Einführung in den Buddhismus

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Den Geist verstehen

Buddha lehrte, dass alles vom Geist abhängt. Wenn wir Buddhas Unterweisungen verstehen wollen, müssen wir daher zuerst die Natur und die Funktionen des Geistes verstehen. Dies ist auf den ersten Blick eine scheinbar einfache Aufgabe, da wir alle einen Geist besitzen und wissen, in welchem Zustand er sich befindet, ob er glücklich oder traurig, klar oder verwirrt ist. Wenn uns jedoch jemand fragen würde, was die Natur unseres Geistes sei und wie er funktioniere, könnten wir wahrscheinlich keine präzise Antwort geben. Dies weist darauf hin, dass wir kein klares Verständnis des Geistes besitzen.

Manche Menschen denken, der Geist sei das Gehirn oder ein anderer Teil des Körpers oder eine Funktion des Körpers. Das ist jedoch nicht richtig. Das Gehirn ist körperlich, etwas, das man mit den Augen sehen kann. Es kann fotografiert werden und es kann operiert werden. Der Geist hingegen ist nicht körperlich. Er kann weder mit den Augen gesehen werden, noch kann man ihn fotografieren oder durch eine Operation wiederherstellen. Das Gehirn ist deshalb nicht der Geist, sondern einfach nur ein Teil des Körpers.

Innerhalb unseres Körpers gibt es nichts, das wir als unseren Geist identifizieren können, weil Körper und Geist verschiedene Wesenheiten sind. Unser Geist kann zum Beispiel sehr beschäftigt sein, von einem Objekt zum andern springen, während unser Körper entspannt und regungslos ist. Dies weist darauf hin, dass Körper und Geist nicht von gleicher Natur sind. In den buddhistischen Schriften wird unser Körper mit einem Gasthaus verglichen und unser Geist mit einem Gast, der darin verweilt. Sterben wir, verlässt unser Geist unseren Körper und geht ins nächste Leben über, so wie ein Gast eine Herberge verlässt und zu einem anderen Ort reist.

Wenn der Geist nicht das Gehirn oder irgendein anderer Teil unseres Körpers ist, was ist er dann? Er ist ein formloses Kontinuum mit der Funktion, Objekte wahrzunehmen und zu verstehen. Weil der Geist von Natur aus formlos oder immateriell ist, kann er auch nicht durch materielle Objekte behindert werden. Für unseren Körper ist es unmöglich, ohne Raumschiff zum Mond zu fliegen, unser Geist aber kann den Mond augenblicklich erreichen, indem er ganz einfach an ihn denkt. Objekte zu erkennen und wahrzunehmen ist die außergewöhnliche Funktion des Geistes. Obwohl wir sagen: «Ich weiß dieses und jenes», ist es in Wirklichkeit unser Geist, der es weiß. Wir wissen Dinge nur, indem wir unseren Geist benutzen.

Es gibt drei Ebenen des Geistes: eine grobe, eine subtile und eine sehr subtile. Grobe Geisteszustände schließen verschiedene Arten von Sinnesgewahrsein ein, wie das Augengewahrsein, das Ohrengewahrsein, sowie alle starken Verblendungen wie Wut, Neid, Anhaftung und starke Unwissenheit des Festhaltens am Selbst. Diese groben Geisteszustände sind mit groben inneren Winden verbunden und relativ leicht zu erkennen. Wenn wir einschlafen oder sterben, lösen sich unsere groben Winde nach innen auf und unser subtiler Geist wird manifest. Subtile Geisteszustände sind mit subtilen inneren Winden verbunden und schwieriger zu erkennen als grobe Geisteszustände. Während des tiefen Schlafes und am Ende des Sterbevorganges lösen sich die inneren Winde im Zentrum des Herzkanalrades im Zentralkanal auf und danach manifestiert sich der sehr subtile Geist, der Geist des klaren Lichtes. Der sehr subtile Geist ist mit dem sehr subtilen inneren Wind verbunden und außerordentlich schwierig zu erkennen. Das Kontinuum des sehr subtilen Geistes hat keinen Anfang und kein Ende. Es ist dieser Geist, der schließlich nach völliger Reinigung durch die Schulung in der Meditation in den allwissenden Geist eines Buddhas umgewandelt wird.

Es ist sehr wichtig, unfriedliche Geisteszustände von friedvollen Geisteszuständen unterscheiden zu können. Geisteszustände, die unseren inneren Frieden stören, wie Wut, Neid und begehrende Anhaftung, werden Verblendungen genannt. Sie sind die Hauptursachen für alle unsere Leiden. Wir denken vielleicht, unsere Leiden seien durch andere Menschen, durch schlechte materielle Umstände oder durch die Gesellschaft verursacht. In Wirklichkeit entstehen Leiden jedoch durch unsere verblendeten Geisteszustände. Die Essenz der Dharma-Praxis ist es, unsere Verblendungen zu vermindern und schließlich ganz auszulöschen, und sie durch friedvolle, tugendhafte Geisteszustände zu ersetzen. Dies ist der Hauptzweck der Schulung in Meditation.

Wir sind es gewohnt, unser Glück außerhalb von uns selbst zu suchen. Wir versuchen, bessere materielle Umstände, wie eine bessere Arbeit oder einen höheren gesellschaftlichen Status, zu erreichen. Selbst wenn wir unsere äußeren Umstände mit großem Erfolg verbessern, werden wir trotzdem weiterhin vielen Schwierigkeiten begegnen und unzufrieden sein. Wir erleben niemals reines, andauerndes Glück. In seinen Dharma-Unterweisungen rät uns Buddha, das Glück nicht außerhalb von uns zu suchen, sondern es innerhalb unseres Geistes zu erzeugen. Wie können wir das tun? Indem wir unseren Geist durch aufrichtige Praxis des Buddhadharmas reinigen und kontrollieren. Wenn wir uns auf diese Art schulen, können wir sicherstellen, dass unser Geist jederzeit ruhig und glücklich bleibt. Wir werden dann immer glücklich und friedvoll sein, selbst wenn unsere äußeren Verhältnisse noch so schwierig sind.

Obwohl wir sehr hart arbeiten, um Glück zu erlangen, ist dieses nur schwer zu erreichen, während Leiden und Probleme ganz natürlich und ohne jede Anstrengung aufzutauchen scheinen. Warum? Weil die Ursache für Glück in unserem Geist - Tugend - sehr schwach ist und nur durch große Anstrengung ihre Wirkung entfalten kann, während die inneren Ursachen für Leiden und Probleme - die Verblendungen - sehr stark sind und ihre Auswirkungen entfalten können, ohne dass wir uns bemühen. Dies ist der wahre Grund, weshalb Probleme wie von selbst entstehen, während Glück so schwer zu finden ist.

Daraus können wir erkennen, dass sich die Hauptursachen sowohl für unser Glück als auch für unsere Probleme in unserem Geist befinden und nicht in der äußeren Welt. Wären wir in der Lage, den ganzen Tag lang einen ruhigen und friedvollen Geist zu bewahren, würden wir nie irgendwelche Probleme oder geistigen Leiden erleben. Wenn unser Geist ständig friedvoll ist, dann werden wir nicht unglücklich, selbst wenn wir beleidigt, kritisiert oder beschuldigt werden, oder wenn wir unsere Arbeit oder unsere Freunde verlieren. Wie schwierig unsere äußeren Verhältnisse auch werden mögen, die Situation wird nicht zum Problem für uns, solange wir einen ruhigen und friedlichen Geist behalten können. Wenn wir also den Wunsch haben, frei von Problemen zu werden, gibt es nur eines zu tun: zu lernen, einen friedvollen Geisteszustand zu bewahren, indem wir Dharma aufrichtig und rein praktizieren.


Vergangene und zukünftige Leben

Wenn wir die Natur des Geistes verstehen, können wir auch die Existenz vergangener und zukünftiger Leben verstehen. Viele Menschen glauben, dass nach dem Tod und Zerfall des Körpers auch das Kontinuum des Geistes ein Ende nimmt und dass der Geist nicht weiterexistiert, so wie eine Kerzenflamme, deren Wachs verbrannt ist. Es gibt sogar Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, Selbstmord zu begehen in der Hoffnung, dass mit ihrem Tod ihre Probleme und Leiden ein Ende finden; diese Ideen aber sind völlig falsch. Wie bereits erklärt, sind unser Körper und Geist getrennte Wesenheiten. Obwohl der Körper beim Tod zerfällt, erfährt das Kontinuum des Geistes keine Unterbrechung. Anstatt ein Ende zu finden, verlässt der Geist einfach den gegenwärtigen Körper und geht in das nächste Leben über. Gewöhnlichen Wesen bringt der Tod nur neue Leiden, anstatt sie von ihren Leiden zu erlösen. Da sie dies nicht verstehen, zerstören viele Menschen ihr kostbares menschliches Leben, indem sie Selbstmord begehen.

Ein anderer Weg, der uns zum Verständnis von vergangenen und zukünftigen Leben führt, besteht in der Untersuchung der Vorgänge des Schlafens, Träumens und Aufwachens, weil diese den Vorgängen des Todes, des Zwischenzustandes und der Wiedergeburt sehr ähnlich sind. Wenn wir einschlafen, sammeln sich unsere groben inneren Winde und lösen sich nach innen auf. Unser Geist wird zunehmend subtiler, bis er sich in den sehr subtilen Geist des klaren Lichtes des Schlafes umwandelt. Während das klare Licht des Schlafes manifest ist, erfahren wir tiefen Schlaf und sehen für Außenstehende wie tot aus. Wenn es erlischt, wird unser Geist zunehmend gröber und wir durchschreiten die verschiedenen Ebenen des Traumzustandes. Schließlich werden unser normales Erinnerungsvermögen und die Fähigkeit der geistigen Kontrolle wiederhergestellt, und wir wachen auf. Wenn das geschieht, verschwindet unsere Traumwelt und wir nehmen die Welt des Wachzustandes wahr.

Ein sehr ähnlicher Vorgang spielt sich während unseres Todes ab. Wenn wir sterben, lösen sich unsere Winde nach innen auf und unser Geist wird zunehmend subtiler, bis sich der sehr subtile Geist des klaren Lichtes des Todes manifestiert. Die Erfahrung des klaren Lichtes des Todes ist der Erfahrung des tiefen Schlafes sehr ähnlich. Wenn das klare Licht des Todes aufhört, erfahren wir die Stadien des Zwischenzustandes oder Bardos auf Tibetisch, der ein traumähnlicher Zustand ist und zwischen Tod und Wiedergeburt eintritt. Nach wenigen Tagen oder Wochen endet der Zwischenzustand und wir werden wiedergeboren. So wie die Traumwelt beim Erwachen aus dem Schlaf verschwindet und wir die Welt des Wachzustandes wahrnehmen, so hören bei der Wiedergeburt die Erscheinungen des Zwischenzustandes auf und wir nehmen die Welt unseres nächsten Lebens wahr.

 

Der einzige bedeutsame Unterschied zwischen dem Vorgang des Schlafens, Träumens und Erwachens und dem Vorgang des Sterbens, des Zwischenzustandes und der Wiedergeburt besteht darin, dass nach der Beendigung des klaren Lichtes des Schlafes die Beziehung zwischen unserem Geist und unserem gegenwärtigen Körper intakt bleibt, wogegen diese Beziehung nach dem klaren Licht des Todes abbricht. Wenn wir darüber nachdenken, werden wir die Überzeugung gewinnen, dass vergangene und zukünftige Leben existieren.

Normalerweise glauben wir, dass die Dinge, die wir in unseren Träumen wahrnehmen, nicht real sind, nehmen aber an, dass die Dinge, die wir im Wachzustand wahrnehmen, echt sind. Buddha aber sagte, dass alle Phänomene wie Träume sind, weil sie lediglich Erscheinungen im Geist sind. Für diejenigen, die Träume richtig interpretieren können, haben sie eine große Bedeutung. Wenn wir zum Beispiel in einem Traum ein bestimmtes Land besuchen, in dem wir in diesem Leben noch nicht gewesen sind, weist unser Traum auf eine von vier Möglichkeiten hin: wir sind in einem früheren Leben in diesem Land gewesen; wir werden es später in diesem Leben besuchen; wir werden es in einem zukünftigen Leben besuchen; oder dieses Land hat für uns eine persönliche Bedeutung, falls wir beispielsweise kürzlich einen Brief aus diesem Land erhalten oder ein Fernsehprogramm darüber gesehen haben. Ähnliches gilt, wenn wir vom Fliegen träumen. Das kann bedeuten, dass wir in einem früheren Leben fliegen konnten wie ein Vogel oder wie ein Meditierender mit Wunderkräften, oder dass wir in Zukunft so ein Wesen sein werden. Ein Traum vom Fliegen kann auch eine übertragene Bedeutung haben, indem er eine Verbesserung unserer Gesundheit oder unseres Geisteszustandes symbolisiert.

Mit Hilfe von Träumen konnte ich herausfinden, wo meine Mutter nach ihrem Tod wiedergeboren wurde. Kurz bevor sie starb, nickte meine Mutter für einige Minuten ein. Als sie aufwachte, erzählte sie meiner Schwester, die sie betreute, sie hätte von mir geträumt. Im Traum hätte ich ihr einen traditionellen weißen Schal, einen Khatag, dargebracht. Ich deutete diesen Traum so, dass es mir möglich sein würde, meiner Mutter in ihrem nächsten Leben zu helfen. Deshalb betete ich nach ihrem Ableben jeden Tag, dass sie in England wiedergeboren würde, damit ich so die Gelegenheit hätte, ihrer Wiedergeburt zu begegnen und sie wiederzuerkennen. Ich richtete kraftvolle Bitten an meinen Dharmapala, mir klare Zeichen zu geben, wo die Wiedergeburt meiner Mutter zu finden sei.

Später hatte ich drei Träume, die mir bedeutungsvoll schienen. Im ersten träumte ich, ich hätte meine Mutter an einem Ort getroffen, den ich für England hielt. Ich fragte sie, wie sie von Indien nach England gereist sei, aber sie antwortete, sie sei nicht von Indien, sondern aus der Schweiz gekommen. Im zweiten Traum sah ich meine Mutter zu einer Gruppe von Menschen sprechen. Ich näherte mich ihr und sprach sie auf Tibetisch an, aber sie schien nicht zu verstehen, was ich sagte. Solange sie lebte, sprach meine Mutter nur tibetisch, aber in diesem Traum sprach sie fließend englisch. Ich fragte sie, warum sie ihr Tibetisch vergessen habe; sie antwortete aber nicht. Im selben Traum kam später ein Paar aus dem Westen vor, das beim Aufbau von Dharma-Zentren in England mithilft.

Beide Träume schienen Hinweise darauf zu geben, wo meine Mutter wiedergeboren worden war. Zwei Tage nach dem zweiten Traum besuchte mich der Ehemann des Paares, von dem ich geträumt hatte, und sagte mir, seine Frau sei schwanger. Ich erinnerte mich sogleich an meinen Traum und dachte, dass ihr Baby die Reinkarnation meiner Mutter sein könnte. Die Tatsache, dass meine Mutter im Traum ihr Tibetisch vergessen hatte und nur englisch sprach, deutete darauf hin, dass sie in einem englischsprachigen Land wiedergeboren würde, und die Anwesenheit dieses Paares im Traum konnte ein Hinweis dafür sein, dass es ihre Eltern waren. Ich führte dann ein traditionelles Orakel, das man auf Tibetisch «Mo» nennt, zusammen mit rituellen Gebeten aus, und dieses wies darauf hin, dass ihr Kind die Reinkarnation meiner Mutter war. Ich war sehr glücklich, erwähnte es aber niemandem gegenüber.

In der Nacht, als die Frau zur Entbindung ins Krankenhaus gebracht wurde, träumte ich immer wieder von meiner Mutter. Am nächsten Morgen betrachtete ich die Angelegenheit sorgfältig und traf eine Entscheidung: Wenn ihr Baby in dieser Nacht geboren worden war, dann war es sicher die Reinkarnation meiner Mutter, aber wenn dies nicht der Fall war, müsste ich weitere Untersuchungen anstellen. Nachdem diese Entscheidung getroffen war, telefonierte ich mit dem Ehemann, der mir die gute Neuigkeit mitteilte, dass seine Frau in der Nacht ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. Ich war sehr glücklich und machte eine Puja, eine Darbringungszeremonie, als Dankesdarbringung an meinen Dharmapala.

Einige Tage später rief mich der Vater an und teilte mir mit, dass das Baby sofort zu schreien aufhöre und zuzuhören scheine, sobald er Buddha Avalokiteshvaras Mantra OM MANI PÄME HUM rezitiere. Er fragte mich, warum dies so sei, und ich antwortete, es beruhe auf einer Neigung aus dem vorangegangenen Leben. Ich wusste, dass meine Mutter dieses Mantra mit starkem Vertrauen ihr ganzes Leben lang rezitiert hatte.

Das Kind bekam den Namen Amaravajra. Als später Kuten Lama, der Bruder meiner Mutter, England besuchte und Amaravajra zum ersten Mal sah, war er erstaunt, wie liebevoll sie zu ihm war. Er sagte, es sei, als ob sie ihn erkennen würde. Ich machte die gleiche Erfahrung. Obwohl ich Amaravajra nur selten besuchen kann, ist sie immer äußerst glücklich, mich zu sehen.

Als Amaravajra zu reden begann, zeigte sie eines Tages auf einen Hund und rief «kyi, kyi». Danach sagte sie immer wieder «kyi», wenn sie einen Hund sah. Ihr Vater fragte mich, ob «kyi» etwas bedeute, und ich sagte ihm, dass im Dialekt des westlichen Tibets, wo meine Mutter gelebt hatte, «kyi» Hund heißt. Dies war nicht das einzige tibetische Wort, welches das kleine Mädchen spontan äußerte.

Durch den Mann meiner Schwester vernahm ich später, ein tibetischer Astrologe hätte nach dem Tod meiner Mutter vorausgesagt, dass sie als Frau in einem Land mit einer anderen Sprache als Tibetisch wiedergeboren würde. Diese Geschichte stammt aus meiner persönlichen Erfahrung, aber wenn wir Nachforschungen anstellen, können wir viele andere wahre Geschichten darüber finden, wie Menschen in der Lage waren, Reinkarnationen ihrer Lehrer, Verwandten, Freunde und anderer zu erkennen. Denken wir über solche Geschichten nach und besinnen uns auf die Natur des Geistes und die Erfahrung von Träumen, werden wir mit Bestimmtheit davon überzeugt werden, dass es vergangene und zukünftige Leben gibt.

In seinen tantrischen Unterweisungen lehrte Buddha eine spezielle Praxis, die «Bewusstseinsübertragung in einen anderen Körper» genannt wird. Diese Praxis war in den Anfangszeiten des Buddhismus in Tibet ziemlich weit verbreitet. Ein Praktizierender, der sie meisterhaft beherrschte, war Tarma Dode, der Sohn des berühmten tibetischen Laien-Lamas und Übersetzers Marpa. Eines Tages stürzte Tarma Dode beim Reiten vom Pferd und verletzte sich tödlich.

Marpa, der wusste, dass sein Sohn die Praxis der Bewusstseinsübertragung beherrschte, begann sofort nach einer Leiche zu suchen, in welche Tarma Dode sein Bewusstsein übertragen konnte. Da er keinen menschlichen Leichnam fand, brachte Marpa seinem Sohn die Leiche einer Taube, die als vorübergehende Behausung für dessen Geist dienen sollte, bis er einen geeigneten menschlichen Leichnam finden würde. Tarma Dode stieß seinen Geist aus seinem sterbenden Körper aus und übertrug ihn in den Leichnam der Taube. Tarma Dodes Körper starb sofort, jener der Taube aber kehrte zum Leben zurück. Tarma Dodes Körper war jetzt der Körper einer Taube, aber sein Geist war immer noch der Geist eines Menschen.

Da er seinen Sohn nicht im Körper einer Taube lassen wollte, setzte Marpa seine Suche nach einem geeigneten menschlichen Leichnam fort. Eines Tages sah er dank seiner Hellsicht, dass ein buddhistischer Lehrer eben in Indien gestorben war und seine Schüler ihn auf den Friedhof gebracht hatten. Marpa sagte seinem Sohn, er möge so schnell wie möglich nach Indien fliegen. Tarma Dode flog im Körper der Taube nach Indien. Als er beim Leichnam des Lehrers ankam, stieß er seinen Geist aus dem Körper der Taube und trat in denjenigen der Leiche ein. Der Körper der Taube starb sofort, während der Körper des verstorbenen Lehrers zum Leben zurückkehrte. Tarma Dode verbrachte den Rest seines Lebens in Indien als Lehrer namens Tiwu Sangnak Dongpo. Einige Jahre später sandte Marpas Hauptschüler Milarepa seinen eigenen Schüler Rechungpa nach Indien, um besondere Unterweisungen von Tiwu Sangnak Dongpo zu erhalten. Als Rechungpa aus Indien zurückkehrte, konnte er diese Unterweisungen Milarepa darbringen.

Es gibt noch viele andere Beispiele früherer Meditierender, die ihr Bewusstsein in andere Körper übertragen konnten. Es heißt, dass Marpa selbst sein Bewusstsein während seines Lebens viermal in einen anderen Körper übertrug. Wie wäre es für diese Meditierenden möglich gewesen, ihr Bewusstsein auf diese Weise zu übertragen, wenn Körper und Geist die gleiche Wesenheit wären? Wenn wir mit einer positiven Geisteshaltung über solche wahren Geschichten nachdenken, hilft uns das zu verstehen, wie es möglich ist, dass das Bewusstsein nach dem Tod des Körpers weiterexistiert. Dies wiederum wird es uns sehr leicht machen, die Existenz vergangener und zukünftiger Leben zu begreifen.


Was ist Karma?

Um die Gesetze zu verstehen, die die Wiedergeburt von einem Leben zum nächsten bestimmen, müssen wir Karma verstehen. «Karma» ist ein Sanskrit-Wort und bedeutet Handlung. Alle beabsichtigten körperlichen, sprachlichen und geistigen Handlungen sind Karma. Wenn Buddhisten Leiden oder Unglück erfahren, sagen sie manchmal: «Dies ist mein Karma» und nehmen es geduldig an. Genau genommen ist jedoch das Leiden, das wir erfahren, nicht wirkliches Karma, sondern die Auswirkung von Karma, das wir entweder in vorherigen Leben oder früher in diesem Leben angesammelt haben.

Alle körperlichen und sprachlichen Handlungen hängen von geistigen Handlungen ab, weil ihnen eine geistige Absicht zu handeln vorausgeht. Ohne eine Absicht zu handeln, würden wir gar nichts tun. Eine geistige Absicht, die ein Entschluss zum Handeln ist, ist eine geistige Handlung oder geistiges Karma. So ist also körperliches Karma körperliche Tätigkeit, die durch eine geistige Handlung eingeleitet wurde, und sprachliches Karma sind sprachliche Handlungen, die durch eine geistige Handlung eingeleitet wurden. Daraus sehen wir, dass geistiges Karma wichtiger als körperliches oder sprachliches Karma ist.

Ob eine Handlung gut, schlecht oder neutral ist, hängt hauptsächlich von der Absicht ab, aus der heraus sie entstanden ist. Guten Handlungen liegen gute Absichten, schlechten Handlungen schlechte Absichten und neutralen Handlungen neutrale Absichten zugrunde. Gute oder tugendhafte Handlungen sind die Hauptursache für eine Wiedergeburt in den höheren Bereichen und für zukünftiges Glück, während schlechte oder nichttugendhafte Handlungen die Hauptursache für eine Wiedergeburt in den niederen Bereichen und für zukünftiges Leiden sind. Diese abhängige Beziehung zwischen Handlungen und Wirkungen - tugendhafte Handlungen sind die Ursache für Glück und nichttugendhafte Handlungen verursachen Leiden - wird von den Buddhas aufgrund ihres vollkommenen Wissens gelehrt. Wir müssen daran glauben, weil die Überzeugung in das Gesetz des Karmas die Wurzel für zukünftiges Glück ist.

Jede von uns begangene Handlung hinterlässt eine Prägung in unserem sehr subtilen Geist, und jede Prägung hat irgendwann ihre eigene Auswirkung zur Folge. Unser Geist gleicht einem Feld und das Ausführen von Handlungen gleicht dem Säen von Samen in dieses Feld. Tugendhafte Handlungen setzen Samen für zukünftiges Glück und nichttugendhafte Handlungen setzen Samen für zukünftiges Leiden. Diese Samen ruhen in unserem Geist, bis die Bedingungen für ihre Reifung entstehen und sie ihre Auswirkung produzieren. In manchen Fällen geschieht dies erst viele Leben nach dem Leben, in dem die ursprüngliche Handlung begangen wurde.

 

Die Samen, die zum Zeitpunkt unseres Todes reifen, sind sehr wichtig, weil sie die Art der Wiedergeburt unseres nächsten Lebens bestimmen. Welcher Samen beim Tod reif wird, hängt vom Geisteszustand ab, in dem wir sterben. Sterben wir mit einem friedvollen Geist, wird dies einen tugendhaften Samen anregen und wir werden eine glückliche Wiedergeburt erfahren. Sterben wir aber mit einem unfriedlichen Geist, zum Beispiel in einem Zustand von Wut, wird dies einen nichttugendhaften Samen anregen und wir werden eine unglückliche Wiedergeburt erfahren. Der Vorgang gleicht der Art und Weise, wie Alpträume durch einen erregten Geisteszustand unmittelbar vor dem Einschlafen ausgelöst werden.

Es gibt sechs Bereiche, wo wir wiedergeboren werden können: die drei niederen Bereiche und die drei höheren Bereiche. Die drei niederen Bereiche sind der Tierbereich, der Bereich der hungrigen Geister und der Höllenbereich. Die drei höheren Bereiche sind der menschliche Bereich, der Bereich der Halbgötter und der Bereich der Götter. Sie werden in Das neue Meditationshandbuch genauer beschrieben.

Tugendhafte Handlungen oder gutes Karma sind nicht nur der Hauptgrund für eine Wiedergeburt in den höheren Bereichen der Menschen und Götter, sondern auch ganz allgemein für Glück und freudvolle Erfahrungen. Wenn es uns also in diesem Leben gut geht, wir uns an guter Gesundheit, angenehmen Lebensbedingungen und guten Beziehungen zu anderen Menschen erfreuen und unsere Handlungen von Erfolg gekrönt sind, ist dies unser früheres gutes Karma, das reif wird. Ebenso sind die Erfolge in unserer spirituellen Praxis und unsere spirituellen Erlangungen Ergebnisse von tugendhaftem Karma. Im Gegensatz dazu sind die Leiden, wie Krankheit, Armut, Konflikte, Unfälle und Schaden durch Menschen und andere Wesen, die wir in diesem Leben erfahren, die Folge unseres eigenen, früher erzeugten negativen Karmas. Wenn unsere größten Wünsche unerfüllt bleiben, während Dinge, die wir nicht wollen, mit Leichtigkeit geschehen, oder wenn wir es nicht schaffen, gute Freunde zu finden, oder wenn wir sie sogleich wieder verlieren, sind auch dies Folgen unseres eigenen, reif werdenden, vergangenen negativen Karmas. Sogar kleine Unannehmlichkeiten, wie Störungen in unserem Tagesablauf oder die Unzufriedenheit, die in unserem Leben so oft vorherrscht, sind Ergebnisse von nichttugendhaftem Karma, das wir in früheren Leben angesammelt haben.

Wir können daraus erkennen, dass wir versuchen müssen, kein weiteres negatives Karma zu schaffen, wenn wir vor Leiden und den Gefahren einer niederen Wiedergeburt geschützt sein wollen. Wir müssen zudem versuchen, das negative Karma, das wir bereits erschaffen haben, zu reinigen. Es gibt zehn hauptsächliche nichttugendhafte Handlungen, die wir vermeiden sollten: drei Handlungen des Körpers, vier der Rede und drei des Geistes. Die drei nichttugendhaften körperlichen Handlungen sind Töten, Stehlen und sexuelles Fehlverhalten; die vier nichttugendhaften Handlungen der Rede sind Lügen, trennende Rede, verletzende Rede und leeres Geschwätz; und die drei nichttugendhaften geistigen Handlungen sind Begehrlichkeit, Böswilligkeit und das Festhalten an falschen Sichtweisen. Sie werden in Freudvoller Weg des Glücks vollständig erklärt.

Der beste Weg, negative Handlungen zu vermeiden, besteht darin, anderen gegenüber rücksichtsvoll zu sein. Da alle, selbst Tiere und Insekten, glücklich sein wollen und keine Leiden erfahren möchten, sollten wir uns bemühen, nie irgendeinem Lebewesen zu schaden. Selbst wenn wir ein winziges Insekt töten, ist das eine nichttugendhafte Handlung, weil sie dem Insekt großes Leid zufügt. Vielleicht haben wir große Freude am Fischen; wenn wir aber diese Tätigkeit vom Standpunkt der Fische aus betrachten, stellen wir fest, wie schädlich sie ist. Wir müssen für Menschen und Tiere gleiches Mitgefühl ohne Unterschied entwickeln; und wir sollten uns die größte Mühe geben, keinem Lebewesen Schmerzen zuzufügen.

Alle nichttugendhaften Handlungen haben drei verschiedene Auswirkungen: die gereifte Auswirkung, die Auswirkung ähnlich der Ursache und die Umweltauswirkung. Die gereifte Auswirkung einer negativen Handlung besteht in der Wiedergeburt in einem der drei niederen Bereiche. Die schlimmsten negativen Handlungen reifen als Wiedergeburt im Höllenbereich, weniger schwerwiegende negative Handlungen als Wiedergeburt im Bereich der hungrigen Geister und noch weniger schwere negative Handlungen als Wiedergeburt im Tierbereich.

Es gibt zwei Arten von Auswirkungen, die der Ursache ähnlich sind: die Neigungen, die der Ursache ähnlich sind, und die Erfahrungen, die der Ursache ähnlich sind. Diese beiden Auswirkungen sind weitere Folgeerscheinungen einer nichttugendhaften Handlung, die erfahren werden, nachdem die gereifte Auswirkung geendet hat und wir eine weitere Wiedergeburt in einem der sechs Bereiche angenommen haben.

Eine Neigung, die der Ursache ähnlich ist, ist ein starker Drang, ähnliche schädliche Handlungen zu wiederholen. Diese Auswirkung macht es uns sehr schwer, die Ausführung weiterer negativer Handlungen zu vermeiden, und schafft so die Ursache für weitere niedere Wiedergeburten. Die Neigung, die der Handlung des Tötens ähnlich ist, besteht darin, eine Neigung zum Töten zu haben. Manche Leute zum Beispiel reagieren automatisch, wenn sie eine Spinne in ihrem Zimmer entdecken, und zerdrücken sie; und es gibt Kinder, die es nicht lassen können, Tiere zu quälen oder zu foltern. Das sind Neigungen, die zerstörerischen Handlungen gleichen, die in der Vergangenheit begangen wurden. Die Neigung, die dem sexuellen Fehlverhalten ähnlich ist, besteht darin, sich stark zu den Partnern anderer Menschen hingezogen zu fühlen.

Folgende Auswirkungen sind Erfahrungen, die den zehn nichttugendhaften Handlungen ähnlich sind. Die Erfahrung, die dem Töten ähnlich ist, besteht darin, dass unser Leben kurz und von Krankheit erfüllt sein wird. Durch Töten verkürzen wir das Leben von jemand anderem. Deshalb haben wir selbst ein kurzes Leben und schlechte Gesundheit. Erleben wir solche Dinge in diesem Leben, ist es sicher, dass sie Resultate unserer eigenen vergangenen, negativen Handlungen sind. Die Erfahrung, die dem Stehlen ähnlich ist, besteht darin, dass uns Reichtum und Besitz fehlen. Und wenn es uns gelingt, etwas anzusammeln, wird es uns gestohlen oder Leute leihen es aus und bringen es nicht mehr zurück. Die Erfahrung, die dem sexuellen Fehlverhalten ähnlich ist, ist eine rasche Trennung von unseren Freunden und unserer Familie. Unsere Partner verlassen uns und Menschen, die für uns arbeiten, kündigen schnell und wir sind einsam. Wir können beobachten, dass manche Menschen, die alt und hässlich sind, viele Freunde und hingebungsvolle Partner haben, während andere, die jung und wunderschön sind, keinen treuen Partner oder dauerhafte Freundschaften finden können.

Die Erfahrung, die dem Lügen ähnlich ist, besteht darin, dass niemand glaubt, was wir sagen, und dass die Leute nicht auf unseren Rat hören. Die Erfahrung, die der trennenden Rede ähnlich ist, besteht in der Schwierigkeit, harmonische Beziehungen zu anderen zu entwickeln. Die Erfahrung, die der verletzenden Rede ähnlich ist, besteht darin, dass uns unangenehme Dinge gesagt werden und dass schlecht über uns geredet wird. Immer wenn uns jemand durch anklagende oder sarkastische Worte verletzt, können wir das als Ergebnis unserer eigenen vorherigen schroffen Worte erkennen. Die Erfahrung, die dem leeren Geschwätz ähnlich ist, besteht darin, dass das, was wir sagen, nicht ernst genommen wird. Man denkt, wir seien dumm, und schenkt unseren Bemerkungen und Meinungen keine Beachtung.

Die Erfahrung, die der Begehrlichkeit ähnlich ist, besteht darin, dass unsere Wünsche unerfüllt bleiben und es uns nicht gelingt zu bekommen, was wir uns wünschen. Die Erfahrung, die der Böswilligkeit ähnlich ist, besteht in einer Neigung zu ständiger Angst und zu Panik in gefährlichen Situationen. Die Erfahrung, die dem Festhalten an falschen Sichtweisen ähnlich ist, besteht darin, dass wir in großer Verwirrung leben und Schwierigkeiten haben, Weisheit zu entwickeln. Darüber hinaus sind wir voller Zweifel, wenn wir Dharma hören oder lesen. Wenn es schwer für uns ist, Fehlvorstellungen aufzugeben und spirituelle Realisationen zu erlangen, ist dies eine Folge davon, dass wir in der Vergangenheit auf falschen Sichtweisen beharrten.

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