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Ein Parcerie-Vertrag

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Elftes Capitel.
Gerettet

An dem nämlichen Tag, an welchem der Deutsche die Plantage verlassen hatte, erlebte die Dienerschaft im Hause des Senhor Almeira eine sehr ungewöhnliche und hier wahrlich ungewohnte Scene: einen Zank zwischen ihrer Herrschaft, der ihnen, wenn sich die Parteien auch von der offenen Veranda fort in ihre Zimmer zogen, doch nicht verborgen bleiben konnte. Plötzlich gab die Senhora den Befehl, ihr Pferd zu satteln, und wenn auch augenblicklich Gegenordre vom Herrn selber kam, bestand sie doch so heftig darauf und drohte jetzt sogar vor den Leuten, zu Fuß die nächste Plantage zu erreichen, daß ihr zuletzt gewillfahrtet werden mußte.

Das Pferd stand schon gesattelt vor dem Haus, und noch war sie drinnen beschäftigt, – wie das kleine Mädchen nachher erzählte, ihre Koffer zu packen, – jetzt trat sie auf die Veranda. Auch das Pferd ihrer Dienerin, einer jungen Mulattin, wurde gebracht.

Senhor Almeira folgte ihr und suchte sie noch einmal zurückzuhalten. Sie antwortete ihm gar nicht. Von der Treppenstufe herab sprang sie in den Sattel und schon im nächsten Moment sprengte der kleine, muthige Schimmelhengst mit ihr die Straße hinab, daß ihr die Mulattin kaum folgen konnte.

Von dem Tage an hatten die in unmittelbarer Nähe des Herrn befindlichen Sclaven eine schwere Zeit, denn so hart war er noch nie mit ihnen verfahren. Er war wohl immer rauh und heftig mit ihnen gewesen, aber nie grausam; jetzt ließ er ein Paar, nur wegen leichter Vergehungen, auf das Unbarmherzigste peitschen, und ein junger Bursch, der ihm Morgens aus Versehen die Chocolade über das Beinkleid goß, wurde zur Strafe den ganzen Tag draußen in der brennenden Sonne an einen Pfahl gebunden.

So vergingen drei lange schwere Wochen, und Behrens hatte sich indessen wenigstens so weit von seiner Krankheit erholt, um doch wieder leichte Arbeiten zu verrichten, wozu ihn der Mulattenaufseher schon lange gedrängt. Es wurde ihm auch selber zu einsam in dem öden Hause, denn selbst die Kinder mußten jetzt den ganzen Tag draußen im Baumwollenfeld sein, um die reifgewordene Baumwolle aus den aufgesprungenen Kapseln zu pflücken.

Senhor Almeira hatte in der Zeit kaum sein Haus verlassen und außergewöhnlich viel in seinen großen Büchern geschrieben und gerechnet. Saß er doch manchmal bis spät in die Nacht darüber und Niemand durfte ihn dann stören. Ja, selbst wenn er zum Essen gerufen werden mußte, hatte der Diener strengen Befehl, nur eben draußen an die Thür zu klopfen.

Es war Sonnabend Nachmittag geworden und das Corps der Arbeiter und Sclaven – wenn überhaupt zwischen Beiden ein Unterschied stattfand – noch draußen im Feld beschäftigt, als eine kleine Cavalcade von Reitern auf der Straße sichtbar wurde. Ein Negerbursche hatte den Zug schon entdeckt, wie er sich nur eben durch das dunkle Grün der Kaffeebäume wand und seinem Herrn Meldung davon machen wollen, auch ein paar Mal schüchtern an die Thür desselben geklopft, aber keine Antwort erhalten, und dann natürlich auch nicht gewagt weiter vorzudringen. Jetzt sprengten sie den Weg hinauf, der nach dem Hause zuführte; der Herr drinnen im Hause mußte sie ja selber hören, und nun stiegen sie ab und warfen den herbeispringenden Negerburschen die Zügel zu. Und wahrhaftig, der Fremde, der an dem Tag hier gewesen, an welchem die Senhora das Haus verlassen, befand sich auch wieder unter ihnen, was die armen Teufel von Negern nicht wenig erschreckte. Daß der dem Herrn keine Freude machen würde, fühlten sie schon heraus, und wer anders mußte es nachher entgelten, als ihr armer Rücken, – an dem weißen Senhor durfte er ja seinen Zorn nicht auslassen.

Almeira hatte in der That das Gestampf der Pferde auf dem sonst so stillen Platz gehört und war in die Thür seiner Veranda getreten. Er mußte auch den Besuch von früher erkannt haben, denn er erbleichte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück, – aber zu spät; die eben Gekommenen hatten ihn schon bemerkt, und wenn er auch einige Bekannte aus Porto Seguro darunter erkannt, beunruhigte ihn doch die kalte Höflichkeit, mit der man ihn grüßte, denn es verrieth, daß der Besuch kein freundschaftlicher sein konnte.

Der Deutsche ließ ihm aber nicht lange Zeit, sich mit Vermuthungen zu quälen, denn die Treppe zu der Veranda ersteigend, sagte er, sehr höflich aber auch sehr ernst: »Senhor Almeira, ich war vor einiger Zeit als flüchtiger Besuch bei Ihnen und nahm da Gelegenheit, mit Ihnen über die Verhältnisse Ihrer deutschen Parcerie-Arbeiter zu sprechen.«

»Und was mit denen, Herr?« fuhr Almeira heftig auf.

»Bitte, ereifern Sie sich nicht unnöthig,« erwiederte ruhig der Deutsche, »Sie verweigerten damals ihre Freilassung. Jetzt komme ich – in Begleitung dieser Gerichtsbeamten mit einer Anklage zu ihnen, die ich selber in Rio anhängig gemacht, daß Sie – falsches Buch über Ihre Ausgaben und Einnahmen in Betreff dieser unglücklichen Menschen geführt, und die mich begleitenden Gerichtsbeamten sind beauftragt worden, der Sache auf den Grund zu gehen.«

Almeira war bei der Beschuldigung emporgefahren, aber auch jeder Blutstropfen hatte seine Wangen verlassen und nur mit fast tonloser Stimme rief er aus: »Das ist eine niederträchtige Lüge!«

»Es wird sich jetzt zeigen wer sie gesprochen,« nickte der Deutsche, »Senhores, ich ersuche Sie, keine Zeit zu versäumen und die Revision vorzunehmen.«

»Und wer hat das Recht, sich in meine Angelegenheiten zu drängen?« zischte der Brasilianer zwischen den Zähnen durch, »regieren auf einmal die Fremden hier im Land oder wir noch?«

»Seien Sie vernünftig Almeira,« sagte einer der Beamten, »der Herr hat eine Vollmacht von Seiner Majestät selber unterzeichnet, und wir müssen der Genüge leisten. Wo sind Ihre Bücher?«

»Also sollen alle unsere Rechte untergraben werden?« rief der Pflanzer höhnisch aus, »beim Himmel, es ist weit gekommen, wenn man das einem brasilianischen Gutsherrn auf seinem eigenen Besitzthum bieten kann.«

Der Beamte zuckte die Achseln, es war ihm aller Wahrscheinlichkeit nach selber nicht recht, aber der Deutsche, der den Befehl mit dem letzten Dampfer gebracht, schien genau zu wissen, was er thue, und das Schreiben des Ministeriums war ebenfalls in so scharfen bestimmten Ausdrücken abgefaßt, daß selbst ein Verschleppen der Sache zur Unmöglichkeit wurde, – sie wären auch sonst wahrlich nicht so rasch mit hier herausgeritten.

Übrigens hatte Senhor Almeira lange nicht mehr so viele Freunde als er glaubte; denn schon ehe dieser Befehl aus der Hauptstadt eintraf, der den Verdacht eines Verbrechens auf ihn warf, – wenn das auch bei den übrigen Kaffeepflanzern wohl schwerlich sehr hoch angeschlagen wäre – hatte sich ein bis jetzt noch dumpfes und unbestimmtes Gerücht in Porto Seguro verbreitet, nach welchem die finanziellen Verhältnisse des Pflanzers durch seine übergroße Verschwendung einen bedenklichen Charakter sollten angenommen haben. Daß jene junge Französin, die ihn aus Rio hierher begleitet, gar nicht seine wirkliche Frau gewesen, schien man ziemlich allgemein gewußt zu haben, und es verhinderte das gar nicht sie ihn jetzt plötzlich verlassen hatte, bestärkte die Leute in dem schon überhaupt gefaßten Verdacht, denn den wahren, edlen Beweggrund traute ihr Niemand zu.

So gingen denn die Beamten williger an ihre Pflicht, als sie es vielleicht unter anderen Umständen gethan hätten, und zwei volle Stunden lang blätterten und rechneten sie in Almeira's Büchern und verglichen zu derselben Zeit mitgebrachte Preiscourante der verflossenen Jahre mit den angegebenen Zahlen.

Das Resultat mußte ein, für den Brasilianer nicht sehr günstiges sein, denn sie schüttelten dabei oft sehr bedenklich die Köpfe. Endlich stand der Eine von ihnen auf, winkte dem Deutschen, ihm zu folgen und schritt mit ihm draußen ein Stück die Straße hinauf, die in das Innere führte.

»Senhor,« sagte er hier, »der von Ihnen angeregte Verdacht war nicht ganz unbegründet –«

»Ich wußte es vorher.«

»Und Senhor Almeira –?«

»Wird ins Zuchthaus wandern müssen.«

Der Brasilianer schwieg eine Weile und sah nachdenkend vor sich nieder, endlich blieb er stehen, sah seinen Begleiter voll an und sagte: »Welchen Zweck verfolgen Sie eigentlich bei der Sache?«

»Welchen Zweck? Nun den, einen Schurken zu entlarven und seiner Strafe zu überliefern.«

»Und diesen wirklich nur allein?«

»Ei, Gott bewahre; die Hauptsache ist, daß diese armen, unglücklichen Menschen, deren Arbeitskraft nicht nur, wie deren ganzes Leben der Bube gemißbraucht hat, wieder freie Menschen und für ihre Arbeit bezahlt werden.«

»Schön,« sagte der Brasilianer, »Sie scheinen mir ein vernünftiger Mann und mit den brasilianischen Verhältnissen ziemlich vertraut, auch im Ganzen practisch zu sein, eine Eigenschaft, die Ihren Landsleuten sonst gewöhnlich abzugehen pflegt. Ich glaube, wir bringen Senhor Almeira, nach den heutigen Erfahrungen, ohne große Schwierigkeit dazu, seine Ansprüche auf die Dienste der deutschen Arbeiter aufzugeben.«

»Ei, zum Teufel, Herr, das glaube ich auch, aber –«

»Bitte, lassen Sie mich ausreden: wir werden aber keine Vergütung für sie von ihm verlangen.«

»Ist auch gar nicht nöthig; die Vergütung werden die Gerichte nachher schon feststellen.«

»Also werden Sie wirklich einen Proceß anstrengen?«

»Aber, verehrter Herr, ist denn das nicht eine sonderbare Frage? haben denn die Gerichte die Sache nicht schon in die Hand genommen?«

»Wie man das so nimmt,« sagte der Beamte achselzuckend. »Dem Ministerium liegt besonders daran, die deutschen Arbeiter – da Sie selber scheinen beim Kaiser Gehör gefunden zu haben – von einer Ungerechtigkeit zu erlösen und die Sache damit abzumachen. Sagt man jetzt Almeira, daß er noch das Ganze beilegen kann, ohne viel Lärm zu machen, so wird er nicht so thöricht sein und sich weigern. Verlangt man aber etwas von ihm, was er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht leisten kann, Geldzahlungen nämlich, denn seine Vermögensverhältnisse sind in der That zerrüttet, so muß er es auf einen Proceß ankommen lassen, der drei, vier Jahre dauern mag, während die Arbeiter bis zu dessen Entscheidung gezwungen wären, in ihren alten Verhältnissen zu bleiben. Doch das nicht allein; würde der Proceß auch – wie ich gar nicht bezweifle – zu ihren Gunsten entschieden, und die Passiva überstiegen die Activa, so gehen, wie Sie recht gut wissen, die Hypotheken vor und Ihre Landsleute bekämen doch keinen Reïs, – trotz all ihren gerechten Ansprüchen.«

 

»Aber damit deuten Sie nichts Geringeres an,« rief der Deutsche, »als daß der Verbrecher – denn wahrlich, er hat ein Verbrechen an den unglücklichen Menschen verübt – vollkommen straffrei ausgehen solle.«

»Ändern Sie Brasilien,« sagte der Beamte zu dem Deutschen achselzuckend; »ich will auch eingestehn, daß wir faule Schäden im Lande haben, die ausgeschnitten werden könnten, aber sie hängen innig und unzertrennbar mit der Productionskraft des Landes zusammen, und es begegnen sich in ihnen so viele und zahlreiche Interessen, daß es Jeder gern so lang es möglich vermeidet, die Hand daran zu legen. Folgen Sie deshalb meinem Rathe. Ist es Ihnen ernstlich darum zu thun, den armen Deutschen bald zu helfen, so überlassen Sie mir die Sache, und ich glaube, daß ich damit zu Stande komme; wollen Sie aber die strenge, unnachsichtliche Verfolgung mit einer Entschädigungsklage für Ihre Schützlinge, so – werden wir jetzt nach Porto Seguro zurückreiten und einen getreuen Bericht über den befundenen Thatbestand absenden; danach wird dort berathen und nachher –«

»Ich bitte Sie um Gotteswillen,« rief der Fremde, »halten Sie ein; ich habe vollkommen genug. Der Himmel bewahre uns Alle vor einem brasilianischen Proceß, – die deutschen sind schlimm genug und ich verspüre nicht die geringste Lust, sie hier zu provociren. Wenn Ihnen nichts daran liegt, einen anerkannten Lump und Betrüger frei herumlaufen zu lassen, mir kann's gewiß recht sein, – also bitte um Regulirung der Sache sobald als möglich. Nur noch eins; was wird aus den armen Familien, wenn sie hier, ohne die geringsten Mittel in Händen zu haben, fort sollen?«

»Dafür liegt ein specieller Befehl der Regierung bei,« sagte der Beamte, »sie mit dem nächsten Dampfer nach Rio zu senden, von wo aus sie auf Regierungskosten nach Santa Chatarina und Blumenau geschickt werden sollen. Dem Schriftstück nach scheint es, als ob das der besondere Wunsch der Deutschen wäre.«

»Gut – ich verlange nicht mehr,« sagte der Deutsche, »etwas bringen wir auch in Rio für sie zusammen. Wann kann ich also Antwort haben?«

»In einer halben Stunde,« sagte der Beamte, augenscheinlich selber sehr erfreut, die fatale Sache noch auf eine so ausgleichende Weise beigelegt zu haben, »verlassen Sie sich darauf.«

»Und ich kann mit den Deutschen sprechen?«

»Auf meine Verantwortung; sie sind von diesem Augenblick an frei.«

Als sie zum Herrenhaus der Plantage zurückkehrten, suchte der Beamte augenblicklich Senhor Almeira auf, während der Deutsche, ohne auch nur das Gebäude wieder zu betreten, so rasch er konnte, zu seinen armen Landsleuten hinab eilte.

Und sollte ich versuchen, die Scene jetzt zu beschreiben, als er ihnen mittheilte, daß sie frei wären, – daß sie von jetzt an keinen Herrn mehr hätten, und die Regierung selber sie mit dem nächsten Dampfer in ein gesunderes Klima, ja gerade dorthin senden wolle, wohin sie sich die lange schwere Zeit immer gesehnt, und wo sie nun doch noch vielleicht einen Theil der Hoffnungen verwirklichen konnten, die sie in dieß ferne Land geführt?

Senhor Almeira schien auch in der That nicht die geringsten Schwierigkeiten gemacht zu haben, denn die Gründe, die ihm der Beamte vorgelegt, mußten doch wohl zu überzeugend gewesen sein. Kaum eine halbe Stunde später erschien dieser selbst, um den Deutschen anzuzeigen, daß sie am nächsten Morgen ihr Gepäck nach Porto Seguro verladen möchten, da in den nächsten Tagen das vom Norden kommende Dampfboot dort erwartet würde. Kosten hätten sie dabei nicht, ja, es sollte sogar Jedem ein Reitthier geliefert werden, um den ziemlich entfernten Hafenplatz zu erreichen.

Von jetzt an hatte die Noth der Armen aufgehört. Eine schwere Stunde stand ihnen freilich noch bevor: der Abschied von den Gräbern ihrer Lieben, von denen sie sich ja auf immer trennen mußten, und bittere Thränen wurden dort geweint, aber auch das überstanden sie, wie sie so Manches in diesem Aufenthalt der Qual überstanden hatten, und am nächsten Morgen mit Tagesanbruch wurden die Thiere herbeigetrieben, auf denen sie die Plantage verlassen sollten.

Senhor Almeira machte ihnen allerdings den Abschied insofern leicht, als er sich nicht mehr vor ihnen sehen ließ, aber sie verlangten auch nicht nach ihm, und als sie im Hafen angelangt das eben eingetroffene Dampfboot bestiegen, und mit diesem wieder hinaus in die offene See – in die frische, kühle Luft hinein hielten, war ihnen fast so zu Muthe, als ob sie nicht einen anderen Platz in dem fernen Reich aufsuchen wollten, sondern aufs Neue der Heimath entgegen steuerten.

Zwölftes Capitel.
In der Colonie Blumenau. Schluß

Der kleine Dampfer, der die armen mißhandelten deutschen Arbeiter nach dem südlichen Theil des Reiches also in ein kälteres und auch weit gesünderes Land führen sollte, brauchte doch mehrere Tage ehe er selbst nur Rio de Janeiro, die Hauptstadt erreichte, und die Deutschen, die dort an Land mußten, sahen sich hier wieder in einer neuen und vollkommen fremden Welt. Aber nicht mehr allein und freundlos standen sie da, denn das Schicksal der Unglücklichen hatte schon die allgemeine Theilnahme nicht allein vieler ihrer Landsleute, sondern auch mancher Brasilianer selber wach gerufen, und während sie, bis der andere Dampfer nach der Colonie befördert werden konnte, von der Regierung am Land einquartiert und beköstigt wurden, veranstaltete man in der Stadt Sammlungen für sie, um die vollkommen Abgerissenen und von Jedem Entblößten nur erst einmal in etwas wieder auszustatten.

Dann kam die zweite Reise. In Rio wurden sie wieder eingeschifft, brauchten aber selbst von da an noch zwei und einen halben Tag, bis sie ihr Ziel erreichten, und Behrens sah jetzt recht deutlich wie schändlich und nichtswürdig sie jener gewissenlose Agent in Deutschland belogen, als er ihnen auf der Karte zeigte, welche kleine Entfernung nur die beiden Plätze von einander trennte. Er selber hatte auch zu gleicher Zeit genug von dem Brasilianischen Urwald gesehn, um zu wissen, wie vollständig unmöglich es gewesen wäre, die Strecke durch diese Wildniß hin, zurückzulegen.

Und was hatte jener Mann in Deutschland dabei gehabt, seine eigenen Landsleute so schändlich zu hintergehen und in die Hände eines gewissenlosen Fremden zu liefern? – Nichts in der Gotteswelt als die paar Thaler Kopfgeld, die er für jedes seiner Opfer bekam und welchen Gewinn er dann mit einem ebensolchen Schurken in Antwerpen theilte.

Von Rio de Janeiro aus bekamen sie noch Reisegesellschaft; frische Auswanderer aus Deutschland, welche diese Gelegenheit benutzen konnten um ihr vorgestecktes Ziel in Brasilien, die deutschen Colonien zu erreichen. Das waren auch keine Leute die sich durch einen Contract gebunden hatten; frei und unabhängig zogen sie hinüber in das fremde Land und wenn sie auch gerade nicht viel Geld in den Taschen trugen, sahen sie sich doch nicht an Händen und Füßen gebunden und konnten sich auf ihren Fleiß und ihre derben Fäuste schon mit gutem Vertrauen verlassen.

Und welch ein Unterschied zwischen ihnen und den armen Parcerie-Arbeitern. Sie hatten noch ihre frischen rothen Backen mit von Deutschland gebracht, und die Kinder sahen dick und gesund aus, während die Deutschen die aus Minas Geraes herunterkamen, eher hohlwangigen und nur mit gelber Haut überzogenen Skeletten glichen.

Und auch an Geist waren die Menschen gebrochen, denn sie hatten in den langen elenden Jahren Hoffnung und Vertrauen verloren. Behrens selber saß auf der ganzen Reise still und in sich gekehrt, grübelte über das Unglück nach das ihn betroffen, und das was noch für ihn in Aussicht stand. Sein Bruder? – er hatte die langen Jahre Nichts von ihm gehört; wußte er denn überhaupt ob er noch lebe, und wär' er selber jetzt, mit zerstörter Kraft und Gesundheit, selbst unter günstigeren Verhältnissen noch im Stande wieder von Neuem eine schwere Arbeit zu beginnen?

Hannchen that ihr Bestes um ihn aufzuheitern, so weh ihr selber auch dabei zu Muthe sein mochte. Es war vergebens. Der Mann hatte einmal die feste Idee gefaßt daß sie in Brasilien verloren wären und nur von einem Sclavenaufseher zum anderen geschafft würden. – Und nach Deutschland zurück? – was hätte er dort jetzt noch gesollt, wo er, mit Allem verloren was er einst sein nannte, nicht einmal mehr in Tagelohn gehen konnte. Nein – es war vorbei mit ihm und leise nur murmelten die bleichen Lippen:

»Ach wenn ich doch drunten in der Erde bei der Sophie läge – dann wäre Alles gut – Alles.«

Der kleine Dampfer – allerdings kein besonderer Schnellläufer – setzte indessen munter seine Reise fort, aber selbst als er wieder vor dem Ort seiner Bestimmung ankerte, als Behrens nun wußte daß sie endlich – endlich, nach jahrelangem Sehnen ihr eigentliches Ziel erreicht, und Fürchtegott der indessen hochaufgeschossen war, wenn er auch ebenso wie die anderen mager und gelb aussah, die Sachen mit an Land schaffen wollte, sagte der alte Behrens:

»Laß nur sein, Fürchtegott, wir wissen ja noch gar nicht wo es hinkommt. Erst müssen wir doch wieder verauktionirt werden.« Er kümmerte sich auch, in der Colonie selber angekommen, um gar nichts mehr und ließ die Kinder für Alles sorgen; nicht einmal nach seinem Bruder frug er. Der war todt – so hatte sich ihm der Gedanken wenigstens in der letzten Zeit in den Kopf gesetzt, und daß man ihm von allen Seiten freundlich begegnete, daß ihm die Colonisten, die bald die Leidensgeschichte des armen Mannes von den Übrigen erfahren, Lebensmittel in Masse brachten und ihn in einem kleinen freundlichen Hause einquartierten, nahm er eben ruhig, kaum dankend hin.

In der Leidenszeit hatte er noch, so viel es möglicher Weise ging, den Kopf oben behalten und für sich und die Seinen gedacht, jetzt aber, mit dem völligen Wechsel seines Lebens und der ruhigen Zeit an Bord war eine Art Erschlaffung eingetreten, und es bedurfte starker Mittel ihn daraus zu wecken – aber es geschah.

Sein Bruder lebte wirklich noch und in den besten Verhältnissen auf einer kleinen Seitencolonie, etwa zwei Stunden von Blumenau entfernt. Fürchtegott hatte das auch bald ausgekundschaftet und Hannchen indessen die Sorge für den Vater überlassend, war er hinausgeeilt um ihn aufzusuchen.

Franz, wie dieser hieß, eilte auch augenblicklich mit dem neugefundenen Neffen zurück nach Blumenau und unterwegs mußte ihm dieser die traurigen Schicksale seiner Familie ausführlich erzählen. Auch von dem Zustand des Vaters sprach er dabei, der jetzt theilnahmlos und ineinander gebrochen und nur still vor sich hinbrütend da sitze und von Nichts mehr wissen wolle. Bruder Franz aber nahm das sehr leicht. Solche derbe Naturen können gewöhnlich wohl gebogen aber selten geistig gebrochen werden – Carl Gottlieb war eben nur gebogen und den wollten sie schon wieder gerade bringen.

Rührend war das Wiedersehen der beiden Brüder. Behrens selber weinte wie ein Kind, und selbst dem wetterharten brasilianischen Landmann liefen die Thränen an den Backen nieder, als er die Jammergestalt vor sich sah. Er hätte ihn auch gewiß im Leben nicht wieder erkannt, aber er war auch praktischer Natur und gab sich nicht lange doch nutzlosen Gefühlsäußerungen hin.

Behrens mußte mit ihm hinaus auf die Facienda oder Farm, und dort selber ein Stück Land bekommen, daß er wieder Lust am Leben und – was bei ihm bis jetzt ja gleichbedeutend gewesen – am Arbeiten fand. Und was für rüstige Kräfte standen ihm dabei zur Seite. Fürchtegott sah jetzt allerdings elend genug aus, aber in vier Wochen sollte sich der schon wieder herausfüttern – Hannchen war ein prächtiges Mädchen geworden, und ja auch, selbst in Minas Geraes, immer gesund geblieben, der Christian konnte ebenfalls schon tüchtig mit zufassen, und die Lisbeth versprach vollkommen in Hannchens Fußtapfen zu treten. Mit vier solchen Kindern brauchte er hier Nichts zu fürchten, und wenn er selber auch keinen Schlag Arbeit mehr that. Hatte er früher für sie nach besten Kräften geschafft, so durften und mußten sie das jetzt auch für ihn thun, und Lust und Liebe dazu hatten sie ja Alle.

Und wie freundlich war das ganze Land hier, auf dem nicht die drückende Hitze lag, die ihnen in Minas Geraes und mitten in jenem engeingeschlossenen Thal, das Mark in den Knochen vertrocknet hatte. Es war Winter – Winter allerdings nicht wie bei uns mit Schnee und Eis, aber ein Winter wie in Deutschland der Monat Mai, mit erfrischenden Regen und kühlen, herrlichen Nächten und doch wieder heiteren sonnigen Tagen dazwischen.

 

Und wie heimelte sie das Land selber an. Nicht mehr von lauter widerlichen Negersclaven sahen sie sich umgeben, die in der fremden Sprache nur mit ihnen verkehrten. Nur deutsche so lang entbehrte deutsche Laute grüßten hier ihr Ohr und wohin das Auge fiel traf es auf freundliche, wohnliche Häuser, auf blühende Gärten, auf fruchtbare gutgehaltene Felder die den Wohlstand ihrer Eigenthümer bezeugten, und als sie endlich des Bruders Platz erreichten, wollten sie kaum glauben daß sie jetzt da wohnen sollten – wohnen einmal wieder wie Menschen und von wackeren Verwandten geliebt und gepflegt.

Die Colonie Blumenau ist in der That eine der bestgehaltensten und am Besten bewirthschafteten in ganz Süd-Brasilien. Der Direktor dort, der Dr. Blumenau hat auch fast sein ganzes Leben daran gewandt sie zu pflegen und emporzubringen und da die brasilianische Regierung sogar ein Verbot gegen Sclaverei in diesen deutschen Colonien erlassen hat, behält die freie Arbeit nicht allein ihren Werth, sondern die Deutschen sind auch der unangenehmen Gesellschaft der Neger enthoben, von denen sich nur Einzelne, aber ebenfalls frei, als Dienstboten unter ihnen aufhalten.

Franz Behrens, während er den Bruder vor der Hand vollkommen sich selber überließ, sorgte indeß für ihn und ging selber zum Direktor um mit diesem zu berathen wie der Familie am Besten und Leichtesten geholfen werden könne, und wo ein Wille ist, giebt es auch gewöhnlich ein Mittel.

Nicht weit von dort, wo sich Franz Behrens angesiedelt hatte, lag eine kleine schon bebaute Facienda, mit einem wohnlichen Haus darauf, die der jetzige Besitzer, der gern nach einer anderen Colonie übersiedeln wollte, weil sich seine einzige Tochter dorthin verheirathet, zum Verkauf ausgeboten. Die Summe war allerdings nicht unbedeutend und Behrens besaß durch die in Rio für ihn veranstaltete Sammlung wohl ein kleines Capital, aber nicht annährend genug um das zu zahlen – doch das schadete Nichts. Der Eigenthümer war selber ein wohlhabender Mann, der das Geld nicht nothwendig gebrauchte, und verstand sich gern dazu dem Käufer lange Termine zu stellen, in denen er das erstandene Grundstück abbezahlen konnte. Der Direktor ebenso, der ihnen jede in seinen Kräften stehende Hülfe zusagte, unterstützte sie im Anfang mit allem nothwendigen Ackergeräth, wie auch der Bruder in vielen Stücken aushalf und ihnen mit Rath und That beistand. Und jetzt erst gewann Behrens selber das vollständig verlorene Vertrauen wieder.

Die ersten Wochen allerdings war es fast als ob er gar keinen Theil mehr an den Arbeiten der Kinder nehmen wolle, und nur erst, wie er das die langen Jahre gewohnt gewesen, – auf den Negertreiber wartete, der sie zur gezwungenen Arbeit rief – aber das hielt nicht lange an. Mit der Zunahme seiner fast erschöpft gewesenen Kräfte, erwachte auch die alte Lust zum Schaffen in ihm, und noch war kein Monat vergangen als er das drückende Gefühl der Knechtschaft, das bis dahin auf ihm gelegen, vollständig abgeschüttelt hatte. Er konnte freilich nicht gleich fassen und begreifen daß das Land auf dem er jetzt – und nicht etwa mehr als er je gethan, arbeitete, mit dieser Arbeit in kurzer Zeit sein Eigenthum werden, und wenn er einmal starb, seinen Kindern gehören solle – Du lieber Gott, er war ja gar nicht gewohnt gewesen irgend etwas eigen zu haben, als sein eigenes Elend, aber endlich lebte er sich auch selbst dahinein, und mit welcher Lust und Liebe griff er von da an zu, und wie rasch kräftigte sich der fast aufgeriebene Körper.

Und dabei blieb es nicht; Hannchen heirathete zwei Jahre später einen jungen deutschen Bauer, der eine der größten Facienden in der ganzen Colonie hatte. Dieser aber unterstützte den Schwiegervater dafür auch durch ein halb Dutzend Milchkühe, die er ihm eines Morgens auf den Hof trieb und während die indeß auch sechzehn Jahre gewordene Lisbeth jetzt die häusliche Wirthschaft führte, hatte der Fleiß des alten Behrens wie seiner beiden Söhne sie so rasch vorwärts geschafft daß er, mit einigen glücklichen Erndten und guten Preisen, schon nach fünf Jahren das ganze Landgut freigearbeitet hatte.

Auch die andere Familie war in der Colonie untergebracht worden, und wenn sie auch nicht so rasch vorrückte wie Behrens mit Hülfe seiner erwachsenen Knaben, so lebten sie doch hier sorgenfrei und jedes Zwangs enthoben und sahen dabei wie sich ihre Umstände zusehens von Jahr zu Jahr verbesserten.

So waren denn wenigstens diese zwei Familien vom augenscheinlichen Verderben gerettet worden, dem sie sicher, in der Gewalt jenes gewissenlosen Sclavenhalters, entgegen gingen. Die freien schönen Colonien von Süd-Brasilien boten ihnen ein unbeschränktes Feld für ihre Thätigkeit und in einem gesunden Klima sahen sie einer frohen Zukunft entgegen.

Aber die Regierung konnte freilich nicht all den Unglücklichen helfen, die auf falsche und betrügerische Versprechungen hin thöricht genug gewesen waren, derartige Verträge mit den Sclavenhaltern der heißen Provinzen oder deren Helfershelfern, den hiesigen Agenten einzugehen. Wo ihr bestimmte und motivirte Klagen vorgelegt wurden, war sie im Stande, einzuschreiten, und das geschah nicht selten. Leider aber blieb das ähnliche Unglück von Tausenden, die in dem weiten Land zerstreut waren, ihr verborgen, und sie that das Einzige, was ihr da noch übrig blieb: sie ließ die Deutschen selber vor dem Abschluß solcher Parcerie-Verträge warnen.

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