Бесплатно

Ein Parcerie-Vertrag

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Viertes Capitel.

Die Abreise

Am nächsten Tag hatte Behrens und seine Familie alle Hände voll zu thun, um ihr weniges Eigenthum in Kisten zu packen. Behrens war an dem Morgen wieder zweifelhaft geworden was er thun sollte, denn die Warnungen des Doctors und selbst Herrn Frommann's Einwürfe fielen ihm wieder ein und ließen ihn fast die ganze Nacht nicht schlafen – aber das Gepäck mußte fort, der Agent hatte es ihm ja gesagt, wenn er nicht die ganze Fracht dafür bezahlen wollte, und wie wäre er das im Stande gewesen? Mußte er nicht sogar das mühsam aufgefütterte Schwein, seine paar Hühner und manches Andere verkaufen, um nur ein paar Thaler in die Hände zu bekommen und die nöthigsten Ausgaben damit zu decken?



Herr Frommann vom Gut ließ ihm die Sachen in die Stadt fahren, oder gab ihm vielmehr einen Rüstwagen und ein paar Pferde dazu, daß er es selber besorgen konnte, und Herr Kollboeker stand schon in der Thür und wartete darauf, besorgte auch sogleich, daß sie mit anderen, schon dort stehenden Kisten an den Bahnhof gefahren wurden. Er hatte einen besonderen Waggon für seine Güter genommen, die augenblicklich eingeladen und noch mit dem nächsten Zug befördert wurden.



Nach dem Contract frug ihn der Agent aber gar nicht wieder, das hatte Zeit und drängte nicht, denn jetzt waren ihm die Leute sicher genug. Ihr ganzes Gepäck hätten sie doch nie im Stich gelassen.



Behrens fuhr still und schweigend, ohne nur ein einziges Mal in der Stadt einzukehren, nach Groß-Emmen zurück, und scheute sich fast seine eigene Wohnung zu betreten, so wüst und leer sah es an dem Abend darin aus.



Nur die nothwendigsten Betten für das Kind hatten sie zurückbehalten; für die andere Familie war Stroh im Schlafzimmer aufgeschüttet worden, das ihm der Pachter ebenfalls geborgt. Es that ihm leid einen braven Arbeiter zu verlieren, denn er hatte Behrens immer gern gehabt, hütete sich aber auch wohl, ihm von dem, wie es schien fest gefaßten Plan abzureden, denn wäre es ihm später einmal schlecht gegangen, so hätte er sich am Ende gar, wenn auch noch so ungerechten Vorwürfen ausgesetzt, der Familie in ihrem »Glück« hinderlich gewesen zu sein. Es war das eine Sache, die Jeder mit sich selber ausmachen, aber dann auch selber vertreten mußte.



Den Freitag und Sonnabend hätte Behrens gern noch mit auf dem Gut gearbeitet, um wenigstens die paar Tage Lohn zu verdienen – aber es ließ ihm keine Ruh. War es, daß er jetzt ein paar Thaler in der Tasche hatte – war es das Gefühl, nun bald für immer von so vielen lieb gewonnenen Plätzen Abschied nehmen zu müssen, aber rastlos wanderte er am nächsten Tag von Fleck zu Fleck, bald hinaus auf das Feld, bald zum Schulmeister, bald zum Kirchhof, wo seine Eltern und ein vor drei Jahren gestorbenes Kind ruhten, und wohl eine volle Stunde lang saß er auf dem nächsten Hügel der das kleine Dorf überschaute, und blickte hinab auf die Häusergruppe mit ihren rothen Ziegeldächern, auf den alten Kirchthurm, die Pfarrwohnung und seine eigene kleine Hütte, in welcher er so viele, viele traurige Stunden, aber doch auch wieder manche glückliche verlebt, und gerade diese gingen jetzt an seinem inneren Geiste vorüber.



Am Feierabend kamen nachher viele der frühern Kameraden zu ihm, um mit ihm über Brasilien zu sprechen – er mußte es ja doch jetzt wissen, denn er ging hin in das weite, fremde Land; aber ihm selber war viel zu weh ums Herz, als daß er einem Andern hätte zureden mögen, einen gleichen Entschluß zu fassen; er blieb einsilbig und niedergeschlagen, und der Besuch ging unbefriedigt fort.



Es ist eigenthümlich, mit welcher fabelhaften Zähigkeit die menschliche Seele an alt Gewohntem hängt, und wir verlassen mit fast eben so schwerem Herzen einen Ort, in dem wir uns elend gefühlt, und aus dem wir uns tausend und tausend Mal hinausgesehnt, wie eine Stelle, die nur glückliche Erinnerungen für uns trägt.



Am nächsten Morgen ging Behrens noch einmal in die Stadt, um mit Herrn Kollboeker die genaue Abfahrtszeit zu besprechen und noch Manches über das fremde Land, und wie er sich besonders in der Seestadt zu benehmen habe, zu erfragen. So redselig Herr Kollboeker aber auch früher über Brasilien gewesen war, als es noch galt die Lust zur Auswanderung in dem Mann rege zu machen, so wenig Zeit hatte er jetzt sich mit ihm einzulassen.



»Mein lieber Freund,« sagte er, in seinem Comptoir zwischen einer Unzahl von Papieren herumkramend – »Sie kommen mir heute sehr ungelegen. Die Abfahrtszeit wissen Sie jetzt – Sie müssen Sonntag Morgen Punkt halb Zwölf spätestens hier am Bahnhof sein, denn um zwölf Uhr zwanzig geht der Zug. Auf Weiteres kann ich mich aber für jetzt nicht einlassen, denn ich habe bis zur nächsten Post noch einige zwanzig Briefe zu schreiben und zu dictiren.«



»Aber meinen Contract –«



»Den nehmen Sie mit nach Antwerpen. Dort am Bahnhof wird Jemand sein der Sie empfängt, und dort erfahren Sie auch Alles, was Sie zu wissen brauchen. Bitte, Meier, stellen Sie sich einmal dahin und schreiben Sie, damit wir das nur endlich fertig kriegen.«



Behrens ging; er sah ein, daß er den so sehr beschäftigten Herrn Kollboeker heute nicht stören dürfe. Er schüttelte den Kopf; der Mann war früher so herzlich und theilnehmend gegen ihn gewesen, und jetzt auf einmal so kalt und vornehm – aber du lieber Gott, er hatte wohl den Kopf voll – zwanzig Briefe – das war keine Kleinigkeit und er wußte recht gut, welche Mühe und Arbeit es seiner sonst in Allem so flinken Frau gemacht, wenn sie nur einmal einen einzigen hatte schreiben müssen.



Wie er die Straße langsam und traurig hinunterschritt, begegnete er dem Doctor, der ihn augenblicklich wieder erkannte.



»Heh?« sagte er, indem er stehen blieb, »ist das nicht unser Brasilianer? – Nun, wie ist's? Den Contract habt Ihr doch nicht unterschrieben?«



»Nein, Herr Doctor,« sagte der Mann, und wurde bis hinter die Ohren roth, – »ich kann's mir noch eine Weile überlegen.«



»Das ist gescheut,« nickte der alte Herr, »und noch gescheuter wär's, Ihr bliebet ganz hier, denn wenn sie Euch auch einen bessern Contract aufsetzen, so ist hier doch Deutschland und drüben Amerika, und was hier gilt, kann möglicher Weise dort drüben auch nicht einen Stecknadelknopf werth sein.«



»Ja« sagte Behrens mit einem Seufzer, »das ist wohl wahr. Nun ich soll ja aber in Antwerpen ganz genau erfahren, wie es damit wird.«



»In Antwerpen? – was wollt Ihr denn dort?«



»Ja da liegt ja das Schiff, und unsere Sachen sind schon voraus gegangen.«



»Eure Sachen habt Ihr schon fortgeschickt?« rief der Doctor in blankem Erstaunen aus, »und noch keinen ordentlichen und anständigen Contract in den Händen?«



»Der Herr Kollboeker meinte das hätte bis dort Zeit.«



»Natürlich,« nickte der Arzt, »weil sie Euch jetzt sicher genug in der Tasche haben, denn Ihr lauft ihnen nun nicht mehr fort. Na, dann glückliche Reise, Freund. Wer nicht hören will muß fühlen« und ihm zunickend ging er ärgerlich die Straße hinab.



Behrens schaute ihm verdutzt nach. »Wer nicht hören will muß fühlen,« hatte der alte Herr gesagt, – sollte er denn wirklich einen dummen Streich gemacht haben? – Und jetzt waren die Sachen fort. Er hatte allerdings keinen freien Willen mehr und mußte nach, und daß er von dort nicht wieder zurück konnte, war ebenso gewiß. Ein Gutes hatte aber dieser Zwang trotzdem: er war endlich die Zweifel losgeworden die ihn bis dahin immer noch gequält. Jetzt, nachdem die Würfel gefallen, half auch kein Überlegen und kein Grübeln mehr, und zum ersten Mal, als er weiter schritt, hob er trotzig und entschlossen den Kopf, denn er fühlte die Kraft in sich, seine Familie mit Fleiß und Ausdauer – wo es auch sei und unter welchen Verhältnissen, eben so gut – und jedenfalls besser durchzubringen wie hier im Vaterland. »Es hat einmal so sein sollen,« tröstete er sich, »der liebe Gott hat's gewollt, und der wird uns ja auch schon weiter helfen.«



Von jetzt an betrieb er das Nöthige vor der Abreise mit Ruhe und Besonnenheit, und nur als der Abschied wirklich heranrückte, und seine Frau bitterlich weinend auf dem Wagen saß, den ihnen Einer der Bauern zur Verfügung gestellt um die zum Gehen noch zu schwache Frau fortzubringen, da liefen auch ihm die Thränen an den wetterbraunen Wangen nieder.



Ja, wär es ein stürmischer, regnerischer Tag gewesen, ein wildes Wetter, wo die Windsbraut über die Felder jagte und düstere Wolken den Horizont beengten, Behrens hätte sich vielleicht leichter hineingefunden, – aber der helle, warme Sonnenschein, die Lerchen jubelnd in der Luft, Glockengeläute vom alten Kirchthurm nieder, neben dem er die theuren Gräber ließ, und freundliche geputzte Menschen um sich her, die ihm Alle zunickten und den davon Ziehenden mit den Tüchern nachwinkten. Das faßte ihm das Herz wie mit eisernen Zangen, und Wald und Sonnenschein, Heimath und Freundesgruß schwammen in seinen Thränen zusammen, während es ihm war, als ob bei dem Geläute der alten, lieben Glocken Alles noch einmal zu Grabe getragen würde, was er je in der Welt verloren.



Aber auch das wich von ihm, – weit in der Ferne verhallten die Töne, über das rauhe Straßenpflaster der Stadt rasselte der Rüstwagen, und fremde, geschäftige Menschen umdrängten ihn, als er den Bahnhof endlich erreichte und nun für sich und all die Seinen denken mußte. Da war keine Zeit mehr, sich dumpfem Brüten hinzugeben; Herr Meier, aus Kollboeker's Geschäft, hatte die Beförderung der Auswanderer überkommen und schleppte ihn bald da, bald dort mit hin, um zunächst das mitgeführte Reisegepäck, dann ihn selbst und die Seinen unterzubringen. Und nicht lange, so läutete die Glocke das Zeichen zur Abfahrt, – die Maschine pfiff, und fort wurden sie gerissen durch das weite Land, der unbekannten Ferne entgegen.



Aber wie fremd kamen sich die Armen schon hier im eigenen Vaterland vor, wie sie nur erst die Marken ihres heimischen Dorfes hinter sich hatten. Da war kein bekanntes Gesicht mehr, auf das ihr Auge fiel, kein menschliches Wesen, das sich um sie bekümmert hätte oder nach ihnen gefragt. Nur die Bahnbeamten schoben sie manchmal, wenn der Zug gewechselt wurde, da und dort hinüber, und wollten wissen, ob sie auch ihre Fahrbillette hätten; dann ging's weiter, immer weiter, in eine endlose Ebene hinaus, mit Dörfern und Wiesen und blauem Himmel wie daheim, aber doch so fremd Alles, so entsetzlich fremd.

 



Tag und Nacht fuhren sie so durch; die Kinder, die sich Anfangs über die Reise gefreut, wurden ungeduldig und fingen an zu weinen, das Kleinste schrie viel, und die Mitpassagiere ärgerten sich darüber und sprachen oder lachten auch wohl untereinander. Endlich stiegen Leute ein die eine ganz fremde Sprache redeten, und Canäle durchzogen das Land, das fast nur aus grünen Wiesen bestand, auf denen zahllose Heerden weideten, – und zuletzt erreichten sie eine große mächtige Stadt an einem Strom, so breit, wie die Deutschen noch gar keinen in ihrer Heimath gesehen, und von hieraus mußten sie nun auf dem großen Wasser fahren, vor dem sich die Frau im Stillen immer gefürchtet hatte.



Wie ihnen Herr Kollboeker daheim gesagt, sollten sie auch hier einen Mann treffen, der sich ihrer weiter annehmen und ihre Beförderung auf das Schiff besorgen würde; wie der sie aber aus der ungeheuren Menschenmenge, die da auf und ab wogte, herausfinden konnte, begriff Behrens nicht, und noch stand er, das jüngste Kind auf dem Arm, während sich die anderen um ihn und die Mutter drängten, auf dem Perron, und sah rathlos und scheu in das ihn umtobende Gewühl hinein, als ein junger, sehr elegant gekleideter Herr auf ihn zukam und freundlich sagte: »Familie Behrens aus Groß-Emmen?«



»Ja, du lieber Gott,« rief die Frau, ordentlich erschreckt, »woher wissen Sie denn das schon?«



Der junge Mann lächelte und während er – aber in einer Sprache, welche die Auswanderer nicht verstanden – einen der Packträger, der eine Nummer an der Mütze trug, herbeiwinkte, frug er Behrens nach seinem Gepäckschein, der Jenem übergeben wurde, und lud dann die Auswanderer ein mit ihm zu kommen, daß er sie in ein Wirthshaus führe, wo sie übernachten könnten, denn sie sollten erst morgen früh an Bord des Schiffes gebracht werden.



Die Frau wollte allerdings den Bahnhof nicht verlassen, ohne ihre Sachen mitzunehmen; der junge Fremde beruhigte sie aber darüber, und brachte sie auch endlich so weit, daß sie ihm folgten.



Von jetzt ab gingen die Deutschen wie in einem Traum herum, denn wenn auch noch in Europa, fanden sie sich doch in einer vollkommen fremden Welt, in der sie sich nicht zu rathen und zu helfen wußten. Da sahen sie rings um sich Menschen in einer anderen Tracht, die eine andere Sprache redeten, – selbst an den Häusern die Schilder konnten sie nicht lesen, und ordentlich erstaunt blieben sie stehen, als oben von dem einen Thurm ein Glockenspiel die Stunde anzeigte.



Glücklicher Weise brachte sie ihr Führer zu Deutschen, und forderte dann Behrens auf, mit ihm auf das Comptoir zu gehen, um dort ihre Angelegenheit zum Schluß zu bringen.



Behrens folgte ihm willenlos, und wenn er auch manchmal gern stehen geblieben wäre, um sich in den Straßen umzusehen, wo wunderliche Frauengestalten mit langen Strickstrümpfen und hohen Mützen in Holzpantoffeln vor den Thüren saßen, und mit einander erzählten und plauderten, ließ ihm sein Führer doch keine Zeit dazu.



Er hielt auch nicht eher, als bis sie wieder ein schmales, in der unmittelbaren Nähe des Strandes gelegenes Haus erreichten, an dessen Thür sich ebenfalls viele Schilder befanden, die Behrens aber auch nicht lesen konnte. Dort traten sie ein, und der arme Tagelöhner fand sich plötzlich in einem langen, wenn auch ziemlich schmalen Saal, in welchem wohl zwölf oder vierzehn Herren emsig schrieben und keine Seele sich um ihn bekümmerte. Dort wurde er hindurch geführt, ohne daß ihn auch nur Einer angesehen hätte, in ein anderes, kleines Gemach, in welchem kostbare Möbel standen und zwei ältliche Herren an ihren Pulten saßen.



Dem Einen von diesen meldete Behrens' Führer seine Ankunft, ohne daß der Herr aber nur den Kopf gehoben hätte, so war er in ein Papier vertieft, in dem er gerade las. Endlich sah er Behrens über seine Brille an, und ohne ein Wort zu sprechen, betrachtete er ihn wohl über eine halbe Minute, so daß der arme Teufel ganz verlegen wurde. Endlich sagte er auf deutsch, aber mit einem etwas fremdartigen Ausdruck: »Wo ist Euer Contract?«



»Hier, Herr,« erwiderte Behrens, und überreichte ihm das Papier, in das jener einen flüchtigen Blick warf.



»Ihr habt ja noch nicht unterschrieben.«



»Ja, sehen Sie – « sagte Behrens, und hätte jetzt gern noch einige Bedenklichkeit, über die er unterwegs gegrübelt, vorgebracht, aber es ging nicht. Erstlich fiel ihm nicht einmal gleich ein, was er eigentlich sagen wollte, und dann hatte der Herr vor ihm mit der grünen Brille, dem er nicht einmal in die Augen sehen konnte, so entsetzlich viel zu thun, daß er sich kaum mit ihm abgeben mochte. Der alte Herr ließ ihn aber auch gar nicht ausreden.



»Leben die Personen noch alle, die hier auf dem Papier stehen?«



»Wer?« frug Behrens erschreckt.



»Nun, all diese Familienglieder.«



»Gott wolle verhüten, daß Eines davon gestorben wäre,« rief der arme Mann, bestürzt die Hände über den Hut faltend.



»Und sind sie Alle mit Euch hierher gekommen?«



»Jawohl, – gewiß –«



»Gut – dann unterschreibt einmal den Contract. Ihr könnt doch schreiben?«



»Meinen Namen, ja.«



Der alte Herr erwiderte nichts weiter, – er trat einen Schritt zur Seite und reichte Behrens eine von den auf dem Pult liegenden Federn, die er vorher für ihn eintauchte, und Behrens setzte mit zitternder Hand und gar keine Widerrede mehr wagend, seinen Namen an die bezeichnete Stelle auf das Papier.



Der alte Herr sah ihm zu, nahm dann, als Behrens fertig war, das Document und streute blauen Sand über den frisch und etwas dick geschriebenen Namen, faltete es nachher zusammen und legte es auf sein Pult.



»Ja aber,« sagte Behrens etwas verwundert, »bekomme ich denn das Papier nicht wieder?«



»Das muß der Capitän haben, um zu sehen ob die Anzahl der Personen trifft,« sagte der alte Herr, »an Bord wird man es Euch nachher wiedergeben,« und als ob Behrens nicht weiter auf der Welt existire, drehte er sich von ihm ab, und beschäftigte sich wieder mit seiner früheren Arbeit.



Der junge Mann zupfte dabei Behrens am Ärmel, daß er ihm folgen möge, und Beide schritten wieder, ohne daß der Alte des Bauern Gruß erwidert oder nur bemerkt hätte, durch den langen Saal hinaus ins Freie.



Von jetzt an hatte Behrens aufgehört selbstständig zu handeln, und war einzig und allein auf die Hülfe fremder Leute angewiesen. Aber gutes kräftiges Essen bekamen sie wenigstens in dem Wirthshaus, wie es die Familie seit Jahren, vielleicht in ihrem ganzen Leben noch nicht gehabt. Eine gute Suppe, Fleisch im Überfluß, so viel sie davon genießen wollten, und was für ein herrliches Fleisch, und Kaffee mit Zucker und Weißbrod, ja sogar eine Flasche Wein ließ sich der junge Mann geben, der ihn dort hineingebracht und der viel anständiger aussah als Herr Meier, bei dem Auswanderungsagenten daheim – und schenkte Behrens ein großes Glas davon ein.



Es war jedenfalls ein neues Leben, das er damit begonnen hatte und wenn das so fort ging, konnte er recht wohl zufrieden damit sein. Trotzdem kam es ihm unheimlich bei den Fremden vor, denn wenn auch einzelne Leute in dem Haus deutsch miteinander sprachen, so unterhielten sie sich doch nur über Dinge, von denen er kein Wort verstand: von Schiffen, von Fracht und Ladung, von Havarie und anderen ähnlichen Sachen. Aber die Ruhe that ihm und den Seinen wohl, und wenn er sich auch nicht aus dem Haus hinausgetraute, weil er fürchtete, daß er den Rückweg nicht wieder finden würde, erfreute er sich der regelmäßigen Mahlzeiten und war sogar nicht böse darüber, als sie am nächsten Tag hörten, sie könnten noch nicht an Bord gehen, da das Schiff noch nicht ganz segelfertig sei, was ihren Aufenthalt in dem Wirthshaus um einige Tage verlängerte.



Es kam ihm wohl dabei einmal der Gedanke, daß er das, was er hier mit den Seinen bei seinem gar nicht selber verschuldeten Aufenthalt verzehrt habe, am Ende mit seiner Hände Arbeit würde wieder bezahlen müssen – aber er gab sich dem nicht lange hin. Sie waren einmal unterwegs, und jetzt mochte der liebe Gott weiter helfen.



Fünftes Capitel.

Auf See und an Land

Am dritten Tag kam endlich ein Wagen vor die Thür, der ihre Sachen abholen sollte. Es standen schon eine Anzahl großer unbehülflicher Kisten darauf, wie sie die Deutschen gewöhnlich mit in ein fremdes Land schleppen, und dann, an Ort und Stelle angekommen, nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Dem Wagen folgten sie zu Fuß – Geld wurde ihnen dabei im Wirthshaus gar nicht abverlangt. Der junge Mann aus dem Geschäft kam nur wieder, ließ sich die Rechnung geben, dann begleitete er sie selber zu einem kleinen Dampfer, der bestimmt war sie an Bord ihres Schiffes zu bringen, das schon weiter unten im Strom, in der Schelde lag.



Von da an kamen sie eigentlich nicht mehr recht zu sich selbst; denn wie sie nur das breitere Wasser erreichten und das Schiff an zu schaukeln fing, waren sie kaum im Stande ihr Gepäck zurecht zu rücken und sich selber in ihrem Schlafplatz auf die ausgebreiteten Betten zu werfen. Dann wurden sie krank und behielten nichts als das Gefühl ihres Elends viele Tage lang.



Es war auch in der That eine böse Fahrt, bis sie den Canal hinter sich hatten. Mit kleinen Segeln, bei einem ziemlich heftigen Nordostwind, fuhr das Schiff aus der Schelde hinaus und draußen wehte schon an dem nämlichen Abend ein fliegender Sturm und peitschte die See zu Schaum. Die Wellen schlugen über Deck, und das rasche Laufen der Matrosen auf den Planken, die laut geschrieenen Befehle ängstigten die unglücklichen Passagiere nur noch mehr. Aber der Sturm hatte wenigstens in so fern sein Gutes, daß er das Fahrzeug rasch hinaus aus dem gefährlichen Wasser des Canals und in die offene See hineinfegte. Dort ging die See allerdings noch hoch, aber der Wind ließ doch nach und die Wellen beruhigten sich allgemach; ja es trat sogar am sechsten Tage – wie das nach einem sehr heftigen Unwetter häufig der Fall ist, Windstille ein, und als sich die See glättete und die halbtodten Passagiere an Deck hinaufschwankten, um zum ersten Mal wieder frische Luft zu schöpfen, waren sie aus Sicht von jedem Land und schwammen draußen auf dem weiten, öden Meer.



In dem ruhigen Wetter erholten sie sich aber rasch; der Körper hatte sich auch indessen an das Schaukeln gewöhnt und der so lang vollständig vernachlässigte Magen verlangte sein Recht. Auch Bekanntschaft konnten die Reisegefährten jetzt unter einander machen, denn bis dahin hatte sich Keiner um den Anderen bekümmert.



Es waren noch viele Familien an Bord aus allen Theilen Deutschlands, auch eine Menge junges Volk, und Behrens erkannte zu seinem Erstaunen gerade einen Theil der Burschen wieder, die er damals hatte, mit buntem Schmuck an den Hüten, durch die Stadt ziehen sehen, und die so übermüthig und keck gewesen waren. – Aber lieber Gott, wie traurig und niedergeschlagen sahen sie jetzt, nach der überstandenen Seekrankheit, aus, wie bleich und hohläugig, und nie im Leben würde er aus diesen Jammergestalten die rothbackigen munteren Gesellen von damals wiedererkannt haben, wäre es nicht eben an dem bunten Flitterputz gewesen, den sie noch an den freilich zerknitterten und arg mitgenommenen Hüten trugen. Sie sangen und jubelten auch nicht mehr; ineinander gebrochen saßen sie an Deck umher, und es brauchte Tage lang, bis sie sich nur in etwas wieder erholen konnten.



Besonders viel Familien waren an Bord und eine wahre Unzahl von kleinen Kindern – und alle wollten nach Brasilien, alle hatten ähnliche Contracte unterzeichnet wie Behrens und trugen die Herzen voller Hoffnung dem fremden Land entgegen. Hier war auch Niemand, der sie mit Sorge oder Verdacht erfüllt hätte; kein Mensch, der von unvollständigen oder zweideutigen Contracten oder von schlechten Bedingungen sprach. Die alte Welt lag hinter ihnen, mit ihren pedantischen Ansichten und kleinherzigen Rücksichten, und was sich vor ihnen ausbreitete, war ein neues frisches Leben voller Glanz und Sonnenschein.



Sonderbar nur, daß Keiner der Passagiere angeben konnte wohin er ging. Es fiel ihnen jetzt allerdings auf, wo sie sich darüber untereinander aussprachen, daß Keiner von Allen noch einen bestimmten Platz wußte, und eigentlich nur das Wort »Brasilien« der Sammelpunkt war, den sie sich bis dahin gedacht – aber wo in Brasilien würde ihr künftiger Aufenthalt sein?



Einer der Passagiere, ein wunderlicher Kauz mit einem ganz jungen frischen Gesicht, aber schneeweißen Haaren und einem eben solchen Barte, hatte eine Karte mit und schien auch einen ungefähren Begriff von Geographie zu haben. Er zeigte ihnen das brasilianische Kaiserthum und berechnete ihnen die ungefähre Größe des gewaltigen Reiches nach den angegebenen Graden.

 



Auch den Hafen fanden sie darauf angegeben, nach welchem sie bestimmt waren; aber nicht alle Passagiere gingen dorthin. Einige sollten nach Bahia, Andere nach Mucury geschafft werden, und man vermuthete natürlich, daß das Schiff an den verschiedenen Punkten anlegen werde, wenn diese auch ziemlich weit von einander entfernt lagen.



Und wie es in dem fremden Lande werden würde? – Keiner der Auswanderer hatte auch nur eine Ahnung davon, aber Alle soviel von dem herrlichen Klima und den paradiesischen Früchten gehört, daß sie die Zeit kaum erwarten konnten, in welcher sie den Platz erreichen, und Alles an Ort und Stelle selber sehen würden.



So verträumten sie die Tage, mit Hoffnungen und Plänen, in die ihnen Niemand einen Mißton bringen konnte, und da auch von jetzt an warmes und freundliches Wetter mit günstigem Winde einsetzte, scheuchte der blaue Himmel selbst die letzten Sorgen fort.



Eigenthümlich war, daß sämmtliche Passagiere ihre »Contracte« hatten in Antwerpen abliefern müssen, und wenn auch gar nichts in denselben stand, was die Arbeitgeber im Geringsten hätte gegen sie, die Arbeiter binden können, so hängt doch der Deutsche nun einmal mit merkwürdiger Zähigkeit an etwas Schriftlichem, und wiederholt waren die Gesuche an den Capitän gewesen, ihnen die Papiere zurückzugeben.



Anfangs hatte dieser nur einfach gesagt, sie müßten erst eingetragen werden, und das hätte noch Zeit, denn sie blieben noch eine lange Weile zusammen auf der See, dann mischte sich aber auch noch ein anderer Mann hinein – ein langer, magerer Herr, den sie bis dahin nur für einen Cajütspassagier gehalten, der ihnen aber erklärte, daß er der Supercargo des Schiffes und Bevollmächtigter des Hauses in Antwerpen wäre. Dieser erklärte ihnen – nachdem sie etwa vier Wochen in See waren – daß die Contracte erst Jedem ausgeliefert würden, wenn sie an Land kämen, um sich bei ihren neuen »Brodherren« zu legitimiren. Hier auf See brauchten sie dieselben doch nicht, und sie könnten nur vielleicht verloren gehn, was nachher die größte Verwirrung herbeiführen würde.



Das blieb der einzige Bescheid den sie erhielten, und sie mußten sich, wohl oder übel, damit begnügen.



Wieder vergingen vierzehn Tage; der Wind war ihnen günstig, denn sie hatten jetzt lange die nordöstlichen Passate erreicht, die sie der neuen Heimath entgegenführten, aber diese wehten außerordentlich schwach und sie machten wohl steten aber doch ziemlich langsamen Fortgang. Endlich – endlich bekamen sie das erste Zeichen, daß sie sich wirklich dem Festland näherten, denn das Loth oder Senkblei wurde geworfen, um zu sehen ob sie Grund fänden, da sich an vielen Küsten, besonders an den amerikanischen, die Entfernung des Landes ziemlich sicher und genau nach der Tiefe des Meerbodens beurtheilen läßt, die man findet.



Zwei Tage später rief der Mann, der Morgens mit Tagesanbruch in den Top gesandt wurde: Land! Wenn die Passagiere aber auch sämmtlich an Deck standen und dort hinüber schauten, konnte doch Keiner von ihnen auch nur das Geringste entdecken, was ihrer Vorstellung von Land nur einigermaßen entsprach. Da waren keine Berge noch bewaldete Höhen zu entdecken, keine Städte noch Dörfer, und wo da Land sein sollte, wußte Keiner von ihnen. Nur am westlichen Horizont bemerkten sie endlich, nachdem ihnen der Steuermann drei oder viermal die Stelle gezeigt, einen lichtblauen niedrigen Streifen, der aber auch eben so gut eine Wolke sein konnte, so dicht lag er auf dem Wasser, und so vollkommen verschmolz er mit dem überdies dunklen Rand des Horizonts, der sich stets gegen den blauen Himmel abspiegelt. Aber die Brise war ihnen günstig. Je weiter sie dabei nach Westen vorrückten, desto mehr hob sich der Rand in die Höhe, und gegen Mittag konnten Alle schon die Abzeichnung der Bergcontouren erkennen, die immer deutlicher hervortraten und höher wurden.



Trotzdem segelten sie den ganzen Tag noch dagegen an, ohne es zu erreichen, und erst mit einbrechender Nacht sahen sie ein helles, funkelndes Licht von dort herüberglimmen, – den Leuchtthurm, der ihnen die Stelle kündete, wo sie anzufahren hatten.



Und alle Passagiere standen in der wunderbar schönen milden Nacht an Deck und schauten nach dem Licht hinüber, das ihnen von der brasilianischen Küste entgegen funkelte, und welc

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»