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Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band.

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»Herein!« rief er, gerade nicht in der besten Laune.

»Ich habe das Vergnügen mit Herrn Schultze zu sprechen?«

»So nennt man mich hier!«

»Ihren Paß, wenn ich bitten darf!«

»Ich habe dem Wirth schon gesagt daß ich keinen bei mir führe.«

»Dann muß ich Sie freilich bitten mir zu folgen!«

»Aber, mein Herr –«

»Ich bedauere recht sehr, – aber Sie wissen – meine Pflicht –«

»Ich gehe auf keinen Fall mit Ihnen!«

»Sie werden sich doch der Obrigkeit nicht widersetzen wollen?«

Was wollte der liebe Gott jetzt machen? An dem ihm selbst geweihten Tage Skandal anfangen? Das ging unmöglich; welch ein Beispiel hätte er dadurch gegeben! Er setzte seinen Hut auf und folgte.

Im Polizeibureau wurde er freilich mit der größten Artigkeit behandelt, denn in seinem ganzen Wesen lag etwas so Edles, Ehrfurcht Einflößendes, das ihm überall Freundlichkeit und Zuvorkommenheit sicherte; gegen die einmal bestehenden Gesetze ließ sich aber, das wußte er ja aus eigener Erfahrung, nichts thun – einen Paß hatte er nicht – der von ihm angegebene Ort woher er stamme, »Himmelsburg in Engelland,« ließ sich auf keiner Karte Albions entdecken und somit mußte ihm denn, wie sich das vorhersehen ließ, die Weisung werden, binnen vierundzwanzig Stunden einen Paß zu schaffen oder – die Stadt zu verlassen.

Jetzt bekam der liebe Gott die Sache aber auch satt. Blos der Menschen wegen hatte er sich alle Diesem unterzogen und nun traten ihm aus jeder Ecke neue Hindernisse entgegen. Zwar hätte er sich im Augenblick selbst einen Paß herstellen können; durfte er aber das auf einen fremden Namen thun? – Das wäre wieder gegen seine eigenen Gesetze wie die der Menschen gewesen. – Nein, er sah jetzt ein daß es die Sterblichen gar nicht besser verdienten; sie wollten das Alles was sie drückte und quälte behalten –; sie wollten kein Licht haben, und wenn sie sich die Schädel an den Wänden einstießen. So beschloß er denn in den Himmel zurückzukehren und das von den Blinden verschmähte Werk im Feuer zu vernichten.

Sein Wille war That. In lodernder Gluth verzehrte sich das göttliche Manuscript, – dieser allein Millionen werthe Autograph – und jauchzend wirbelten die boshaften Luft- und Feuergeister die Aschenatome in das reine sonnige Blau des Firmaments, und spielten und tanzten damit im tollen wilden Uebermuth hoch, hoch auf zu der endlosen Höhe. Der liebe Gott aber schaute ihnen sinnend nach und murmelte endlich gutmüthig lächelnd vor sich hin:

»Das hätt' ich mir, wenn ich nicht allwissend wäre, allenfalls denken können!«

Dann in Licht zerfließend, stieg er wieder empor zu den reinen, göttlichen Räumen des Lichts, zu dem Urquell des strahlendurchflutheten Alls. Rosige Wolken drängten sich um ihn her, und hoben und trugen den Gott, Freude glühend und Frieden leuchtend hinan – hinan in das Aethermeer der Unendlichkeit, in die kreisenden Sonnenwelten des ewigen Seins.

Der Deutsche und sein Kind.
Aus dem Amerikanischen Leben

Mit dem »gut gekupferten und schnellsegelnden Dreimaster Rose Bertram,« – wie die Anzeige im Hamburger Börsenblatt gelautet – das von dieser Stadt aus am 15. April 1839 nach New-Orleans in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika abging, war auch eine arme Familie, Vater, Mutter und zwei Kinder ausgewandert, um in dem Land ihrer Hoffnungen und Träume das zu finden, was ihnen die eigene Heimath nicht mehr im Stande war zu bieten – eine ruhige sorgenfreie Existenz, und eine gesicherte Zukunft.

Die Reise lief ziemlich glücklich ab, denn sobald sie nur erst einmal den englischen Canal hinter sich hatten und in ein südlicheres Klima kamen, zeigte auch der Himmel eine fast ununterbrochene Reine, so daß sie, mit einem ebenfalls ziemlich günstigen Wind, nach etwa achtwöchentlicher Fahrt, die sieben Mündungen des Mississippi im Golf von Mexiko erreichten und hier von dem Schleppboot Herkules, gegen die mächtige Strömung des Riesenflusses an, der »Königin des Südens« zugeführt wurden, wie die Republikaner ihre Hauptstadt New-Orleans nennen.

Unser Deutscher, Hermann Schwabe aus Baiern, staunte aber nicht wenig, als er in dem Amerika – das er sich bis dahin fast nur als eine einzige große Wildniß, mit Farmen, gedacht, eine Stadt fand, wie er sie in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Häusermassen dehnten sich ohne erkennbares Ende am Ufer hin, das seinerseits wieder von einer ununterbrochenen Kette aller Arten Fahrzeuge eingefaßt und umschlossen wurde, während dort wieder Omnibus-Wägen und zahllose Güterkarren mit lebensgefährlicher Schnelle ein wildes geschäftiges Menschengedränge zu durchschneiden und zu theilen schienen.

Trotz dieser Menschenmasse aber, fühlte er sich recht verlassen und allein – kein einziges Gesicht war unter dem ganzen Schwarm der wogenden Menge, das er gekannt – keine Hand streckte sich ihm hier zum freundlichen Willkommen entgegen und Alle gingen kalt und theilnahmlos an ihm vorüber. Es machte einen recht wehmüthigen Eindruck auf ihn, einen Eindruck, der nicht beschrieben werden kann, der gefühlt sein will, und obgleich ihn das Drängen und Treiben der südlichen Stadt gar sehr ansprach, und Alles was ihn hier umgab, neu, fremdartig und deshalb interessant war, so eilte er doch soviel als möglich, wieder fortzukommen, und den Ort zu erreichen, wo er Freunde zu finden hoffte, ja wo er seine Verwandte wohnen hatte, auf deren Briefe er all sein kleines Eigenthum in Europa verkaufte, um mit dem daraus gelösten Geld einzig und allein die Ueberfahrt zu bezahlen.

Dieser Verwandte, ein weitläufiger Vetter von ihm, wohnte in Cincinnati am Ohio, und Schwabe mußte jetzt vor allen Dingen ein Dampfboot finden, das ihn, den Mississippi und Ohio hinauf, seinem neuen Ziele entgegen führte. Das war aber nicht schwer – in dieser Jahreszeit, vor dem Eintreffen des gelben Fiebers, laufen fast an jedem Tage fünf bis sechs Boote stromauf und zwei oder drei von diesen sind dabei gewiß für den Ohio bestimmt: bald hatte er denn auch – wenn gleich unter nicht geringen Schwierigkeiten, da er kein Wort Englisch verstand – seiner und der Seinigen Passage akkordirt und noch an dem nämlichen Nachmittag glitten die Auswanderer auf dem keuchenden mächtigen Boot stromauf, gegen die gelbe unheimliche rasch dahinströmende Fluth des »Vaters der Wasser« an.

Zwischen reizenden Plantagen schossen sie hin, deren graue Schindeldächer gar freundlich zwischen dichten, schattigen Orangenhainen und Granatbüschen hervorschimmerten, an breiten gewaltigen Zucker- und Baumwollenfeldern vorüber, wo unglückliche Sklavenschaaren den sengenden Strahlen der Sonne ausgesetzt und von Peitschenbewehrten Aufsehern überwacht, ihre lange Tagesarbeit verrichten.

Als sie weiter hinauf kamen, nahmen aber die offenen Plantagen mehr und mehr ab – der Wald, der bis dahin wohl mehre englische Meilen weit durch die urbar gemachten Felder zurückgedrängt wurde, näherte sich immer auffallender dem Ufer, und endlich, nach einzelnen waldigen Strecken besonders an der linken Seite, drängte er sich ganz dem Rande des Mississippi zu, und das graue wehende Moos hing in langen düstern Streifen von den weitgespreitzten Aesten herunter und schwankte und schaukelte in dem scharfen, stromaufstreichenden Luftzug. Aber auch dieses nahm nach und nach ab – flaches monotones Sumpfland, von riesigen Bäumen bestanden und nur hie und da von einem kleinen Städtchen oder einzeln liegenden Holzhaus unterbrochen, bildete die Scenerie beider Seiten des Flusses, bis endlich oben, von der Mündung des Ohio an, ihre Umgebung einen ganz anderen Charakter bekam und jetzt mit Hügeln und Bergen das klarere Wasser des »schönen Stroms« einschließend, die an Bord befindlichen Deutschen fast wieder in ihre Heimath, an die Gestade des vaterländischen Rheins zurückversetzten.

Schnell glitten sie an den reizenden Ufern vorüber; passirten vor Louisville – um die Stromschnellen zu umgehen, den durch Fels gehauenen Canal, und kamen am achten Tage nach ihrer Abfahrt, Nachmittags vier Uhr, in Cincinnati an.

Auch hier umgab sie wieder ein lebendiges, reges Treiben. Viele stattliche Dampfboote lagen an der Landung und schnelle Fährboote, mit kleinen rasch puffenden Maschinen glitten zwischen Newport und Covington an der Kentuckyseite und Cincinnati im Ohio hin und wieder. – Unmassen von Gütern lagen am Ufer aufgehäuft und die Mannschaften der verschiedenen Boote waren gar eifrig beschäftigt, die Fracht aus- oder einzuladen und ihre eigenen Fahrzeuge wieder in Stand zu setzen zu neuer Reise.

Der Deutsche konnte sich übrigens, so interessant ihm das auch zu jeder andern Zeit gewesen wäre, nicht lange bei der Betrachtung des ihn Umgebenden aufhalten, denn der Abend rückte heran und es mußte noch vorher für ein Obdach auf die Nacht gesorgt werden. Jetzt galt es daher vor allen Dingen, die Wohnung seines Verwandten zu finden, und dessen Adresse stand deutlich genug in dem erhaltenen Briefe angegeben.

»Fürchtegott Wagner, Kaffeehaus zur Stadt München, nordöstliche Ecke der siebenten und Sycamorestraße Nr. 41 Cincinnati Ohio.«

Das war nicht zu fehlen – der Brief hatte ihm überhaupt auf dem ganzen Weg zum Leitstern gedient, und er überflog auch jetzt noch einmal mit stiller Zufriedenheit die Zeilen.

»Komm nur nach Amerika,« stand darin, »Du glaubst gar nicht, wie schnell und geschwind es ein armer Teufel hier zu was bringen kann. Du weißt doch, daß ich fast mit gar Nichts von zu Hause wegging, und jetzt habe ich in Cincinnati, eine der größten Städte in ganz Amerika, ein Kaffeehaus, das sie hier coffeehouse nennen, alle Tage dreimal Fleisch, und bin mein eigener Herr. Und wie lange hat's gedauert, bis ich mir das Alles erarbeiten konnte – anderthalb Jahr – so lange hab' ich auf der Eisenbahn geschafft, mit 16 Dollar die Woche Lohn, und jetzt sitze ich ganz bequem in Cincinnati und thue gar nichts mehr.«

Wetter noch einmal, schon ein Kaffeehaus! dachte Schwabe, was muß der Mensch für ein Glück gehabt haben – wie lange müßte man sich da in Deutschland schinden und quälen, daß man nur erst eine Concession kriegt – Gott sei Dank, daß ich in Amerika bin, jetzt arbeite ich auch ein paar Jahre an der Eisenbahn, und dann mache ich's grade so. –

 

Mit dieser löblichen Ansicht war er vom Boot heruntergegangen, um einen Karrenführer zu finden, der ihm sein Gepäck an Ort und Stelle schaffen konnte; denn er beabsichtigte, bei seinem Vetter abzusteigen, da in einem Kaffeehause doch auch Raum für sie und ihre paar Kasten sein würde. Es bot sich ihm auch bald, und zwar ein Deutscher, an, der ihn leicht nach seiner ganzen Tracht und Manier für einen Landsmann erkannt hatte, lud seine Siebensachen auf, und während Schwabe mit seinem Jungen und seiner Frau, die das kleine Mädchen auf dem Arme trug, neben der sogenannten »Dray« hergingen, schlenderten sie langsam die berganlaufende Sycamorestraße, die neben der Mainstreet der Dampfbootlandung zumündete, hinauf. Schwabe, der sich natürlich nicht mit der als nordost bezeichneten Lage vertraut machen konnte, hatte auch schon von weitem, als sie nach und nach die vierte, fünfte und sechste Straße hinter sich gelassen, ein großes stattlich aussehendes Backsteinhaus im Auge, das ihm am ehesten dem Begriffe gleichzukommen schien, den er sich bis dahin im Geiste von einem amerikanischen Kaffeehause gemacht. Es konnte auch fast kein anderes Gebäude von den vier Eckhäusern sein, denn zwei von diesen waren Kaufläden und das dritte – Heiliger Gott – an dem kleinen, weißangestrichenen Breterverschlag klebte ein großes schwarzes Schild, auf dem mit weißen Buchstaben – wachte er denn oder träumte er? –

Coffeehouse zur Stadt München

stand. Die Buchstaben selber ließen gar keinen Zweifel – das halb Englische halb Deutsche gehörte einem Landsmann an und diese Breterbude war – das erwartete Asyl.

»Ist denn das hier das ganze Kaffeehaus?« – stammelte er fast unwillkürlich und ergriff den Arm des Karrenführers, als ob er durch das Aufhalten der Fracht auch sein Geschick verzögern könne. –

»Es trifft« – meinte der Andere trocken, und schien in dem Aeußeren des Gebäudes gar nichts Außerordentliches zu finden, – »hier ist der Ort – der Gentleman wird wohl zu Hause sein!« und mit dieser lakonischen Bemerkung ließ er die lange Peitsche um des Pferdes Ohren sausen, das, theils hierdurch, theils durch das gleich darauf ausgestoßene Tschü – Tschü – wo – ah! vor die fragliche Thüre einlenkte und mit einem plötzlichen Ruck dort Halt machte.

»Fremder Besuch!« rief der Draymann dann, und stieß die kleine niedere Pforte auf – »sollen die Sachen hier hereingeschafft werden?«

Schwabe stand noch immer, kaum eines Entschlusses fähig, auf der Straße und konnte die Augen nicht wegwenden von dem schwarzen Schild: Coffeehouse – das also war ein amerikanisches Kaffeehaus. Die Mutter drückte ihr Kind leise an sich, und es mochte ihr jetzt vielleicht zum ersten Mal eine Ahnung von dem dämmern, was aus ihren, bis dahin wild aufgebauten Plänen wohl etwa werden könne. In der Thür des Kaffeehauses erschien in diesem Augenblick Niemand anders, als der wirkliche Schreiber des so folgeschweren Briefes, und anstatt nun, – wie es Schwabe, seit er das wirkliche Kaffeehaus gesehen, gar nicht anders erwartet hatte – bestürzt und vernichtet dazustehn und vor Schaam jeden beliebigen Moment bereit zu sein in die Erde zu sinken, erkannte er kaum die Deutschen, als er ihnen froh erstaunt die Hände entgegenstreckte, dem Mann dann um den Hals fiel und ihn und seine Frau herzlich willkommen hieß. Schwaben blieb denn auch jetzt gar keine Zeit, weder seine Verwunderung noch seine Bestürzung auszudrücken, er sah sich nur gleich darauf mit Sack und Pack in das kleine enge Gemach hineingedrängt und hier auch noch so mit Fragen und Erkundigungen über die alte Heimath bestürmt, daß er endlich nur froh war, als er erst wieder einmal frei und ungehindert aufathmen konnte. Dann aber versäumte er auch weiter keine Zeit, in dem unansehnlichen Raum, der sie umgab, umher zu schauen, und die natürlichste Frage, die sich ihm jetzt aus vollster Seele auf die Lippe drängte war –

»Und das nennst Du ein Kaffeehaus?«

»Jawohl,« sagte der schon etwas amerikanisirte Vetter ganz unbefangen – »das ist hier so Sitte – wo der liebe Gott nur den Arm herausstreckt, da wird's gleich Kaffeehaus getauft, und wenn auch ein paar Gläser und Flaschen mit Doppelkümmel, Brandy und Whiskey hinter der Baar stehn – gerade wie's bei mir der Fall ist, denn ich habe auch nichts weiter. Das laßt Euch aber nicht kümmern, und daß Ihr große Rosinen im Topf gehabt, geht anderen Leuten auch nicht besser – damit kommen sie Alle von Deutschland herüber. Jetzt heißt's nun fleißig geschafft und gearbeitet, und die Hände gerührt, nachher macht sich das Uebrige von selbst.«

Wagner, der Kaffeewirth hatte ganz recht – es sieht Manches in Amerika, von Deutschland aus betrachtet, wie ein Kaffeehaus aus, und kommen wir nachher hin, so schreien wir – »Ach du lieber Gott – das sind ja lauter Lügen und Erfindungen – das waren Prahlereien und Märchen, das ist ja gar kein Kaffeehaus, das ist ja nur eine gewöhnliche Breterbude!« Für den Augenblick, und nach unseren Ansichten haben wir auch allerdings recht, sobald wir aber nur erst einmal dort eingerichtet sind, und den alten deutschen Staub aus den Augen geschüttelt haben, dann sehen wir die Sache von einer ganz anderen Seite an, und finden nun plötzlich, daß es doch wirklich ein Kaffeehaus ist, oder daß wir's wenigstens dazu machen dürfen und können, wenn wir nur den recht festen und kräftigen Willen haben, es auszuführen. Dann sehen wir ein, daß uns dort nicht, wie hier, die Hände gebunden sind zu freier That und lernen uns gern und freudig in das fügen, was uns im Anfang, als die Kruste und äußere Schale des Ganzen so herb und bitter, so hart und unverdaulich geschienen.

Es ist das aber nicht allein mit den Kaffeehäusern so, nein fast durchgängig mit all' den dortigen Verhältnissen und Einrichtungen; gewöhnlich werden übertriebene Berichte hierher geschickt, oder wenn auch nicht einmal übertriebene, doch wenigstens so gestellte, daß sie, wenn sie auch vielleicht buchstäblich wahr sind, der Einbildungskraft einen zu freien Spielraum, alles Gute und Vorzügliche ahnen lassen und die Fehler und Mängel dabei nicht andeuten. Der Deutsche und besonders der, in dessen Kopf die Auswanderung schon wirklich spukt, ist dann nur zu gern geneigt, sich Alles das was er hört, in den schönsten, buntesten Farben auszuschmücken und zu putzen und kommt er dann an Ort und Stelle und findet das Alles, was er sich vielleicht nur selbst hinzugedacht, nicht wirklich realisirt – was beiläufig gesagt, nie geschieht – so wird er muthlos und macht sich selbst und denen, die solche Berichte geschrieben, die bittersten Vorwürfe. Es ist schon gefährlich genug, wenn man die dort bevorstehenden Unannehmlichkeiten nur erwähnt, und nicht recht besonders heraushebt, denn in dem Falle springt der Lesende ebenfalls leicht darüber hin, und denkt – a bah, das sind Kleinigkeiten, die sich schon geben werden – sind auch vielleicht nicht einmal so schlimm wie man sich's hier denkt.

Deßhalb sollten es sich die, welche Berichte über Auswanderungen schreiben, zur besonderen Pflicht machen, Alles – auch das Kleinste und Unbedeutendste, was sie zum Nachtheil des sonst gepriesenen Landes wissen, nicht allein anzuführen, sondern sogar hervorzuheben, und lieber in dieser Hinsicht etwas übertreiben als zu wenig thun; die Phantasie der Auswanderungslustigen glättet doch die rauhen Kanten ab. Der Europäer wird dann nicht, oft gleich bei seinem ersten landen, zurückgeschreckt und gerade zu einer Zeit muthlos gemacht, wo er aller seiner Energie und Festigkeit am meisten bedarf. Das aber, weshalb Manche den Tadel verschweigen, weil sie wissen, daß alles dieß doch immer eigentlich nur Unannehmlichkeiten und keine wirklichen Fehler sind, sollte sie gerade im Gegentheil antreiben, ihn auszusprechen, denn Amerika bietet dem deutschen Auswanderer solche ungeheuere Vortheile, daß man getrost Alles das nennen und aufführen kann, was dem Land oder den Sitten jenes Welttheils zum Nachtheil gereicht, ohne befürchten zu müssen, den Ackerbauer, den eigentlichen Mann für Amerika, dadurch zu schrecken. – Bleiben nachher die geschniegelten und gebügelten Herrchen drüben in Europa, weil sie tausend Bequemlichkeiten nicht haben können, tausend Genüsse – was nämlich für sie Genüsse sind, entbehren, ei, so ist das auch nur wieder ein Vortheil für Amerika, denn derlei Gesellen, mit parfümirten Taschentüchern und wohlfrisirten Locken brauchen sie drüben nicht, die mögen hier ausharren, bis sie später einmal, mit dem alten Schlendrian selbst, zu Grunde gehn.

Doch ich komme ganz von meiner, dahin keineswegs hinauszielenden Erzählung ab und will lieber wieder so schnell als möglich in's »Kaffeehaus zur Stadt München« zurückkehren.

Hier saßen indessen die Deutschen ganz gemüthlich – nicht etwa bei einer Tasse Kaffee, denn der war nur Morgens zum Frühstück zu bekommen, sondern bei einem guten Glas Cincinnati-Bier zusammen und plauderten und besprachen ihre gegenseitigen Aussichten.

Wagner hatte allerdings in Allem, was er seinem Vetter geschrieben recht gehabt; durch eigener Hände Arbeit wußte er sich ein kleines Capital zu verdienen und that damit, was in allen Städten Amerikas, besonders aber in Cincinnati, die Deutschen nur zu oft thun, er errichtete einen Schenkstand – was dort nun einmal ohne seine Schuld Kaffeehaus genannt wird. Wohl war der Verdienst jetzt, der ungeheueren Concurrenz wegen, nicht mehr so besonders wie früher, er hatte aber doch zu leben, und konnte sogar, da er gerade auf seine eigene Bequemlichkeit sehr wenig verwandte, immer noch jährlich eine Kleinigkeit zurücklegen.

Was nun seine jetzige Wohnung betraf, die so beschränkt war, daß sie die ersten Nächte alle mit einander in einem Zimmer schlafen mußten, so dachte er gerade daran, ein größeres Lokal zu nehmen, wie auch sein Geschäft etwas mehr auszudehnen, und bot nun Schwaben und seiner Frau an, die erste Zeit bei ihm zu bleiben und ihm im Haus und im Geschäft bei allen vorkommenden Arbeiten mitzuhelfen. Dafür sollten sie Kost und Logis, und auch noch einen kleinen, freilich unbedeutenden Lohn erhalten. Wagner hatte darin aber auch ganz recht, daß sie nicht gleich hoffen dürften von vorn herein viel zu verdienen, denn sie begännen jetzt eine ganz neue Lauf- und Lebensbahn, und darin müsse nun Jeder einmal, es möge sein wer es wolle, sein Lehrgeld bezahlen.

Schwabe, der sich nach dem ersten traurigen Anblick des Hauses die Sache weit schlimmer gedacht, als sie sich wirklich jetzt herausstellte, war gern damit einverstanden und schon in den nächsten Tagen, wo ein Tischler kam und den Boden etwas mehr erweiterte, da Wagner seine Wohnung in dem dicht danebenliegenden Haus zu nehmen gedachte, begannen die verschiedenen, bei solchem Ausräumen nicht zu vermeidenden Arbeiten, denen sich auch beide Gatten mit gutem Willen unterzogen, und dadurch mit ihren Verwandten im besten Einverständniß blieben.

So vergingen wohl sechs Monate und nichts trübte die Freundschaft und das gute Vernehmen der Verwandten; das rege Schaffen und Treiben ließ ihnen keine Zeit, auf irgend etwas anderes als ihre Geschäfte zu denken; gar verschieden gestaltete sich die Sache aber, als der neue Schenkladen erst einmal ordentlich hergerichtet worden, und nun das gleichförmige ruhige Leben wieder begann, bei dem sich keineswegs soviel Arbeit herausstellte, Alle nun gleichmäßig beschäftigen zu können. Jetzt fielen zuerst, und zwar besonders zwischen den beiden Frauen kleine unangenehme Scenen vor und einzelne bittere Worte wurden gewechselt. Im Anfang ging man jedoch noch leicht darüber hin, eine Versöhnung ward entweder gar nicht für nöthig gehalten oder doch bald zu Stande gebracht, und der Gedanke auch, daß sie ihren Verwandten doch eigentlich manches verdankten, was sie suchen mußten wieder gut zu machen, hielt Schwaben's noch manche Woche in einer Stellung, die vielleicht weniger drückend für sie gewesen wäre, hätten sie sich nicht immer sagen müssen: »das sind Verwandte, und spielen jetzt die Herren, während wir die Knechte machen sollen.«

Schwabe bekleidete nämlich, während der, seinen Leichnam jetzt auf das Beste pflegende Wagner ruhig in den Ecken herumsaß und sein eigenes Bier trank, die Ausschenkerstelle, und war somit ein förmlicher »Barkeeber« geworden, die Frau aber, die auch noch nebenbei ihr zweijähriges Kind zu besorgen hatte, mußte waschen und bügeln, nähen und stricken, ausbessern und alle nur möglichen übrigen häuslichen Arbeiten verrichten, indeß Missis Wagner, wie sie sich nur zu gern nennen hörte, nur selten mit angriff und, was ihrer Base das peinlichste war, auch schon manchmal begann statt des früheren freundlichen Tones, das ganze Wesen einer Gebieterin anzunehmen.

 

Schwaben's wären schon lange fortgezogen und hätten ihr Glück allein, in dem weiten fremden Lande gesucht; es kommen ja so Viele glücklich durch, warum sollte es ihnen nicht ebenfalls gelingen? Eines nur hielt sie bis dahin noch immer von einem solchen Schritt zurück und bannte sie an die Stelle, wo sie anfingen, sich recht unbehaglich zu fühlen – ihr Kind – die kleine zweijährige Louise und die Zuneigung die Wagners Frau wirklich zu der Kleinen zu haben schien. Sie behandelte sie fast ganz wie ihr eigenes Kind, und die Mutter glaubte da schon manches ertragen zu müssen, wo es der armen Kleinen ja wieder zu Gute kam. Carl, ihr zehnjähriger Knabe machte ihnen weit weniger Sorge; der griff schon ordentlich mit zu, verdiente sich das Brod, das er aß, durch dausend kleine leichte Arbeiten die er verrichtete, oder Wege die er lief, und wäre ihnen auch, so sie wirklich selbstständig in das Leben hinaustraten, gewiß nicht zur Last geworden.

Auf solche Art waren sie etwa ein volles Jahr in dem Hause gewesen, das jetzt, da sich des Eigenthümers Geschäfte verbesserten, auch seinerseits einen etwas vornehmeren Titel annahm, und aus der einfachen »Stadt München« zu einem »city of München« avancirte. Aber gerade mit diesem zunehmenden Wohlstand wich auch der Friede immer mehr, der besonders in den letzten Monaten schon so schwankend und zweifelhaft geworden. Wagner's selbst mochten das fühlen und es konnte ihnen dabei auch nicht verborgen bleiben, was es eigentlich noch sei, das sie in der, ihnen peinlich werdenden Lage zurückhielt, und Missis Wagner hatte endlich wenig genug Takt, ihrer Base auf halbem Wege entgegenzukommen. Sie bot dieser nämlich eines Morgens an, ihr kleines Töchterchen, da sie selbst kinderlos sei, für sie aufzuziehn – heißt das natürlich, wenn Schwaben's überhaupt einmal fortziehen sollten – und so lange an Kindesstatt zu behalten, bis sie in bessere Umstände, und vielleicht zu eigener Selbstständigkeit gelangt, im Stande wären, sie wieder abzuholen.

Zwar konnte sich die Mutter nicht gleich dazu entschließen, das Kind, wenn auch wohl versorgt, doch gewissermaßen unter fremden Menschen zurückzulassen, endlich aber siegten die äußeren, keineswegs günstigen Umstände. Schwabe sprach mit seinem Vetter offen über das, was ihn drücke und hemme, dieser gab sich keine besondere Mühe ihn zurückzuhalten, und nach acht Tagen schon fuhren sie, vorher einen sehr wehmüthigen Abschied von dem Kinde nehmend, und dieses der Sorge seiner neuen Pflegeeltern auf das dringendste und wärmste an's Herz legend, auf dem Dampfboot »General Harrison«, den Ohio stromab, und dem Staate Louisiana zu, wo ihnen, von einem Deutschen, der sich kürzlich einige Zeit in Cincinnati aufgehalten, günstige Anerbieten gemacht waren.

Viele Jahre hindurch standen die Sachen, wie wir sie im letzten Abschnitt verließen. Schwabe fand in St. Francisville, einem kleinen Städtchen unfern vom Mississippi, der Ansiedlung von Pointe coupée gegenüber, gute und lohnende Arbeit; sein Sohn wuchs zu einem kräftigen Burschen heran, der ihn bald gar wacker unterstützen konnte, und durch die sparsame Sorglichkeit der Frau sah er, wie sich seine Lage mehr und mehr verbesserte und er zuletzt sogar darauf denken konnte, selber etwas anzufangen, um, ohne gerade immer zu arbeiten, durch die Welt zu kommen.

Seines Vetters Beispiel in Cincinnati mochte viel dazu beitragen ihn auf solche Gedanken zu bringen; die Zeiten schienen ebenfalls günstig, – Kaffeehäuser gab es in St. Francisville nur sehr wenige und so säumte er dann auch nicht lange und schaute bald darauf, wenn er auf der andern Seite der Straße an seinem eigenen kleinen Haus vorüber ging, mit ganz absonderlichem Vergnügen nach dem großen blauen Schild hinüber, das mit goldenen Buchstaben verkündete, wie Hermann Schwabe hier, nicht allein ein Kaffeehaus, sondern auch »kalte und warme Getränke, frische gebackene und marinirte Austern, Pfefferkuchen und Fleischpasteten,« und überdieß noch ein »Lager von ächten, in Boston verfertigten Schuhen und Stiefeln und Penitentiery Filzhüten« halte.

Was er mit eigener Hände Arbeit, und zwar mit harter, schwerer Arbeit begonnen, führte er mit Hülfe einer vorsichtigen aber richtigen Speculation weiter, und galt nach gar nicht so langer Zeit, für einen wenn auch nicht reichen, doch sicherlich wohlhabenden Bürger des kleinen Städtchens.

Jetzt erwachte aber auch in den Eltern der bis dahin oft gewaltsam unterdrückte Wunsch, ihr Kind, ihre kleine Louise wieder zu sich zu nehmen, von der sie nun schon eine entsetzlich lange Zeit nicht einmal etwas erfahren hatten.

Das Briefschreiben gehörte nämlich zu einer von Schwabes schwachen Seiten, er fällte lieber einen vier Fuß im Durchmesser haltenden Baum, als daß er eine einzige Seite bekritzelte; immer war es daher sein Entschluß gewesen, lieber gleich hinauf nach Cincinnati zu reisen und die Tochter dort selber abzuholen; dringende Geschäfte, wie eine plötzliche Krankheit seiner Frau, nöthigten ihn aber endlich, entweder seine beabsichtigte Reise noch aufzuschieben, oder wirklich zu schreiben. Wie aber war das Kind, unter lauter fremden Leuten glücklich nach St. Francisville zu bringen? – Durfte man wagen, es Einem der tollkühnen Dampfboots-Capitäne zu übergeben? Amerikanische Eltern hätten das augenblicklich gethan, aber die Deutschen waren zu ängstlich, und Schwabe fürchtete schon, er würde den so lange genährten Wunsch noch länger müssen unbefriedigt lassen, als sich ihm ganz unvermuthet ein treffliches Auskunftsmittel bot, das er und seine Frau auch mit dankbarer Freude ergriffen.

Ein junger Deutscher aus dem kaum eine Viertelstunde entfernten Bayou Sarah, reiste zufälliger Weise gerade in dieser Zeit nach Cincinnati, um dort indeß von Deutschland gekommene Verwandte zu treffen und nach Louisiana mit zu nehmen. Eine bessere Gelegenheit, Louise ihren Eltern wieder zuzuführen, ließ sich kaum denken; Schwabe setzte sich denn auch augenblicklich hin und brachte endlich mit vieler Noth und Mühe einen ziemlich ausführlichen Brief zu Stande, in welchem er seinen Vetter mit den eigenen, bis dahin erlebten Schicksalen bekannt machte, ihm für die treue Wahrung seines Kindes dankte, und ihn bat, dasselbe durch den Ueberbringer dieses, einen wackern, jungen Mann aus seiner Gegend und guten Freund von ihm selber, den sich herzlich nach ihm sehnenden Eltern zurückzuschicken.

Welbauer, wie der junge Mann hieß, ging mit dem nächsten, noch an demselben Abende in Bayou Sarah anlangenden Boot stromauf, und Schwabe erwartete nun in freudiger Ungeduld die Ankunft der, seit dreizehn Jahren von ihnen getrennten Tochter, denn so lange war es schon, daß sie Cincinnati verlassen und sich in Louisiana zuerst aufgehalten und später angesiedelt hatten. Vor dem Ablauf von wenigstens drei Wochen konnte Welbauer aber kaum wieder zurück sein, denn die Entfernung zu Wasser, zwischen Bayou Sarah und Cincinnati beträgt 1350 englische Meilen; die Eltern benutzten aber diese Zeit, ein kleines, freundliches Stübchen für das erwartete Kind herzurichten, damit es sich gleich vom Anfange an recht wohnlich und zufrieden im elterlichen Hause fühlen möge und schafften All und Jedes herbei, womit sie nur glauben durften, dem lieben, so lange elternlos gewesenen Kinde, eine Freude zu machen.

Die bestimmte Zeit war endlich verstrichen, Welbauer aber noch immer nicht zurückgekehrt; ja, noch eine vierte Woche verging sogar, ohne daß weder ein Brief noch eine andere Nachricht von dem so sehnlich Erwarteten eingetroffen wäre. Schwabe, der bis jetzt seine Frau immer nur gebeten hatte, Geduld zu haben, da man ja gar nicht wissen könne, was die Rückkehr des jungen Mannes vielleicht verzögert hätte, fing nun selber an, ängstlich zu werden, und lief des Tages zwei oder dreimal nach Bayou Sarah hinunter, um zu hören, was für Boote angekommen wären, und welche man, und woher man sie erwartete.

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