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LUNATA

Gespenster

Gespenster

Ein Familiendrama in drei Akten

© 1841 Henrik Ibsen

Originaltitel Gjengangerne

Aus dem Norwegischen von Fritz Albert

Umschlagbild Johann Friedrich August Tischbein

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Personen

Helene Alving, Witwe des Hauptmanns und Kammerherrn Alving

Osvald, ihr Sohn, Maler

Manders, Pastor

Engstrand, Tischler

Regine Engstrand, im Hause der Frau Alving

Das Stück spielt auf Frau Alvings Landgut an einem großen Fjord im westlichen Norwegen.

Erster Akt

Ein geräumiges Gartenzimmer mit einer Tür an der linken Seitenwand und zwei Türen an der Wand rechts. In der Mitte des Zimmers ein runder Tisch mit Stühlen rings herum; auf dem Tische liegen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Links im Vordergrund ein Fenster; daneben ein kleines Sofa, vor dem ein Nähtisch steht. Im Hintergrunde läuft der Raum in ein offenes, etwas schmaleres Blumenzimmer aus, das nach außen durch Glaswände und große Scheiben geschlossen ist. An der rechten Seitenwand des Blumenzimmers ist eine Tür, die zum Garten hinunterführt. Durch die Glaswand sieht man die Umrisse einer düsteren, in gleichmäßigen Regen getauchten Fjordlandschaft.

Engstrand steht oben an der Gartentür. Sein linkes Bein ist etwas krumm; unter der Stiefelsohle hat er einen Holzklotz. Regine, in der Hand eine leere Gießkanne, verwehrt ihm den Eintritt.

Regine mit gedämpfter Stimme. Was willst Du denn? Rühr' Dich nicht vom Fleck. Du triefst ja von Nässe.

Engstrand. Unseres Herrgotts Regen ist das, mein Kind!

Regine. I, – dem Teufel sein Regen ist's!

Engstrand. Herrjeh, was sind das für Reden, Regine. Hinkt ein paar Schritt ins Zimmer hinein. Aber was ich sagen wollte –

Regine. Stampf' nicht so mit dem Fuß auf, Mensch! Der junge Herr liegt oben und schläft.

Engstrand. Liegt noch und schläft? Am helllichten Tage?

Regine. Was geht das Dich an!

Engstrand. Gestern Abend war ich auf einem Bummel –

Regine. Das glaube ich gern.

Engstrand. Ja, mein Kind, wir Menschen sind nun mal schwach –

Regine. Ja allerdings!

Engstrand. – und der Versuchungen sind so manche auf dieser Welt, siehst Du –; aber, weiß Gott, ich stand doch schon heut früh um halb sechs bei meiner Arbeit.

Regine. Na ja, – aber jetzt mach' nur, daß Du fort kommst. Ich will nicht hier stehen und Rendezvous' mit Dir haben.

Engstrand. Was willst Du nicht haben?

Regine. Ich will nicht haben, daß Dich hier wer trifft. Na also, – nun geh Deiner Wege.

Engstrand kommt einige Schritte näher. I was, ich gehe nicht eher, als bis ich eins mit Dir geredet habe. Heut nachmittag bin ich mit meiner Arbeit unten im Schulhaus fertig, und dann mache ich gleich abends noch, daß ich mit dem Dampfboot nach Hause komme.

Regine murmelt. Glückliche Reise!

Engstrand. Danke schön, mein Kind. Siehst Du, morgen soll doch das Asyl eingeweiht werden, und da wird's hier wahrscheinlich wieder hoch hergehen mit berauschenden Getränken, siehst Du. Na, und da soll keiner dem Jakob Engstrand nachsagen, daß er nicht fest bleiben kann, wenn die Versuchung kommt.

Regine. Ha!

Engstrand. Denn morgen kommen hier ja doch so viele feine Leute zusammen. Pastor Manders wird doch auch aus der Stadt erwartet.

Regine. Er kommt schon heut.

Engstrand. Siehst Du wohl. Teufel auch, – da will ich ihm doch nicht Grund zu Vorwürfen geben, weißt Du.

Regine. Aha! So steht's also!

Engstrand. Was steht –?

Regine sieht ihn fest an. Mit was willst Du nun schon wieder den Pastor hereinlegen?

Engstrand. Pst! Pst! Du bist wohl nicht recht bei Trost! Ich den Pastor hereinlegen? Ach nein, dazu ist der Pastor viel zu nett gegen mich gewesen. Aber was ich Dir sagen wollte – also, wie gesagt, heut nacht fahre ich also wieder nach Haus.

Regine. Meinen Segen hast Du.

Engstrand. Ja, aber ich will Dich mitnehmen, Regine.

Regine mit offenem Munde. Mich mit –? Was sagst Du da?

Engstrand. Ich will Dich mit nach Hause nehmen, sage ich.

Regine höhnisch. Da kannst Du lange warten, bis Du mich mitkriegst.

Engstrand. Das werden wir ja sehen.

Regine. Ja, da kannst Du sicher sein, daß wir das sehen werden. Ich, die ich bei der Frau Kammerherr Alving aufgewachsen bin –? Ich, die ich hier beinah bin wie Kind im Hause –? Ich soll zu Dir? In ein solches Haus? Pfui Teufel!

Engstrand. Donnerwetter, was soll das heißen? Du lehnst Dich gegen Deinen Vater auf, Du Gans?

Regine murmelt, ohne ihn anzusehen. Hast Du nicht oft genug gesagt, ich ginge Dich nichts an?

Engstrand. Ach was, kehr' Dich doch daran nicht –

Regine. Hast Du mich nicht manches liebe Mal ausgeschimpft und gesagt, ich sei ein –? Fi donc!

Engstrand. Nein, wahrhaftigen Gott, ein gemeines Wort habe ich nie gebraucht.

Regine. O! Ich weiß ganz gut, was für ein Wort Du gebraucht hast.

Engstrand. Ja, das war aber doch immer nur, wenn ich einen weg hatte – hm. Der Versuchungen gibt's so manche auf dieser Welt, Regine.

Regine. Uh!

Engstrand. Und dann doch auch immer bloß, wenn Deine Mutter sich dicke tat. Irgend was mußte ich doch haben, mein Kind, womit ich sie ärgerte. Zu allem war sie zu schade. Ahmt nach. »Laß mich, Engstrand! Laß mich in Ruh! Ich habe drei Jahre bei Kammerherrn Alvings auf Rosenvold gedient, – da hab' ich!« Lacht. Gott, o Gott, o Gott! Nie konnte sie vergessen, daß der Hauptmann Kammerherr wurde während ihrer Dienstzeit.

Regine. Arme Mutter; – Du hast sie früh genug zu Tode gequält.

Engstrand richtet sich auf. Ja, versteht sich; ich muß ja immer an allem schuld sein.

Regine wendet sich ab, halblaut. Uh –! Und dann das Bein!

Engstrand. Was sagst Du, mein Kind?

Regine. Pied de mouton!

Engstrand. Das ist wohl englisch?

Regine. Ja.

Engstrand. Freilich, gelernt hast Du hier draußen was, und das kann uns jetzt zu statten kommen, Regine.

Regine nach kurzer Pause. Was hast Du eigentlich in der Stadt mit mir vor?

Engstrand. Du kannst noch fragen, was ein Vater mit seinem einzigen Kinde vorhat? Bin ich denn nicht ein einsamer und verlassener Witwer?

Regine. Ach, komm mir bloß nicht mit solchem Quatsch. Warum willst Du mich in die Stadt mithaben?

Engstrand. Na, ich will Dir sagen, ich möchte mal was Neues anfangen.

Regine pfeift. Das hast Du schon oft versucht, aber es ist immer schief gegangen.

Engstrand. Ja, aber diesmal sollst Du sehen, Regine! – Der Teufel soll mich holen –

Regine stampft mit dem Fuß auf. Laß die Flucherei!

Engstrand. Na ja! Na ja! Da hast Du weiß Gott recht, mein Kind! Aber was ich sagen wollte: – ich hab' mir bei der Arbeit an dem neuen Asyl ein hübsches Sümmchen auf die hohe Kante gelegt.

Regine. So? Na, das ist ja gut für Dich.

Engstrand. Wofür sollte man auch hier bei den Bauern seine paar Kröten ausgeben?

Regine. Na, und nun?

Engstrand. Ja, sieh mal, nun habe ich die Idee, das Geld in was Lohnendem anzulegen. Ich denke mir so eine Art Wirtschaft für Seeleute –

Regine. Uh!

Engstrand. Eine pikfeine Wirtschaft, weißt Du, nicht solche Schweinebude für Matrosen. Himmeldonnerwetter ja, – Du, es müßte eine Sache für Schiffskapitäne und Steuermänner und – und wirklich feine Kunden sein.

Regine. Und da sollte ich –?

Engstrand. Du müßtest mittun, jawohl. Nur so zum Schein, – das kannst Du Dir wohl denken. Verdammt, Du sollst es nicht schwer haben, mein Kind. Du kriegst es akkrat so, wie Du es haben willst.

Regine. Ja – jawohl!

Engstrand. Aber Frauenzimmer müssen im Haus sein – das ist klar wie der Tag. Denn abends muß es ein bißchen vergnügt hergehen bei Gesang und Tanz und so weiter. Vergiß nicht, es sind Seeleute, die auf dem Weltmeer reisen. Näherkommend. Nu sei nicht dumm, Regine, und steh Dir nicht selbst im Wege. Wie weit kannst Du's denn hier draußen bringen? Was für einen Vorteil hast Du davon, daß die gnädige Frau so viel an Dich gewandt hat? Du sollst ja auf die Rangen passen im neuen Asyl, hör' ich. Ist denn das was für Dich? Bist Du denn gar so versessen darauf, Dich für die dreckigen Rangen tot zu schuften?

 

Regine. Nein, wenn's nach meinem Wunsche ginge, so –. Na, das kann ja noch kommen. Das kann ja noch kommen!

Engstrand. Was kann noch kommen!

Regine. Nichts, was Dich anginge. – Ist das viel Geld, was Du Dir hier auf die hohe Kante gelegt hast?

Engstrand. Alles in allem mögen es wohl so an sieben-, achthundert Kronen sein.

Regine. Gar nicht so übel.

Engstrand. Für den Anfang wird es schon langen, mein Kind.

Regine. Denkst Du nicht dran, mir von dem Geld etwas abzugeben?

Engstrand. Weiß Gott, nein, daran denke ich nicht.

Regine. Nicht einmal so viel wie 'nen armseligen Stoff zu einem Kleide willst Du mir schicken?

Engstrand. Komm nur mit in die Stadt und bleib bei mir, dann kriegst Du Kleider, so viel Du willst.

Regine. Pah! das könnt' ich auf eigene Faust tun, wenn ich Lust dazu hätte.

Engstrand. Nein, Regine, an eines Vaters leitender Hand geht das besser. Ich kann jetzt ein nettes Haus in der Kleinen Hafengasse haben. Viel bares Geld gehört nicht dazu; und siehst Du, das könnte eine Art Seemannsheim werden.

Regine. Aber ich will nicht zu Dir! Ich habe nichts mit Dir zu schaffen. Geh Deiner Wege!

Engstrand. Hol' mich der Henker, Du würdest nicht lange bei mir bleiben, mein Kind. Ach, leider nicht! Wenn Du Dich zu benehmen verständest. So ein hübsches Mädel wie Du in den letzten Jahren geworden bist –

Regine. Na –?

Engstrand. Es würde gar nicht so lange dauern, und es käme ein Steuermann, – vielleicht sogar ein Kapitän –

Regine. So einen würde ich doch nicht heiraten. Die Seeleute haben kein savoir vivre.

Engstrand. Was haben sie nicht?

Regine. Ich kenne die Seeleute, meine ich. Das sind keine Leute, die man heiratet.

Engstrand. Du brauchst sie ja nicht zu heiraten. Es kann sich ja auch so lohnen. Vertraulicher. Er – der Engländer – der mit der Lustyacht – der gab dreihundert Speziestaler; – und sie, sie war nicht hübscher als Du.

Regine auf ihn zu. Hinaus mit Dir!

Engstrand. Na, na, Du willst doch wohl nicht etwa schlagen.

Regine. Jawohl! Wenn Du so von Mutter sprichst, dann schlage ich zu. Hinaus, sage ich! Drängt ihn nach der Gartentür hin. Und wirf die Türen nicht, der junge Herr Alving –

Engstrand. – schläft, jawohl. Merkwürdig, wie Du um den jungen Herrn Alving besorgt bist. – Leiser. Hoho! Der wird doch wohl nicht gar –?

Regine. Hinaus! Und zwar fix! Du bist verdreht, Mensch! Nein, nicht den Weg. Da kommt Pastor Manders. Die Küchentreppe hinunter mit Dir!

Engstrand nach rechts. Ich gehe ja schon, ja doch. Aber sprich mal mit dem Mann, der da kommt. Der wird Dir schon sagen, was ein Kind seinem Vater schuldig ist. Denn ich bin doch mal Dein Vater, siehst Du. Das kann ich aus dem Kirchenbuch beweisen.

Er geht hinaus durch die zweite Tür, die Regine geöffnet hat und wieder hinter ihm schließt.

Regine sieht hastig in den Spiegel, fächelt sich mit dem Taschentuch und bringt ihre Krawatte in Ordnung; darauf macht sie sich wieder an den Blumen zu schaffen.

Manders im Paletot und mit Regenschirm; er trägt eine kleine Reisetasche an einem Riemen über der Schulter; tritt durch die Gartentür in das Blumenzimmer ein.

Manders. Guten Tag, Jungfer Engstrand.

Regine dreht sich freudig überrascht um. Ei sieh da, Herr Pastor! Guten Tag. Ist das Dampfschiff schon angekommen?

Manders. In diesem Augenblick. Geht ins Gartenzimmer. Das Regenwetter, das wir nun schon tagelang haben, ist doch recht verdrießlich.

Regine folgt ihm. Für den Landmann ist dies Wetter aber ein wahrer Segen, Herr Pastor.

Manders. Da haben Sie freilich recht. Daran denken wir Stadtleute so wenig. Will den Paletot ausziehen.

Regine. Ach, darf ich helfen? – So – so! Nein, wie naß er ist! Ich will ihn gleich im Vorzimmer aufhängen. Und dann den Regenschirm –; den spanne ich auf, daß er trocknen kann.

Sie geht mit den Sachen durch die zweite Tür rechts ab. Manders nimmt die Reisetasche ab und legt sie und den Hut auf einen Stuhl. Inzwischen kommt Regine wieder herein.

Manders. Ah! Es tut ordentlich gut, unter Dach und Fach zu kommen. Na, hier auf dem Gut ist doch alles wohl?

Regine. Ja, danke sehr.

Manders. Aber tüchtig zu tun gibt es für den morgigen Tag, was?

Regine. Ach ja, wir haben rechtschaffen zu tun.

Manders. Und Frau Alving ist hoffentlich zu Hause?

Regine. Ja natürlich; sie ist nur oben und besorgt die Schokolade für den jungen Herrn. –

Manders. Ja, sagen Sie mal –, ich habe schon unten am Landungsplatz gehört, daß Osvald da sein soll.

Regine. Er ist vorgestern angekommen. Wir hatten ihn erst heut erwartet.

Manders. Und ich will hoffen, frisch und munter?

Regine. Danke schön, das ist er wohl. Aber gräßlich müde von der Reise. Er ist in einer Tour von Paris hergereist –; ich meine, er hat die ganze Route in einem und demselben Train gemacht. Ich glaube, er schläft jetzt ein wenig; deshalb müssen wir wohl ein klein bißchen leise sprechen.

Manders. St! Wir wollen ganz leise sein.

Regine, indem sie einen Lehnstuhl am Tisch zurechtrückt. So, nehmen Sie doch gütigst Platz, Herr Pastor, und machen Sie sich's recht bequem. Er setzt sich; sie schiebt ihm einen Schemel unter die Füße. So –! Sitzen Sie gut so, Herr Pastor?

Manders. Danke, danke, ich sitze ausgezeichnet. Betrachtet sie. Wissen Sie was, Jungfer Engstrand, – ich glaube wirklich, Sie sind gewachsen, seit ich Sie das letzte Mal gesehen habe.

Regine. Finden Sie, Herr Pastor? Die gnädige Frau sagt, ich sei auch voller geworden.

Manders. Voller geworden? Na ja, ein bißchen vielleicht – so wie's sein soll.

Kurze Pause.

Regine. Soll ich vielleicht die gnädige Frau holen?

Manders. Danke, danke, das eilt ja nicht, mein liebes Kind. – Na, nun sagen Sie mir, meine gute Regine, wie geht es Ihrem Vater hier draußen?

Regine. Danke, Herr Pastor, es geht ihm ja so leidlich.

Manders. Er hat mich aufgesucht, als er das letzte Mal in der Stadt war.

Regine. Wirklich? Er ist immer so froh, wenn er mit dem Herrn Pastor reden kann.

Manders. Und Sie gehen jetzt wohl fleißig zu ihm hinunter?

Regine. Ich? Ja, das tue ich schon; so oft ich Zeit habe –

Manders. Als Mensch ist Ihr Vater nicht der stärkste, Jungfer Engstrand. Er bedarf recht sehr einer führenden Hand.

Regine. Ach ja, das mag schon wahr sein.

Manders. Er braucht notwendig jemanden um sich, dem er zugetan ist, auf dessen Ansicht er etwas geben kann. Er hat das selbst so treuherzig zugestanden das letzte Mal, als er bei mir war.

Regine. Ja, er hat auch zu mir so etwas Ähnliches gesagt. Aber ich weiß nicht, ob Frau Alving mich entbehren kann – und gerade jetzt, wo wir das neue Asyl zu leiten haben. Und dann möchte ich auch so schrecklich ungern von Frau Alving fort; denn sie ist doch immer so gut zu mir gewesen.

Manders. Aber die Pflicht der Tochter, mein gutes Mädchen –. Natürlich müßten wir zuerst Frau Alvings Zustimmung einholen.

Regine. Aber ich weiß nicht, ob es sich für mich schickt, in meinem Alter, einer alleinstehenden Mannsperson die Wirtschaft zu führen.

Manders. Was! Aber liebe Jungfer Engstrand, von Ihrem eigenen Vater ist hier doch die Rede!

Regine. Ja, das mag wohl sein, jedoch –. Ja, wenn es ein gutes Haus und ein durch und durch reeller Herr wäre –

Manders. Aber meine liebe Regine –

Regine. – einer, zu dem ich Zuneigung fassen, zu dem ich aufblicken könnte, dem ich wie eine Tochter wäre –

Manders. Ja, aber mein liebes, gutes Kind –

Regine. – dann möchte ich ja ganz gern in die Stadt. Hier draußen ist es furchtbar einsam, – und Sie wissen ja selbst, Herr Pastor, was es heißt, allein in der Welt zu stehen. Und ich darf wohl sagen, daß ich flink und willig bin. Wissen Sie nicht solch einen Platz für mich, Herr Pastor?

Manders. Ich? Wirklich nicht, – ich weiß keinen.

Regine. Aber lieber, lieber Herr Pastor – denken Sie jedenfalls an mich, wenn einmal –

Manders steht auf. Ja, das will ich wohl, Jungfer Engstrand.

Regine. Denn wenn ich –

Manders. Wollen Sie jetzt nicht so freundlich sein und Frau Alving holen?

Regine. Sie wird gleich hier sein, Herr Pastor. Links ab.

Manders geht ein paarmal im Zimmer auf und ab, bleibt einen Augenblick, mit den Händen auf dem Rücken, im Hintergrunde stehen und sieht in den Garten hinaus. Dann kommt er wieder in die Nähe des Tisches, nimmt ein Buch in die Hand und sieht das Titelblatt an; er stutzt und besieht dann noch mehrere. Hm, – ja so!!

Frau Alving kommt durch die Tür linke. Regine folgt ihr und geht dann gleich durch die vorderste Tür rechts hinaus.

Frau Alving reicht Manders die Hand. Willkommen, Herr Pastor.

Manders. Guten Tag, gnädige Frau. Da wäre ich also, wie ich versprochen habe.

Frau Alving. Immer mit dem Glockenschlag.

Manders. Aber glauben Sie mir, es war gar nicht so leicht, abzukommen. Diese Masse Kommissionen und Ämter, in denen ich sitze –

Frau Alving. Desto netter war es von Ihnen, daß Sie so zeitig gekommen sind. Da können wir unsere Geschäfte noch vor dem Mittagessen erledigen. Aber wo haben Sie denn Ihren Koffer?

Manders schnell. Meine Sachen sind unten beim Krämer. Ich übernachte da.

Frau Alving unterdrückt ein Lächeln. Sind Sie wirklich auch diesmal nicht zu bewegen, bei mir zu übernachten?

Manders. Nein, nein, verehrte Frau; übrigens meinen herzlichen Dank. Ich bleibe da unten, wie ich's gewohnt bin. Es ist so bequem für mich, wenn ich wieder an Bord muß.

Frau Alving. Na, ganz wie Sie wollen. Aber sonst meine ich doch, wir beiden alten Leute –

Manders. Nein, wie Sie scherzen! Na, heut sind Sie natürlich über die Maßen vergnügt. Erstens der Festtag morgen, und dann haben sie ja Ihren Osvald wieder.

Frau Alving. Ja, nicht wahr, solch ein Glück! Über zwei Jahre ist es nun schon her, daß er das letzte Mal zu Hause war. Er hat aber auch versprochen, den ganzen Winter über bei mir zu bleiben.

Manders. So? Hat er das? Das ist ja schön und kindlich von ihm gehandelt. Denn es mag weit verführerischer sein, in Rom und Paris zu leben, denke ich mir.

Frau Alving. Aber hier hat er doch seine Mutter, sehen Sie. Mein lieber, prächtiger Junge, – er hat doch noch ein Herz für seine Mutter!

Manders. Es wäre doch auch sehr traurig, wenn Trennung und Beschäftigung mit Dingen wie Kunst imstande wären, so natürliche Gefühle abzustumpfen.

Frau Alving. Allerdings. Aber nein, mit ihm hat es wahrlich keine Not. Jetzt soll es mich aber wundern, ob Sie ihn wiedererkennen. Er kommt bald herunter; er liegt nur ein wenig auf dem Sofa oben und ruht sich aus. – Aber nehmen Sie doch Platz, mein lieber Herr Pastor.

Manders. Danke sehr. Es ist Ihnen also recht –?

Frau Alving. Aber gewiß. Setzt sich an den Tisch.

Manders. Gut. Nun passen Sie mal auf –. Geht an den Stuhl, wo die Reisetasche liegt, entnimmt ihr ein Paket Papiere, setzt sich an die andere Seite des Tisches und macht einen Platz für seine Papiere frei. Hier sind also zunächst –. Hält inne. Sagen Sie mal, Frau Alving, wie kommen die Bücher hierher?

Frau Alving. Die Bücher? Das sind Bücher, die ich lese.

Manders. Solche Schriften lesen Sie?

 

Frau Alving. Ja, freilich tue ich das.

Manders. Fühlen Sie denn, daß Sie besser oder glücklicher werden durch Lektüre dieser Art?

Frau Alving. Mir ist gewissermaßen, als ob ich ruhiger würde.

Manders. Merkwürdig. Inwiefern?

Frau Alving. Ja, ich finde dort etwas wie eine Erklärung und Bestätigung für sehr vieles, worüber ich schon selbst nachgedacht habe. Das ist nämlich das Seltsame, Herr Pastor, – eigentlich steht gar nichts Neues in diesen Büchern; es steht nur das darin, was die Welt im allgemeinen denkt und glaubt. Nur, daß die Welt im allgemeinen sich nicht klar darüber wird oder es sich nicht eingestehen will.

Manders. Aber du lieber Gott! Glauben Sie denn allen Ernstes, daß die Welt –?

Frau Alving. Das glaub' ich allerdings.

Manders. Ja, aber doch wohl nicht hier zu Lande? Nicht bei uns hier?

Frau Alving. O freilich, auch hier bei uns.

Manders. Na, da muß ich aber doch sagen –!

Frau Alving. Übrigens, was haben Sie denn eigentlich gegen diese Bücher einzuwenden?

Manders. Einzuwenden? Sie glauben doch wohl nicht gar, daß ich mich mit der Prüfung solcher Erzeugnisse beschäftige?

Frau Alving. Mit andern Worten, Sie kennen das gar nicht, was Sie verdammen?

Manders. Ich habe genügend über diese Schriften gelesen, um sie zu mißbilligen.

Frau Alving. Ja, aber Ihre eigene Meinung –

Manders. Liebe Frau Alving, es gibt gar manche Fälle im Leben, wo man sich auf andere verlassen muß. Das ist nun einmal so hier auf der Welt, und das ist gut. Was sollte auch sonst wohl aus der menschlichen Gesellschaft werden?

Frau Alving. Ja, ja, – da mögen Sie recht haben.

Manders. Übrigens leugne ich gar nicht, daß in derlei Schriften manches Anziehende enthalten sein mag. Und ich kann es Ihnen ja auch gar nicht verdenken, daß Sie sich mit den geistigen Strömungen vertraut zu machen wünschen, die da draußen in der großen Welt bestehen, wie es heißt, – wo Sie ja Ihren Sohn so lange herumfahren ließen. Aber –

Frau Alving. Aber –?

Manders senkt die Stimme. Aber man spricht nicht davon, Frau Alving. Man hat doch wahrhaftig nicht nötig, jedem einzelnen Menschen Rechenschaft über das zu geben, was man liest und was man in seinen vier Wänden denkt.

Frau Alving. Natürlich nicht; der Meinung bin ich auch.

Manders. Bedenken Sie doch nur, welche Rücksichten Sie diesem Asyl schulden, das Sie zu einer Zeit zu errichten beschlossen haben, da Ihre Ansichten über geistige Dinge noch stark abwichen von Ihren jetzigen; – soweit ich da urteilen kann.

Frau Alving. Ja, ja, das gebe ich ohne weiteres zu. Aber wir wollten vom Asyl –

Manders. Wir wollten vom Asyl reden, jawohl. Also – Vorsicht, beste Frau! Und nun wollen wir an unsere Geschäfte gehen. Öffnet den Umschlag und nimmt etliche Papiere heraus. Sehen Sie das hier?

Frau Alving. Die Dokumente?

Manders. Alle, und in bester Ordnung. Glauben Sie nur, es hat schwer gehalten, sie noch rechtzeitig zu bekommen. Ich mußte förmlich Pression üben. Die Behörden sind ja fast peinlich gewissenhaft, wenn es sich um Entscheidungen handelt. Aber nun hätten wir sie also. Blättert in dem Bündel. Sehen Sie, hier ist die ins Grundbuch eingetragene Abtretungsurkunde für den Gutsteil Solvik, zugehörig zum Herrenhof Rosenvold, mit den darauf befindlichen neuaufgeführten Gebäuden an Häusern, Schullokalen, Lehrerwohnung und Kapelle. Und hier ist die Bestätigung des Legats und der Stiftungsstatuten. Sehen Sie, bitte –. Liest. »Die Statuten des Kinderheims ›Hauptmann Alving-Stiftung‹.« –

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