Wie wir den Geist verstehen

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Wie wir den Geist verstehen

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Der vom Tharpa Verlag erzielte Erlös aus dem Verkauf dieses Buches fließt gemäß den Richtlinien in Ein Geldhandbuch in den Internationalen Tempelprojekt Fond in Deutschland (eingetragen unter: VR 4062 NP).

Ein buddhistischer Verein, der für den Weltfrieden baut

http://kadampa.org/de/temples/

Geshe Kelsang Gyatso

Wie wir den Geist verstehen

DIE NATUR UND DIE KRAFT DES GEISTES


Originaltitel: How to Understand The Mind

(Erstveröffentlichung als Understanding the Mind 1993, 2013 vollständig überarbeitet und als How to Understand the Mind neu veröffentlicht.)

Erstveröffentlichung deutsche Übersetzung als Den Geist verstehen 1995, vollständig überarbeitet und als Wie wir den Geist verstehen neu veröffentlicht.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Reproduktion ist unzulässig, außer zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung und Buchbesprechungen.

Herausgeber:

Tharpa Verlag Deutschland

ein Teil des Dipankara Kadampa-Meditationszentrum e. V.

(VR 4062 NP)

Mehringdamm 33, Aufgang 2

10961 Berlin

Der Tharpa Verlag hat überall auf der Welt Niederlassungen und Tharpa Bücher werden in den gängigsten Sprachen veröffentlicht.

Siehe hier für Kontaktadressen.

© Neue Kadampa Tradition

Internationale Union des Kadampa Buddhismus 1995, 2013

Das Titelbild zeigt Geshe Kelsa ng Gyatso. Die Federzeichnungen beinhalten Bilder aus dem Rad des Lebens als auch die acht glückverheißenden Symbole.

ISBN Paperback 978-3-908543-33-6

ISBN MOBI (für Kindle): 978-3-908543-62-6

ISBN ePub: 978-3-908543-61-9

Satz in Palatino, Tharpa Verlag

Papier: Offset

Druckerei: Elbedruckerei Wittenberg

Inhalt

Einführung

TEIL EINS:

Was ist unser Geist?

Wie der Geist sich bewegen kann

Grobe, subtile und sehr subtile Geistesarten

Primäre Geistesarten und geistige Faktoren

Die fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren

Die fünf objektfeststellenden geistigen Faktoren

Die elf tugendhaften geistigen Faktoren

Tugend, Nichttugend und Verblendung

Die sechs Ursprungsverblendungen

Die zwanzig sekundären Verblendungen

Die vier veränderlichen geistigen Faktoren

TEIL ZWEI:

Begriffliche und nichtbegriffliche Geistesarten

Sinnes- und geistige Gewahrseinsarten

Direktwahrnehmer

Anschließende Erkenner

Wiedererkenner

Richtige Glaubensarten

Nichtfeststellende Wahrnehmer

Nichtverblendete Zweifel

Falsche Gewahrseinsarten

Gültige und nichtgültige Erkenner

Meditation

Meditation einer Person anfänglicher Ausrichtung

Meditation einer Person mittlerer Ausrichtung

Meditation einer Person großer Ausrichtung

Schlussfolgerung

Widmung

Anhang I – Die zusammengefasste Bedeutung des Textes

Anhang II – Sadhanas

Befreiendes Gebet

Essenz des Glücks

Glossar

Bibliografie

Studienprogramme des Kadampa Buddhismus

Tharpa Niederlassungen weltweit

Einführung

Uns sollte bewusst sein, dass in den vergangenen Jahren unser Verständnis und die Beherrschung der äußeren Welt beträchtlich zugenommen haben und wir als Folge davon Zeugen eines bemerkenswerten materiellen Fortschritts geworden sind. Eine entsprechende Zunahme an menschlichem Glück hat es jedoch nicht gegeben. Es gibt in unserer Welt nicht weniger Leiden und nicht weniger Probleme. Tatsächlich könnte man sagen, dass es heutzutage mehr Probleme und größere Unzufriedenheit gibt als jemals zuvor. Dies zeigt uns, dass die Ursachen für Glück und die Lösung unserer Probleme nicht im Wissen und in der Beherrschung der äußeren Welt liegen. Glück und Leiden sind Gefühle – Bestandteile unseres Geistes – und deshalb sind ihre hauptsächlichen Ursachen nicht außerhalb des Geistes zu finden. Wollen wir wirklich glücklich und frei von Leiden sein, dann müssen wir unser Verständnis des Geistes vervollkommnen.

Wenn etwas in unserem Leben schiefgeht und wir in schwierigen Situationen stecken, dann neigen wir dazu, die Situation selbst als das Problem anzusehen. Aber in Wirklichkeit kommen alle Probleme, die uns widerfahren, von unserem Geist. Könnten wir schwierigen äußeren Situationen mit einem positiven und friedvollen Geist begegnen, gäbe es für uns keine Probleme mehr. Tatsächlich könnten wir sie sogar als Herausforderungen oder Gelegenheiten für eine Entwicklung und Entfaltung unseres Glücks ansehen. Probleme haben wir nur, wenn wir auf Schwierigkeiten mit einem negativen Geisteszustand reagieren. Deshalb müssen wir, wenn wir unsere Probleme wirklich loswerden wollen, lernen unseren Geist zu bändigen, indem wir unser Verlangen bändigen.

Indem wir unser Verlangen bändigen, können wir uns selbst jederzeit glücklich machen. Das ist so, weil unkontrolliertes Verlangen die Quelle allen Leidens und aller Probleme ist. Wir haben starke Anhaftung an die Erfüllung unserer eigenen Wünsche. Unser unkontrolliertes Verlangen allein ist der Grund, weshalb wir Menschen in dieser Welt so viele Probleme und Gefahren erschaffen. Wir erleben so viele Schwierigkeiten, weil wir nicht in der Lage sind, unser Verlangen zu bändigen. Könnten wir das, wären wir frei von allen Problemen.

Die Anleitungen in diesem Buch sind Methoden, unseren Geist, beispielsweise unsere Anhaftung an die Erfüllung unserer eigenen Wünsche, zu kontrollieren. Ganz besonders durch Studium und Praxis der unterschiedlichen Themen und Inhalte, die in diesem Buch dargelegt sind, können wir uns selbst verbessern und vom Zustand eines unwissenden niederen Wesens zu einem immer höheren Wesen und schließlich zum höchsten Zustand, dem eines erleuchteten Wesens, fortschreiten. Wir Menschen haben diese Möglichkeit. Sie ist es, die unser Leben so kostbar macht und ihm Sinn verleiht. Tiere, wie beispielsweise Hunde, haben diese Gelegenheit nicht, ganz gleich wie intelligent sie sind. Wir sollten erkennen, wie sehr wir vom Glück begünstigt sind und uns an diesem Glück erfreuen.

Geshe Kelsang Gyatso

4. Juni 2013

TEIL EINS


Folge dem Pfad zur Erleuchtung

 

Was ist unser Geist?

Wir sagen oft: «Mein Geist, mein Geist.» Wenn uns aber jemand fragen würde: «Was ist dein Geist?», dann hätten wir keine genaue Antwort. Das ist so, weil wir die Natur und Funktion unseres Geistes nicht richtig verstehen. Die Natur des Geistes ist Klarheit. Das bedeutet, er ist etwas, das leer ist wie Raum und dem immer Form, Gestalt und Farbe fehlt. Der Geist ist nicht wirklich Raum, denn erzeugter Raum hat Gestalt und Farbe. Tagsüber kann er hell sein und nachts dunkel. Der Geist aber hat weder Gestalt noch Farbe.

Wie ich bereits sagte, ist der Geist leer. Dennoch sollten wir nicht sagen, dass der Geist Leerheit ist. Was ist der Unterschied zwischen Leere und Leerheit? Im Buddhismus hat Leerheit eine sehr tiefe Bedeutung. Sie ist die wahre Natur der Dinge und ein sehr tiefgründiges und bedeutsames Objekt. Wenn wir Leerheit direkt verwirklichen, werden wir dauerhaft von allen Leiden dieses Lebens und zahlloser künftiger Leben befreit sein. Es gibt nichts, was von größerer Bedeutung ist. Deshalb ist Leerheit ein sehr bedeutsames Objekt, wohingegen eine Leere lediglich leer ist – sie hat keine besondere Bedeutung. Wenn wir deshalb behaupten, der Geist sei leer, dann meinen wir damit, dass ihm immer Form, Gestalt und Farbe fehlen. Und wenn wir behaupten, dass Raum leer ist, dann meinen wir damit, dass ihm behindernder Kontakt fehlt. Wenn wir sagen: «Mein Geldbeutel ist leer», dann meinen wir damit, dass im Geldbeutel kein Geld ist. Von daher ist es klar, dass verschiedene Leeren verschiedene Bedeutungen haben.

Die Funktion des Geistes ist, Objekte wahrzunehmen oder zu verstehen. Normalerweise sagen wir: «Ich sehe dies und das», aber nur, weil unser Geist das Objekt sieht. Weil unser Geist Dinge versteht, sagen wir: «Ich verstehe.» In dieser Weise sind unsere Wahrnehmung und unser Verständnis Funktionen unseres Geistes. Ohne Geist sind wir nicht in der Lage Objekte wahrnehmen und zu verstehen.

Darüber hinaus ist eine der hauptsächlichen Funktionen des Geistes die, Dinge zuzuschreiben. Ohne Namen können Dinge nicht existieren. Der Geist schreibt Namen zu, indem er denkt: «Dies ist dies.» Deshalb existieren die Dinge nur, weil der Geist sie zuschreibt. Hierdurch verstehen wir, dass alles, sogar die Welt, vom Geist erschaffen ist. Es gibt keinen anderen Schöpfer als den Geist. Wenn wir das sorgfältig überprüfen, ist es nicht schwer zu verstehen.

Fassen wir zusammen: Die Definition von Geist ist etwas, dessen Natur leer wie Raum ist, dem immer Form, Gestalt und Farbe fehlt und dessen Funktion es ist, Objekte wahrzunehmen und zu verstehen. Indem wir die Natur und Funktion des Geistes richtig verstehen, erkennen wir, dass unser Geist vollkommen verschieden ist von unserem Körper. Dies beweist, dass nach dem Tod unser Geist nicht endet, selbst wenn dies unser Körper tut. Der Geist verlässt den Körper und geht zum nächsten Leben, so wie ein Vogel sein Nest verlässt und zu einem anderen fliegt. Oder, ein anderes Beispiel: Wenn wir schlafen und träumen, liegt unser Körper da wie tot, unser Geist aber verlässt den Körper. Er geht zu einer Traumwelt und erlebt ein Traumleben, ein ganz neues Leben. Indem wir allein darüber nachdenken, können wir ganz klar die Existenz unserer zukünftigen Leben verstehen.

Wie der Geist sich bewegen kann

Unser Geist ist wie eine Person, die Augen aber keine Beine hat und so zwar Dinge sehen, sich aber nicht von einem Ort zu einem anderen begeben kann. In der gleichen Weise kann unser Geist Objekte sehen, ist aber nicht in der Lage, sich von allein von einem Objekt zu einem anderen zu bewegen. Die Bewegung von einem Objekt zu einem anderen ist nur durch die Kraft eines Trägers möglich. Träger des Geistes sind die inneren Winde. Innere Winde sind die subtilen Winde, die mit dem Geist verbunden sind und durch die Kanäle unseres Körpers fließen. Es wird gesagt, dass nichts schneller ist als der Geist. So kann unser Geist zum Beispiel in einem Augenblick den Mond erreichen, einfach indem er an ihn denkt. Aber ohne innere Winde ist das unmöglich. Eine genaue Erklärung der inneren Winde wird in Anhang IV von Moderner Buddhismus gegeben.


Durchtrenne die Wurzel des Leidens.


Grobe, subtile und sehr subtile Geistesarten

Aus Sicht seiner unterschiedlichen Ebenen wird der Geist in drei eingeteilt: grob, subtil und sehr subtil.

DER GROBE GEIST

Normalerweise verwenden wir in unserem wachen Leben grobe Geistesarten wie unser Augengewahrsein, um Dinge zu sehen; unser Ohrengewahrsein, um Klänge zu hören; unser Nasengewahrsein, um zu riechen; unser Zungengewahrsein, um zu schmecken; unser Körpergewahrsein um Tastobjekte wahrzunehmen; und unser geistiges Gewahrsein, mit dem wir stark «Ich» und «Mein» denken. Diese Gewahrseinsarten sind grobe Geistesarten, weil sie relativ leicht zu erkennen sind. Ohne sie können wir mit anderen nicht kommunizieren und unsere täglichen Handlungen nicht verrichten. Dennoch sind diese Gewahrseinsarten fehlerhaft. Sie nehmen inhärent existierende Objekte wahr, die nicht existieren, und führen dadurch zu leidvollen Erfahrungen. Wenn unser geistiges Gewahrsein zum Beispiel entweder unseren Körper oder unseren Geist wahrnimmt und «Ich» oder «Mein» denkt, dann nehmen wir irrtümlicherweise unseren Körper oder Geist als unser Selbst wahr. Das ist eine Halluzination, die dazu führt, dass wir, wenn unser Körper krank ist, denken: «Ich bin krank». Wenn unser Körper alt ist, denken wir: «Ich bin alt». Wenn unser Geist Leid oder Schmerz erfährt, denken wir: «Ich leide» oder «Ich habe Schmerzen». Aufgrund dieser Halluzination erfahren wir während unseres ganzen Lebens und Leben für Leben, endlos Leid und Schmerz. Das ist unser ganz normales, leidvolles Dasein. Das sollten wir verstehen und daraufhin Entsagung entwickeln, den aufrichtigen Wunsch, uns selbst dauerhaft von dieser Halluzination zu befreien, indem wir die wahre Natur der Dinge, die Leerheit aller Phänomene, erkennen.

DER SUBTILE GEIST

Während wir im Schlaf träumen, verwenden wir subtile Geistesarten wie unser Traum-Augengewahrsein, -Ohrengewahrsein, -Nasengewahrsein, -Zungengewahrsein, -Körpergewahrsein und -Geistesgewahrsein, um die Erscheinung verschiedener Traumdinge zu erleben. All diese Erscheinungen sind fehlerhafte Erscheinungen. Weil sie ebenso wie alle Erscheinungen im Wachzustand fehlerhaft sind, sagt Buddha: «Du solltest wissen, dass alle Phänomene wie Träume sind.» Traumgewahrseinsarten werden subtile Geistesarten genannt, weil sie schwer zu erkennen sind.

Da die Erscheinungen in unseren Träumen und während unseres Wachseins alle fehlerhafte Erscheinungen und Halluzinationen sind, haben unsere normalen Tätigkeiten sowohl in unseren Träumen als auch während unseres Wachseins keinen wirklichen Sinn. Deshalb sollten wir überlegen: «Was ist der wirkliche Sinn meines Lebens?»

DER SEHR SUBTILE GEIST

Der sehr subtile Geist wird so genannt, weil er äußerst schwer zu erkennen ist. Ohne unseren sehr subtilen Geist gäbe es für uns kein Leben. Warum ist das so? Die groben und subtilen Geistesarten können unser Leben nicht erhalten, weil sie nur vorübergehende und sehr unbeständige Geistesarten sind. Unverhofft entstehen sie und schwinden ebenso schnell wie Wolken am Himmel. Deshalb ist es einzig und allein unser sehr subtiler Geist, der unser Leben, Tag und Nacht und Leben für Leben, fortwährend aufrechterhält, bis wir ein erleuchteter Buddha werden. Sind wir ein Buddha, dann wird unser sehr subtiler Geist zu Buddhas Geist und unser sehr subtiler innerer Wind zu Buddhas Körper. Deshalb ist der sehr subtile Geist oder «beständig verweilende Geist» unsere Buddha Natur. Da unser sehr subtiler innerer Wind oder «beständig verweilender Körper» niemals stirbt, haben wir einen unsterblichen Körper, der unser eigener Körper ist. In Wirklichkeit ist der Körper, den wir jetzt haben, ein Teil beider Körper unserer Eltern und so gehört er nicht uns, sondern unseren Eltern.

Unser sehr subtiler Geist – unsere Buddha Natur – ist sehr kostbar, wie ein unbezahlbares Juwel. Doch wir können ihn nicht erkennen, außer wir wenden die besonderen Methoden an, die Buddha in seinen Lehren des Höchsten Yoga Tantras erläutert. Diese besonderen Methoden sind Meditationen über den Zentralkanal, den unzerstörbaren Tropfen und den unzerstörbaren Wind und Geist. Durch diese Meditationen können sich die inneren Winde im Zentralkanal sammeln und auflösen. Lösen sich alle unsere inneren Winde durch die Kraft der Meditation vollständig im Zentralkanal auf, dann lösen sich alle unsere groben und subtilen Geistesarten ebenfalls auf und unser sehr subtiler Geist wird sich in ganz natürlicher Weise manifestieren. Dann werden wir ihn durch eigene Erfahrung erkennen. Dieser manifeste sehr subtile Geist, der sich durch das Auflösen der inneren Winde im Zentralkanal manifestiert, wird «klares Licht» genannt. Er wird so genannt, weil er klares Gewahrsein und ein inneres Licht ist. Wann immer sich unser sehr subtiler Geist manifestiert ist er klares Licht. Normalerweise manifestiert sich der sehr subtile Geist für gewöhnliche Wesen nur im Tiefschlaf und am Ende des Todesprozesses. Praktizierende des Höchsten Yoga Tantras aber können ihren sehr subtilen Geist während der Meditation manifestieren, indem sie durch die Kraft der Meditation die inneren Winde im Zentralkanal auflösen. Das ist das klare Licht der Verwirklichung. Es gibt drei verschiedene Arten von klarem Licht: das klare Licht des Schlafes, das klare Licht des Todes und das klare Licht der Verwirklichung.

Während des Tiefschlafs lösen sich unsere groben und subtilen inneren Winde und Geistesarten ganz natürlich in den Zentralkanal auf. Als Folge hiervon manifestiert sich unser sehr subtiler Geist. Dieser manifeste sehr subtile Geist ist das klare Licht des Schlafes. Wir können ihn jedoch normalerweise nicht erkennen, weil unser Erinnerungsvermögen während des Tiefschlafes nicht funktionieren kann.

Zum Zeitpunkt unseres Todes, wenn wir den Todesvorgang erleben, lösen sich unsere inneren Winde ganz natürlich in den Zentralkanal auf. Zunächst lösen sich unsere groben Geistesarten auf und enden. Nur der subtile Geist bleibt übrig. Dann wird unser Geist immer subtiler, bis sich schließlich, sobald sich alle inneren Winde vollständig in den Zentralkanal aufgelöst haben, unser sehr subtiler Geist manifestiert. Dieser manifeste sehr subtile Geist ist das klare Licht des Todes. Seine Natur ist große Glückseligkeit. Er ist außergewöhnlich friedvoll und nimmt nur Leerheit wahr, die bloße Abwesenheit aller Phänomene. Normalerweise aber können wir ihn nicht erkennen, weil wir zu diesem Zeitpunkt keine Erinnerung haben.

Primäre Geistesarten und geistige Faktoren

Aus Sicht seiner Funktion kann Geist in primäre Geistesarten und geistige Faktoren unterteilt werden. Primärer Geist, Geistigkeit und Bewusstsein sind Synonyme. Primärer Geist ist definiert als ein Erkenner, der in erster Linie die bloße Wesenheit eines Objektes erfasst. Geistiger Faktor ist definiert als ein Erkenner, der in erster Linie ein bestimmtes Merkmal des Objektes erfasst. Diese Definitionen stammen von Maitreya.

Nehmen wir zum Beispiel einen Topf. Der Topf selbst ist die bloße Wesenheit des Topfes und der Boden, die Seiten, die Form, die Farbe, die Größe und so fort sind bestimmte Merkmale des Topfes. Da ein Unterschied innerhalb des Objektes besteht, gibt es eine entsprechende Unterscheidung vonseiten des Geistes, der dieses Objekt erkennt. Somit ist es die Funktion eines primären Geistes, die bloße Wesenheit eines Objektes zu erfassen, während es die Funktion der geistigen Faktoren ist, bestimmte Merkmale des Objektes zu erfassen. Da jedes Objekt nur eine allgemeine Wesenheit hat, aber viele einzelne Merkmale, so hat jedes einzelne Objekt nur einen primären Geist, aber viele geistige Faktoren, die es beobachten. Nimmt zum Beispiel ein Augengewahrsein einen Topf wahr, erfasst der primäre Geist hauptsächlich die allgemeine Wesenheit des Topfes, den Topf selbst. Die geistigen Faktoren, die mit diesem primären Geist verbunden sind, erfassen hauptsächlich die bestimmten Merkmale des Topfes, seine verschiedenen Teile.

 

Es gibt sechs Arten von primärem Geist: Augenbewusstsein, Ohrenbewusstsein, Nasenbewusstsein, Zungenbewusstsein, Körperbewusstsein und geistiges Bewusstsein. Die Chittamatrins behaupten, dass es zwei weitere primäre Geistesarten gibt: ein Basis-von-allem-Bewusstsein und die verblendete Geistigkeit. Ihrer Auffassung nach ist das Basis-von-allem-Bewusstsein ein stabiles Bewusstsein, das beim Tod nicht endet, sondern den Fortbestand der Person von einem Leben zum nächsten aufrechthält. Es ist der Speicher für karmische Potenziale und die Quelle aller anderen Bewusstseinsarten. Die verblendete Geistigkeit beobachtet das Basis-von-allem-Bewusstsein und erfasst fälschlicherweise ein selbsttragendes, substanziell existierendes Selbst. Die Prasangikas widerlegen auf schlüssige Weise sowohl das Basis-von-allem-Bewusstsein als auch die verblendete Geistigkeit. Es gibt nur sechs Arten von primärem Geist, weil es nur sechs Arten von Objekt gibt: Formen, Klänge, Gerüche, Geschmäcke, Tastobjekte und Phänomene. «Phänomene» bedeutet hier Phänomene, die nur geistigem Gewahrsein erscheinen.

Die Eigenschaft eines primären Geistes hängt von den geistigen Faktoren ab, die ihn begleiten. Wenn die geistigen Faktoren tugendhaft sind, ist der primäre Geist tugendhaft. Wenn aber die geistigen Faktoren nichttugendhaft oder neutral sind, ist der primäre Geist nichttugendhaft oder neutral. Nichttugendhafte geistige Faktoren verursachen Leiden. Tugendhafte geistige Faktoren führen zu Frieden und Glück. Wenn wir anhaltenden Geistesfrieden finden wollen, müssen wir uns deshalb entschlossen bemühen, nichttugendhafte geistige Faktoren zu beseitigen und tugendhafte zu fördern.

Jeder primäre Geist wird von mindestens fünf geistigen Faktoren begleitet, ohne die er nicht funktionieren kann. Es sind: Gefühl, Unterscheidung, Absicht, Kontakt und Aufmerksamkeit. Sie werden die «fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren» genannt. So wie ein Auto nicht fahren kann, wenn eines seiner Räder fehlt, so kann ein primärer Geist nicht funktionieren, wenn einer dieser fünf geistigen Faktoren fehlt. Zum Beispiel sind alle physischen Objekte aus acht Substanzen zusammengesetzt: den vier Elementen (Erde, Wasser, Feuer und Wind) und den vier umgewandelten Elementen (Formen, Gerüche, Geschmäcke und Tastobjekte). So wie auch das einfachste physische Objekt alle acht Substanzen haben muss, so muss auch der grundlegendste primäre Geist alle fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren aufweisen. Selbst sehr subtile primäre Geistesarten haben diese fünf geistigen Faktoren.

Wir sollten uns einen primären Geist und seine geistigen Faktoren nicht als getrennte Wesenheiten vorstellen wie einen Herrscher und seine Untertanen, denn jeder geistige Faktor ist Teil eines primären Geistes. Obwohl ein geistiger Faktor Teil eines primären Geistes ist, ist er kein primärer Geist. Das ist genauso wie eine Hand ein Teil des Körpers, aber nicht der Körper selbst ist.

Das tibetische Wort für geistigen Faktor ist «sem jung», was wörtlich «aus dem Geist entstanden» bedeutet. So kann ein primärer Geist mit einer Kerzenflamme und seine geistigen Faktoren mit den Lichtstrahlen dieser Flamme verglichen werden. In der Weise wie eine Kerzenflamme viele Lichtstrahlen hat, so hat ein primärer Geist viele geistige Faktoren. Und genauso wie die Lichtstrahlen aus der Flamme stammen und gleichzeitig mit ihr existieren, so stammen geistige Faktoren aus dem primären Geist und existieren gleichzeitig mit ihm. Und ebenso wie die Flamme Objekte in Abhängigkeit von ihrem ausgestrahlten Licht erhellt, so kennt ein primärer Geist sein Objekt in Abhängigkeit von seinen geistigen Faktoren.

Ein primärer Geist und seine geistigen Faktoren sind die gleiche Wesenheit und besitzen fünf Ähnlichkeiten:

1. Grundlage: Sie haben die gleiche vorherrschende Bedingung

2. Objekt: Ihr beobachtetes Objekt ist das gleiche

3. Aspekt: Ihr Objekt des Befassens ist das gleiche

4. Zeit: Sie entstehen, verweilen und enden gleichzeitig

5. Substanz: Ein primärer Geist hat nur einen von jeder Art von geistigem Faktor

Was mit vorherrscher Bedingung, beobachtetem Objekt und Objekt des Befassens gemeint ist wird in Teil Zwei erklärt.

Schmeckt zum Beispiel ein Zungengewahrsein Tee, entwickeln sich sowohl der primäre Geist als auch der mit ihm verbundene geistige Faktor Gefühl aus der gleichen außergewöhnlichen vorherrschenden Bedingung, der Zungensinneskraft. Deshalb ist ihre Grundlage die gleiche. Ihre beobachteten Objekte sind die gleichen, weil sie sich beide auf das gleiche Objekt richten, den Geschmack des Tees. Ihre Objekte des Befassens sind die gleichen, weil beide den Geschmack des Tees erfassen. Und ihre Zeit oder Dauer ist die gleiche, weil beide gleichzeitig entstehen, verweilen und enden. Sie haben die fünfte Ähnlichkeit, die Ähnlichkeit der Substanz, weil ein primärer Geist nur einen geistigen Faktor Gefühl, einen geistigen Faktor Unterscheidung, einen geistigen Faktor Absicht und so weiter besitzen kann. Genauso kann ein bestimmter geistiger Faktor nur mit einem primären Geist verbunden sein. Manchmal sagen wir, dass wir gemischte Gefühle bezüglich einer Sache haben. Es scheint vielleicht so, als ob in diesem Fall ein primärer Geist mehrere Gefühle hat, die das gleiche Objekt beobachten, aber das ist unmöglich. Gewöhnliche Wesen können nicht zwei unterschiedliche, manifeste Arten von Geist haben, die ein Objekt gleichzeitig beobachten. Was tatsächlich geschieht ist, dass wir mehrere primäre Geistesarten haben, jeder mit nur einem Gefühl. Haben wir zum Beispiel «gemischte Gefühle» in Bezug auf ein Haus, kann es entweder sein, dass wir das Haus einmal mögen und einmal nicht, oder dass wir gleichzeitig zwei unterschiedliche Arten von Geist haben, die sich auf das Haus beziehen, wobei sich jede auf einen anderen Aspekt des Hauses richtet.

Es gibt einundfünfzig geistige Faktoren, die in sechs Gruppen unterteilt sind:

1. Die fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren

2. Die fünf objektfeststellenden geistigen Faktoren

3. Die elf tugendhaften geistigen Faktoren

4. Die sechs Ursprungsverblendungen

5. Die zwanzig sekundären Verblendungen

6. Die vier veränderlichen geistigen Faktoren

Jeder geistige Faktor wird jetzt unter drei Überschriften erklärt: Definition, Funktion und Unterteilungen. Die erste identifiziert den geistigen Faktor, die zweite zeigt die Ergebnisse seiner Erzeugung und die dritte vertieft unser Verständnis. Einige der einundfünfzig geistigen Faktoren sind sich recht ähnlich. Deshalb müssen wir sie sorgfältig studieren und mit anderen diskutieren, bis wir ein klares Verständnis jedes einzelnen haben. Obwohl wir diese geistigen Faktoren innerhalb unseres eigenen Geistes entwickeln, müssen wir doch versuchen, sie genau zu erkennen, so dass wir wissen, welche aufzugeben und welche zu fördern sind. Nichttugendhafte geistige Faktoren aufzugeben und tugendhafte zu fördern ist der Kern der Dharma Praxis. Verblendete geistige Faktoren sind die Ursache aller negativen Handlungen und die Quelle allen Leidens und aller Gefahr. Indem wir sie erkennen und beseitigen, lösen wir alle unsere Probleme. Als ich dieses Thema in Tibet studierte, war ich sehr jung. Obwohl ich das Thema intellektuell verstand, wusste ich doch nicht in vollem Umfang zu würdigen, wie nützlich es für die Geistesschulung ist. Jetzt erkenne ich das sehr klar.


Erlange beständige Befreiung von den Leiden des Todes


Die fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren

Die fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren werden so genannt, weil sie jeden primären Geist begleiten. Fehlte nur einer von ihnen, könnte der primäre Geist sein Objekt nicht erkennen. Die fünf allesbegleitenden geistigen Faktoren sind:

1. Gefühl

2. Unterscheidung

3. Absicht

4. Kontakt

5. Aufmerksamkeit

Gefühl erfährt ein Objekt als angenehm, unangenehm oder neutral. Die Funktion von Unterscheidung ist, ein Objekt von anderen Objekten zu unterscheiden und es hierdurch zu identifizieren. Absicht befähigt den Geist, sich zu seinem Objekt zu bewegen und sich mit ihm zu befassen. Kontakt nimmt ein Objekt als angenehm, unangenehm oder neutral wahr und dient dadurch als Grundlage für die Entwicklung von Gefühlen. Aufmerksamkeit hat die Funktion, den Geist auf ein bestimmtes Merkmal eines Objektes zu richten.

Am Beispiel eines Zungenbewusstseins, das Tee schmeckt, wird anschaulich, dass die Anwesenheit all dieser fünf geistigen Faktoren notwendig ist. Ohne den geistigen Faktor Gefühl würde das Zungenbewusstsein den Geschmack des Tees nicht als angenehm, unangenehm oder neutral empfinden. Ohne Unterscheidung könnte es den Geschmack des Tees nicht von anderen Objekten unterscheiden und ihn nicht erkennen. Ohne Absicht könnte sich ein inneres Zungenbewusstsein nicht mit dem Geschmack des Tees befassen, der ein äußeres Objekt ist. Ohne Kontakt könnte es den Geschmack des Tees nicht als angenehm, unangenehm oder neutral wahrnehmen und es gäbe keine Grundlage für die Entwicklung angenehmer, unangenehmer oder neutraler Gefühle. Und ohne Aufmerksamkeit könnte es sich nicht auf den Geschmack des Tees richten.

GEFÜHL

DEFINITION VON GEFÜHL

Gefühl ist definiert als ein geistiger Faktor, der die Funktion hat, angenehme, unangenehme oder neutrale Objekte zu erfahren.

Weil es drei Arten von Objekt gibt, angenehme, unangenehme und neutrale, gibt es drei Arten von Gefühl, die diese Objekte erfahren: angenehme Gefühle, unangenehme Gefühle und neutrale Gefühle. Es ist unmöglich ein Objekt zu erkennen, ohne es als angenehm, unangenehm oder neutral zu erleben.

Buddhas haben nur angenehme Gefühle. Die Götter des Form- und formlosen Bereiches haben angenehme und neutrale, aber keine unangenehmen Gefühle. Und die Wesen im Begierdebereich erfahren alle drei Arten von Gefühl. Im Schlaf sind die meisten unserer Gefühle neutrale Gefühle, wenn wir aber träumen, können wir auch unangenehme und angenehme Gefühle haben.

FUNKTION VON GEFÜHL

Die allgemeine Funktion von Gefühl ist, die Auswirkungen von früheren Handlungen oder Karma zu erfahren. In den Sutras sagt Buddha:

Die vollständig gereiften Auswirkungen der Handlungen reifen nicht auf Erde oder Steinen, sondern nur auf dem Bewusstsein.

Das ist so, weil nur Bewusstsein Gefühle hat und wir nur mit Gefühlen die reifenden Auswirkungen von Handlungen erfahren können. Tugendhafte Handlungen führen zu angenehmen Gefühlen, nichttugendhafte Handlungen zu unangenehmen Gefühlen und neutrale Handlungen zu neutralen Gefühlen. Wir neigen zu der Ansicht, dass Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit Merkmale sind, die vonseiten des Objektes existieren. In Wirklichkeit aber hängt es allein von unserem Karma ab, ob wir ein Objekt als angenehm oder unangenehm erfahren. Zwei Menschen können das gleiche Essen zu sich nehmen und der eine findet es köstlich, ein anderer aber eklig. Geschieht dies, dann reift bei der ersten Person bezüglich dieses Essens gutes und bei der zweiten schlechtes Karma.

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