl wuchs sogar noch, als er den steilen Landungsplatz hinaufstieg, durch die Mainstraße ging und endlich links in den Mittelmarkt einbog – er mußte sogar ein paar Mal stehn bleiben und erst ordentlich wieder Athem holen.

 

Anders wurde es ihm freilich, als er die sonderbare Scheu endlich überwunden hatte, das, ihm durch den Brief und von Welbauer bezeichnete Haus betrat, und dort sein liebes, lang entbehrtes Kind sehen und in die Arme schließen konnte. Da kehrte der alte Muth zurück, frisch und frei schoß ihm das Blut wieder durch's Herz und ohne Rückhalt wollte er schon seinen Gefühlen, die ihm die Brust zu zersprengen drohten, Raum geben, als er merkte, wie ihm die Thränen in die Augen traten – sie liefen ihm hell und klar an den beiden braunen Wangen herunter und das – das brauchten die fremden Menschen nicht zu sehen, die von allen Seiten des Hauses herbeieilten und ihn jetzt umstanden. Er riß sich gewaltsam los, drückte seinen Hut, den er noch gar nicht abgelegt, fester in die Stirn und zog Wagner mit sich fort, in dessen Stube hinauf – er schämte sich, daß ihn die Leute sollten weinen sehn und hoffte sich später schon besser zusammen nehmen zu können.

Ein Gespräch mit Wagner allein, wie er es im Anfang gewünscht, sollte ihm aber nicht vergönnt werden, denn Missis Wagner, welche behauptete, dieß sei eine Sache, bei der sie selbst am meisten und innigsten betheiligt wäre, schloß sich ihnen gleich darauf an, und brach augenblicklich jede weitere und von Schwabe allerdings vorher beabsichtigte Einleitung dadurch ab, daß sie die Absicht seines Besuchs ohne Umstände beim Schopf erfaßte und an's Tageslicht zog.

Eines Theils war dieß nun gut, denn Schwabe hatte schon in aller Verlegenheit gar nicht gewußt, wie er am Besten beginnen solle, anderen Theils gab es ihm aber auch bald die keineswegs ermuthigende Ueberzeugung, daß hier, und dieser Frau gegenüber, ein gütlicher Vergleich unmöglich sein würde, denn Madame erklärte jetzt rund heraus, mit ihrer Bewilligung verließe das Mädchen ihr Haus nicht, und ohne ihre Bewilligung wäre noch weniger daran zu denken. Dabei gab sie dem armen Vater auch ohne die mindeste Schonung zu verstehn, wie freundlich er selbst und seine ganze Familie bei ihnen beherbergt worden, mit welcher Sorgfalt sie sich dann später selbst eines Kindes angenommen, von dem sie bis seit ganz kurzer Zeit, nur Sorge, Mühe und Auslagen, aber nicht den geringsten Nutzen gehabt. Jetzt dagegen, wo eben dieses Kind das Alter erreicht habe, in welchem sie hoffen durften, das zu erndten, was sie durch lange Zeit hinausgesäet, jetzt komme er, der Vater, der Jahre lang nicht einmal nach seinem Kinde gefragt, zurück und wolle es ohne weiteres abholen und mit sich fortnehmen. Daraus würde aber Nichts, so lange noch Recht und Gerechtigkeit im Lande existire, und so lange sie selber noch eine Zunge zum Reden und eine Hand es zu verhindern habe, sollte das nicht geschehen, dafür stehe sie; »Mister Schwabe müsse dann« wie sie mit beißendem Ton hinzufügte, »die Kleinigkeit von 3500 Dollar übrig haben, um aufgelaufenes Kost- und Schulgeld für seine Tochter zu bezahlen, dann möge er sie ihretwegen mitnehmen und wenn das Mädchen nachher wirklich ginge, wirklich die verließe, die ihr mehr als eine, wenigstens als ihre Mutter gewesen, so wolle sie denken, sie habe eben nur eine undankbare Natter an ihrem Busen genährt und müsse sich, ob ihr auch das Herz blute, darüber zufrieden geben.«

Was sagte aber die, um deren künftigen Aufenthalt, um deren glückliche oder unglückliche Zukunft vielleicht, es sich hier handelte, was sagte Louise zu alle dem? nach welcher Seite neigte sich ihr Herz und wie empfing sie den Vater, dessen Ankunft sie überraschte, ja erschreckte?

Was konnte das arme Mädchen sagen? – Von der Zeit an, wo sie ihre Mutter, ein kleines, keines Nachdenkens fähiges Kind zurückließ, war sie stets gewohnt gewesen, das Wagner'sche Haus als das elterliche – wenigstens als ihre Heimath – zu betrachten. Hier wurde sie auch heimisch, den wirklichen Eltern aber mehr und mehr entfremdet, je mehr die Erinnerung an frühere, einzelne Scenen in ihrem jugendlichen Herzen frischeren und lebendigeren Eindrücken Raum geben mußte. Selbst den Namen Mutter hatte sie vergessen, und nur manchmal, wenn sie ihn von andern Kindern hörte, zog es wie fernes liebliches Glockengeläute durch ihre Seele. – Das war die Erinnerung jener Zeit, wo sie den theuren Namen an dem Hals der eigenen Mutter selbst gelispelt, aber es war auch eben nur wie fernes Glockengeläut, und der Klang zu weich, zu unbestimmt, um ihm nähere, erkennbarere Formen geben zu können.

Wagner selbst hatte dabei in letzterer Zeit, und besonders seit Welbauers Besuch, nicht versäumt, das arme unwissende Kind, weniger mit klaren Worten wie mehr mit hingeworfenen und unbestimmten Aeußerungen ahnen zu lassen, daß dort, wohin man es holen wolle, eine keineswegs freudige Existenz seiner harre, denn nie würde es irgend ein Mensch wieder so lieb haben, wie man es hier, in seiner wirklichen und einzigen Heimath gehabt. Auch Missis Wagner schien seit der Zeit viel freundlicher und herzlicher mit Louisen zu werden, nannte sie oft Kind und Tochter, verbesserte die zwar einfache aber doch sonst reichliche und anständige Garderobe derselben und ließ ihr weit mehr Freiheit, als das bisher der Fall gewesen. Nichts destoweniger klopfte der Armen doch das Herz, als sie vernahm, ihr Vater wolle sie sehen – hatte sie denn nicht schon früher gehört, ihre Eltern verlangten sie zurück und war er denn nicht vielleicht gerade zu dem Zweck jetzt nach Cincinnati gekommen? Ihre Pulse flogen fieberhaft und eine Angst überkam sie, als ob irgend ein gewaltiges Unglück sie bedrohe, das sie nahen sehe, dem sie aber nicht entgehen könne.

Schwabe verließ indessen, nach seiner Zusammenkunft mit Wagners, sehr betrübt und niedergeschlagen ihr Haus, schlenderte langsam den Mittelmarkt hinauf, der katholischen Kirche zu, und dachte mit recht schwerem Herzen an die letzten Worte der gereitzten Frau Base – »daß sie Louisen wie eine Natter betrachten werde, die sie in ihrem Busen genährt –« Undankbar – der Vorwurf schnitt ihm tief, tief in die ehrliche Seele und langsam, die Augen fest auf die Trottoirs geheftet, wanderte er die breite, sonnige Straße entlang.

»Halloh, Schwabe – so wahr ich lebe – und in tiefen Gedanken?« rief ihn da plötzlich eine laute fröhliche Stimme an, »bist doch nicht etwa Bankdirector geworden, daß Du so grimmige Gesichter schneid'st, calculirst und Deine alten Freunde nicht mehr kennst?«

Schwabe sah rasch auf und erkannte, ebenfalls zu seinem freudigen Erstaunen einen alten Bekannten und Schiffsgefährten, der mit ihm von Deutschland ausgewandert und nach Cincinnati gefahren, dort aber, anstatt wie Schwabe nach Louisiana zurückzukehren, die ganze lange Zeit geblieben war, hier eine Brauerei errichtet hatte und sich nun gar wohl befand und glücklich fühlte. Er stand gerade in der Thür der Rehfußischen Apotheke und streckte dem überrascht vor ihm stehen Bleibenden mit herzlichen Worten die Hand entgegen.

»Aber nun sage nur einmal, Alterchen,« frug er den Niedergeschlagenen, als die ersten Begrüßungen gewechselt und er den Arm desselben in den seinigen gezogen. »Du siehst ja gerade so aus, als ob Dir die Petersilie verhagelt, oder sonst ein entsetzliches Unglück passirt wäre – was giebt's, was hast Du und wo willst Du jetzt hin?«

»Nirgends hin,« meinte Schwabe, »ich schlenderte nur hier in Gedanken fort – was es aber –«

»Dann kehren wir auch augenblicklich wieder um!« rief der Brauer, und schwenkte ohne weiters um. – »Da draußen haben wir Nichts zu suchen, und meine Brauerei und Bierstube liegt hier drinnen, dort mußt Du beichten, mein Bursche, und wenn das Uebel nicht gar so tief sitzt, so werden wir schon Rath schaffen.«

Schwabe, dem es überdieß lieb war, seinen trüben Gedanken sowohl auf kurze Zeit entrissen zu werden, wie auch Jemanden zu haben, gegen den er einmal unverholen sein Herz ausschütten konnte, lenkte willig mit ihm ein und erzählte nun dem neugefundenen Freunde, in dessen Haus sie endlich angelangt waren, umständlich seine ganze Geschichte, die Verbindlichkeiten, die er Wagnern schulde, dessen jetzige Meinung, und die Verzweiflung, in der seine Frau sein werde, wenn er ohne dem Kinde zurückkehre.

Der Brauer hörte ihm, den Kopf in beide, auf den Tisch gestemmte Arme gestützt, aufmerksam zu, unterbrach ihn nicht ein einziges Mal, und that nur manchmal lange, mächtige Züge aus dem vor ihm stehenden riesigen Blechmaaß, das an die alten deutschen Humpen erinnerte, dann aber, als Jener geendet und nur noch das erwähnte, wie ihn der Vorwurf, undankbar zu sein, so wehe thue und ihn ganz unschlüssig mache, was er thun oder lassen solle, da schlug der Brauer so kräftig auf den Tisch, daß die Fensterscheiben erschreckt zusammenklirrten und rief: der Wagner sei ein Lump, das wolle er ihm schriftlich geben, ihm aber werde er jetzt beweisen, daß, wenn Jemand wirklich dankbar zu sein hätte, es Niemand Anderer als in der That nur Wagner selbst sein müsse, der an dem Mädchen die langen Jahre hindurch einen wahren Schatz besessen.

Und nun theilte er dem mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zuhörenden Vater mit, was das Kind seit seinem achten Jahre, also jetzt schon beinahe ein Zeitraum von wieder achten, gethan und gearbeitet, wie es seit dem eilften Jahre die Wirthschaft dort fast ganz allein geführt und bei dem Allen fast in keine Schule gekommen, sondern immer nur zu Haus behalten sei, um der sogenannten Missis Bequemlichkeit nicht zu stören und zu unterbrechen. Dabei habe sie, als diese vor drei Jahren am Tode mit dem wüthendsten Nervenfieber gelegen, wochen- und monatelang Tag und Nacht an ihrem Bette gewacht, erst im vorigen Jahre wieder eine gleich langwierige, wenn auch weniger gefährliche Krankheit bei ihr ausgehalten und überhaupt das, was Jene vielleicht an ihr gethan, als sie noch ein kleines Kind war und nicht arbeiten konnte, reichlich, ja im Uebermaße vergütet. Wenn also Jemand zur Dankbarkeit verpflichtet sein sollte, so wären es Wagner's selber, und daß sie damals das kleine Kind zu sich genommen, ei, das hätten sie auch eher aus Eigennutz, als aus Menschlichkeit gethan, denn selbst kinderlos freuten sie sich des kleinen, muntern Wesens, während es den Eltern wehe genug that, es zurückzulassen.

»Das Uebrige Alles bei Seite,« fuhr der Brauer plötzlich in seinen Trostworten fort, und etwas leiser redend, bog er sich, die Hände herunternehmend, näher zu dem Freund hinüber, »so giebt es doch noch einen Grund, über den wir hier in der Stadt, wenn's uns auch nichts anging, schon oft gesprochen, und der allein hinreichend wäre, es Euch, Schwabe, sogar zur Pflicht zu machen, Euer Kind mit fortzunehmen.«

Schwabe horchte hoch auf, Jener aber, die Stimme zu einem Flüstern herunterdrückend, sagte:

»Wenn ich Vater wäre, so nähme ich mein Kind, und besonders ein Mädchen, heute noch mit mir fort, das in dem Hause nichts Gutes lernen kann. Wovon ist Wagner so rasch und plötzlich ein wohlhabender Mann geworden? Von seinem Schenkstande etwa? – Das soll mir Keiner weiß machen; nein, von der heimlichen Spielhölle, die er in seinem Hause, klug genug, so versteckt hält, daß ihm die Gerichte, obgleich sie schon dreimal, und zwar ganz unerwartete Nachsuche gehalten, doch nicht auf die Spur kommen können. Das arme Mädchen nun, da er keinem fremden Barkeeper das Geheimniß anvertrauen kann, muß fast jede Nacht bis ein oder zwei Uhr bei diesen rohen Gesellen aufsitzen, und wenn auch Wagner ebenfalls im Zimmer bleibt, so hört sie doch dort – denn wie könnte sie's verhindern – all die gemeinen wüsten Reden einer Menschenklasse, die sich in der Leidenschaft des Spiels noch unter das Thier erniedrigen. Das arme Kind, seit langen Jahren daran gewöhnt, weiß das nun freilich nicht besser; wäre ich aber Vater, mir bliebe sie keine Stunde länger in dem Hause.«

»Aber lieber, bester Freund!« sagte Schwabe, hierdurch einestheils von der ersten Besorgniß erlöst, aber dann auch wieder mit einer neuen, fast noch schwereren auf der Seele – »wie will ich sie fortbekommen? Fordere ich sie dem Manne durch das Gesetz ab, so macht er mir nachher eine Kostenberechnung, die ich nach dem, was ich schon von der Frau gehört, gar nicht im Stande wäre zu bezahlen.«

»Nein, dahin darfs nicht kommen!« entgegnete rasch der Brauer, »wenigstens müßtet Ihr erst den Hauptvortheil vorne weg zu gewinnen suchen, und das ist – das Recht des Besitzes, in dem sich Wagner jetzt befindet. Wer eine Sache einmal wirklich hat, dem ist sie hier in Amerika verdammt schwer aus den Zähnen zu reißen, selbst wenn er noch weniger anscheinendes Recht darauf hätte, als Wagner hier in diesem Falle; verhielt sich aber die Sache umgekehrt, wäre die Tochter bei Euch, und wollte sie Wagner nun wieder haben, oder die Entschädigungssumme ausgezahlt bekommen, dann müßte er klagen und Ihr, in St. Francisville könntet nachher eine Gegenrechnung für geleistete Dienste aufsetzen, die sich gewaschen hat.« –

 

»Dann bleibt mir weiter Nichts übrig, als mein eigenes Kind zu stehlen!« rief Schwabe.

»Ganz meiner Meinung!« sagte der Brauer und leerte den letzten Rest des Blechmaaßes auf einen Zug – »ganz meiner Meinung,« wiederholte er, als er fertig war, und das Gefäß klappernd auf den Tisch zurückstellte – »und Nichts leichter als das! Ich bin heute Morgen mit dem Mailboot von Louisville gekommen, und habe unten an der Landung das Sternwheelboot10 Raritan getroffen, das, wie mich der Capitän fest versicherte, morgen früh mit dem Schlage Acht, Cincinnati verläßt. Der Raritan geht allerdings nur bis zur Mündung des Arkansus, den Mississippi hinunter; das schadet aber Nichts, dort langen täglich wenigstens zwei oder drei stromabgehende Boote an, und Ihr Beide könnt in fünf bis sechs Tagen in Louisiana sein.«

»Aber wie bekomme ich Louise aus Wagner's Händen, ohne daß dieser etwas davon merkt?«

»Louisen? Ei, Ihr geht einfach zusammen fort, denn Wagner läßt sich nie Morgens vor neun Uhr unten sehen – so lange schläft er, weil er die Nacht so spät aufbleibt, und das arme, junge Mädchen muß schon von sechs Uhr an Frühstück und Alles besorgen, dann auf dem Markt einkaufen, die Eier oder vielmehr die Bäkereien in Ordnung halten, und Gott weiß, was sonst noch für Sachen und Geschäfte verrichten. Du siehst also zu, daß Du heute Abend noch einmal Gelegenheit bekommst, mit Deiner Tochter zu sprechen, und das Uebrige überlasse mir – ich bin dort im Hause bekannt wie ein bunter Hund, und werde das Alles schon besorgen. Jetzt aber, damit Du keinen unnöthigen Verdacht erregst, oder einen vielleicht schon erregten wieder beschwichtigst, gehst Du zu Wagner's Haus zurück, und erklärst dorten, daß Du sie – Wagner's, bittest, Deinen Wunsch nochmals zu überlegen und zu prüfen, stelle ihnen dabei vor, wie sich die Mutter sonst grämen wird etc. – das hilft doch Alles nichts, aber es macht sie sicher – hiernach theile ihnen mit, daß Du gesonnen seist, drei Tage in Cincinnati zu bleiben und nach Ablauf dieser Frist wünschest, eine bestimmte Antwort von ihnen zu hören – das sagst Du ihnen übrigens nur, wenn Du allein mit ihnen bist, verstehst Du? Ihr braucht dazu gerade keine Zeugen. Apropos, haben sie Dich schon eingeladen, bei ihnen zu wohnen?«

»Nein – sie wissen ja gar nicht, wie lange ich hier bleiben wollte.«

»Gut, desto besser – thun sie es jetzt, so sagst Du, Du hättest es mir schon versprochen; morgen früh hast Du denn weiter nichts zu thun, als in dem Augenblick, wo ich das Zeichen von unten herauf bekomme, daß das Boot die Springkette losläßt, Dein Kind abzuholen, in Mainstreet soll dann ein Wagen für Euch stehn, und daß sie unten nicht eher abfahren bis Ihr an Bord seid, dafür will ich auch schon Sorge tragen.«

Alle weiteren Bedenklichkeiten des immer noch nicht recht fest Entschlossenen, machte übrigens der wackere Brauer zu Schanden, bewies ihm, daß er, wenn er nicht ein wahrer Rabenvater wäre, sein Kind mitnehmen müsse, und redete ihm so in's Herz hinein, daß sich Schwabe, dessen heißester Wunsch das Alles ja von Anfang an selbst gewesen, nur zu gern überreden ließ, in jeder Hinsicht dem Rath seines neugefundenen Freundes zu folgen, mit dem er auch jetzt die näheren Vorsichtsmaßregeln besprach und festsetzte.

Allerdings ging er nun von hier aus wieder nach Wagner's Haus zurück; so sehr er sich aber auch bemühte, seine Tochter, und sei es nur auf wenige Minuten, allein zu sprechen, so gelang ihm das doch keineswegs, denn eine direkte Unterredung mochte er nicht gern verlangen, weil er dadurch Verdacht zu erregen fürchtete; ja er hatte sogar schon, um seinen Vetter ganz sicher zu machen, diesem gesagt, daß er, da er sich doch jetzt einmal in Cincinnati befinde, einen guten Bekannten aufsuchen wolle, der mit ihm über See gekommen sei, und etwa zwei Stunden Wegs von der Stadt entfernt wohne, er würde daher auch wohl nicht vor morgen früh zehn Uhr zurückkehren können. Kaum vermochte er dabei mit dem fortwährend beschäftigten Kinde ein paar flüchtige Worte zu wechseln, doch hatten sie das vorausgesehn, und dafür schon Vorkehrungen getroffen. Der Brauer sollte nämlich, sobald ihm das nicht selbst gelang, den Abend bei Wagner's zubringen, und die Tochter bei der ersten sich ihm dort bietenden Gelegenheit auf die beabsichtigte morgende Flucht vorbereiten. Der Klugheit Louisens hofften sie dabei ebenfalls viel vertrauen zu können und glaubten jetzt die ganze Sache auf das vortrefflichste und zweckmäßigste eingeleitet und berathen zu haben.

So brav und ehrlich unser wackerer Brauer aber auch sein mochte, und so gut er's sicher in diesem Falle meinte, so war er doch – das ließ sich kaum läugnen – nichts weniger als ein Diplomat und kam fast nie zum Ziele, wo es einiger List und Scharfsinn galt, sondern meistens nur, wo er gerade ohne weitere Umstände hinein tappen durfte. So hatte er es denn auch in diesem Falle wohl eine volle Stunde lang umsonst versucht, Schwabes Tochter nur so viel merken zu lassen, daß er ein Paar Worte an sie allein zu richten wünsche. Vergebens blieb er mitten in der Schenkstube, allen Gästen im Wege stehen, um sie im Vorbeigehen anzureden, vergeblich verstopfte er über eine Viertelstunde durch seine breite, vierschrötige Gestalt die Hofthür, sie kam nicht einmal hinaus, und er wurde endlich durch die vereinten Bemühungen des Barkeepers und der schwarzen Köchin bei Seite geschoben, und bedeutet, daß dieser gerade der allerletzte Platz wäre, wo man ihn gern sähe. Er fing schon an, die Aufmerksamkeit der Gäste zu erregen, und beschloß nun einen andern, weniger gefährlichen aber gewiß sichern Plan zu verfolgen.

Zu diesem Zwecke ließ er sich in einer der am wenigsten beobachteten Ecken des Zimmers nieder, und drückte sich hier, seinen Blechkrug und das brennende Licht – denn es war indessen dunkel geworden – dicht vor sich geschoben, fast gewaltsam zwischen die scharfe Tischkante und die hier angebrachte, mit mächtigem Gehäus umschlossene Wanduhr. Dadurch gewann er den Vortheil, daß er, ohne den Kopf zu wenden, das ganze Zimmer übersehen konnte, und sobald er sich jetzt einen Augenblick selber unbeachtet sah, schlug er mit der Lichtschere gegen das Blech, was, wie er recht gut wußte, Louise im Nu an seine Seite brachte.

Das junge Mädchen sprang rasch auf ihn zu, und streckte die Hand nach dem Blechmaaß aus, um es wieder zu füllen; der Brauer hielt das aber mit der linken fest, während er mit der rechten ihren Arm ergriff, sie ein wenig zu sich hinüberzog und leise, aber schnell flüsterte:

»Erschrick nicht – er kommt morgen früh!«

Louise erschrak aber über das Plötzliche dieser Warnung und fast eben so über das sonderbare Gesicht, das der Brauer dabei machte, dermaßen, daß sie einen nur halbunterdrückten Schrei ausstieß.

Eigenthümlich war die Wirkung, die dieser Schrei auf den Brauer ausübte.

In demselben Momente fuhren die Gäste nach dem ziemlich hörbaren Ausruf herum und natürlich richteten sich dadurch ihre Blicke auf den in der Ecke Sitzenden, dieser aber riß mit einem plötzlichen Ruck beide Hände zurück, saß starr und steif da, zog die Backen ein, preßte dabei die Lippen fest aneinander, und schnitt ein so ungemein gleichgültiges und nichtsagendes Gesicht, daß Louise, die solch wunderbare Veränderung mit Blitzesschnelle vor sich gehen sah, in ein lautes Gelächter ausbrach, in das jetzt viele der Umstehenden mit einstimmten.

Der Brauer ließ sich nun allerdings nicht durch solche Kleinigkeiten außer Fassung bringen, damit war ihm aber auch für den Augenblick der ganze Anlauf verdorben, und er mußte wohl eine halbe Stunde vorübergehen lassen, ehe er einen neuen Versuch wagen durfte.

Als er zum zweiten Male an das Blech schlug, sah sich Louise allerdings wieder nach ihm um, blieb aber stehen, und des Brauers rasch und seltsam verzerrte Physiognomie, rief ihr eben so rasch die Grübchen in die Wangen zurück, denn sie konnte doch wahrlich nicht ahnen, daß dieses gräuliche Gesichterschneiden irgend einen bedeutsamen Zweck für sie haben sollte. Und dennoch war das so; der Brauer gab sich die nur erdenklichste Mühe, irgend einen mimischen Eindruck auf sie hervorzubringen, sobald er das nur irgendwie unbemerkt thun konnte, und die halb schlauen, halb ängstlichen Seitenblicke, die er dazwischen im Zimmer und besonders nach rechts und links hinüber warf, waren so unwiderstehlich komisch, daß die, zu deren Besten der sonst so ernste Mann all diese Muskelverzerrungen vortrug, endlich in allen Freuden und dem festen Glauben, »der Brauer habe heute einmal einen Schluck über den Durst gethan,« ihren Pflegevater darauf aufmerksam machte, und dadurch den ganzen, so schön und pfiffig ausgedachten Plan unseres Bierfabrikanten zerstörte. Wagner setzte sich bald darauf zu ihm, und der Brauer verließ eine Stunde später, höchst ärgerlich auf sich und die ganze Welt, die »City of München

9Ein Kosthaus, oder eine untergeordnete Art von Hotel.
10Sternwheelboot ist ein Dampfboot, das, gewöhnlich mit zwei Maschinen, nur ein großes Rad hinten am sogenannten Stern hat, und von diesem also gänzlich vorwärts geschoben wird. Diese Art Boote scheinen aber nicht besonders praktisch, und es giebt deren nur sehr wenige auf den Amerikanischen Flüssen.
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