General Franco

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Plötzlich erwachte nun ein wunderliches und wildes Leben in Bodegas und vorzugsweise dort vor einem der größeren Gebäude, das früher der Regierung gehört hatte und jetzt zur Kaserne umgeschaffen war. Die Trompeter, von denen Franco eine außerordentliche Menge mit sich führte, riefen das Volk zusammen, alle nur irgend verfügbaren Boote und Flöße wurden herbeigebracht, um die Leute über den Fluß zu setzen, und kaum eine halbe Stunde später kreuzten die ,,Tapferen" den Strom, um sich jenseits wie die Heuschrecken über die freundlich gelegene Ansiedelung des Rebellengenerals hinzustürzen.

Kaum hatten sie, am Ufer angelangt, gehört, wie der Befehl lautete, als sie nicht einmal das Commandowort „Marsch!" abwarteten, sondern in einem wahren Wettlauf auf das etwa achtzig Schritt vom Ufer stehende Haus zustürmten und sich durch die verschiedenen Räume zerstreuten.

Jede zufällig verschlossene Thür wurde erbrochen, Alles für gute Beute erklärt, was nicht Niet- und nagelfest war, /31/ und zuletzt, vielleicht aus Aerger, daß der Raub doch nicht so reich ausgefallen war, als man erwartet hatte, zerschlug die wilde Rotte in rohem Uebermuth die Glasscheiben des ersten Stocks und schleuderte diese, unbekümmert um die eigenen bloßen Füße, sammt ihren Rahmen in den Garten hinab. - Franco, der mit einem vergnügten Lächeln der Verwüstung zugesehen, winkte jetzt sein Boot heran, um wieder nach der Stadt und seinem Quartier überzusetzen. Einer seiner Stabsofficiere blieb mit dem Auftrag zurück, die Unterbringung der Leute zu beaufsichtigen und so viel als nöthig neue Baracken aufzuschlagen.

Die Bewohner von Bodegas waren von ihren Häusern aus stille, aber nichts weniger als theilnahmlose Zeugen von dem Vandalismus gewesen, womit die Villa des allgemein geachteten und verehrten Flores behandelt wurde. Aber was konnten sie thun, als zähneknirschend zuschauen? Eher mußten sie sich noch Glück wünschen, daß Franco ihre eigenen Wohnungen mit einem ähnlichen Verfahren verschonte.

General Franco landete indessen wieder, dicht vor seinem Quartier, zu dem er in einer nicht unbeträchtlichen Erhitzung hinaufstieg. Es war sehr schwül, und er hatte dem „Staatsdienst" ein außergewöhnliches Opfer durch seine heutige Anstrengung gebracht - es wurde Zeit, daß er sich jetzt auch dafür die Belohnung in Ruhe und Vergnügen holte.

Die hohe und schmale Treppe mußte er freilich noch hinaufsteigen, dann aber erwarteten ihn auch oben an den Stufen schon die Töchter der Señora Buscada: Celita und Teresa, die ihn hatten kommen sehen, und führten ihn in das Zimmer, wo Doctor Ruibarbo noch immer mit einer wahrhaft rührenden Geduld und Ausdauer sein Geld in Monte an die alte Dame verlor, die aber ihr Spiel selbst nicht unterbrach, als der General das Zimmer betrat.

Anders dachte der Doctor über eine solche Nichtbeachtung des Höchstcommandirenden, der als unumschränkter Herrscher in dem ganzen südlichen Theil der Republik gebot. Er legte die Karten hin, machte dem General eine tiefe Verbeugung und sagte mit seinem freundlichsten und gewinnendsten Lächeln: „Excellenz, ich schätze mich glücklich, Sie am ersten Rast- /32/

tage Ihres Siegeszuges begrüßen zu können, und muß nur um Entschuldigung bitten, wenn ich Ihnen gleich mit einer Bitte nahe."

„Guten Morgen, Doctor," sagte der General, ihm zunickend, während er seinen Hut abnahm und die Uniform aufknöpfte. Er befand sich hier „zu Hause", was brauchte er Umstände zu machen. - „Nun, was haben Sie schon zu bitten?"

„Nur eine Kleinigkeit. Excellenz wissen, daß ich ein Haus in Quito besitze."

„Aha - ich soll Ihnen keine Einquartierung hineinlegen," rief Franco mit einem widerlichen Kichern.

„Gerade das Gegentheil, Excellenz," beharrte aber der geschmeidige Ecuadorianer. „Ich möchte eben darum bitten, daß Eure Excellenz, sobald Sie die Hauptstadt genommen haben - was hoffentlich in spätestens vierzehn Tagen der Fall sein muß, denn das Land wird Sie mit Jubel begrüßen - gerade mein Haus als das Ihrige betrachten, um darin zu schalten und zu walten, wie Sie es für gut finden. Ich stelle es ganz und ausschließlich zu Ihrer Disposition."

„Sehr verbunden, Doctor," sagte der General und blinzelte ihn mit seinen kleinen, verschmitzten Augen an, „aber Sie wissen doch wohl, daß ich das mit allen Häusern in Quito so machen werde - vorausgesetzt nämlich, daß mir die Stadt nicht bis Latacungo eine Deputation entgegenschickt und um Gnade bitten läßt. Nur in dem Fall," setzte er mit einer

halb spöttischen Verbeugung hinzu, „werde ich von Ihrer Güte Gebrauch machen können."

„In dem Fall rechne ich fest darauf," erwiderte der Doctor, ohne sich außer Fassung bringen zu lassen, „denn die Quitener -"

„Sind Sie nicht selber in Quito geboren?" unterbrach ihn der General.

„Leider," bejahte achselzuckend der Doctor, „und muß jetzt an meinen Landsleuten erleben, daß sie dem milden Scepter Eurer Excellenz mit Waffengewalt zu trotzen wagen."

„Beunruhigen Sie sich nicht darüber," versetzte Franco, „wir werden mit diesem Starrsinn fertig werden, und – da /33/ fällt mir ein - Sie selbst hätten die beste Gelegenheit, Ihren Landsleuten einen Besuch abzustatten, wenn Sie als Militär- oder Oberarzt in meine Armee eintreten wollten. Wir brauchen tüchtige Kräfte, und es bietet sich Ihnen da eine vortreffliche Stellung."

„Excellenz sind zu gnädig," sagte der Doctor, dem das Anerbieten so unerwartet wie unerwünscht kam, „und ich würde mit einer wahren Wonne diese Gelegenheit ergreifen, mich nicht allein Ihrer Sache, sondern vielleicht auch Ihrer Person nützlich zu machen, wenn ich -"

„Nun? - wenn ich?" fragte lauernd der General.

„Nur die geringsten Kenntnisse von Chirurgie besäße," fuhr der Doctor gelassen fort, der nicht um die Antwort verlegen war. „Ich schmeichle mir ein ziemlich guter Arzt zu sein, aber - nur für innere Leiden und Curen. Die wenigen Versuche, die ich bei Verwundungen - besonders einmal bei einer Amputation - machte, sind so unglücklich ausgefallen, daß ich mir fest vorgenommen habe, das Leben meiner Mitmenschen nicht wieder durch meine Ungeschicklichkeit in Gefahr zu bringen."

„Das ist unendlich liebenswürdig von Ihnen," sagte der General trocken. „Aber wir langweilen die Damen mit unserer Unterredung. Donna Celita, ich habe Ihnen noch nicht einmal mein Kompliment über Ihr gutes Aussehen gemacht, das sich seit heute Morgen wesentlich verbessert hat. Donna Teresa, dürfte ich Sie um etwas zu trinken bitten? Aber, Señora, wir haben Ihr Spiel gestört - wenn Sie gestatten, nehme ich ein wenig Theil daran - bitte, behalten Sie Platz, Doctor. - Das war ein verwünscht anstrengender Tag heute, und Ihr Landsmann hat uns warm gemacht."

Der Doctor biß, mit einer tiefen Verbeugung, die Zähne zusammen, aber sein Gesicht bewahrte unverändert das freundlichc, glückliche Lächeln, mit dem er sich mit Allem, was der General auch sagen mochte, vollkommen einverstanden zu zeigen schien. - Dann setzten sie sich zum Spiel.

So rückte die Mittagszeit heran, und der General zog sich auf das Zimmer zurück, um seine gewöhnliche Siesta zu halten, /34/ die aber heute, da er ungewöhnlich viel getrunken hatte, auch verhältnißmäßig ausgedehnt wurde.

Die Sonne neigte sich schon ihrem Untergange und die Luft begann sich abzukühlen, ehe Juan, General Franco's Diener, ein kleiner geschmeidiger Mulatte - und, wie das Gerücht ging, sein eigener außerehelicher Sohn - die zahlreich im Vorzimmer, d. h. auf dem großen Hausflur, wartenden Ordonnanzen und Unterofficiere anmelden konnte, denn in seiner Siesta hätte er den General nicht stören dürfen. Ihrer Abfertigung stand aber dann auch nichts mehr im Wege und sie erfolgte sehr rasch und summarisch. Franco war kein Freund von Umständen und von einem weitläufigen oder gar rücksichtsvollen Verfahren. Er gab seine Befehle, und damit basta - wer sie erhielt, hatte dafür zu sorgen, daß sie ausgeführt wurden. Ungehorsam oder Nachlässigkeit ließ er manchmal bei einem gemeinen Soldaten ungestraft passiren - nie bei einem Officier. Dadurch gerade machte er sich bei seinen Schaaren beliebt.

Die tollsten Gerüchte durchliefen indessen die Stadt - denn von dem heute Hingerichteten sprach schon kein Mensch mehr - daß Franco nämlich am nächsten Morgen nach Quito aufbrechen wolle und Flores ebenfalls mit einer Armee unterwegs sei - daß der Usurpator eine „Flotte" an der Küste hinaufgesandt habe, um das ganze Westufer zu besetzen und von dort aus ebenfalls ein Corps nach Jbarra zu schicken - daß in Guajaquil ein Aufstand ausgebrochen wäre und ein dort liegendes peruanisches Kriegsschiff die Stadt in Brand geschossen habe, und tausend andere theils unglaubliche, theils unmögliche Dinge - die Zeit wenigstens in Betracht gezogen, in der sie ausgeführt sein konnten, denn sonst hoffte man allerdings die Erfüllung des einen Theils derselben und fürchtete die des andern.

Etwas Wichtiges konnte aber nicht vorgefallen sein, denn wenn auch Franco heut Abend Depeschen in einem von vier Soldaten geruderten Boot nach Guajaquil schickte, so zeigte er sich doch auch bald in Person auf der Straße, besuchte Kaffeehäuser, besichtigte die Kaserne und lachte und plauderte unbefangen mit den ihm begegnenden Officieren. /35/

Es ist etwas Wunderbares um die sogenannten „Gerüchte", die oft auftauchen, ohne daß man im Stande wäre, ihrem ersten Ursprung nachzuforschen, und doch nur in sehr seltenen und Ausnahmefällen sich als vollkommen aus der Luft gegriffen erweisen.

Flores rüstete in der That in Quito, um gegen den Usurpator zu marschiren - an der Westküste hatten die Franco ergebenen Gouverneure Soldatenbanden herumgeschickt, um die ruhigen Strandbewohner einzuschüchtern und Rekruten auszuheben. Vor Guajaquil lagen zwei peruanische Kriegsschiffe mit dem ausdrücklichen Auftrag des Capitains, zur Verfügung des Präsidenten Franco zu bleiben, und in der Stadt war allerdings ein Complot entdeckt worden, sich des Platzes zu bemächtigen und das quitenische Triumvirat der drei Direktoren, welche die einstweilige provisorische Regierung bildeten, auszurufen. Es war aber verrathen worden, und zwar zum Glück der Stadt, denn ohne eine Armee zur Deckung hätten die wenigen waffenfähigen und waffenlnstigen Bürger den offenen Hafenplatz doch nie im Leben halten können. Franco wußte das und hegte nicht die geringste Besorgniß von daher, aber während er seine Maßregeln traf, um die Unruhigen unschädlich zu machen, konnte er sich auch nicht verhehlen, welche Stimmung über ihn selbst im Süden des Reichs herrschte. Er war nirgends geliebt, nur gefürchtet, und eine eigene boshafte Schadenfreude zuckte über sein ohnedies unheimliches Antlitz, wenn er sich überlegte, wie blutig er die Verräther bei seiner Rückkehr nach Guajaquil züchtigen wolle.

 

4.

Der quitenische Officier.

Fortunato hatte an jenem Morgen das junge Mädchen in einer Art Verzweiflung von dem vermeintlichen Opfer fort-/36/gezogen, denn ihre Einmischung drohte nicht allein seinen ganzen menschenfreundlichen Plan, sondern auch seine eigene Sicherheit zu gefährden. Espinoza selber kam ihm aber dabei zu Hülfe.

Wie durfte und konnte der Verurtheilte, rings umgeben von Franco's wilden Horden, auf Rettung hoffen! Das Trostwort jenes ihm fremden Officiers - wie konnte der ihm helfen? Nur die letzte Stunde - den letzten qualvollen Augenblick hatte er einem Kameraden erleichtern wollen, das war Alles, und Jacinta konnte er nicht länger leiden sehen, ihren Jammer wenigstens wollte er abkürzen. Armes Mädchen, so hatte sie ihn doch geliebt, während er einem andern Herzen - einer zauberisch schönen Gestalt - die Liebe dieses treuen Wesens zum Opfer brachte. Aber er sollte ja auch dafür büßen. Dort standen seine Henker, die Gewehre im Anschlag. Fast ohne Bewußtsein dessen, was er that, kniete Espinoza nieder und bot die entblößte Brust den gegen ihn gehobenen Rohren. Das Commandowort erscholl - er sah den zuckenden Blitz der abgefeuerten Gewehre, fühlte einen betäubenden Schlag und sank bewußtlos in den von seinem Blut gerötheten Sand.

Was weiter mit ihm vorging, wußte er nicht - nur wie in einem halben Traum hörte er die dicht über ihm geflüsterten Worte einer leisen Stimme: „Haben ihn die Halunken doch umgebracht?" Dann lag er in voller todähnlichen Ohnmacht, bis er seine Schläfe und Pulse gerieben fühlte und sich, als «r die Augen aufschlug, in einem unbekannten düstern Raum, von fremden Leuten umgeben sah.

„Gott sei Dank, er lebt!" schlug ein fröhliches Jauchzen an sein Ohr, und als er bestürzt und fragend um sich schaute, schlangen sich ein paar weiche Arme um seinen Nacken. „Jacinta!" wollte er hervorstöhnen, als die Lippen des Mädchens ihm den Mund verschlossen, während ihre heißen Thränen seine Wangen netzten. Neben ihr aber stand jener Officier in der verhaßten Uniform des Usurpators und sagte kopfschüttelnd:

„Ein einziges Gewehr von allen neun Mann war geladen, und ich bin fest überzeugt, daß der Träger desselben ein ganzes /37/ Balsahaus unter zehn Schüssen auf zwanzig Schritt neunmal fehlen würde, und doch ist Ihnen seine Kugel um kaum eines Messerrückens Breite am Leben vorbeigegangen. Aber er hat mehr Nutzen als Schaden damit gestiftet, denn ich bezweifle sehr, ob Sie Ihre Rolle als Todter nach der Salve ohne den etwas rauhen Kugelgruß so vortrefflich gespielt haben würden, wie es unter diesen Umständen der Fall gewesen."

„Aber was ist mir geschehen?" frug Espinoza, der sich noch immer nicht in seine Lage denken konnte.

„Was mit Ihnen geschehen ist?" rief Fortunato, „nichts weiter, als daß Sie standrechtlich und in aller Form verurtheilt und erschossen sind und bei der Gelegenheit einen Streifschuß am Kopf erhalten haben, der uns die Arbeit, Sie gleich einem Leichnam fortzuschaffen, außerordentlich erleichterte."

„Und jetzt? -"

„Müssen Sie sich bis nach Dunkelwerden versteckt auf dieser Balsa halten," erklärte Fortunato, „dann aber setzen Sie sich auf ein Pferd, das ich Ihnen bis dahin durch einen zuverlässigen Diener schicken werde, und machen - wenn Sie gutem Rath folgen wollen - daß Sie so rasch als irgend möglich in die Berge -kommen. Einmal sind Sie dem kleinen Tyrannen Franco entgangen - das zweite Mal möchten Sie nicht mit einem leichten Fleischritz am Kopf davonkommen,"

„Aber wer sind Sie?" rief Espinoza erstaunt, „der solchen Antheil an einem Fremden nimmt, um sein eigenes Leben an seine Rettung zu wagen?"

„Ein Hauptmann bei den Frauco'schen Tiradores," sagte der junge Mann lächelnd, indem er militärisch grüßte; „aber," setzte er rasch und ernsthaft hinzu - „nehmen Sie einen andern Begriff von uns mit nach Quito hinauf, als daß Sie glauben sollten, wir Officiere hier wären mit der blutgierigen und rücksichtslosen Grausamkeit des Generals in allen Stücken einverstanden."

„Aber weshalb, um Gottes willen, bleiben Sie dann bei der Fahne, bei den Schaaren des Usurpators," rief Espinoza, „die unser schönes Vaterland verwüsten und deshalb alle /40

stehen soll. Sind Sie klug, so halten Sie sich dann selbst in Guaranda nicht auf, denn in kürzester Frist werden wir mit dem Heere dort sein und - unsere Spione sind uns schon vorausgegangen."

Das junge Mädchen hatte ihre Mantille fester um sich her gezogen. Sie zauderte keinen Augenblick, der Aufforderung Folge zu leisten. So gewaltsam aber Jacinta auch ihr Gefühl in jenem ersten Moment übermannt hatte, wo sie den Todtgeglaubten lebend, athmend - gerettet vor sich sah, so schüchtern, so zurückhaltend zeigte sie sich jetzt.

„Adios, Benito," flüsterte sie Espinoza zu, indem sie ihm die Hand entgegenstreckte. ,,Gott schütze Ihren Weg und führe Sie sicher aus der Gewalt Ihrer Feinde - Jacinta wird für Sie beten - heute und immer, und - wenn wir uns im Leben nicht mehr begegnen sollten, so - denken Sie wenigstens manchmal freundlich an die arme Jacinta - der Himmel sei mit Ihnen."

„Jacinta," rief Espinoza und streckte die Arme nach ihr aus, aber das Mädchen entzog sich ihm und glitt wie ein scheues Reh aus dem Haus, um im nächsten Augenblick draußen in den Uferbüschen zu verschwinden.

„Jacinta!" wiederholte Espinoza, von der raschen Flucht bestürzt, und machte eine Bewegung, als ob er ihr folgen wolle. Fortunato ergriff seinen Arm und sagte stündlich:

„Lassen Sie das Kind, Kamerad - es ist das Beste, was sie thun kann, denn ihr treues Herz denkt nur an Ihre Sicherheit, nicht an sich selber. Jetzt aber, da sie fort ist, noch ein Wort über jene Senorita in der Stadt, Celita Buscada, für die Sie im Begriff waren die arme Jacinta zu opfern."

„Und was soll's mit ihr?"

„Weiter nichts," sagte der Hauptmann mit Nachdruck, „als daß sie eine abgefeimte, herzlose Kokette ist - halt, Kamerad - ruhig Blut. Ich erzähle Ihnen nicht blos Gerüchte wieder, die ich in der Stadt gehört und die eben so gut falsch und erdichtet sein könnten, sondern ich spreche aus Erfahrung, denn, damit Sie es nur wissen, Donna Celita /41/ war auch schon einmal - meine Braut - wenn Sie das vielleicht überzeugen kann."

„Ihre Braut?"

„Nach allen Regeln bürgerlicher Sitte, denn wir hatten- die Ringe gewechselt und ein solennes Verlobungssouper in Guajaquil genossen. Señora Buscada aber, die - was man ihr lassen muß - die Augen offen hält, wo es ihren eigenen Vortheil oder den der Ihrigen gilt, und die sich Gott weiß aus welchem Grunde eingebildet hatte, daß ich steinreich wäre, kam bald dem Gegentheil auf die Spur. Meine liebenswürdige Celita verlangte nämlich eine Unmasse von kostbaren Geschenken und entwickelte eine solche Leidenschaft für Diamanten und ähnliche Spielereien, daß ich ihr geradezu gestand, ich hoffe sie als ihr Gemahl von meinem Sold anständig ernähren zu können, aber zu solchen theuren Liebhabereien reiche meine Kasse lange nicht hin. Damit war dem Faß der Boden ausgestoßen. Celita fand in Kurzem, daß sie - was sie anfangs nicht für möglich gehalten - doch vielleicht im Stande sein würde, ohne mich leben zu können; außerdem machte ihr gerade in der Zeit ein junger, sehr reicher und sehr splendider englischer Marineofficier den Hof, und die Mama hielt es für passend, den Moment zu benutzen und mir in einer geheimen Konferenz zu gestehen, sie glaube nicht, daß mich Celita glücklich machen könne, deshalb sei es heilsamer für mich, ich träte zurück. - Seitdem hat die junge Dame ihre Liebhaber noch ein paar Mal gewechselt, und ganz natürlich, denn Liebhaber sind, wie sich nicht leugnen läßt, überhaupt eine Liebhaberei und Donna Celita ist, was sich ebenfalls nicht leugnen läßt - ein sehr interessantes und pikantes Mädchen, aber - ein Herz hat sie nicht, Kamerad, und daß Sie ein treues Gemüth, ein liebes Mädchen jener grundfalschen Dame wegen von sich stoßen sollten, das mögen Sie mit Ihrem Gewissen berathen."

Espinoza hatte in zitternder Spannung dem Bericht gelauscht, und kaum hörbar stahlen sich ihm die Worte über die Lippen: „Und wer sagt Ihnen, daß sie mich nicht in diesem Augenblick beweint?"

„Wer mir das sagt?" lachte Fortunato, „Companero, /42/dazu brauche ich keinen Argus. Meinen Hals wollte ich gegen eine Flasche Champagner wetten, daß sie in diesem Augenblick mit Ihrem Mörder, dem kleinen Mulattengeneral, kokettirt, denn Señora Buscada ist, wie gesagt, eine gescheidte Frau, und Franco, der „Sieger Ecuadors", liegt nicht zum ersten Mal zu den Füßen Ihrer Angebeteten und - wohnt jetzt nicht umsonst in deren Hause."

„Franco?"

„Seine Excellenz," bestätigte Fortunato. „Doch nun zum Abschied, Kamerad. Also verlassen Sie diese Balsawohnung unter keiner Bedingung vor Nacht. Ihr Leben hängt davon ab. In dem kleinen Gemach nebenan haust ein alter, mir vollkommen ergebener Quitener - ihm dürfen Sie vertrauen, und er wird Ihnen bis dahin verschaffen, was Sie hier brauchen. Noch Eins - bei Gelegenheit der Uhr sind Ihnen von meinen liebenswürdigen Kampfgenossen wohl auch die Westentaschen ausgeräumt worden, wie?"

„Sie haben nichts vergessen," lächelte der junge Officier.

„Selbstverständlich," sagte Fortunato und fügte hinzu: „Ich bin freilich selber nur in sehr seltenen Fällen gut bei Kasse, aber etwas müssen Sie haben, um Ihren Weg zahlen zu können. Bitte, machen Sie keine Umstände, Kamerad; wer weiß, wie bald ich einmal in dieselbe Lage kommen könnte, Geld bei Ihnen zu borgen" - und dabei drückte er ihm ein Unzenstück in die Hand. - „So," fuhr er dann fort, „das wäre also abgemacht. Punkt zehn Uhr bin ich mit dem Boot hier, oder - wenn ich nicht selber kommen könnte - denn Franco's Launen kennt Niemand - so schicke ich Ihnen einen zuverlässigen Mann."

„Und wie soll ich Ihnen für solche Güte danken?"

„Reden wir nicht davon," beschwichtigte der leichtherzige Officier, „hab' ich doch meinen Spaß wie mein innerlichstes Genüge an dem kleinen Abenteuer gehabt - also hasta luego, Kamerad - hasta luego," und seine Dienstmütze ergreifend, trat er zu der Thür der Balsahütte, sah erst einen Augenblick hindurch, ob er Niemanden draußen bemerkte, und schritt dann rasch über die Planken, die das auf das Floß gebaute Haus mit dem Ufer verbanden. /43/

Die Balsahütte lag etwa tausend Schritt oberhalb Bodegas, dicht unter dem stark mit Weidenbüschen bewachsenen Ufer, das jetzt, da die Muth kaum erst zwei Stunden eingesetzt, noch ziemlich hoch mit seinen lehmigen Bänken emporragte. Was der Eigenthümer des ziemlich unbeholfenen Fahrzeugs hieran diesem abgelegenen Winkel suchte, wäre zwar in ruhigen Zeiten ein schwer zu lösendes Räthsel gewesen, denn nicht einmal eine menschliche Wohnung lag in der unmittelbaren Nahe des Platzes. Jetzt aber in Kriegszeiten ließ sich schon eher eine Vermuthung aufstellen, denn Maulthiere mit ihren Lasten brauchten eben keinen gebahnten Weg, um diesen Platz zu erreichen, und ob er nun aus- oder einladen wollte, gestört wurde er hier von Franco's Truppen sicher nicht. Vom Ufer aus war die Balsa auch fast gar nicht zu erkennen, und man mußte sich, oben angelangt, wirklich erst durch das Gewirr dichtverwachsener Zweige hindurcharbeiten, wenn man den Platz, in der Richtung nach der Stadt zu, verlassen wollte, denn der vorerwähnte Maulthierpfad führte nur von Norden, und eine kurze Strecke dicht am Ufer hinlaufend, hier herein.

Fortunato hatte jetzt den obern Rand erklommen und wollte eben in das Gestrüpp eintauchen, als er, ordentlich wie auf einer bösen That ertappt, zusammenschrak, denn dicht neben ihm richtete sich eine Gestalt empor, die dort jedenfalls auf der Lauer gelegen haben mußte, und worin er auf den ersten Blick jenen Mulatten erkannte, der den Gefangenen heute Morgen mit bewacht und den er nachher mit mußte zum Transport der „Leiche“ verwenden, um keinen Verdacht zu erregen

 

„Und was thust Du noch hier, mein Bursch," fuhr er ihn, aber rasch gesammelt an - „hab' ich Dir nicht befohlen, Dich augenblicklich wieder den Kameraden anzuschließen? Glaubst Du, daß der General seinen Leuten gestattet, Strandspaziergänge ohne seine Erlaubniß vorzunehmen?"

„Was thut's," feixte der Mulatte und zeigte dabei zwei Reihen scharfer und blendendweißer Zähne, „General Franco ist gut genug, und gönnt einem armen Teufel auch einmal einen Nebenverdienst. Señor haben aber so gut für die Kleinig-/44/keit gezahlt, daß ich, Sie auch nicht gern allein hier durch den Busch wollte gehen lassen. Die verdammten Quitener streichen in der Nähe herum, und einen Officier unserer glorreichen Armee abzufangen, wäre ihnen gerade recht."

Fortunato sah ihn scharf an. Aus den verschmitzten gelben Zügen war nichts herauszulesen, als was der Bursche gelesen haben wollte, und der junge Officier, der seine Gründe hatte, ihn bei guter Laune zu erhalten, sagte so freundlich, wie es ihm in dem Augenblick möglich war:

„Es ist gut - ich danke Dir, Viruta, aber jetzt komm, denn wenn Seine Excellenz nach uns Beiden verlangen sollte, wäre es doch besser, daß man uns nicht zu suchen brauchte." Damit brach er sich seinen Weg durch das Gestrüpp.

Der Mulatte schien nicht übel Lust zu haben, noch eine Weile auf seinem Platz auszuharren, und warf einen verlangenden und raschen Blick dorthin zurück, aber es ging doch nicht gut. Er hatte selber erklärt, daß er nur seines Officiers wegen hierher gekommen war, und konnte diesen jetzt nicht allein gehen lassen. Als er ihm aber folgte murmelte er leise vor sich hin:

„Mit der Dämmerung bin ich wieder hier, und dann wollen wir doch herausbekommen, was in dem Hause steckt; umsonst zahlt der Hauptmann kein Trinkgeld für das, was wir so thun müssen, und wenn ich bei einem Geheimniß mithelfen soll, will ich es ganz haben - oder gar nicht."

5.

Ein Familienabend.

Die Sonne neigte sich schon dem Horizont und nahm jene rothdüstere Färbung an, die in den Tropen durch die erhitzte und auf der Erde lagernde Luftschicht den Ball fast /45/ wie dunkelglühendes Metall erscheinen läßt. Aber schon mit dem Aufhören der sengenden Sonnenstrahlen, die über Tag säst senkrecht auf den zu Staub gedörrten Boden niedergebrannt, sank das Thermometer, und wie mit dem Landwind die Luftströmung aus den Schneegebirgen herunter über die Niederung strich, kühlte sich die Atmosphäre in unglaublich kurzer Zeit ab.

Am Himmel und den einzeln darüber verstreuten nebelgleichen Dunstwolken zeigte sich jener wunderbar reiche, gold, lila und carmoisinrothe Schein, der nur den Wendekreisen eigen ist, und legte sich wie ein Duft auf das ganze in der Abendfrische wie froh aufathmende Land. - Sonst aber ruhte Todtenstille auf der Scene; keine Grille zirpte, kein Frosch quakte, selbst kein Vogel sang und zwitscherte - nur aus der Ferne schallte in langsamen Zwischenräumen das dumpfe Grollen und Donnern des Sangai, des mächtigen feuerspeienden Bergriesen herüber, daß es beinahe klang, als erzittere der Boden bis hierher von der furchtbaren, gewaltigen Kraft, die in weiter Ferne kochte und gährte.

Aber was kümmerte die Mahnung das leichtsinnige Menschenvolk, das an die Stimme von Jugend auf gewöhnt war, und wenn der Ton einmal stärker als gewöhnlich zu ihnen drang, höchstens sagte: „Der Alte brummt heute aber ordentlich." Mit der kühleren Abendlust kamen die Leute aus ihren Häusern, und ob ihnen die Soldaten auch eben keine willkommenen Gäste sein mochten, neue waren es doch, und Frauen und Kinder besonders freuten sich an den wunderlich montirten Musikanten, die es heute, als an dem ersten Abend, ausdrücklich darauf abgesehen zu haben schienen, die Bewohner von Bodegas zu überraschen.

Es war aber auch in der That, als ob die halbe Armee aus lauter Trompetern und Trommelschlägern bestände, so formte sich bald hier, bald dort ein kleiner Trupp, blies und hackte einen kurzen lustigen Marsch oder einen Fandango, zog dann mit klingendem Spiel die Straße hinab und war noch nicht außer Hörweite, als ein anderer seine kaum verlassene Stelle einnahm, um den musikalischen Skandal auf das Hartnäckigste fortzusetzen.

Und wie ruppig die Burschen aussahen! Blaue Jacken /46/ mit einst blank gewesenen Knöpfen - denn wer dachte hier an Putzen - hatten die Meisten, auch schwarzes Haar, schmutzige Gesichter und bloße Füße, und darin etwa waren sie uniform; alles Andere aber schien dem Zufall überlassen gewesen zu sein, wie er sie kleiden wollte, denn nicht einmal die Kopfbedeckung gehörte einer Truppe an. Wer dazu ein buntseidenes Halstuch hatte kaufen oder - stehlen können, trug es - weiße und bunte Hemden, nicht selten sogar lichte Jacken und eben solche Beinkleider, die allerdings auch am besten zu dem Klima paßten - aber es fehlte auch wahrlich nicht an blauen, grünen, gestreiften und großcarrirten Hosen, viele zerrissen, manche geflickt, kurz ein ähnliches Corps möchte kaum in einem andern Theil der Welt aufgelesen und zusammengetrieben werden können, wie gerade in Süd- und Mittelamerika - hier aber auch in all' den verschiedenen kleinen Republiken - Chile und Peru ausgenommen.

Vor dem Hause der Señora Buscada schien aber ein permanentes und ohrzerreißendes Concert unterhalten zu werden, denn hier begannen und schlossen sämmtliche verschiedene Corps, und gnade Gott, wenn zwei zufällig zusammentrafen und nicht gleich eins dem andern weichen wollte. Es fiel ein paar Mal vor, daß der General dann selber diesem übermäßigen Diensteifer Einhalt thun mußte, denn die Damen oben konnten es im wahren Sinne des Wortes nicht mehr aushalten.

Bei Señora Buscada war heute, zur Feier des Empfanges Sr. Excellenz, große Soirée, die aber eigentlich mehr aus einem unfreiwilligen Picknick nicht geladener Gäste bestand, denn die Señora, die gar nicht daran dachte, ihrer eigenen, sehr schwachen Kasse eine übergroße Last aufzubürden, war klug genug gewesen, die verschiedenen Kaufleute, die Brauchbares besaßen, wissen zu lassen, der General würde eine derartige „kleine Beisteuer" zu dem Bewillkommnungsfeste freundlich aufnehmen, während s i e Sorge tragen wollte, daß er die Namen der verschiedenen Geber auch erführe und behalte.

Ein solcher Wink, der vielleicht, gar von dem gegenwärtig allmächtigen General ausging, war unmöglich falsch zu verstehen, und was auch die Gesinnungen der Bewohner von /47/ Bodegas gegen den Mulatten sein mochten, es mußte ihnen Allen daran liegen, ihn freundlich gesinnt zu halten - noch dazu, da seinem Wunsch mit einer solchen Kleinigkeit, ein paar Blechbüchsen mit Hummersalat, Gänselebern und dergleichen eingemachten Delicatessen genügt werden konnte. Das Getränk hatte Franco von seinem eigenen Lieferanten mit aus Guajaquil heraufgebracht, denn er trank gern, wenn auch gerade nicht unmäßig, und ein Korb Champagner war nicht allein zu der heutigen Festlichkeit herbeigeschafft worden, sondern sogar in Eis gestellt, und zwar in Eis, das nicht von den nahen Schneegebirgen, sondern von den fernen Seen Nordamerikas in Schiffen nach Cap Horn und Guajaquil geführt worden, und sich bei diesem riesigen Transport noch billiger stellte, als wenn man es von dem Sangst oder Chimborazo zu Thal geschafft hätte.

Allen Vermuthungen nach sollte man glauben, daß sich die Wittwe Buscada, aus deren Schultern heute eine solche Last von Verantwortlichkeit ruhte, mit ihren Töchtern in einem nicht unbedeutenden Grad von Aufregung befunden haben müsse und bestrebt gewesen wäre, Alles auf das Beste und Sorgsamste herzurichten. Eine deutsche Hausfrau wenigstens würde in Angst und Sorgen, daß auch nicht das Geringste fehlen möchte, vom frühen Morgen an gearbeitet und geschafft haben, und Abends - nach einem solchen Genuß - todmüde auf ihr Lager gesunken sein.

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