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Pfarre und Schule. Zweiter Band.

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Sophie lauschte schweigend, mit halb weggewandtem Kopfe, aber mit freudigem Lächeln auf den lieben Zügen den Worten, die ihr so hold und süß klangen, weil sie das Lob des – sie wagte den Gedanken noch nicht auszudenken, aber ein Gefühl war es, das sie ergriff, als ob sie in sonniger Morgenstunde den feierlich erhebenden Tönen der Orgel lausche und die Seele ihr von des Chorals Accorden getragen, höher und höher hinauf zu dem lichten Dom des Allliebenden emporschwebe.

Marie verwandte keinen Blick von ihr, und ein eigenthümlicher Ausdruck von Spannung, Erstaunen und Zweifel lag dabei in den Zügen der Fremden. Endlich brach Sophie wieder das Schweigen und sagte leise:

»Und droht dem Manne Gefahr?«

»Ja,« war die rasche Antwort des Mädchens, deren ganzes Streben sich bei der Frage wieder blitzesschnell auf das eine fest und treu gehaltene Ziel geheftet – »ja – noch in dieser Nacht.«

»In dieser Nacht?« rief Sophie erschreckt, und ihre Wangen färbte ein höheres Roth, als sie sich so scharf und forschend beobachtet sah – »aber wie wäre das möglich – der Oberpostdirector –«

»Ist ein Schurke,« erwiederte eintönig die Fremde – »und Niemand kennt das vielleicht besser als ich – doch wie dem auch sei, er wäre zu Allem fähig, wo es den eigenen Nutzen oder Vortheil gilt, und ich weiß, daß sein Plan dahin geht, den Gefangenen heute Abend um neun Uhr an das nächste Militairpiket wahrscheinlich abzuliefern. Das zu vereiteln ist vielleicht nur ihr Herr Vater im Stande – er ist Geistlicher des Ortes – seine Pflicht als solcher geböte ihm schon, ein Menschenleben zu retten, wenn es in seiner Macht steht – sein Herz wird aber diese Pflicht zu einer doppelten machen, – wenn nicht gar – Mitleid für den Sohn seines Vorgesetzten – er kann dem Gefühl den Namen geben, und kein Mensch wird ihn tadeln dürfen, wenn er seine Stimme auch zu Gunsten eines Mannes erhob, den das Gericht verfehmt hatte und dessen Spuren die Häscher, wie der Jäger dem wilden Thiere, folgten.«

»Und noch in dieser Nacht? – Aber der Gutsherr hat ja versprochen ihn in Freiheit zu setzen, sobald er nicht ein schweres Verbrechen begangen – erst muß er hören, was der Unglückliche gefehlt, – eher darf er nicht richten; und ihn jetzt, in dieser Zeit ausliefern, wäre so gut wie ein Richterspruch.«

»Der Herr von Gaulitz hat schon Vieles versprochen aber Lüge ist sein Lächeln, und teuflische Hinterlist sein Wort – aus der Bibel citirt er die Sprüche Jesu, aber schwarz ist das Herz, das unter der gleißnerischen Zunge schlägt.«

»Doch vielleicht – vielleicht ist es ja nicht einmal so gefährlich,« sagte Sophie plötzlich, und ein Hoffnungsstrahl durchglühte dabei ihre Seele – »wer weiß denn ob sie ihn, wie die Sachen jetzt stehen, nicht augenblicklich wieder freilassen, so wie er die Residenz betritt, – möglicher Weise ist es viel besser, er wird dorthin abgeliefert.«

»Sie haben recht,« antwortete das Mädchen, und ihr Blick suchte mit ängstlicher Gier den Ausdruck der ihr halb abgewandten Züge zu erforschen – »vielleicht lassen sie ihn frei, und so mag denn der Gutsherr seinen Willen haben – man kann das wenigstens glauben, und – fällt es anders aus – wird er vielleicht gar – doch nein, das wäre ja nur eine Möglichkeit, und die – haben wir nicht voraussehen können.«

Sophie hatte in peinliches Sinnen versenkt dagestanden – die Worte des Mädchens schnitten ihr wie Messer in die Seele, und immer klarer wurde sie sich bewußt, daß auf Hülfe, wenn einmal in den Händen des wirklichen Gerichts, nicht mehr zu hoffen sei, und eine Rettung des Unglücklichen von hier jedenfalls ausgehen müsse. Aber wie – der Kopf schwindelte ihr von all' dem Sinnen und Denken – überall unübersteigliche Schwierigkeiten, überall gehemmt und beschränkt, und die Zeit mit jeder Secunde dem entscheidenden Momente rasch, furchtbar rasch entgegenstrebend.

»Nein – nein« sagte sie endlich, mit halblauter Stimme – sie schien in diesem Augenblick die Gegenwart der Fremden ganz vergessen zu haben – »es darf nicht sein – darf nicht geschehn? – aber wie es verhüten? – mein Vater muß da helfen. Ja, Marie – Sie haben recht« fuhr sie da plötzlich laut, und sich der Gegenwart der Fremden erinnernd fort. »Mein Vater ist gut – er wird nicht zugeben, daß ein armer Verfolgter ungerecht leiden soll – selbst wenn er nicht der Sohn eines ihm befreundeten Mannes wäre, – ich will mit ihm sprechen – verlaß Dich auf mich, was in meinen – was in seinen Kräften steht, wird er thun und meine Schuld soll es sein, wenn ich die Sache nicht mit Bitten unterstütze – sind Sie nun zufrieden gestellt, Marie?«

Sophie hatte ihre ganze Fassung wiedererlangt, und streckte mit milder Freundlichkeit dem erfreuten Schützling die Hand entgegen, Marie begegnete ihrem Blick, schaute ihr lange lange in das blaue seelenvolle Auge, ergriff dann die gebotene Rechte, preßte einen heißen innigen Kuß darauf und verließ plötzlich und ohne eine Sylbe noch zu erwiedern, Zimmer und Haus.

Sophie war allerdings über dieses schnelle Abschiednehmen etwas erstaunt, andere Gedanken drängten ihr aber in das zum Zerspringen volle Herz, und ohne weiteres Zögern suchte sie vor allen Dingen ihren Vater auf, von dem sie ja wußte, daß er die Befreiung des Sohnes des Generalsuperintendenten selbst wünsche und setzte diesen von dem eben Gehörten in Kenntniß.

Hierin hatte sie sich auch nicht getäuscht; ihr Vater schien durch die Botschaft, an deren wirkliche Genauigkeit er nur noch immer nicht glauben wollte, sehr beunruhigt, verlangte dann, allein gelassen zu werden, schritt lange in seinem Studierzimmer auf und ab, und ging endlich, mit der Bemerkung, man möge nicht auf ihn mit dem Essen warten, wenn er etwa zur rechten Zeit nicht zurück sein sollte, auf das Gut hinunter.

Aber schon lange vor Essenszeit kehrte er, und zwar in anscheinend höchst übler Laune, heim – allen Fragen Sophiens wich er dabei aus; versicherte erst, den Gutsherrn gar nicht getroffen zu haben, sagte dann, er sei ihm unterwegs begegnet und nicht im Stande gewesen, ausführlich mit ihm zu sprechen, weshalb er auch gegen Abend noch einmal hinuntergehen wolle, und schloß sich dann gleich nach Tische in sein Zimmer ein, das er auch nicht eher wieder verließ, als bis die Sonne schon hinter den goldglühenden Schwarzholzsaum versunken war und die Abendglocke ihre letzten zitternden Klänge als Gruß dem scheidenden Tagesgestirn nachgesendet hatte.

Viertes Kapitel.
Die Wilddiebe

Ehe wir aber dem Pastor Scheidler auf seinem Abendgange weiter folgen, müssen wir uns noch einmal, um die Nachmittagszeit des nämlichen Tages auf das Hornecker Feld und zwar auf den östlich vom Dorfe liegenden Landstrich begeben, den dort, wie wir schon gesehen haben, einige ziemlich tief in den Hügelhang eingeschnittene Schluchten durchzogen, während hinter diesen wieder die Gegend flacher und der Boden niedriger, aber auch fruchtbarer wurde, und einzelne breite Rapsflächen theils mit frisch umgehackten Sturzen, theils mit noch unberührt daliegenden Weizenstoppeln abwechselten.

An der Ostseite der letzten schmalen Schlucht, dicht unter den Büschen, die hier schon ziemlich hoch den Rain überragten und die Gesichter der Niederung zugewandt, deren breite Fläche vom Fuße der flachen Hügel auslief, saßen drei in die gewöhnliche Bauerntracht gekleidete Bursche, und schienen eben ihr Frühstück oder Mittagsessen beendet zu haben, denn der Eine, der Müllerbursche aus der Rauschenmühle, wickelte ein übrig gebliebenes Stück Brod und Käse in das blaubaumwollene Tuch ein, das zwischen ihnen auf der Erde ausgebreitet gewesen, steckte es in die Tasche und griff nach einer neben ihm liegenden einläufigen alten rostigen Muskete mit Feuerschloß, deren Pfanne er sorgfältig prüfte, frisches Pulver aufschüttete, das Gewehr dann auf seine Knie legte und mit selbstzufriedenem Lächeln sagte:

»So, nun kann's wieder losgehen – ich hab' nichts dawider – wenn wir nur noch einen kriegten, daß Jeder seinen Hasen mit zu Hause nehmen könnte. – Hol's der Henker, 's ist doch beinahe zu viel Arbeit um so einen Bissen Fleisch; seit Tagesanbruch liegen wir nun draußen, und erst zwei lumpige Stück; denn von den vieren, die ich angeflickt habe, werden wir wohl nichts weiter zu sehen kriegen – der zweite ärgert mich, das war ein ausgezeichneter Schuß.«

»He he he,« lachte der eine Bauerbursche, »der schlengerte das eene Hingerbeen nich schlecht hin un widder. Aber wie kunnte die Krete noch auskratzen – das sach emal kurjos aus, wie Krautsch hinger em her den Rain nungersterzte. Aber – weiter derfen mer wohl nich an's Dorf nan, denn sunst kennten se uns knallen hiaren.«

»Dunnerwatter!« fiel ihm hier Krautsch, ein anderer Bursche aus demselben Dorfe in's Wort – »un was wärsch, wenn se's hiarten? – Laß Fritze Holken nur raus kommen, dem wullten mer heeme leichten, der sille an uns denken – das Aas das. – Härrje, was ich vor ne Bosheet uf den Grienrock hawe; wenn mer nur erscht de Volksbewaffnung kreihn, wie's uns der Docter versprochen hat – aber hernagens!«

»Habt Ihr denn die beiden Hasen gut versteckt?« frug jetzt der Müllerbursche, der die einzige Flinte trug, seine Begleiter, und stand, die Flur rings überschauend, von seinem Lagerplatze auf – »vor Dunkelwerden können wir mit dem Wild doch nicht gut in's Dorf hinein.«

»Die stäcken dort in den Bischern, wo das hohe Gras schteiht – die sin so gut verschteckt, die fingen mer selwer kaum widder. Aber wo wollen mer denn nu jagen? noch emal durch'n Raps? – do sitzt noch eener drinn.«

»Nein, ich dächte, wir trieben eimal die kleine Schlucht hier selber ab,« sagte der Müllerbursche Gottfried Wensche oder »Friede«, wie ihn die anderen Beiden kurzweg nannten, »in dem dichten Grase und unter den Brombeeren liegen sie unmenschlich gerne, und wenn ich mich oben an die Spitze stelle und Ihr blos durchgeht und klappert, so fährt gewiß noch so ein Braunpelz heraus, und dem will ich's besser auf die Ohren brennen, als dem letzten.«

 

»Gut, dann wull'n mer hier nunger giahn,« sagte Krautsch, drückte sich den alten Hut in die Stirn und hob seinen Treiberstock auf – »hernagens klappern mer von ungen heruff.«

Die beiden Bauerburschen schlenderten, während Müllers Friede oben an der Schluchtspitze seinen Platz nahm, von wo er rechts und links am Buschrand hin schießen konnte, draußen auf dem Sturze an der Ostseite der Schlucht hinunter.

An der Westseite hin glitten aber zu gleicher Zeit die Gestalten des alten und jungen Holke, die Flinten auf dem Rücken, den Hund an der Leine, und als sie eine Stelle erreicht, wo ein kleiner Graben, eine Art Wasserfurche, von den Feldern aus in die Schlucht hineinführte, folgten sie dieser und sahen sich bald von dichten Büschen und steilen Seitenwänden der »Delle« vollkommen gedeckt.

»Wär's nicht besser, Vater, wir warteten, bis sie wieder schössen,« flüsterte der Fritz, und zog den Hund an sich, der rechts in die Büsche hineinwindete, »wenn wir wenigstens gerade aus bis an den Rand gehen, können wir die ganzen Felder übersehen.«

»So viel sich von oben aus erkennen ließ,« erwiederte ihm der Vater mit eben so unterdrückter Stimme, »haben sie hier im Busche Halt gemacht, und der Henker weiß jetzt, ob sie noch drin stecken oder hinaus in's Freie gegangen sind; fast glaub' ich aber, wir haben sie noch hier unten, denn Hektor will absolut da hinein und der thut Nichts umsonst.«

»Horch,« sagte Fritz leise und faßte des Vaters Arm – »klang das nicht, als ob ein Treiber mit seinem Stocke an einen Busch geschlagen hätte?«

Die Beiden horchten einen Augenblick in gespannter Erwartung – gleich darauf wiederholte sich das Geräusch und dem scharfen geübten Ohr der Jäger mußten die wohlbekannten Laute bald entdecken, was die »Wilddiebe« eigentlich beabsichtigten.

»Bei Gott, wir sind mitten im Treiben drin,« schmunzelte der Alte mit einem Blicke wilder Zufriedenheit – »hoho, meine Burschen, Ihr kommt mir heute gerade recht – Fritz, das ist ein kapitaler Spaß – in so einer Lage hab' ich mich auch noch nicht befunden – ein paar alte Füchse im Kessel – ob wir durchbrennen?«

»Vorgehen werden wir auf keinen Fall dürfen,« sagte Fritz – »wer weiß, was für Aasjäger sich vorgestellt hat, und wenn der die Büsche sich regen sieht, haut er am Ende hin.«

»Die dreie haben nur eine Flinte,« meinte hierauf der Alte – »der Schmied hat's ganz genau gesehen, er konnte nur nicht recht genau erkennen, wer es war, oder wollt's auch vielleicht nicht gern sagen. Jedenfalls liegt der mit der Flinte, da sie von unten auf trieben, oben in der Spitze, wo er beide Seiten bestreichen kann und bis dahin, wo die Haselbüsche aufhören, können wir also recht gut vor; dort ist ja wieder so ein Graben ausgestochen und über den Erdaufwurf hin kann er uns nicht bemerken – ich kenne den Platz genau, denn ich habe mich erst vor vierzehn Tagen etwa gerade da hindurch an den Fuchs angeschlichen, der draußen stand – Hektor ruhig – Strick Du, kannst Du nicht Frieden halten, wenn's auf Hochwild geht?«

»Aber schießen werden wir doch nicht, Vater?« sagte der Sohn, »ich möchte nur ungern, und dann auch nur in Selbstvertheidigung, Menschenblut vergießen.«

»Es wird wohl ohne das abgehen,« brummte der alte Waidmann, »wenn sich Einem auch das Herz dabei umdreht, wie die Canaillenbrut wieder heute Morgen auf dem Revier herumgeknallt hat; der Herr Schütze soll nur eine einfache Muskete führen, und vielleicht können wir ihn gerade anspringen, wenn er die einmal abgeschossen hat – Zündpatronen wird er wohl nicht laden, und ehe er seinen alten Schießprügel wieder vollstopft, behalten wir Zeit genug, ihm das weitere Jagdplaisir abzuschneiden – hol mich der Böse, die klappern das Holz ganz regelrecht durch, das sind alte Hallunken.«

Das Treiben kam in der That immer näher und Holke winkte seinem Sohne jetzt mit der Hand, ihm so leise als möglich zu folgen; gebückt schlichen sie dabei in dem Bett des kleinen, nur wenige Zoll tiefen und mitten durch die Schlucht rieselnden Baches hin, bis sie sich bis beinahe an den Graben, der hier von beiden Seiten der Mitte zu lief, hingepürscht hatten. Die Treiber konnten kaum hundert Schritte hinter ihnen sein. Hier mußten sie über einen schmalen gelben Rasenfleck, den jedoch dichte und undurchsichtige Büsche rings umschlossen, und als sie eben die Zweige vorsichtig auseinander bogen, um hindurch zu schlüpfen, fuhr aus dem warmen buschigen Grase ein Hase, sprang über den niederen Erddamm und floh gerade die Spitze hinaus und der Stelle zu, wo sich Müllers Friede so vortheilhaft aufgestellt hatte.

»Der kam apropos,« lachte mit vorsichtig gedämpfter Stimme der Alte, »jetzt paß einmal auf, ob sie nicht drauf pulvern.«

Noch während er sprach, krachte der laut donnernde Schuß der alten Muskete durch die Büsche, und das laute Klagen des Hasen verrieth gleich darauf, daß die arme Creatur waidwund oder in die Hinterläufe geschossen sei.

»Jetzt spring hinauf, Fritz,« rief da der Vater schnell – »mach rasch, mein Junge, und nimm dem Schufte die Flinte ab, ich will hier hinaus, daß ich die anderen Canaillen abfange, oder doch wenigstens zu sehen kriege, wenn sie etwa durchbrennen sollten. – Allo faß, Hektor?«

Der Alte brach, die Büsche links und rechts zurückwerfend, durch das Dickicht der Stelle zu, wo er das freie Feld am schnellsten erreichen konnte, um dadurch den flüchtigen Wilddieben den Weg abzuschneiden; Fritz aber glitt rasch und behende der Stelle zu, wo er den Schuß gehört hatte; Hektor verrieth indeß eher, als er es im Anfang gewollt, seine Nähe. Kaum hörte der Hund, der sonst folgsam und klug genug war, die klagenden Töne des angeschossenen Hasen, als er blitzeschnell seitab durch die Sträucher brach und jetzt plötzlich dicht vor dem entsetzten Müllerfrieden, der eben emsig bemüht war, den im Kreise herumschnellenden zu erfassen, aus dem Strauch fuhr, Lampen im Genick packte, todtbiß und dann stolz und freudig aushob, ihn seinem Herrn zu aportiren. »Alle Teufel!« rief der Müller überrascht, und fuhr mit der ungeladenen Flinte im Anschlag – denn das laute Rascheln der Büsche verrieth ihm jetzt den unwillkommen Zeugen seines Jagdfrevels – in die Höhe; »zurück da oder ich schieße – zurück sag ich!«

Fritz war aber nicht der Mann, der sich von so lächerlicher Drohung hätte zurückhalten lassen.

»Haha,« rief er – »hast wohl zwei Patronen eingeladen und erst eine ausgeschossen – na drück ab, aber dann her mit der Flinte« und ohne weiter einen Augenblick zu zögern sprang er gegen den entdeckten Wilddieb an. – Dieser, der wohl einsah, daß er dem Jäger nicht mehr mit der Schußwaffe drohen könne, faßte seine Muskete rasch am Lauf und hob den Kolben, den Angreifer damit zu Boden zu schlagen, dieser aber, gewandter als er selber, unterlief ihn, ehe er den Streich führen konnte, ließ dicht vor ihm sein eigenes Gewehr in das Gras niederfallen und traf den Müller zu gleicher Zeit mit der festgeballten Faust so kräftig in den Magen, daß der große starke Mann zusammenbrach als ob ihn ein Blitzstrahl getroffen hätte und die Muskete machtlos seiner Hand entsank.

Dieser Sieg hätte aber für den Jäger beinah von sehr bedenklichen Folgen sein können, denn die beiden Bauerburschen stoben keineswegs, wie der alte Holke vermuthete, rechts und links in das Feld hinaus, sobald sie fanden, daß sie entdeckt wären, sondern Krautsch besonders rannte in wilder Wuth dorthin, wo er seinen Kameraden zurückgelassen, und mit diesem jetzt den ihm verhaßten Jägerburschen anscheinend ringen sah. So dicht kam er dabei heran, daß er in demselben Augenblick den Kampfplatz erreichte, wo Fritz sein geladenes Doppelrohr hingeworfen hatte und sprang nun mit wildem Jubelruf, während der Jäger seinen Genossen zu Boden schlug, darauf zu.

Fritz wandte rasch den Kopf und sah kaum die eigene Waffe schon fast in des Gegners Gewalt, als er auch, jetzt wohl wissend, daß es das Aeußerste gelte, die Muskete aufgriff, vorsprang und mit dem schweren Kolben den schützend vorgestreckten Arm des Wilddiebes so kräftig traf, daß er gelähmt an seine Seite sank. Nichts destoweniger wäre der Sieg dennoch zweifelhaft gewesen, denn der dritte, sonst keineswegs feige Bauerbursche flog in diesem Augenblick heran – noch im Zuspringen hörte er aber einen Anruf an seiner Seite, wandte den Kopf und sah hier plötzlich zu seinem Entsetzen auch noch den alten Jäger mit auf ihn selber gerichteter Flinte dastehn.

Wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke an den Flüchtling auf den derselbe Jäger ja erst vor wenigen Tagen ebenfalls geschossen, und ehe er noch wirklich im Stande war einen eigenen Entschluß zu fassen, trieb ihn das Gefühl der Selbsterhaltung zauberhaft rasch aus dem Bereich der dunkeldrohenden Rohre. Wie er in die Schlucht kam, wußte er eigentlich selbst nicht, nur dessen erinnerte er sich später, daß er fortwährend durch die dicksten Büsche gesetzt und sporenstreichs und athemlos, ohne auch nur ein einziges Mal umzuschauen, ob die Verfolger wirklich hinter ihm wären, zu Hause gerannt sei.

Mit dem jetzt allein stehenden Krautsch, dem noch dazu, für den Augenblick wenigstens, der rechte Arm vollkommen gelähmt war, wurde Fritz indessen bald und noch ehe sein Vater ihm weiter zu Hülfe kam, fertig. Er hatte seine Flinte wiedergewonnen, und stand jetzt dem mit fest zusammengebissenen Zähnen wüthend zu ihm aufblickenden Bauer, wie dem sich gerade von dem gewaltigen Faustschlag erhebenden Müllerburschen fest und trotzig entgegen.

»So, Ihr Lumpenpack« fuhr die Beiden aber jetzt der alte Förster an, der nun auch herbei kam, dem noch immer ruhig aportirenden Hektor den Hasen abnahm und diesen neben die alte Muskete in's Gras warf – »so – also Ihr seid's, die Ihr hier draußen auf fremden Revieren und nicht einmal auf Euren eigenen Feldern, herumknallt und Gottes Creaturen, die jetzt hochtragend gehn und nicht einmal genießbar sind, die Glieder verschießt. Nicht arme Tagelöhner seid Ihr, die es vielleicht aus Armuth und Hunger thun könnten, sondern reiches Lumpenpack, das zu faul zur Arbeit ist, und am lieben Wochentage stiehlt und raubt. – Pfui über solche Bande – ich wollte mich doch in Euere Seele hinein schämen.«

»Wartet iär grienreckigen Holzlaifer iär!« knirschte aber der seiner Wuth kaum mächtige Bauer durch die fest zusammengebissenen Zähne sie an – »wartet nuar – eire Zeit kummt ooch noch, un dann soll mer der Deibel das Licht halten, wenn ich nich meine Rechnung so gut im Kopp behalte, wie der Wirth in der Schenke dringe – gebt dem Müller sain Gewähr widder ruas.«

»Hier liegt der Hase, den er geschossen und das Gewehr ist mein,« sagte der alte Holke ruhig, ohne sich um des Burschen ohnmächtigen Zorn weiter zu kümmern. »Ihr aber könnt Euch drauf gefaßt machen, daß die Sache damit noch nicht abgethan ist; heutigen Tages noch werdet Ihr angezeigt und daß der Herr von Gaulitz kein Federlesens mit Euch machen wird, darauf dürft Ihr Euch verlassen. Hier Hektor – was hat der Hund?«

»Er steht« – sagte Fritz und ging mit gehobener Flinte der Stelle zu.

Hektor stand gerade da, wo die Haselbüsche anfingen, vor einem kleinen niederen aber dichten Gewirr von Gras, Dornen und Sträuchern fest und regungslos, den Kopf versteckt, den rechten Vorderlauf emporgehoben, die Augen unverwandt auf den dunkeln Busch gerichtet, und allem Anschein nach mit größter Spannung die Luft einschnopernd, die von dort herüberwehte und jedenfalls von höchstem Interesse für ihn sein mußte. Nur als sich sein junger Herr ihm näherte, beurkundete er seine Freude durch ein leises, aber auch nur ganz leises Schwanzwedeln.

Müllers Friede hatte sich noch immer nicht ganz von dem erhaltenen Schlage erholt, und auch Krautsches Arm schmerzte diesen sehr, dennoch machten die Beiden, als sie sahen, wie der Hund vor dem Strauche blieb und Fritz ihm nach ging, einen Schritt gegen den Ort zu, wo die Muskete lag. Aber auch nur einen Schritt, denn des alten Holke Flinte fuhr rasch genug herauf, und er rief ihnen mit seiner derben herausfordernden Stimme trotzig zu:

»Zurück, Ihr Schufte, oder ich will verdammt sein, wenn ich Euch die Beine nicht mit dem klaren Schrot so voll spicke, daß Ihr das Laufen auf vier Wochen wenigstens an den Nagel hängen könnt; fort mit Euch, denn es juckt mich schon im Zeigefinger, und ich dächte, Ihr wüßtet, daß ich nicht gerade viel Spaß verstehe.«

»Allo faß!« rief Fritz indessen, der sich mit einem rasch nach rückwärts geworfenen Blick bald überzeugte, wie sein Vater die beiden Burschen leicht allein im Respect erhalten konnte – »en avant, Hektor! en avant, mein Hund.«

Hektor hatte anfänglich, wie sich gar nicht verkennen ließ, keineswegs die Absicht gehabt, so ohne Weiteres einzuspringen, da er den Jäger aber jetzt dicht bei sich sah, und die fortwährend aufmunternden Worte hörte, that er ein Uebriges – wedelte erst einmal aus Leibeskräften mit dem braun und weißen Stumpfschwanz, als ob er gerne gesagt hätte, »na, wenn's nicht anders ist,« und sprang dann plötzlich zu. – Aber weder Schnepfe noch Huhn fuhr heraus – kein Hase sprang aus der schützenden Decke hervor, Hektor jedoch hatte sich keineswegs geirrt, sondern das, auf was er mit so unverrückbarer Aufmerksamkeit gezeigt, mit den scharfen Zähnen erfaßt, und einen armen schwer mißhandelten, und über und über mit Schweiß bedeckten Lampe, dem alle vier Läufe zerschossen und der Kopf breit geschlagen war, zog er bald darauf aus Dornen und Gras hervor.

 

Als ihn Fritz an den Löffeln empor hob, brachte Hektor einen zweiten kaum besser bedachten hervor, und des alten Holke Ingrimm machte sich in schweren gewichtigen Flüchen und Drohungen Luft; die Bauern aber, die sich auf die Art auch das gehoffte und schon, wie sie meinten, in Sicherheit gebrachte Wildpret entzogen sahen, schimpften und wetterten nicht minder, und es wäre vielleicht schon hier zu neuen Thätlichkeiten gekommen, hätte der dritte Mann sie nicht so feige allein und im Stich gelassen, so aber war doch die Uebermacht und noch außerdem das gute Recht auf der Jäger Seite zu stark gegen sie, und ein Angriff mußte deshalb sicherlich nur höchst unglücklich für sie enden.

Die Jäger schienen auch etwas derartiges gar nicht zu fürchten, Fritz steckte zwei, sein Vater einen Hasen in die Tasche, der erste schulterte dabei noch die alte Muskete, und raschen Schrittes wanderten sie dem Dorfe zu, um die Anzeige der ertappten Wilddiebe zu machen, und endlich einmal ein paar von den Schuften zur Strafe zu bringen, die des alten Holke Ingrimm, besonders in der letzten Zeit schon so oft rege gemacht, und ihm die Galle aufgerüttelt hatten.

Die Bauern blieben noch eine lange Weile in der Schluchtspitze zurück, und sprachen dabei fleißig, um ihren Aerger zu ertränken, der grünen Flasche zu, die der Müller neben dem Pulverhorn in seiner Rocktasche trug; viele Pläne wurden geschmiedet, Rache zu üben für die erlittene schmähliche Behandlung – Pläne, wie sie nur das schwärzeste Herz gebären und ersinnen konnte. Als die Flasche dann geleert war, gingen sie auf dem schmalen Fußpfad hin, der nicht weit von der Schlucht vorbei nach der Rauschenmühle herniederführte, bis zu dieser hinab, um dort ihr begonnenes Gelage fortzusetzen, und der Beschluß sollte dann noch Abends spät, als die Nacht schon hereingebrochen war, und andere ordentliche Menschen ihre Heimath aufsuchten, in der Hornecker Schenke gemacht werden, wo heute die Bauern wieder zum Lesekränzchen zusammenkamen und sie die schändliche Ungerechtigkeit zu schildern gedachten, die ihnen von den »grünröckigen großen Herrn Dienern« angethan worden.

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