Reisen Band 2

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Den weißen Kakadu gibt es in ungeheuren Schwärmen, und Züge streichen oft über die Waldungen, breiten sich über die Ufer der Lagunen, oder flattern kreischend und schreiend in die breiten Äste der Gumbäume an den Ufern der Flüsse, in Scharen von drei- und vierhundert Stück. Der schwarze Kakadu ist schon seltener, kommt aber auch in ganzen Völkern, manchmal mit dem weißen zusammen, am liebsten aber doch allein vor, und von diesem habe ich besonders zwei leicht zu unterscheidende Arten gesehen, die eine mit hochrothem, die andere mit orangegelbem Kamm und Querstreifen über den Schwanz.

Zu dem jagdbaren Geflügel gehört noch eine Art gelb und braunes Waldhuhn, ziemlich so groß wie ein gewöhnliches Haushuhn. -

Doch genug von der Tierwelt, ich will lieber wieder zu meinem einsamen Marsch zurückkehren.

Die Nacht vom 20. blieb ich auf einer Station, die ich gerade vor Sonnenuntergang erreichte, und ging am nächsten Morgen ziemlich früh aus. Sonderbarer Weise fühlte ich aber eine Art Schwindel im Kopf, als ob ich betrunken wäre, und auf ebener Erde taumelte ich ein paar Mal hin und her. Das Stärkste, was ich an dem Morgen getrunken hatte, war Tee gewesen, und den Tag über Murraywasser, davon konnte es also nicht kommen; sonst fühlte ich mich ebenfalls vollkommen wohl, nur im Kopf ging mir's herum, und manchmal tanzte der ganze Busch einen ordentlichen Reigen um mich her. Wenn ich jetzt hier, gerade in der Nähe der schlimmsten Indianerstämme, krank geworden wäre - der Gedanke jagte mir einen kalten Schauer über den Leib, und ich wanderte, gerade nicht besonders freudiger Stimmung, vorwärts. Der Schwindel wurde übrigens gegen Abend immer stärker, und ich konnte endlich nicht weiter. Am Fluß selbst mochte ich aber, der dort aus und ab streichenden Blacks wegen, nicht lagern, ich schwankte also, denn gehen konnte ich /121/ das gar nicht mehr nennen, etwa eine Viertelstunde in die Malleybüsche hinein, zündete mir dort mit unendlicher Mühe ein Feuer an, rollte mich, die Büchse an der rechten, offenen Seite, in meine Decke und verfiel bald in eine Art von Halbschlaf, in dem ich auch die ganze, ziemlich traurige Nacht verbrachte. Am nächsten Morgen hatte der Schwindel etwas nachgelassen, der Kopf brannte mir aber wie Feuer, und mein Magen, erklärte mir ebenfalls ziemlich deutlich, daß er etwas mehr verlange als pigs face und Murraywasser. Glücklicher Weise schoß ich, als ich meine Decke aufgepackt hatte und zum Murray zurückging, ein Walloby, aus dem ich mir ein Stück am Feuer briet; dennoch war ich den Tag zum Marschiren unfähig. Gott weiß, was mir in den Gliedern lag, die Knochen waren mir aber wie zerschlagen, und ich fürchtete ernstlich krank zu werden.

Um den Tag übrigens nicht gänzlich zu verlieren, beschloß ich, das einzige Hemd, das ich noch aus dem Schiffbruch gerettet - weil ich es eben. anhatte -, wieder einmal zu waschen, das Wetter war dem auch günstig, und aus einer Sandbank im Fluß, die gespannte Büchse über ein paar Stück zu dem Zweck hineingeschlepptes Holz gelegt, so daß sie mir im Notfall dicht zur Hand blieb, beendete ich meine ganze Wäsche in etwa einer halben Stunde, Sand statt Seife benutzend, und verzehrte dann den Rest meines Walloby - mein Magen befand sich noch in ganz vorzüglicher und keineswegs durch den Schwindel angegriffener Ordnung. Am andern Morgen war ich denn auch, Dank meiner guten Natur, vollkommen wieder hergestellt - der Schwindel hatte mich freilich noch immer nicht ganz verlassen, aber ich fühlte ihn nur dann noch, wenn ich stehen blieb und die Augen fest auf einen Punkt gerichtet hielt. Den Tag über verließ mich auch dies letzte Gefühl, und ich wanderte jetzt wieder froh und frisch meine Bahn durch die ewigen Gumwälder.

Von meinem Lagerplatz abgehend, hatte ich aber die einzelnen Wagenspuren wieder verloren, die nach einer Station, wahrscheinlich etwas zurückbiegend, führten, und ziemlich gerade Richtung verfolgend, die mich wieder zum Fluß bringen mußte, behielt ich diese bei und erreichte den Murray gerade /122/ an einer Stelle, etwa Nachmittags zwei Uhr, wo an der gegenüberliegenden Seite, auf einem Sandhügel, von Fichten und sogenannten honeysuckles (Banksias) umgeben, eine kleine Hütte stand. Am andern Ufer sah ich einige Schwarze mit einem ihrer Rindencanoes, winkte ihnen und hatte sie bald bei mir. Von den Blacks, die sich an den Stationen aufhalten, hat man übrigens auch nichts zu fürchten, wenigstens so lange sie in der Nähe der Wohnungen der Weißen bleiben, und für ein Stückchen Tabak waren diese gern erbötig, mich über den Strom zu schaffen.

Diese Rindencanoes der australischen Wilden sind übrigens merkwürdige Dinger, und gar sehr verschieden von denen aller übrigen Stämme, die mir bis dahin vorgekommen. Der nordamerikanische Wilde z. B. an den großen Süßwasser-Seen des Binnenlandes fertigt sich aus der elastischen und zähen Birkenrinde ein Canoe, mit dem er selbst über die erregten Wogen jener gewaltigen Wasser kühn und blitzesschnell hinüberschifft. Dem faulen australischen Wilden fällt es aber gar nicht ein, sich mit irgend etwas Mühe zu geben, was er ohne Mühe weit bequemer haben kann; er schält sich deshalb nur ein einfaches Stück Rinde von einem Gumbaum herunter und legt das auf's Wasser - er wählt stets gebogene Bäume, von denen er das äußere Knie nimmt, so daß er auch nicht die mindeste Mühe weiter damit hat als eben das Abschälen, läuft das Wasser aber doch vorn oder hinten hinein, so baut er sich einen kleinen Damm mit ein paar Händen voll Thon oder Lehm, und rudert nun, bloß mit seinem Speer, über den Fluß hinüber und herüber, und manchmal auch ein Stück hinunter oder hinauf. Er muß aber fortwährend dabei genau balanciren, denn nicht selten und auch z. B. an dem Canoe, in welchem ich übersetzte, bleibt kaum ein Zoll hoch Rand, so daß die geringste falsche Bewegung das Canoe unrettbar füllen und senken muß. Ich saß denn auch, vollkommen eines solchen Zufalls gewärtig, mit meiner Büchse umgehängt und das Pulverhorn, das ich nur in dem letzten „public house", wo sie einige Sachen zum Verkauf hielten, wieder hatte frisch füllen lassen, auf den Kopf gebunden. /123/ Wir kamen aber glücklich hinüber, und ich blieb die Nacht bei den Leuten in der Hütte, von denen ich auf das Gastlichste aufgenommen wurde. Die Nacht regnete es, was vom Himmel herunter wollte, und ich war froh, daß ich nicht im Freien liegen mußte.

Hier hörte ich auch, daß die beiden Schwarzen, die zweier Mordtaten wegen verfolgt wurden, ganz in der Nähe seien. Die nach ihnen ausgesandten Constabler waren aber unverrichteter Sache zurückgekehrt, weil sie dieselben nicht persönlich kannten und auch durch keinen der anderen herausbekommen konnten; doch erwartete man sie jeden Tag zurück, und der Schäfer wünschte sehr, daß diese beiden gefährlichen Schufte, von denen der Eine noch dazu mit Feuergewehr bewaffnet war, unschädlich gemacht würden.

Am 29. Mai, bei ziemlich schönem Wetter, wanderte ich meinen Weg auf einer ziemlich gebahnten Straße hin; ich hatte einige zwanzig englische Meilen kein Haus zu erwarten, und war deshalb in der etwas öden Gegend ziemlich aufmerksam. Ich befand mich hier unter der Mündung des Murrumbidgee, und gerade hier sollten einige der bösartigsten Stämme Hausen. Es war übrigens schon Nachmittag, und noch hatte ich keinen einzigen der Blacks gesehen, ja oft nicht einmal eine frische Spur von ihnen gefunden, als ich plötzlich vor mir in der Straße sich etwas regen sah und ein dunkler Körper über den Weg in die dichten Tee- und Lignumbüschc hineinglitt. Ich ging noch etwa dreißig bis vierzig Schritt vorwärts, blieb dann stehen und sah, da ich nicht ohne Grund vermutete, daß ich von irgend einer Seite beobachtet würde, nach meinem Gewehr, knackte ein paar Mal mit dein Hahn, setzte zur Fürsorge neue Zündhütchen auf, und verließ dann die hier gerade durch ziemlich dichtes Gebüsch hinführende Straße, um rechtsab nach einem kleinen, mehr offenen Sandhügel einzubiegen, wo ich, im Fall einer der Schurken wirklich böse Absichten haben sollte, das Terrain besser übersehen konnte und nicht überall Büsche um mich her hatte, in denen die Schwarzen sich leicht anzuschleichen vermochten.

Hier schien ich aber aus dem Regen in die Traufe zu /124/kommen, denn kaum auf dem Gipfel des Hügels angelangt sah ich mich plötzlich von einem ganzen Stamm der Blacks, die auf dem Marsch begriffen waren und gerade in diesem Augenblick, zu welchem Zweck konnte ich nicht erraten, einen Halt gemacht haben mußten. Es brannte nicht ein einziges Feuer, und selbst die wenigen Frauen, die sie mit sich führten,, trugen ihre Päcke noch auf dem Rücken.

Ich war jedenfalls schon früher von ihnen bemerkt worden, denn nur ein Teil von ihnen sah sich nach mir um, als ich so dicht vor ihnen - ich mochte kaum noch hundert Schritt von ihnen entfernt sein - erschien, und vier oder fünf alte Männer waren in einer heftigen Disputation begriffen. Ich selber wußte im ersten Augenblick nicht, was ich tun sollte - leichtsinniger Weise hatte ich auch von Sidney nur meine Büchse und mein Messer mitgenommen, und meinen königlich sächsischen Paß im Koffer liegen lassen, wie sollte ich mich jetzt legitimieren. - So war ich denn freilich wieder einmal auf mich selber angewiesen und glaubte diesmal wirklich, einem Anfall nicht mehr aus dem Wege gehen zu können, Übrigens war ich vollkommen darauf vorbereitet, denn ich hatte mir bei meinem letzten Unwohlsein - eine Sache, die jetzt viel zu meiner Beruhigung beitrug, - für den Schrotlauf meines Gewehrs Patronen gemacht und für den Büchsenlauf die sich sehr rasch ladenden Spitzkugeln in der breiten Gürteltasche stets zum Gebrauch bereit.

Das Aussehen der dunkeln Schar war übrigens keineswegs einladend, und es ließ sich nicht leicht verkennen, was sie eigentlich beabsichtigten. Sie waren jedenfalls zu einem Kriegszug aufgebrochen, hatten sich reichlich mit weißer und roter Erde auf die wunderlichste Art bemalt, und gingen, ich möchte sagen, bis an die Zähne bewaffnet. Fast Jeder von ihnen trug zwei Bumerangs, drei oder vier Speere und am Handgelenk die kleine Kriegskeule mit dem schmalen Schild, und es läßt sich denken, daß diese schon in friedlicher Zeit mord- und beutelustigen Gesellen eben nicht milder gestimmt sein würden, wo sie einmal die Waffen mit dem festen Entschluß aufgegriffen hatten, nicht ohne das Nierenfett irgend eines erlegten Feindes wieder heimzukehren. /125/ Allerdings galt dieser Zug nicht den Weißen, sonst hätten sie mich selber schon lange überfallen, sondern wahrscheinlich irgend einem andern benachbarten Stamme (und das war auch der Fall, denn später hörte ich, daß sie gegen die Swanhill-Blacks zu Felde gezogen wären); jedenfalls kam ich ihnen aber da so ganz allein, noch dazu mit meinen Waffen, die sie recht gut zu würdigen verstehen, auf eine gar verführerische Weise in den Wurf, und ich glaube nicht, daß ich mich irrte, wenn ich das scharfe Debattiren der Alten auf mich selber bezog.

 

Leid tut es mir jetzt, damals meine Advokaten, das heißt die, welche vielleicht gegen irgend eine feindliche Maßregel stimmten, nicht näher beobachtet zu haben; mir blieb aber in dem Augenblick wahrlich keine Zeit dafür, denn nach einem rasch umhergeworfenen Blick sah ich wieder eine Gestalt hinter mir, und zwar ebenfalls wie die frühere nicht offen vortretend, sondern, als ich mich umdrehte, das Gebüsch suchend. Die Sache war, wie die Engländer sagen, too exciting, to be pleasant, zu aufregend um angenehm zu sein.

Ihnen gerad in die Zähne laufen wollte ich aber auch nicht, und sie wenigstens die Angreifer sein zu lassen, wogegen sie doch gewöhnlich einige Scheu tragen, wandte ich mich wieder dem Weg zu und beschloß, mich auf diesem zu halten und abzuwarten, was die schwarzen Schufte beginnen würden.

Lange sollte ich darüber nicht in Zweifel bleiben; ich war kaum zweihundert Schritt gegangen, als ich rechts, durch die niederen Teebüsche weg, zwei junge kräftige Kerle mit ihren Waffen nach dem Weg Hinüberschneiden sah, als ob sie dort kreuzen wollten; ich war ungefähr noch sechzig Schritt von ihnen entfernt, als sie stehen blieben und mich dort, doch nicht in feindlicher Stellung, erwarteten. Durch das Abbiegen vom Hügel war ich der übrigen Schar aus den Augen gekommen, sah aber jetzt, wie sich diese ebenfalls auf dem Hügel sammelte, augenscheinlich um die Verhandlungen zu beobachten. Mir war übrigens schon vorher von allen, die ich darüber gesprochen und die längere Erfahrung für sich hatten, gesagt worden, nie und unter keinen Umständen, wenn ich jemals /126/ mit Eingeborenen in eine derartige Berührung kommen sollte, Furcht zu zeigen - ich selber hatte das ebenfalls schon unter den verschiedensten Verhältnissen erprobt gefunden, und wenn mir auch jetzt das Herz ein wenig klopfte, beschloß ich doch, die schwarzen Bursche davon nicht das Mindeste merken zu lassen. Ich nahm deshalb die Büchse langsam und ohne sie zu spannen von der Schulter und unter den Arm, und ging meinen ruhigen Schritt fort auf die beiden mich Erwartenden zu.

„You smoke?" sagte der Eine, als ich dicht vor ihnen war, jetzt wohl denkend, daß ich bei ihnen stehen bleiben würde, - und das sollte nicht etwa heißen, ob ich s e l b e r rauche, das würde sie wenig gekümmert haben, sondern ob ich Tabak bei mir führe.

„No,“ lautete meine kurze Antwort, und damit bog ich, ihnen nur eben nach der rechten Seite ausweichend, mir aber auch den rechten Arm mir dem Gewehr (und mein Jagdmesser trug ich, der Tasche wegen, ebenfalls an der rechten Seite) freihaltend, ihnen rasch aus dem Pfad und schritt meinen gewöhnlichen Gang auf dem Wege fort. Ein paar Sekunden blieben sie, wie unschlüssig gemacht, stehen, dann aber kamen sie, nach ein paar schnell gewechselten Worten, rasch hinter mir her, und ich war jetzt genötigt, mich umzudrehen und sie zu erwarten, denn ich mochte sie nicht in Speerwurfsnähe wissen und ihnen dabei den Rücken zugekehrt halten.

„You smoke? –“ wiederholte jetzt der Eine, der vorher gesprochen, ungeduldig, nicht mehr in bloßer Frage, sondern schon fordernd, und ich sagte ihnen eben so kurz und bestimmt, daß ich keinen Tabak bei mir hätte. Das war nun freilich nicht der Fall, und ich hätte ihnen gern eine Stange gegeben, tat ich das aber, so glaubten sie am Ende, sie hätten mich eingeschüchtert, und ihre Habgier wurde dann gereizt und trieb sie zu Weiterem.

„That dam gammon,“ fuhr aber der Sprecher jetzt wütend auf - „you smoke!“- gammon ist ihr englischer Ausdruck für Lüge, Betrug, zum Besten haben usw. - und ich glaubte jetzt, daß ich sie habe weit genug gehen lassen, mich /127/ eben für einen friedlichen bundleman zu halten, mit dem sie tun und vornehmen konnten, was ihnen gerade beliebte. Um ihnen daher vor allen Dingen zu beweisen, daß ich mich nicht im Mindesten vor ihnen fürchte oder überhaupt glaube, daß sie hier das Übergewicht über mich hätten, griff ich in die Tasche, zog eine Stange Kautabak heraus, zeigte sie dem Einen, und sagte ihm, er solle den Tabak haben, wenn er mir eine von den Bumerangs gäbe, die er in der Hand trüge.

Die Wirkung, die dieser Vorschlag auf ihn machte, war in der Tat komisch. Er sah mich erst ein paar Secunden lang erstaunt an, dann seinen Kameraden, und sprang plötzlich, wie in einem Ausbruch von Fröhlichkeit, hoch in die Höhe. Jetzt aber nahm er die eine Bumerang in die rechte Hand, lief ein paar Schritte zurück und rief: „I give you bumerang“ und schwang die Waffe, als ob er sie nach mir schlendern wollte.

Vielleicht sollte das Ganze nur Scherz sein; jedenfalls zeigte es mir aber deutlich, wie ganz verschieden sich jetzt diese zum Kampf ausrückenden Burschen betrugen, wenn sie einen einzelnen Mann zwischen sich hatten, mit dem sie vielleicht glauben mochten, sie könnten tun was sie wollten. Wie er aber nun zurücktrat und die Bumerang in der Luft schwang, hatte ich meinen Tabak auch schon wieder eingesteckt und ließ, ohne weiter eine Miene zu verziehen, beide Hähne aufknacken. Beide Schwarze faßten bei dem ihnen wohl gut genug bekannten Laut nach ihren Speeren; vor Feuergewehren, besonders doppelten, die sie recht gut von den einfachen zu unterscheiden wissen, haben sie aber eine sehr heilsame Scheu, und unschlüssig sahen sie sich, wohl überzeugt daß der Angriff nur von ihrer Seite abhänge, einander an. Da stieß einer der Indianer, die auf dem Hügel standen und deren Bewegungen ich bis dahin ganz aus den Augen verloren, einen eigentümlichen Schrei aus; wie ein Blitz wandten sich meine beiden Freunde darnach um, und als ich mich ebenfalls dorthin drehte, sah ich eben noch, wie drei von den Schwarzen in toller Eile und ihre Speere zum Wurf in der Hand den Hügel hinab und dorthin in die Büsche sprangen wo ich hergekommen war. /128/ Im ersten Augenblick konnte ich nichts Anderes glauben, als Schrei und Angriff gelte mir, und brach die ganze Bande über mich herein, so blieb mir allerdings nichts weiter übrig, als ein paar vor den Kopf zu schießen und meine Haut dann von ihren Speeren in ein Sieb verwandeln zu lassen. - Die nächste Sekunde überzeugte und beruhigte mich aber, daß kein Mensch mehr an mich dachte, was auch die Ursache war, und selbst die beiden an mich Abgeschickten rannten, so rasch sie ihre Beine trugen, die Straße zurück. Natürlich blieb ich auch nicht stehen, ihre Rückkunft zu erwarten, beeilte meinen Marsch aber auch nicht, um keine Furcht zu zeigen, - und ich muß gestehen, daß mir das schwer wurde - und verfolgte ruhig meine Straße, den Fahrgleisen nach. Als ich mich aber nach einer Weile umdrehte, sah ich nur zu gut, daß kein Mensch mehr Notiz von mir nahm, denn die Frauen, die jetzt nur noch auf dem Hügel standen, hatten mir alle den Rücken zugedreht und schauten nach der entgegengesetzten Richtung hin.

In der nächsten Station, die ich den Abend noch gerade vor Dunkelwerden erreichte, bekam ich eine teilweise Auflösung dieses rätselhaften Betragens.

Diese Indianer gehörten zu den Murrumbidgee-Blacks. Kurze Zeit vorher war Einer der Swanhill-Blacks herüber an den Murrumbidgee zu einem kleinen Stamm gekommen. Er ist allein, und trifft zwei Murrumbidgee-Blacks, von denen der Eine eine Flinte trägt. Diese beiden fragen ihn, wo er herkommt und wie er heißt, und als er die Fragen beantwortet, sagt ihm der Eine: es sei gut, er solle mit ihnen gehen, gibt ihm sogar das geladene Gewehr zu tragen und läßt ihn vorangehen. Als sie aber eine kurze Strecke ans diese Art marschiert und an einen dazu passenden Ort gekommen sind, nimmt der Eine, der vorher die Flinte gehabt, seinem Kameraden den Waddie oder die kleine Kriegskeule aus der Hand, schlägt den fremden Schwarzen damit zu Boden und ihm dann das Gehirn ein, schneidet ihn auf, nimmt ihm das Nierenfett und deckt ihn mit Zweigen und Büschen zu.

Der Stamm des Ermordeten erfährt das aber und er-/129/klärt, für die Tat Rache nehmen zu wollen; die übrigen Murrumbidgee-Blacks wollten dagegen den Schwarzen ihres Stammes schützen, und zogen deshalb jetzt von allen Seiten heran, so daß die Settler in der ganzen Gegend vermuteten, es würde jedenfalls zum Kampf zwischen den Stämmen kommen. Was übrigens das sonderbare Betragen der Blacks gegen mich betraf, wodurch ich ihnen ungehindert entkam, wußte ich mir nicht anders zu erklären, als daß jener Schwarze, den ich zweimal hatte über meinen Weg gleiten sehen, vielleicht dem feindlichen Stamm angehörte, hier zum Spionieren herübergekommen und von den Feinden entdeckt worden war. In dem Fall lag ihnen natürlich Alles daran, dieses Spions habhaft zu werden, und sie ließen mich gern ungeschoren. Möglich ist's aber auch, daß es nur ein Vorwand war, auf eine anständige Art von mir los zu kommen; denn die Schwarzen sind so feig als heimtückisch, und hüten sich, so lange sie es irgend vermeiden können, einen offenen Angriff auf Weiße zu machen, der vielleicht später von Einem ihres eigenen Stammes verraten werden könnte. Kann das heimlich geschehen, wenn ihrer nur höchstens zwei beisammen sind, genieren sie sich weniger; die meisten Mordthaten an Weißen sind auch fast sämtlich von einem einzelnen Schwarzen oder von zweien ausgeübt worden.

War ich nun vor einiger Zeit nach dem linken Ufer des Murray übergesetzt, so rieten mir jetzt die Leute auf zwei Stationen, die ich passierte, den Weg nach der nächsten Polizeistation zu verfolgen, und dort wieder, wenigstens für eine Strecke lang, auf das rechte zurückzugehen, da ich dadurch einen bedeutenden Bogen, den der Strom hier machte, abschneiden konnte.

Dem Rat folgend, erreichte ich am 30. die sogenannte Polizeistation, die hier allerdings etwas einsam in der Wüste liegt, und mehr des Namens als sonst eines besondern Nutzens wegen unterhalten wird. Das Einzige, was der dort wohnende Commissioner, ein Mr. Macdonald, sonst ein sehr geachteter und allgemein beliebter Mann, zu tun hat, ist, Grenz- und andere Streitigkeiten zwischen Nachbarn zu /130/ entscheiden. Der Commissioner ist zugleich auch Protector der Blacks und hat ihnen schon sehr viel Gutes erwiesen; in diesem Augenblick war er übrigens nicht anwesend. Er hatte, wenn ich mich nicht irre, seiner Gesundheit wegen eine Reise nach Melbourne gemacht, war aber schon wieder auf dem Rückweg und wurde täglich erwartet.

Neben der Polizeistation war ein Gasthaus, in dem ich übernachtete, und hier frug mich gleich bei meinem Eintritt der Wirt: ob ich der Deutsche sei, der in einem Canoe von Albury ausgefahren wäre. Ich war wohl nicht mit Unrecht erstaunt, daß der Mann hier, mitten in der Wildnis, davon jetzt schon etwas wissen kannte, denn den Fluß herunter war kein Reisender gekommen, ich hatte wenigstens keine Spur gesehen, und wer konnte es ihm sonst gesagt haben? Als ich es übrigens bejahte und ihn nur frug, woher er das wisse, zeigte er mir mit einem schlauen Blick ein Sidney-Zeitungsblatt, das Einer von der berittenen Polizei mit von Melbourne gebracht hatte, und worin mein Plan, Sidney zum Zweck einer Canoefahrt auf dem Murray zu verlassen, erwähnt war. Der Mann tat sich nicht wenig auf seine Schlauheit zu Gute, mich gleich erkannt zu haben, und war ungemein freundlich.

Hier lagerten auch einige zwanzig Blacks, und ich gab einem von ihnen, als ich ankam, das Schwanfell , das ich noch immer in der Decke trug, um das Fett aus der Haut mit einer Muschel heraus zu kratzen, worin sie eine große Fertigkeit haben sollen. Als ich nach einer halben Stunde, wieder hinausging, um zu sehen wie weil sie damit wären, sahen sämtliche Blacks so fettig und glänzend von oben bis unten aus - denn trotz der ziemlich kalten Witterung trugen nur zwei oder drei von ihnen Decken -, als ob sie sämtlich in Öl abgekocht gewesen wären. Haar, Gesicht, Arme, Beine, kurz Alles glänzte gleich stark, und ich sah, wie sie sich gegenseitig mit ungemeinem Wohlgefallen betrachteten. Mein Schwanfell hatten sie aber in dem Eifer, soviel als möglich von dem sehr beliebten Fett daraus zu erhalten, so rein ausgekratzt, daß an ein paar Stellen die ganze Haut mitgegangen war, und es schien mir eben die höchste Zeit, es an /131/ mich zu nehmen, wenn ich nicht bloß die Federn übrig behalten wollte.

 

Diese Sitte der australischen Stämme, sich den Körper mit Fett einzureiben, scheint aber fast so viel in der Eigenschaft des ganzen dortigen Klimas, als in Mode oder Aberglauben begründet zu sein. Die Luft trocknet die Haut ans eine solche Weise aus, daß selbst Europäer schon, besonders bei längerem Aufenthalt im Innern, zu demselben Mittel ihre Zuflucht genommen haben - auch Leichhardt erwähnt es in seiner Reise. Die Wilden benutzen das Fett dann also etwa in derselben Art und teilweise auch zu demselben Zweck, wie wir uns, selbst wenn die Haut im Sommer noch so rein ist, häufig waschen, und Schwarze sollen oft in der Nähe von Ansiedelungen die Weißen auf das Dringendste um nur ein kleines Stückchen Fett angehen, wenn sie es sich nicht selber gleich verschaffen können, nur um ihrer Haut diese Linderung zu gönnen.

In dem Gasthaus übernachteten zwei Engländer, die von dem Darling gekommen und etwa sechzehn Meilen von da ebenfalls von Blacks angehalten, durch das Hinzukommen eines Reiters aber noch von ihnen befreit worden waren. Der Stamm sollte dicht am Wege lagern, und der Eine von ihnen suchte mir abzureden, allein dort hinunter zu gehen, und lieber hier zu warten, bis sich ein Begleiter für mich fände. Daran konnte ich natürlich nicht denken, beschloß jedoch, wenn ich in die Nähe des Platzes, den sie mir ziemlich genau bezeichneten, käme, rechts in den Wald abzubiegen und dadurch jeder Berührung mit ihnen auszuweichen.

Mein Marsch ging diesen Tag größtenteils durch die sandigen Malleybüsche, wo ich allerdings gut Marschiren hatte (denn der Boden war fest und hart, aber auch nicht weit um mich sehen konnte. Um drei Uhr Nachmittags erreichte ich etwa die Gegend, welche mir die Engländer beschrieben hatten, und wo die Blacks an einem Creek lagern sollten; bald darauf sah ich auch den Creek und, vorsichtig weiter gehend, den Rauch ihrer Feuer, und schlug mich nun rechts in die Büsche, in ungefähr einer Meile den Lagerplatz umgehend. Gegen /132/

Abend erreichte ich die Straße wieder, und nun konnte ich ungehindert meinen Weg verfolgen.

Als ich durch den Malleybusch von der Straße abmarschierte, sah ich mehrere Kängurus und ein Emu, ich mochte aber in diesem Fall nicht schießen, leid tat es mir aber doch, einen guten Braten so gerade unter der Hand weglassen zu müssen. In der Nacht erreichte ich eine Station, und setzte dort am andern Tage wieder über den Fluß nach dem linken Ufer, da mir in dem letzten Hause gesagt war, ich würde auf der Seite noch vor Abend ein Haus erreichen können. Die von hieraus führenden Karrenspuren waren aber sehr unbestimmt, da sie bald rechts, bald links in den Busch hinein führten. Bis gegen Abend hielt ich aber ziemlich gute Richtung und behielt immer den befahrensten Weg bei; mit Dunkelwerden, wo ich das Haus noch nicht erreicht hatte, verlor ich diesen jedoch, und glaubte nun, wenn ich meine Richtung einfach der untergehenden Sonne, also fast Nordwest zu hielte, die Station, oder doch jedenfalls den Fluß und an diesem wieder einen Weg erreichen zu müssen. Es wurde aber dunkler und dunkler, die Sterne funkelten schon hoch am Himmel und das südliche Kreuz stieg mehr und mehr, aber immer ließ sich noch kein Zeichen von der Nähe des Stromes oder einer Station blicken. Tiefer und tiefer kam ich in die Malleywildnis hinein, Kängurus und Emus fuhren vor mir auf aus den Büschen, hier und da hörte ich den wilden Hund leise durch den Scrub schleichen, und ich konnte zuletzt nichts Anderes glauben, als daß ich, trotzdem daß ich treulich die bisher gehabte Richtung beibehalten hatte, meinen Weg total verfehlt haben mußte. Wie das gekommen, war mir für den Augenblick unerklärlich, ich wußte aber, daß ich mich auf der Südseite des Stromes befand; strich ich jetzt ganz gerade nach Norden hinüber, so mußte ich endlich wieder auf einen Pfad, oder doch wenigstens an den Fluß kommen, und dem südlichen Kreuz den Rücken zukehrend, marschierte, d. h. drängte und arbeitete ich mich jetzt in gerader Richtung gen Norden.

Wäre ich meiner Richtung aber nicht so gewiß gewesen, ich hätte sicherlich irre werden müssen, denn ich kam jetzt /133/ durch ein Terrain - steile, mit dichtem Busch bewachsene Sandhügel, und dann eine weite mit Salzbusch bewachsene Ebene -, das ich gar nicht kannte und das keinenfalls auf dem von mir zurückgelegten Pfad gelegen. Die Sterne logen aber in diesem Falle sicher nicht; denn wenn ich mir auch nicht gerade aus ihrem Stand mein Schicksal bezeichnen lassen möchte, unterwerf' ich mich doch sehr gern ihrem Ausspruch, was die Richtung in dunkler Nacht betrifft. Zwei volle Stunden mußte ich aber gehen, und legte in diesen gewiß sechs Meilen durch das wildeste, unwegsamste Terrain zurück, wobei mich das „Stachelschweingras" bald zur Verzweiflung brachte. - Stachelschweingras? wozu eigentlich noch eine Schmeichelei, Stachelschweinborsten hätte man eben so gut sagen können, denn wie scharfgeschliffene Borsten gingen mir die Spitzen in die Haut, und ich begreife jetzt recht gut, weshalb die Schwarzen nicht Nachts marschieren mögen - man braucht gar nicht abergläubisch zu sein, einem solchen zweckwidrigen Gewächs vorsichtig aus dem Wege zu bleiben, wenn es erst einmal dunkel ist. Dürre und überall niedergebrochene Malleystangen vermehrten dabei noch das Beschwerliche, und nur der Durst, der mich peinigte, denn ich hatte den ganzen Tag noch nicht einen Tropfen Wasser über die Lippen gebracht, vermochte mich, nicht gleich da liegen zu bleiben wo ich einmal stand, und den Versuch nicht aufzugeben, den Fluß noch an diesem Abend zu erreichen.

Prachtvoll war übrigens die Szenerie, wenn ich mir dann und wann Zeit nahm, stehen zu bleiben und einen Blick über das wilde Chaos zu werfen, das mich umgab. Die rauhen, mit Malley bewachsenen Sandhügel mit den wunderlichen Büschen und schöngezeichneten daraus hervorragenden kleinen Fichten lagen um mich her wie die schwellenden Wogen einer See, und die Sterne, die klar und funkelnd am Himmel standen, gaben gerade Licht genug, die eigentümlichen oft wildphantastischen Formen einzelner naher Büsche und Stämme erkennen zu lassen. Dabei raschelte und flüsterte cs durch den Busch in toller, unheimlicher Art, denn die von a l l e n Büschen niederhängenden Rindenstreifen schlugen an einander. Die Malleiblätter selber hatten ein eigenes trockenes, wis-/134/perndes Rauschen, und der Luftzug, der durch die schwingende Rinde strich, klang manchmal wie wirkliches Singen und Pfeifen menschlicher Wesen.

Ich bin übrigens nicht furchtsam, und da ich mich auch ziemlich sicher vor Schwarzen wußte, die hier, so weit vom Wasser entfernt und in dem stacheligen Gras, gewiß nicht Nachts umherzogen, konnte ich mich den fremdartigen Eindrücken mit voller Ruhe hingeben. - Es schwelgt sich aber schlecht in Naturschönheiten mit zerstochenen Schienbeinen, und ich fing an, mich mehr um meine Bahn, als die mich umgebenden Baum- und Strauchgruppen zu kümmern, die mich in ihren nicht wegzuleugnenden Hindernissen so schon genug beschäftigten.

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