Reisen Band 1

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Nach Buenos-Ayres zurückgekehrt, erfuhr ich, daß in kurzer Zeit der argentinische Correo oder Courier von Buenos-Ayres nach Mendoza wirklich abgehen würde. Er hatte erst, der ausgebrochenen Indianer wegen, seinen Ritt verschieben wollen, sich jetzt aber entschlossen zu versuchen, ob er durch¬käme, und mir wurde gesagt, daß ihm die Begleitung eines bewaffneten Mannes gewiß angenehm sein würde- Durch die freundliche Vermittlung eines amerikanischen Kaufmanns, Mr. Hutton, da ich selber der spanischen Sprache noch nicht so weit mächtig war, schloß ich auch mit dem Correo bald einen Vertrag. Nach diesem machte er sich verbindlich, mir für vier Unzen - vierundsechzig spanische Dollars - Pferde und Fleisch zu liefern, die Pferde zum Reiten, das Fleisch zum Essen, bis wir Mendoza, ein kleines Städtchen am Fuße der Kordilleren, erreichen würden. Außerdem sagte er mir aber ganz offen, daß er, wenn er die Indianer im Süden heraufkommen sähe, so rasch ihn die Pferde trügen nach Norden in die Gebirge flüchten würde, und wenn ich dann nicht mitkäme, oder überhaupt auf dem Marsch liegen bliebe, so sei das nicht seine Schuld und er könne weiter nichts dafür thun. Auf alles das war ich vorbereitet, mit alle diesem zufrieden, und unsere Abreise wurde auf den 17. Juni festgesetzt. Dadurch gewann ich auch noch eine kurze Zeit für mich, Buenos-Ayres besser kennen zu lernen.

Die Auswanderung hat schon von frühester Zeit mein ganzes Interesse in Anspruch genommen, und ich suchte noch fortwährend, wo mir das nur möglich war, Erkundigungen über die Verhältnisse der Fremden, besonders der Deutschen, einzuziehen. Durch den besondern Auftrag des Handelsministeriums des deutschen Reiches hatte ich aber auch noch außerdem die Verpflichtung übernommen, nach besten Kräften über die Länder zu berichten, die ich geeignet zur Auswanderung finden würde, ebenso die Verhältnisse und Aussichten der ausgewanderten und dort schon angesiedelten Deutschen / 50/ zu schildern. Die Aussichten der Deutschen gerade in den La Platastaaten aber zu erfahren, schien es mir das Sicherste, mich an Rosas, den Gouverneur oder Dictator derselben, selber zu wenden. Der amerikanische Consul versicherte mir jedoch, daß Rosas selber nur höchst selten einen Gesandten empfange und Donna Manuelita, die Tochter des gefürchteten Gauchohäuptlings, gewöhnlich Audienz ertheile. Hier aber schien für mich eine ziemlich bedeutende Schwierigkeit zu liegen. Ich war nämlich vom Bord des Talisman nur eben so weggegangen, wie ich gedachte in den Sattel zu steigen, und der einzige Anzug, den ich mit hatte, bestand in einem Reitkittel von dem gröbsten hellgrauen wollenen Stoff, eben solchen Hosen, hohen Wasserstiefeln und einem schwarzen breitrandigen Filzhut - konnte ich so vor Donna Manuelita, der ersten Dame des Argentinischen Reiches, erscheinen? Der amerikanische Consul sagte ja, Donna Manuelita sollte eine so liebenswürdige, wie vernünftige Dame sein, Mr. Graham garantirte mir, daß ich nicht allein empfangen werden würde, sondern auch freundlich empfangen werden würde, und seinen Worten treu führte er mich eines Abends selber bei ihr ein.

Die Gauchosoldaten, die vorn im Portal und den Gängen Wache standen, schauten mich allerdings erstaunt an, als ich solcher Art gekleidet, noch dazu in dem sonst so verpönten Blaugrau, durch die Pforten ihres Herrn schritt, ließen uns jedoch ungehindert passiren und wir betraten bald darauf das Audienzzimmer. - Der Saal war ganz im europäischen Geschmack eingerichtet, der Boden mit sehr geschmackvollen bunten Teppichen bedeckt, und nur die hohe luftige Decke trug ein argentinisches Abzeichen - die schwarz und rothen Farben (Sieg oder Tod) der Federacion.

Wir waren noch ein wenig zu früh gekommen - die Diener brannten erst die Kerzen an, und ich benutzte indessen meine Zeit, zuerst meine ganze Umgebung mir genau zu beschauen, und dann Betrachtungen anzustellen ob meine Wasserstiefeln wohl nicht die ersten waren, die je diesen kostbaren Teppich betreten hätten. Lange blieb mir dazu aber keine Zeit. Die Thüren öffneten sich plötzlich, und herein traten nach und nach „die Großen des Reichs", stattlich geputzte Herren und Damen, die Herren sämmtlich in dunkelblauen Fracks (die hellblaue Farbe bezeichnet die Unitarios) mit rothen Westen und Hutbändern, und alle im Knopfloch das rothseidene Band mit der schwarz gedruckten furchtbaren Devise: Mueran los salvajes Unitarios. Die Damen waren im elegantesten französischen Costüm. Beide Theile betrachteten mich jedoch, und ich entschuldigte vollkommen ihre Neugierde, mit kaum verhehltem Erstaunen, und schienen sich gegenseitig fragen zu wollen, „was thust Du hier im Heiligthum?" Ehe aber der amerikanische Consul im Stande war nur überhaupt meine Existenz zu entschuldigen, erschien Donna Manuelita selber und empfing mich, nachdem ihr Mr. Graham mit ein paar Worten meine Absicht gesagt hatte, während sie ihn selbst in der Entschuldigung meines Anzuges unterbrach, auf das Freundlichste.

Donna Manuelita verstand allerdings, wie mir Mr. Graham sagte, das Englische, sprach es aber vielleicht noch nicht geläufig genug und mochte sich deshalb nicht darin unterhalten; ebenso ging es mir mit dem Französischen, und die Unterhaltung wurde deshalb durchaus spanisch geführt, wobei Mr. Graham so freundlich war zu dolmetschen. Die Donna versprach mir übrigens mit ihrem Vater, der Auswanderungssache wegen, zu reden und mir, noch ehe ich Buenos-Ayres verließ, das Resultat mitzutheilen. Indessen hatte sich eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft eingefunden und ich sah mich bald im Gespräch mit zwei jungen argentinischen Damen, von denen die eine sehr geläufig Englisch sprach und die andere angefangen hatte, Deutsch zu lernen, so daß sie ebenfalls schon viel verstehen und sich auch ziemlich deutlich ausdrücken konnte. Ich verbrachte, trotz meinem nichts weniger als hoffähigen Anzug, ein paar sehr angenehme Stunden in liebenswürdiger Gesellschaft.

In Buenos-Ayres bestgeht auch jetzt eine deutsch-evangelische Gemeinde, deren Pasto und Oberhaupt Herr A.L. Siegel ist. Den Leser wird es übrigens interessiren, das erste Capitel der Kirchenstatuten von Buenos-Ayres, 34 Grad Süder Breite in den La Platastaaten, zu hören. /52/

Erstes Capitel.

Begriff und Umfang der deutsch-evangelischen Gemeinde in Buenos-Ayres.

§ 1. Die deutsch-evangelische Gemeinde in Buenos-Ayres bildet einen Zweig der unirten evangelischen Landeskirche in Preußen. Sie hat sich dieser Kirche, nach einem Beschlusse der Generalversammlung der Gemeinde im Monat April 1845, unter folgenden, ihr von dem Ministerio der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten d.d.. Berlin den 11. Januar 1845 Nr. 31,536 gestellten Propositionen freiwillig angeschlossen.

I. In Betreff der Lehre, des Cultus und der Disciplin ist das Bekenntniß, die Liturgie und die Ordnung der evangelischen Kirche Preußens für die Gemeinde in Buenos-Ayres wesentlich maßgebend und bestimmend. Es wird daher auch die Agende der preußischen Landeskirche die Norm für den Gottesdienst und die gottesdienstlichen Handlungen in der Gemeinde abgeben.

II. Das Consistorium der Provinz Brandenburg in Berlin ist diejenige geistliche Behörde, an welche sich die Gemeinde, resp. der Vorstand derselben, in allen denjenigen inneren Angelegenheiten und Streitfragen zu wenden, und die Entscheidung abzuwarten hat, über welche, indem sie das Verhältniß zu der hiesigen Landesregierung ganz unberührt lassen, eine Verständigung und Einigung der Gemeinde nicht hat stattfinden können. Es betrifft dies namentlich Streitfragen über die Lehre und den Gottesdienst, über Disciplinarmaßregeln, sofern sie nicht in das Gebiet der bürgerlichen Gesetze und Einrichtungen hinüberreichen, endlich Mißhelligkeiten zwischen dem Prediger und der Gemeinde, und Klagen der letzteren gegen den ersteren.

III. Das Consistorium der Provinz Brandenburg hat das Recht, den Prediger der Gemeinde zu ernennen und ihn für den Dienst der Gemeinde zu vociren. Die Gemeinde, resp. der Vorstand, hat im Falle der Vacanz um die Wiederbesetzung der Stelle bei dem genannten Consistorium nachzusuchen, und darf, ohne Genehmigung dieser Be-/53/hörde, den ihr zugewiesenen Prediger nicht entlassen.

Nun soll mir noch Einer sagen, daß es in Buenos-Ayres keine Deutschen giebt. _ _

Unter den Deutschen in Buenos-Ayres, wenn sie auch keinen bleibenden Aufenthalt da haben, spielen ubngens die Schiffscapitaine eine sehr bedeutende Rolle, und besonders kann man sie Nachmittags mit ihren englischen, amerikanischen und dänischen Kollegen erst durch die Straßen der Stadt traben, und dann in vollem Carrière durch das flache Land galoppiren sehen.

Capitaine haben nämlich eine ungemeine Vorliebe für Pferde, die bei Pferden jedoch, wie Pferdevermiethern keineswegs gegenseitig ist, denn Schiffscapitaine verstehen gewöhnlich - mit Ausnahmen natürlich - eben so wenig ein Pferd zu reiten wie es zu behandeln, und glauben das Aeußerste gethan zu haben, wenn sie sich „an Bord halten". Von Schluß und Nachgeben ist natürlich bei ihnen keine Rede. Sie fahren im Sattel herum, wie ein losgegangenes Paket auf einem Packthier, reißen in die ohnedies schon scharfen Zügel, nur um sich im Gleichgewicht zu halten, und werfen das ganze Gewicht ihres Körpers dagegen, wenn sie das Pferd einmal bewegen wollen, langsam zu gehen oder ganz still zu stehen. Die Thiere werden dadurch wund geritten und abgehetzt, und die Pferdevermiether hier, fast lauter Engländer und Amerikaner, haben einen solchen Ueberblick in den Personen ihrer Kunden, daß sich Leute, die nur das geringste Seemännische an sich tragen, sich fest darauf verlassen können, die abgerittensten und überdies vielleicht schon aufgegebenen Kracken zu bekommen. Es geschieht deshalb sehr häufig, daß solche arme Schlachtopfer, selbst wenn sie ihr Thier einmal nicht übermäßig abgetrieben haben, in den Fall kommen, es plötzlich stürzen und verenden zu sehen, wonach sie dann noch das Vergnügen haben, nicht allein zu Fuß in die Stadt zurückzugehen, sondern auch noch das Sattelzeug zu tragen. Höchst erstaunt sind sie dann meistens, wenn man ihnen für das verlorene Pferd wenig oder gar nichts abnimmt, und es scheint /54/ sich deshalb das Gerücht verbreitet zu haben, es sei schon genug, von einem in Buenos-Ayres gemietheten Pferd Zaum und Sattel zurückzubringen, das Uebrige habe keinen Werth. Die Capitaine haben aber meist so nichtswürdige Pferde gehabt, daß sich die Vermiether schämen auch noch Geld dafür zu verlangen, weil Jemand so freundlich gewesen war, es für sie hinaus auf den Anger zu reiten.

 

Wer ein gutes Pferd ausmiethet und damit zu Schaden kommt, kann sich auch darauf verlassen, daß er theuer genug dafür zu zahlen hat - für Buenos-Ayres nämlich - denn Pferde sind dort überhaupt spottbillig.

So viel schon hatte ich, während meines Aufenthalts in Buenos-Ayres, von den Saladeros oder Schlachtplätzen dieses bedeutenden Handelsortes für Fleisch und Häute gehört, daß ich nicht umhin konnte, die mir von allen Seiten beschriebenen Plätze auch einmal selber zu besuchen. Die Schlachtplätze liegen fast sämmtlich an der sogenannten Boca, etwa eine halbe Legua von der Stadt entfernt, und vor dem Frühstück sprengte ich eines Morgens, von einem jungen Deutschen begleitet, hinaus, das Schlachten des Viehes mit anzusehen.

Unser Weg führte uns fast durchgängig dicht am Fluß hin, und widerlich war mir hier besonders der Anblick der durch den Fluß an's Ufer geschwemmten gefallenen Rinder und Pferde. Der Geruch, oder besser gesagt der Gestank, wurde an mehreren Stellen so schauerlich, daß ich den Athem anhalten mußte. An einem Platz blieb uns sogar nichts weiter übrig, als über drei dicht beieinander liegende Pferde, oder wenigstens die Ueberbleibsel derselben, hinwegzusetzen. Deutsche Pferde wären hier unter keiner Bedingung vorwärts zu bringen gewesen; die Buenos-Ayres-Ponies kehrten sich aber nicht im Mindesten daran und würdigten ihre gefallenen Kameraden kaum eines Blickes.

Nach einem etwa viertelstündigen gestreckten Galopp erreichten wir endlich die Ufer der Boca, und ich konnte im Anfang nicht gleich herausbekommen, was das Weiße sein mochte, das beide Ufer an vielen Stellen eindämmte. Als wir aber näher kamen, erkannte ich zu meinem Erstaunen, daß es Rinderköpfe seien deren Hörner überall, regelmäßig aufgeschichtet, aus der darüber geworfenen Erde hervorschauten.

Drüben über der Boca lagen die flachen offenen Gebäude der Schlachtereien, und wir mußten noch eine Strecke an dem kleinen Wasser hinauf und dort über eine Holzbrücke reiten, wo, beiläufig gesagt, Zoll bezahlt wurde und wir gleich darauf den „blutigen Grund" betraten. In den nächsten Schlachtereien wurde heute nicht „gearbeitet" - es war dort „aufgeräumt" und sah verhältnißmäßig reinlich aus, und als wir langsam hindurchritten, sahen wir die in Massen aufgeschichteten und eingesalzenen Häute in den einzelnen Schuppen liegen. Mir war aber besonders darum zu thun, das wirkliche Schlachten der Thiere mit anzusehen, und glücklicher Weise fanden wir in der ersten Schlachterei gleich einen Deutschen, der uns zu dem gesuchten Orte wies. Schon von Weiten: hörten wir das Schreien und die gellenden Zurufe der Viehtreiber, und als wir näher kamen, sahen wir, wie eben wieder drei Reiter in den etwas vom Schauplatz entfernten Corral (eine Einfenzung) sprengten, um einen Theil der dort hineingestellten Thiere in die für ihren Fang bestimmte Fenz zu treiben. Einer von ihnen war eine besonders hervorstechende Persönlichkeit - ein alter schlankgewachsener, kräftiger Mann von sechsundfünfzig bis sechzig Jahren, zäh und wettergebräunt, aber mit einer solchen Galgenphpsiognomie, wie ich sie nur je ein Menschenantlitz entstellen sah. Er schien der Führer der Uebrigen und in Blut und Mord ergraut, und so mußten die Gestalten ausgesehen haben, die Rosas früher mit seinen Blutbefehlen beauftragte; holten sie doch ihre Opfer aus den Kreisen ihrer Familien heraus und durchschnitten ihnen die Kehlen Er ging ganz in die Tracht der Gauchos gekleidet, mit roth und blauem Poncho, eben solcher Cheripa und den gewöhnlichen Bolas von Pferdehaut an. Der Lasso hing ihm hinten am Sattel, denn ohne Lasso reitet kein solcher Bursche auch nur einen Schritt, und wenn der Poncho beim raschen Reiten in die Höhe flatterte, schaute darunter der Griff des hinten im Gürtel schräg steckenden Messers hervor. Der gleichfalls graue Bart umgab ihm in krausen, unordentlichen Zotteln Kinn und Backen, und eben solche Büschel /56/ hingen ihm über die Augen herunter. Ich konnte im Anfang meine Blicke von dem greisen Gaucho nicht abwenden, und hätte ich noch einen Zweifel über seinen Charakter gehabt, der nächste Augenblick würde ihn zerstört haben.

Drei dieser Corrals oder Umzäunungen lagen nämlich dicht nebeneinander, und der größte auch von dem Schlachtplatz am weitesten entfernt. Etwa halb so groß als dieser war der nächstfolgende, und der dritte und zur unmittelbaren Aufnahme der nächst zu schlachtenden Thiere bestimmte war der allerkleinste und konnte nur etwa vierzig bis fünfzig Stück halten. In den ersteren wurde das Vieh gleich aus den Pampas hineingetrieben, in dem zweiten das für den Gebrauch verlangte abgesondert, und in den dritten das zum Schlachten abgeführt. In den zweiten nun, in dem etwa 20 oder 30 noch ihrer Todesstunde harrten, sprengten die Drei und trieben die Thiere mit Schreien und Heulen der durch Knaben indeß geöffneten letzten Einfriedigung zu. Im Anfang ging das auch ganz gut; das junge Vieh wurde durch den wilden Lärm und die zum Schein hochgeschwungenen Hände, in denen sie stets den gefürchteten Lasso zu sehen glaubten, scheu gemacht und drängte von selbst von seinen Verfolgern weg. Kaum aber quoll ihnen, in der Nähe des letzten Corrals, der warme Blutgeruch ihrer vorangegangenen Kameraden entgegen, so suchten sie auch eben so rasch wieder zurückzufliehen und warfen sich ihren Henkern gerade entgegen. Aber zu spat; diese trieben sie, selbst durch das Gewicht ihrer Pferde, ihrem Bestimmungsort zu - es gab für sie kein Entrinnen mehr, und eingeschüchtert und halb betäubt wandte sich jetzt die kleine zitternde Schaar mit hochgehobenen Schnauzen, den gefürchteten Ort zu betreten. Doch das war den Treibern nicht rasch genug - vorwärts, mit Sporn und Revenka, treiben sie die eigenen Thiere an, auf die jungen Rinder einzusprengen; mit dem schweren eisernen Revenkaring schlugen sie auf die Knochen der ängstlich Blökenden nieder, und der alte greise Gaucho zog endlich mit wildem Fluch sein Messer und stieß es den hintersten Stieren, die nicht rasch genug vordrängen konnten, fünf bis sechsmal in den After - um die Haut nicht zu verletzen. Die Wunden wären, hätten sie noch /57/ draußen herumlaufen müssen, tödtlich gewesen; hier schadete es ja aber nichts. Die Thiere wurden gleich geschlachtet. Ich bin überzeugt, der Schuft hätte einem Menschen sein Messer mit eben solcher Ruhe in den Leib gerannt.

Als das letzte der armen, halb zu Tode geängstigten und blutenden Geschöpfe in den für sie bestimmten Corral sprang, schob er das lange Messer lachend unter den Poncho zurück, warf sein Pferd herum und galoppirte nun, von den Kameraden gefolgt, um die Einfriedigung herum auf die andere Seite der Schlachterei. Dort stieg er ab, befestigte ein langes, auf der Erde liegendes und aus roher Haut gedrehtes starkes Seil an seinem Sattelgurtring, welchem Beispiel die anderen Beiden, und zwar mit dem nämlichen Tau, folgten, und richtete sich dann, nach dem Corral zurückschauend, hoch im Sattel auf. Ich fand bald die Ursache von diesem allen.

Das Ledertau war ein langer starker Lasso, dessen über einen richtigen „Block" laufende Schlinge der auf der Umzäunung des Corrals stehende Schlächter in der Hand hielt, ein paar Mal um den Kopf schwang und dann mit fast nie irrender Sicherheit einem der Thiere um die Hörner warf. So wie die Reiter sahen, daß der Lasso geschleudert war, gaben sie ihren Thieren die Hacken, diese zogen an und rissen dadurch den gefangenen Stier zuerst auf die Vorderfüße, dann ganz nieder, und zu gleicher Zeit auch dicht zu der Stelle hinan, wo der Lassowerfer stand. Dieser hatte jetzt ein langes Messer in der Hand, bog er sich nieder, stach sein Opfer mit der scharfen Klinge in den Nacken dicht hinter die Hörner, daß es todt zusammenbrach, griff dann wieder nach dem Lasso und richtete sich auf, ihn auf's Neue zu werfen.

In dem Corral, eben da wo der gestochene Stier lag, öffnete sich zu Zeit eine Klappe, und das ganze Gestell, auf welches er schon vorher durch das Anspannen des Lasso gezogen wurden, glitt jetzt mit dem Stier darunter vor und lief auf einer kurzen „Eisenbahn" den Schlachtschuppen entlang. An dessen Ende aber standen sechs Männer bereit, ihn von dem kleinen niedern Wagen herabzuziehen, und dann augenblicklich abzustreifen und auszuschlachten. Der Wagen rollte dabei ohne weitern Verzug wieder zurück, die Klappe /58/

fiel zu, der Lasso flog, ein anderes Opfer suchend, durch die Luft, wieder stürzte der Stier, seinem Tod entgegengerissen; wieder glitt der Karren auf den blutigen Schienen hin und, von seiner Last befreit, zurück, und ein dritter fiel in demselben Augenblick – bis auch der letzte gefangen und getödtet worden.

Ich wandte mich jetzt dem Schlachthof selber zu, und der Anblick, der sich mir hier bot, war wirklich schaudererregend. Der Platz selbst wurde so rein gehalten, wie sich das nur möglicher Weise halten ließ. Das Blut floß aber in Strömen in eigens dazu ausgezimmerte Kanäle nieder, und besondere Männer waren sogar dabei beschäftigt, mit eigens zu solchem Dienst bestimmten breiten Holzschaufeln das geronnene Blut auszuschieben und für den Lauf des frisch zuströmenden frei zu halten. Der Schuppen, unter dem die Leute arbeiteten, war hoch und geräumig, und die Eisenbahn lief längs darin bis zum äußersten Ende. Hier waren Leute beschäftigt, die letzt angefahrenen Thiere - der Lassowerfer hatte zwei zu gleicher Zeit in die Schlinge bekommen - abzustreifen; dort hauten Andere Keulen und Fleischstücke schon früher geschlachteter ab, und Andere trugen oder warfen vielmehr dieses wieder seinem Bestimmungsort zum Verpacken zu - alle in bloßen Füßen und im Blut watend, mit Blut bedeckt. Und dazwischen die wild umhergestreuten Köpfe und Gebeine, die Eingeweide, die auf Wagen geladen und fortgefahren wurden, und dort drüben - mich ekelt's noch wenn ich daran denke - lagen die ungeborenen Kälber. Ein Haufen von vielleicht dreißig oder vierzig Stück war da aufgehäuft, und eine Anzahl Knaben, bis an die Schultern in Blut, eben beschäftigt, den ältesten und schon ziemlich ausgewachsenen die Haut abzustreifen, wie die anderen bei den Hinterbeinen nach einem dazu bestimmten Wagen zu schleifen.

Ein Bursche in einem rothen Poncho - pfui, was für ein schmieriger Geselle es war! - schlich sich lange um den Haufen dieser ungeborenen Kälber herum und schien die dort liegenden mit prüfenden Blicken zu betrachten. Endlich ergriff er eins der größten bei den Hinterbeinen, zog unter dem Poncho einen alten blutigen Sack vor, steckte es dort hinein /59/ und glitt dann, ohne daß sich weiter Jemand um ihn bekümmert hätte, aus dem Schlachthof - hatte sich der Mann etwa unter diesem ekelerregenden Wust einen Braten ausgesucht? Mir schauderte die Haut bei dem bloßen Gedanken; ich hatte aber auch jetzt an dem Anblick vollkommen genug; sollte ich mir den Appetit an Fleisch für immer verderben?

Unsere Pferde standen dicht bei all' dem Blut und Lärmen angebunden, aber so ruhig, als ob sie sich draußen auf freiem ungestörten, unentweihten Plan befunden hätten. Wir lösten die Zäume, stiegen wieder auf und sprengten gleich darauf, wie es alle Leute in der Argentinischen Republik thun, im gestreckten Galopp den Schlachthof entlang über die schmale, die Boca überspannende Brücke hinüber und, am Ufer des Rio de la Plata hin, Buenos-Ayres zu.

Es war mir interessant genug, diese Schlachtereien, von wo aus Fleisch und Häute in ungeheuren Massen nach allen Weltgegenden hin versandt werden, einmal in der Nähe gesehen zu haben; ich konnte aber zwei volle Tage lang keinen Bissen Fleisch essen - ich mußte immer an den Mann mit dem rothen Poncho und dem ungeborenen Kalbe denken.

In den letzten Tagen, die ich in Buenos-Ayres verlebte, kamen noch Nachrichten über neue Gewaltthaten der Indianer. Am Rio-Quarto sollten sie eine Familie ermordet und andere überfallen haben, die sich ihnen nur durch die rascheste Flucht entzogen, bis das Militär aus dem kleinen, nicht sehr entfernten Städtchen aufgeboten wurde und gegen die wilden Söhne der Steppe anrückte. Weit hinweg durften sich aber einzelne Trupps Soldaten auch nicht von ihren befestigten Plätzen wagen, denn los Idiios waren tapfere, gefürchtete Krieger und verachtende Gegner. Solche Nachrichten sind aber auch meistens übertrieben; keinesfalls konnten sie meinen Entschluß mehr ändern.

 

In der Zeit, in welcher ich mich in Buenos-Ayres aufhielt; kam hier gerade mit dem englischen Paketschiff die Nachricht an von unserem ersten und letzten Seesieg über die Dänen, von der

Zerstörung Christian's VIII. und der Wegnahme der Geflon. Zufälliger Weise befand sich gerade in dieser Zeit eine sehr große Anzahl von Schiffscapitainen hier /60/ - (die Fracht von hier fort stand sehr schlecht, und die Leute lagen hier mit ihren Schiffen und warteten, ob sie etwas Besseres bekommen konnten, als Maulthiere nach Havana zu führen). Das Eßhaus von Duckwitz war aber schon seit langer Zeit der Sammelplatz aller im Hafen befindlichen dänischen und deutschen Capitaine gewesen, und da gerade von diesen beiden Nationen eine sehr bedeutende Anzahl dort zusammentraf, läßt es sich denken, was für Discussionen über diesen Sieg entstanden. Einigemal kam es fast zu Schlägereien, zwischen Einzelnen, und mich amüsirten nur die verschiedenen Ansichten und Ideen, die da manchmal vorwucherten. Auch die Ursachen der einzelnen Streite waren häufig wirklich komisch. So meinte ein deutscher Capitain eines Tags - denn es wurde fast von weiter nichts als Fracht und Seeschlacht ge-sprochen - es thäte ihm nur leid, daß die Deutschen erst bei Christian dem Achten angefangen hätten, worüber sich ein dänischer Capitain auf das Furchtbarste erboste, die ganze Nachricht - was überhaupt sehr häufig geschah - für eine Zeitungslüge erklärte, und Leib und Seele verpfändete, wenn sich die ganze deutsche Nation auf den Kopf stelle, könne sie noch nicht einmal Christian den Fünfundzwanzigsten bekommen. - Guter Däne!

Die Zeit meiner Abreise rückte aber auch jetzt heran und ich freute mich wirklich, daß ich nun einmal mit beiden Füßen in das neue Leben hineinspringen sollte, denn hier in Buenos-Ayres schien Alles darauf angelegt zu sein, mir wo möglich das Herz schwer zu machen. Fortwährend kamen neue Berichte über indianische Grausamkeiten, und sogar von Mendoza wollte man wissen, daß schon seit vielen Jahren keine so entsetzliche Masse Schnee in den Gebirgen gelegen habe, als in diesem Winter.

Kürzlich war auch ein Deutscher aus dem Innern gekommen, der mir die schrecklichsten Schilderungen von den Gauchos, den Eingeborenen selber, lieferte. Nach denen mußte ich denn freilich fürchten, einem von ihnen auch nur den Rücken zuzudrehen, wenn ich nicht ein langes zwölfzölliges Messer zwischen den Rippen haben wollte. An Nachts ruhig zu schlafen war gar nicht zu denken, und er versicherte mir, er könne jetzt noch /61/ nicht begreifen, wie er selber lebendig wieder herausgekommen wäre. Der Mann hieß Berger. - Mir kam jetzt die ganze Reise vor wie Jemand, der mit einem langen Stock bewaffnet wild um sich her schlägt. - Hat man ihn erst einmal um den Leib gepackt, kann er uns nichts mehr anhaben.

Doch fort, fort mit Allem was mich beunruhigen oder ärgern könnte. - Eben schickt mir der Correo ein Pferd, mich zur neuen Fahrt abzuholen, und das Einzige nun was ich fühle und denke, ist das Bewußtsein, in ein neues thätiges - und wenn auch gefährliches Leben einzutauchen. - Ein Ritt durch die Pampas - alle vier bis sechs Leguas ein frisches Pferd, und im gestreckten Galopp ununterbrochen durch die weiten Steppen sprengend - so, fort bis nach Mendoza, zum Fuß der Cordilleren, dann, mitten im Winter, über die Schneegebirge und durch Chile meinem nächsten Ziele, Valparaiso, zu - was kümmerte mich das Andere!

4.

Ritt durch die Pampas.

Am 17. Juni Morgens schickte mir der Correo, wie schon vorher erwähnt, durch ein paar junge Burschen ein Pferd, mich und mein Gepäck zu seinem Hause zu bringen, daß wir dann von dort aus im Laufe des Tages aufbrechen könnten. Einen argentinischen Sattel (den sogenannten spanischen Sätteln ähnlich, aber doch etwas verschieden von ihnen) hatte ich mir schon am vorigen Tage besorgt, Zaum und Satteltasche ebenfalls, und mit meinen Waffen, einem Poncho, einer wollenen Decke und etwas Wäsche war ich vollkommen zu einem Ritt von meinetwegen vier Wochen gerüstet.

Spaß machte mir hierbei mein Wirth, ein Engländer, /62/ Mr. Davies, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ich mache die Reise durch's Land nur, um schneller nach Californien zu kommen, und sich schon während meines Aufenthalts die größte Mühe gab, mir das Californien mit den schrecklichsten Farben zu schildern. Er versäumte es auch nicht, mir selbst an diesem Morgen einen kleinen Beitrag zu liefern, und meinte es sei förmlich wahnsinnig von mir, nur des Goldes wegen meine gute Kehle in einem solchen tollen Ritt zu wagen. Mr. Davies war übrigens sonst der prächtigste und auch orginellste Bursche, den ich lange getroffen, und wir hatten manchen Spaß mitsammen gehabt. - Nur auf Californien durfte das Gespräch nicht kommen, das lag für ihn außer dem Spaß. Er wünschte mir übrigens zum Abschiede alles Gute, und außerdem auch noch: „daß mich die californischen Wilden nicht lange martern, sondern lieber gleich todtschlagen möchten, denn das sei sonst Thierquälerei".

Der Correo wohnte draußen am äußersten Ende der Stadt, und Buenos-Ayres ist entsetzlich weitläufig gebaut. Wir trabten aber lustig drauf los, und während ich glaubte, meinen alten Burschen schon in voller Ungeduld auf mich warten zu sehen und dann augenblicklich den Thieren die Sporen einzusetzen und weiter zu galoppiren, fand ich ihn im Gegentheil emsig beschäftigt - gar nichts zu thun. Statt die verschiedenen Päcke, die noch wild zerstreut am Bode herumlagen, auf das Lastthier zu laden, saß er ruhig dazwischen, schlürfte seinen Mateh und sah ans, als ob er noch gar nicht daran dächte, weder in dieser noch der nächste Woche aufzubrechen. Seine ganze Familie half ihm dabei redlich; die Frau kauerte in der einen Ecke neben einem Kohlenbecken, auf dem ein kleiner eiserner Theetopf oder Kocher stand, und der Sohn, ein junger Bursch von circa achtzehn Jahren, lehnte auf dem Bett und klimperte auf der Guitarre. So wie ich eintrat, möchte ich fast sagen, denn ich hatte den Fuß kaum auf die Schwelle gesetzt, kam aber auch die alte Dame schon mit der unausweichlichen Matehröhre auf mich zu, und ich will den Leser lieber gleich von vornherein mit diesem gewiß eigenthümlichen Genuß der Südamerikaner be-/63/kannt machen, damit es ihn später nicht so ganz unvorbereitet treffe, wie mich damals.

Der Mateh ist eine Art Thee, der aus den Zweigen und Blättern eines gewissen in Brasilien und am Paraguay wachsenden Baumes bereitet werden soll. Er sieht aus wie ein grünliches Pulver mit kleinen Zweigen und Holzstückchen darin, und wird im Aufguß getrunken. Die Art, wie sie ihn trinken, ist aber charakteristisch. Der Mateh selber kommt in eine zu diesem Zweck besonders gehaltene Calabasse, von der Größe eines starken Apfels etwa, und auf ihn wird dann das kochende Wasser gegossen. Da man aber beim ordentlichen Trinken desselben den feinen Staub mit in die Kehle bekommen würde, so gebrauchen sie hierzu eine kleine dünne Blechröhre, die sie Bombille nennen, und deren unteres Ende eine theesiebartig durchlöcherte abgeflachte Kugel bildet. Durch diese etwa sechs bis sieben Zoll lange Blechröhre ziehen sie, mit anscheinendem Hochgenuß, den kochend heißen Trank, dessen Temperatur sich dem Blech natürlich augenblicklich mittheilt und dem, der solche Kost nicht gewöhnt ist, unfehlbar die Lippen verbrennen muß, besonders wenn er es „unvorbereitet trinkt“. Es versteht sich von selbst, daß ich dasselbe that. Das Fatalste bei diesem Matehtrinken ist übrigens das rein demo- kratische Princip, nach dem er getrunken wird. In allen Familicn giebt es gewöhnlich nur eine Mateh-Calabasse, und diese geht im Kreis herum, so daß Jeder dieselbe Blechröhre in seinen Mund schiebt, daran saugt, und sie dann dem Nachbar reicht - ich habe schon Sachen gesehen, die appetittlicher waren. Ein Verweigern derselben wäre aber eine Mißachtung der Gastfreundschaft, die den freundlichen Geber nicht allein kränken, sondern auch beleidigen würde. Der Fremde überwindet deshalb lieber, wenn es ihm von gerade nicht lieben Lippen geboten wird, seinen Ekel und legt die er die Haut seiner Lippen auf den Altar der Convenienz, als daß er dieLeute kränke, die ihm damit wirklich das Beste bringen, was sie selber genießen.

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