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Ein Parcerie-Vertrag

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Zehntes Capitel.
Der neue Besuch

Es ist eine eigenthümliche Thatsache, daß wir, gar nicht etwa so selten im Leben, Menschen begegnen, die uns bei ihrem ersten Anblick abstoßen, ja, die wir hassen, ohne uns den geringsten Grund dafür angeben zu können. Woher das Gefühl kommt, wer kann es sagen; sie haben uns noch nichts zu Leide gethan, ja sind höflich, vielleicht gar freundlich mit uns gewesen, und trotzdem schnürt es uns in ihrer Gegenwart das Herz zusammen, und wir fühlen eine Last von unserer Seele genommen, wenn sie uns wieder verlassen.

Sonderbarer Weise bleibt auch diese Empfindung fast stets gegenseitig, und eben so ist es mit dem Gegentheil der Fall, mit Liebe und Freundschaft auf einen Blick, auf einen Händedruck geschlossen. Es gehört das jedenfalls zu den unbegriffenen Räthseln unseres Seelenlebens, die uns verborgen bleiben sollen, und die kein Denker je ergründen wird.

Senhor Almeira hatte jedenfalls ein solches Gefühl, als er mit seinem Gast dem Hause zuritt, und freundlicher wurde er dadurch wahrlich auch nicht gegen ihn gestimmt, als er dort erfuhr, daß der Herr schon vorher am Hause gewesen, und trotz der Einladung der Senhora wieder zu der Hütte der deutschen Arbeiter zurückgeritten sei. Was kümmerten ihn die, daß er ihre Gesellschaft sogar suchte? Aber das mußte sich bald herausstellen, und vor allen Dingen durften die Formen der Höflichkeit, die so Manches übertünchen, nicht außer Acht gelassen werden.

Der Gast lehnte indessen das noch immer seiner harrende Frühstück sehr artig ab, da er erklärte, sich Provisionen von der letzten Facienda mitgenommen und unterwegs sehr romantisch unter einer Palme gefrühstückt zu haben. Nur ein Glas Wein konnte er nicht ausschlagen und eine Cigarre, und unendlich liebenswürdig zeigte sich die junge Dame vom Haus gegen ihn, als sie fand, daß er eben so gut Französisch als Portugiesisch sprach. Außerdem kam er, wie er erzählte, direct aus der Hauptstadt des Landes, aus Rio de Janeiro, – ihrem Rio, wie sie sagte, nach dem sie sich ewig und unendlich sehnte, und das Kleinste und Geringste von dorther hatte ja das spannendste Interesse für sie, die sie hier »weggesetzt in eine Wüste« saß, und, wie sie meinte, vor Langeweile eines langsamen Todes stürbe.

Auch darüber freute sich Senhor Almeira nicht, und zog nur heftiger an seiner Cigarre.

»Und was bringt Sie in diese Wüste, mein verehrter Senhor,« sagte er nach einer Weile, »wenn meine arme Frau denn wirklich recht hätte, unsere sonst so sehr freundlich gelegene Facienda so zu nennen. Wollen Sie noch weiter in das Innere?«

»Ich glaube kaum, mein verehrter Herr,« erwiderte der Deutsche, »habe auch, wie Sie sehen, als einziges Gepäck nur meine sehr kleine Satteltasche mit etwas Wäsche bei mir. Die einzige Absicht auch, Senhor, in der ich hierherkam, war, um mich nach den Verhältnissen einiger deutscher Landsleute zu erkundigen, von denen ich in Porto Seguro, ebenfalls von einem Landsmann, gehört, daß es ihnen sehr schlecht ginge.«

»Doch nicht bei mir, wie ich hoffen will,« sagte Senhor Almeira mit einem so finster drohenden Blick, daß seine Frau ordentlich darüber erschrak.

Der Deutsche aber fuhr eben so höflich fort: »Allerdings, Senhor. Unsere Regierungen daheim fangen doch nachgerade an, auf die hier in Brasilien mit deutschen Auswanderern abgeschlossenen Verträge aufmerksam zu werden, was ich ihnen nicht einmal zum Verdienst anrechne, denn sie hätten es schon lange thun sollen, und es bleibt da immer interessant, sich einmal an Ort und Stelle nach den Verhältnissen derselben zu erkundigen.«

»Und haben Sie eine Vollmacht, das zu thun?«

»Nein, Senhor,« sagte der Deutsche freundlich, »nicht die geringste, denn die könnte auch nur, wie Sie selber recht gut wissen, von Ihrer eigenen Regierung ausgehen, da keine andere hier im Lande Geltung haben würde.«

Almeira lachte laut auf. »Und was brachte Sie auf die wunderliche Idee,« rief er, »zu glauben, daß wir hier verpflichtet sind jedem herge–kommenen Fremden die Verhältnisse unserer Arbeiter vorzulegen?«

»Verpflichtet gar nicht, verehrter Herr,« lächelte der Deutsche, »nur Ihrem eigenen Ermessen soll es überlassen bleiben, ob Sie mir den Contract und den gegenwärtigen Stand der Schulden der Familie vorlegen wollen.«

»Ich danke Ihnen.«

»Bitte, gar nichts zu danken, – die armen Leute sind nicht im Stande, sich einen klaren Einblick in die über ihre Schuld und ebensowohl über ihr Guthaben geführten Bücher zu verschaffen, und haben mich deshalb gebeten, es für sie zu thun.«

»Sie?«

»Allerdings, – denn dazu sind Sie allerdings durch die Gesetze des Landes verpflichtet, dem Arbeiter jeder Zeit –wenigstens doch jedes Jahr einmal – einen Abschluß Ihrer Bücher, so weit es die Arbeiter selber betrifft, vorzulegen.«

»Und wer sagt Ihnen, daß ich überhaupt Bücher darüber geführt habe?«

»Sie scherzen,« lächelte der Deutsche wieder, »es wäre die größte Beleidigung, die ich gegen Sie aussprechen könnte, wenn sie auch nur die Vermuthung enthielte, daß Sie es nicht gethan. Sie wissen doch gewiß, daß Zuchthausstrafe auf einem solchen Vergehen stünde.«

Almeira erbleichte, denn es lag so etwas Bestimmtes, Entschiedenes in dem Wesen des Fremden, daß es ihm, wie er sich auch dagegen sträuben mochte, imponirte.

»Sie haben Recht,« sagte er nach einer kleinen Pause, während welcher ihn der Deutsche freundlich und wie erwartend ansah, »allerdings ist Buch über jeden für die Leute verausgabten Reïs, wie über Alles, was sie mir geleistet haben, geführt, aber ich glaube kaum, daß ich Ihrem Wunsch willfahren kann, Ihnen, einem vollkommen fremden Menschen, Einblick dahinein zu gestatten, da es Ihnen zugleich einen Einblick in mein ganzes Geschäft gewähren würde.«

»Wie Sie darüber denken, verehrter Herr,« erwiderte der Fremde mit demselben Lächeln, »es fällt mir auch nicht ein Sie darin zu drängen. Sie haben mir nur einfach, ehe ich die Facienda wieder verlasse, zu sagen, ob Sie mir den Stand der Ihnen überlassenen deutschen Arbeiter vorlegen wollen, oder ob Sie es mir verweigern, – weiter nichts.«

Almeira war aufgestanden und ging mit untergeschlagenen Armen hastig und finster vor sich hinbrütend ein paar Mal auf der Veranda auf und ab.

»Und wenn ich es Ihnen verweigere?« sagte er plötzlich, indem er vor seinem Gast stehen blieb und ihn fest ansah.

»Dann setze ich mich einfach auf mein Pferd,« lächelte dieser, »und reite nach Porto Seguro zurück. Sie haben vollständig Ihren freien Willen.«

Die Worte klangen so harmlos, wie nur möglich, aber selbst die Senhora fühlte, daß ein tieferer und drohenderer Sinn darin lag, und unruhig und scheu flog ihr Blick von einem der Männer zum anderen.

»Weshalb auch nicht,« sagte Almeira plötzlich leichthin und lachend, »die Zumuthung kam mir allerdings im ersten Augenblick sonderbar vor, wenn es die Deutschen aber selber wünschen, sehe ich nicht den geringsten Grund dafür, es Ihnen zu verweigern (der Fremde verbeugte sich leicht) und wenn es Ihnen recht ist, können wir gleich daran gehen, um die unangenehme Sache zu beseitigen.«

»Wie Sie es wünschen, Senhor,« lautete die Antwort, »ich muß Sie dann noch bitten, Einen der Arbeiter dazu zu rufen, weil ich selber doch mit den hiesigen Verhältnissen nicht bekannt bin.«

»Die Leute sind jetzt wieder an der Arbeit,« sagte der Brasilianer kurz.

»Der Eine, der Behrens, den ich vorhin gesprochen, ist zu Haus, weil er sich noch nicht wohl befindet.«

»Das weiß Gott,« seufzte Almeira, »die Familie kostet mich schon viel Geld, und ich wollte, ich hätte sie im Leben nicht gesehen.«

»Wären Sie vielleicht so freundlich, einen Neger hinüber zu senden, es würde die Sache vereinfachen.«

Die Senhora warf einen fragenden Blick auf den Brasilianer. Dieser schien nicht recht mit der Zumuthung einverstanden, aber er sah auch wohl, daß es sich nicht mehr umgehen ließ, – er nickte, und ein kleines Mädchen wurde augenblicklich abgesandt, um den verlangten Arbeiter herbei zu holen.

»Monsieur,« sagte aber die junge Französin, »Sie haben mich sehr getäuscht.«

»Ich würde unendlich bedauern –«

»Ich erwartete und hoffte mit Ihnen eine langersehnte und angenehme Unterhaltung führen zu können, und statt dessen brechen Sie uns sogar noch mit entsetzlichen Geschichten ins Haus, die Sie vielleicht eine volle Stunde in Anspruch nehmen, während ich darauf brenne, mehr und Ausführlicheres über Rio de Janeiro zu hören.«

»Ich hoffe, gnädige Frau,« sagte der Fremde artig, »daß wir sehr rasch über unser langweiliges Geschäft hinwegkommen werden. Ich verspreche Ihnen sogar, es so viel als möglich zu beeilen, – so weit das nämlich in meinen Kräften steht. Nicht wahr, Senhor, Sie fühlen auch kein besonderes Bedürfniß, sich lange damit zu befassen?«

»Ich müßte es lügen,« sagte der Brasilianer trocken, »aber da kommt unser Mann. Bitte, liebes Kind, laß uns einen Augenblick allein, damit wir die Sache beenden. – Du interessirst Dich doch nicht dafür, und ich möchte Dich der – Gesellschaft entheben.«

»Wenn Sie es mir erlauben, Senhor« sagte die junge Frau, »so bleibe ich hier und höre ein wenig zu. Man muß sich mit allen Verhältnissen ein wenig bekannt machen und drüben – langweile ich mich nur noch mehr.«

Der Brasilianer zuckte mit den Achseln; er wußte recht gut daß er nur zu widersprechen brauchte, um die junge Frau noch mehr in ihrer Absicht zu bestärken. So hoffte er, daß sie es bald von selber satt bekommen würde.

So nickte er denn einem der Negerknaben zu, ihm zu folgen und kehrte bald wieder mit diesem, der ein paar große Bücher auf dem Arm trug und auf den nächsten Tisch legte, zurück.

Auch Behrens war indessen herangekommen und blieb mit dem Hut in der Hand unten an der Verandatreppe in der Sonne stehen.

Almeira mußte ihn auch jedenfalls bemerkt haben, sagte aber nichts, und der Fremde schien absichtlich darauf gewartet zu haben. Jetzt, sich plötzlich gegen den Deutschen wendend, rief er diesem zu, herauf und in den Schatten zu kommen. Sie wollten seine Rechnung durchsehen und er sollte dabei sein, damit man ihn im Nothfalle über Einzelnes fragen könne.

 

Behrens folgte schüchtern der Einladung und grüßte höflich nach allen Seiten. Die Senhora dankte ihm auch mit einem freundlichen Nicken. Senhor Almeira aber würdigte ihn keines Blicks, und nur erst als ihm der Fremde einen Stuhl hinschob, – denn er sah, daß der Mann vor Schwäche kaum noch stehen konnte, – blitzte er ihn zornig mit den Augen an, – ließ sich aber auch das gefallen; es ging ja jetzt Alles in Einem hin.

»Dürfte ich Sie vor allen Dingen um den Contract bitten, Senhor?«

Almeira zögerte einen Moment, nahm ihn aber gleich darauf aus einem Couvert heraus und schob ihn auf den Tisch.

Der Fremde las ihn kopfschüttelnd durch und sagte dann lächelnd zu Almeira: »Man sollte es kaum für möglich halten, daß irgend ein Mensch, der nur noch einen Funken von Verstand in seinem Hirn herum trägt, einen solchen Contract unterschreiben könnte. Ich brauche den Mann auch gar nicht zu fragen, ob ihm Alles gehalten wurde was darin steht, denn es ist ihm nichts versprochen. Nur eine Frage: hat Behrens denn seine Arbeit ordentlich und stet gethan, Senhor?«

»– Ich glaube, ja –« erwiderte der Brasilianer nach einigem Zögern, »unbehülflich sind die Leute zwar und entsetzlich langsam, aber doch so ziemlich willig. Nur mit ihren vielen Krankheiten haben sie mir zu schaffen gemacht und entsetzliches Geld für den Doctor gekostet, der jedes Mal fünfundzwanzig Milreïs für einen Ritt hier heraus bekommt.«

»Hm,« sagte der Fremde, »und zahlt das der Arbeitgeber oder der Arbeiter selber?«

»Wenn er nach dem Doctor verlangt, gewiß der Arbeiter,« lautete die Antwort, »wie käme ich dazu, für Jemanden den Arzt zu zahlen, der bei mir nur auf Theilung des Gewinns dient.«

»Ach ja, so. Entschuldigen Sie. Halt, hier ist dem Mann aber wirklich etwas versprochen für Gartenplatz. Habt Ihr den angewiesen bekommen, Freund?«

»Ja, Herr,« sagte Behrens, »aber erst nach langer Zeit, und dann hat ihn uns der Herr, als wir ihn urbar gemacht, wieder weggenommen und uns ein anderes wildes Stück Land dafür gegeben.«

Der Fremde zuckte die Achseln und sagte – vielleicht absichtlich – in portugiesischer Sprache: »Ja dagegen läßt sich nichts machen, Freund. Euer Herr ist da, diesem Contract nach, ganz in seinem Recht. Erstlich ist gar nicht darin gesagt, wann Ihr das Land bekommen solltet, und dann steht nur darin, daß Euch »»ein Stück Land«« angewiesen würde, nirgends aber, daß Ihr es auch zur steten Benutzung behalten sollt.«

»Versteht sich von selber,« bestätigte Almeira, »aber das ist eben das Unglück mit solchen Leuten, daß sie nie an den Nutzen ihres Herrn, sondern nur immer an den eigenen denken.«

»Aber wenn der Mann das Land doch für sich selber bekommen,« sagte die Senhora erstaunt, »und für sich selber urbar gemacht hat, so sollte ich denken –«

»Das verstehst Du nicht mein liebes Kind,« unterbrach sie aber der Brasilianer, »der ganze Vertrag ist ja auf Gegenseitigkeit gegründet, und während der Garten zur Kaffeeplantage geschlagen wird, bekommt er ja doch auch seinen Nutzen davon. José, bring noch eine Flasche Wein aus dem Keller herauf.«

Behrens verstand nur unvollständig, was dort gesprochen wurde, aber so nahe es ihn auch selber anging, er war in den langen Jahren abgestumpft gegen Alles geworden, sah auch jetzt, daß der Deutsche hier nicht viel besser, als der frühere sei, wenn er sich auch mit ihm unterhalten hatte.

»Und welche Auslagen hatten Sie für diese Familie? Sie entschuldigen, ist es die einzige oder haben Sie deren mehr?«

»Ich war damals thöricht genug, zwei anzunehmen.«

»In der That? Aber wir wollen uns vor der Hand nur mit dieser einzigen beschäftigen, – also welche Auslagen hatten Sie, außer denen, die hier auf dem Contract noch nicht einmal ausgefüllt stehen?«

»Diabo!« sagte der Brasilianer, »mehr, als die Leute in der nächsten Zeit im Stande sein werden, abzuverdienen, denn fortwährend quälen sie mich um Baumwollenzeug, Schuhe, Hüte und tausend andere Dinge, von denen ich kaum genug herbeischaffen kann. Dies sind hier die ersten Auslagen: Schiffstransport, auch die Reise in Deutschland selber bis an Bord, und der Aufenthalt dort im Gasthof vier Tage.«

»Entschuldigen Sie, waren die Auswanderer selber Schuld an dieser Verzögerung von vier Tagen?«

»Wie soll ich das hier wissen? Diese Summe mußte ich dem Agenten als Auslagen zurückerstatten.«

»Ah so, das wäre also Sache des Agenten gewesen – und dann weiter?«

»In Milreïs gerechnet macht das die runde Summe von 520 Milreïs. Dazu kommt nun noch der Aufenthalt in Porto Seguro, wo ich sie mußte beköstigen lassen, und der Transport hier heraus auf Maulthieren.«

»Wir sind zu Fuß gegangen,« sagte Behrens, der ruhig dabei stand und zuhörte.

»In der That, den ganzen Weg?«

»Aber Euer Gepäck habt Ihr wohl etwa auf den Schultern getragen, wie?« sagte Almeira, ohne den Deutschen dabei anzusehen.

»Wir hatten an den Kindern genug zu schleppen in der Hitze,« seufzte Behrens.

»Aber Eure Frau ist geritten.«

»Gott hab sie selig,« sagte Behrens scheu, »ja, wie sie es endlich nicht mehr ermachen konnte und zusammenbrach. Es war zu viel für sie und die Kinder, und sie hat den Marsch nie überwunden.«

»Die armen Leute,« sagte mitleidig die junge Frau.

Der Fremde erwiderte aber gar nichts darauf, sondern ging nur weiter und sagte: »Und damit hörten Ihre Unkosten wohl auf?«

»Glauben Sie, daß sie in den fünf oder sechs Jahren nichts gegessen und keine Kleider gebraucht haben?« lachte Almeira.

»Aber das Essen, sollte ich denken –«

»So wie ich ihnen einen Antheil am Gewinn gebe, muß ich sie doch auch mit den Kosten belasten, nicht wahr?«

»Allerdings, – das klingt nicht mehr als billig.«

»Sie sehen selber, daß sie niedrig genug angeschlagen sind, – natürlich nur das, was mich die Production selber kostet.«

»Versteht sich – und das Übrige?«

»Für Kleidung und Schuhwerk.«

»Alle Wetter, Ihr Leute,« rief der Fremde, »Ihr habt viel verbraucht, ich dachte gar nicht, daß Ihr hier einen solchen Staat im Lande macht.«

»Staat?« sagte Behrens wehmüthig und sah auf seine Lumpen nieder, »ja, wir gehen wirklich zum Staat herum.«

»Aber was ist denn das für ein Posten?« fuhr der Fremde, ohne weiter darauf einzugehen, fort, »da stehen ja noch einmal 130 Milreïs extra. Wofür haben sie das gebraucht?«

»Das ist für Einen der sauberen Gesellschaft,« sagte Almeira finster, »für einen jungen Burschen, der mir gleich im ersten Jahre davon lief, und für den die Übrigen natürlich mit haften müssen.«

»War das einer von Euren Söhnen, Behrens?«

»Wer?« frug der Deutsche, der das nicht Alles verstanden hatte.

»Nun, der Weggelaufene.«

»Von meinen Söhnen? Nein, wahrlich nicht, lieber Herr; ein nichtsnutziger Gesell war es, den wir aber erst auf dem Schiff kennen gelernt haben, und den sie uns mit in das Haus legten, so sehr wir auch baten, allein zu bleiben.«

»So viel ich im Contract sehe, Senhor Almeira,« sagte der Fremde, »so sind die Leute nur für ihre eigene Familie solidarisch verpflichtet, der junge Bursch war aber ein Fremder und geht sie nichts an.«

»Ich habe ihn als zu ihrer Familie gehörig mit überkommen,« rief der Brasilianer.

»Auf der Auction erstanden, wie? Ist aber doch wohl ein Irrthum. Die Summe werden Sie streichen müssen.«

»Ehe ich das thue, werde ich die Sache jedenfalls noch näher untersuchen.«

»Gewiß – und das Andere? Wie viel hat die Familie nun wohl in den sechs Jahren verdient?«

»Mein lieber Herr,« sagte der Brasilianer achselzuckend, »wir leiden da Beide gemeinschaftlich, denn wenn Sie länger in Brasilien sind, werden Sie wissen, daß der Kaffee noch nie einen so geringen Preis gehabt hat, als in dieser Zeit. Und Bohnen waren gar nicht abzusetzen, sie sind uns im Lagerhaus selber gefault.«

»In der That? Dürfte ich mir erlauben zu fragen, was Sie hier für Kaffee bekommen haben? Ich verstehe selber auch nicht viel davon, interessire mich aber sehr dafür.«

»Hier haben Sie die Preise ausgeworfen,« sagte der Brasilianer gleichgültig, indem er das eine Buch aufschlug.

»In der That,« rief der Deutsche erstaunt aus, »das ist sehr wenig, da hat ja die Arroba in Rio acht und neun Milreïs mehr getragen.«

»Rechnen Sie nur unseren Transport, – außerdem ist mir in den Jahren eine ganze Schiffsladung voll verloren gegangen.«

»Welchen Verlust die Arbeiter natürlich mit zu tragen haben.«

»Natürlich, – ihr ganzer Contract beruht ja auf den Antheil.«

»Der etwas unbestimmt mit Hälfte des Gewinnes ausgedrückt ist.«

»Allerdings sehr unbestimmt,« sagte Almeira achselzuckend, »denn man weiß nicht einmal von was die Hälfte.«

»Also würde nach dieser Übersicht die Familie wohl kaum die Aussicht haben, in diesem Jahre frei zu kommen.«

»In diesem Jahre?« rief Senhor Almeira erstaunt aus, »sie schulden mir jetzt fast noch mehr, als an dem Tag, an welchem sie auf die Facienda kamen. Aber was verlangen sie auch mehr? Sie haben zu leben, was sie in ihrem eigenen Vaterland nicht hatten, sonst würden sie es wohl schwerlich auf einen solchen Contract hin verlassen haben.«

»Es ist freilich immer hart für die armen Leute,« sagte der Deutsche, »wenn man bedenkt, daß sie eigentlich sechs Jahre hier für nichts gearbeitet haben sollen und dann noch das Gefühl mit sich herumschleppen müssen, bis über die Ohren in Schulden zu stecken. – Hattet Ihr Schulden in Deutschland, Behrens?«

»Nie einen Pfennig, Herr,« sagte Behrens, der mit zitternden Lippen seinem hier gefällten Urtheil gelauscht, aber auch nicht eine Sylbe dagegen eingewendet hatte. – Was half es ihm auch, – dort stand Alles schriftlich und sein eigener Name, von ihm selbst geschrieben unter dem Contract, – was war da zu machen? Sie waren verkauft und blieben verkauft; selbst der deutsche Herr konnte nichts dagegen thun. Und nicht einmal den Tod durfte er sich dabei wünschen, denn was sollte dann aus seinen Kindern werden.

»Ich dachte es mir,« nickte der Fremde. »Recht traurig das, – aber wissen Sie wohl, Senhor Almeira, daß Sie da ein gutes Werk thun könnten?«

»Ich, Senhor? Inwiefern?«

»Die Deutschen haben Ihnen doch, wie Sie selber sagen, wacker gearbeitet und sind eigentlich unschuldig an den vielen Mißfällen, welche Sie betroffen.«

»Ich habe ihnen auch nichts davon zur Last gelegt oder es sie entgelten lassen.«

»Sehr freundlich von Ihnen,« nickte der Fremde, »aber meiner Meinung nach würde es doch Zeit, daß sie jetzt einmal für sich selber anfingen, wenn sie nicht elend hier verkümmern sollen. Auch das heiße Klima dieser Gegend sagt ihnen nicht zu. Der Mann da gleicht eher einem Skelett, als einem lebenden Wesen.«

»Und was kann ich dazu thun?«

»Der Contract,« fuhr der Deutsche fort, »ist von schurkischen Agenten zusammengestellt; die armen Teufel, denen man noch obendrein hier in Brasilien goldene Berge versprach, glaubten ihrem Glück entgegenzugehen, und rannten dadurch in ihr Unglück. Die Mutter der Kinder, das jüngste Kind, ihre eigene Gesundheit haben sie dabei eingebüßt: lassen Sie es damit genug sein und geben Sie die armen Menschen frei.«

»Sie haben vortrefflich reden, mein bester Herr,« lachte Almeira, »aber so reich bin ich nicht, daß ich einen solchen Verlust aus meiner Tasche tragen könnte und möchte. Ich gebe zu, daß beide Theile unter dem Contract leiden, aber – ich glaube Ihr könnt jetzt gehen, Freund, – unsere Geschäfte sind so weit beendet, nicht wahr?«

Der Fremde nickte, und Behrens stand langsam auf, grüßte ehrfurchtsvoll und wollte dann die Veranda verlassen, als die Senhora plötzlich aufstand und rief: »Halt, Freund, – Ihr seid sehr angegriffen, – trinkt erst hier ein Glas Wein, das wird Euch gut thun.« Sie schenkte auch augenblicklich ihr eigenes Glas voll und reichte es ihm hin, und wenn auch Senhor Almeira gar nicht damit einverstanden schien, denn er sah ziemlich finster dabei aus, so hinderte er es wenigstens nicht. Er wußte außerdem recht gut, daß sich die Senhora nichts verbieten ließ.

Behrens kam in Verlegenheit, denn das war ihm noch nie in dem Hause geboten, aber er nahm das Glas, trank es langsam aus, stellte es wieder hin und dankte herzlich, hätte auch gern der jungen Frau die Hand gereicht, aber das wagte er nicht. Er fühlte, daß er jetzt hier überflüssig war, stieg mühsam die Treppe der Veranda hinab, und schwankte seiner eigenen Wohnung wieder zu.

 

Der Fremde war ein stiller aber aufmerksamer Beobachter der ganzen Scene gewesen; jetzt, als der Kranke den Platz wieder verlassen, sagte er freundlich: »Sie unterbrachen sich vorhin in Ihrer Rede, verehrter Herr; Sie wollten etwas sagen, was der – Alte da nicht zu hören brauche.«

»Es betrifft die Verhältnisse unseres Landes,« erwiderte Almeira gleichgültig.

»Und in wie fern, wenn ich fragen darf; so weit sie mit den Parcerie-Arbeitern in Verbindung stehen?«

»Wir können uns nicht verhehlen,« fuhr der Pflanzer fort, »daß in den nächsten Jahren diesem ganzen Reiche Veränderungen bevorstehen. Der in Nordamerika gegen die Sclaverei ausgebrochene Krieg, – wie sich nun auch das Resultat stellt, kann nicht ohne Folgen bleiben. Es giebt eine Partei, die immer nur von zertretenen Menschenrechten faselt und der einen Hälfte gerade die Rechte abstreiten möchte, die sie für die andere verlangt. Möglich, daß uns hier noch ein wirklicher Ausbruch auf lange Jahre hinaus erspart bleibt, möglich aber auch, daß er doch rascher eintritt, als wir jetzt denken, und was soll aus dem Land selber werden, wenn uns hier im Süden die Sclavenarbeit fehlt? Es müßte zu einer Wildniß werden.«

»Und deshalb sehen Sie in den Parcerie-Arbeitern einen einigermaßen nützlichen oder vielmehr völlig nothwendigen Ersatz?«

»Allerdings.«

»Und so wollt Ihr aus den armen verkauften Menschen Europas, die auf betrügerische Weise hierher gelockt wurden, weiße Sclaven machen?« frug die Französin, die selber mit äußerster Spannung der Auseinandersetzung gefolgt war.

»Es scheint allerdings so,« lächelte der Deutsche.

»Liebes Kind, das verstehst Du nicht,« sagte aber Senhor Almeira, »denn Euch Frauen läuft gewöhnlich das Gefühl mit dem Verstand davon. Thue mir auch die Liebe und mische Dich nicht in Dinge, die Dir so fern liegen.«

»Und doch nicht so fern, als Sie vielleicht glauben oder wünschen, Senhor,« rief die junge Frau, die sich in einer merkwürdigen Aufregung zu befinden schien. »Als ich Ihr Haus betreten –«

»Entschuldigen Sie mich,« sagte der Deutsche, rasch von seinem Sitz aufstehend, »ich möchte nicht Zeuge einer Familienscene sein, bei der ich nicht einmal unparteiisch bleiben könnte. Ich habe Alles erfahren, was ich zu erfahren wünschte, und wiederhole nur noch einmal die Frage an Sie, Senhor, wollen Sie die deutschen Familien, nachdem sie sechs Jahre für ihre Überfahrt gearbeitet, frei geben oder nicht?«

»Mein Herr,« rief nun aber auch der Brasilianer erbittert, »in thörichter Gutmüthigkeit bin ich bis jetzt auf Ihre Forderung eingegangen, den Arbeitern Auskunft über den Stand ihrer Angelegenheiten zu geben; ich muß mir aber jede weitere Einmischung in meine Verhältnisse auf das Ernstlichste verbitten. Wenn ich es an der Zeit halte, den Leuten die Erfüllung ihres Contractes zu erlassen, werde ich es thun, wünsche aber nicht von irgend Jemandem, wer es auch sei, dazu getrieben zu werden, und sehe außerdem – vor der Hand wenigstens – noch nicht die geringste Veranlassung dazu.«

»Dann habe ich die Ehre, mich gehorsamst zu empfehlen,« sagte der Fremde, »und nur Ihnen noch, gnädige Frau, muß ich herzlich für den Antheil danken, den Sie an dem Schicksal meiner armen Landsleute nehmen.«

»Bleiben Sie noch, Senhor,« sagte die junge Frau leidenschaftlich, »die Bande, die mich an dieses Haus knüpfen –«

»Senhora!« rief Almeira fast erschreckt aus.

Der Deutsche wartete aber keine weitere Erklärung ab. Er hatte seinen Hut aufgegriffen, und rasch die Veranda hinabeilend, trat er zu seinem Pferd, das an einem, in einen Orangenbaum geschlagenen Ring befestigt war, warf es los, schwang sich in den Sattel und sprengte dann, seinem Thier die Sporen einsetzend, die Straße hinab. Am Hause des Deutschen war es einmal, als ob er einzügeln wollte, aber er mußte sich eines Anderen besonnen haben, denn er verfolgte seinen Weg und war bald, auf einer Biegung der Straße, in dem dichten Laub der Bäume verschwunden.

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