Klein Eyolf

Текст
Автор:
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Klein Eyolf
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

LUNATA

Klein Eyolf

Klein Eyolf

Schauspiel in drei Akten

© 1839 Henrik Ibsen

Originaltitel Lille Eyolf

Aus dem Norwegischen von Karl Strecker

Umschlagbild Vincent van Gogh

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Personen

Alfred Allmers, Gutsbesitzer und Schriftsteller, früher Lehrer

Rita, seine Frau

Eyolf, ihr Kind; neun Jahr alt

Asta Allmers, Alfreds jüngere Stiefschwester

Borgheim, Ingenieur

Die Rattenmamsell

Das Stück spielt auf Allmers' Gut, das am Fjord einige Meilen von der Stadt gelegen ist.

Erster Akt

Ein elegant und geschmackvoll eingerichtetes Gartenzimmer. Viele Möbel, Blumen und Blattpflanzen. Im Hintergrund offene Glastüren, die zu einer Veranda führen. Weite Aussicht auf den Fjord. Waldige Bergrücken in der Ferne. An jeder Längswand eine Tür; die auf der rechten Seite ist eine Flügeltür und liegt ganz hinten. Vorn rechts ein Sofa mit losen Kissen und Decken. An der Sofaecke Stühle und ein Tischchen. Vorn links ein größerer Tisch mit Lehnstühlen. Auf dem Tische ein offener Handkoffer. Es ist frühmorgens im Sommer, und die Sonne scheint warm.

Rita steht am Tisch, mit dem Rücken nach rechts, und packt den Koffer aus. Sie ist eine schöne, ziemlich große, üppige, blonde Dame von etwa dreißig Jahren. Sie hat einen hellen Morgenrock an.

Nach einer Weile tritt Asta Allmers durch die Tür rechts ein. Sie trägt ein hellbraunes Sommerkostüm, Hut, Jackett und Sonnenschirm. Unter dem Arm hat sie eine größere Mappe, die verschlossen ist. Asta ist schmächtig, mittelgroß, hat dunkles Haar und tiefe, ernste Augen. Sie ist 25 Jahr alt.

Asta an der Tür. Guten Morgen, liebe Rita!

Rita dreht sich um und nickt ihr zu. Sieh mal an – Du, Asta! So zeitig schon kommst Du aus der Stadt? Ganz bis zu uns heraus?

Asta legt ab und tut ihre Sachen auf einen Stuhl neben der Tür. Es ließ mir nicht Rast noch Ruh. Mir war, als müßte ich heute zu Euch heraus und klein Eyolf sehen. Und Dich auch. Legt die Mappe auf das Tischchen am Sofa. Und so bin ich mit dem Dampfschiff gekommen.

Rita lächelt ihr zu. Und an Bord hast Du gewiß irgend einen guten Freund getroffen? Natürlich nur ganz zufällig.

Asta ruhig. Nein, – keine Seele, die mir bekannt war. Erblickt den Koffer. Aber Rita – was ist denn das?

Rita packt weiter aus. Alfreds Reisekoffer. Kennst Du ihn nicht?

Asta voller Freude, tritt näher heran. Was? Alfred ist wieder da?

Rita. Ja, denk Dir nur, – er ist ganz unerwartet mit dem Nachtzug angekommen.

Asta. Also das war es, was ich fühlte! Das war es, was mich hertrieb! – Und er hatte nichts vorher geschrieben? Nicht einmal eine Postkarte?

Rita. Nicht eine Zeile.

Asta. Und telegraphiert auch nicht?

Rita. Doch, – eine Stunde vor seiner Ankunft. Ganz kurz und kalt. Lacht. Sieht ihm das nicht ähnlich, Asta?

Asta. Jawohl. Er verschließt alles immer so in sich.

Rita. Doch um so netter war es, als ich ihn wieder da hatte.

Asta. Ja, das kann ich mir denken.

Rita. Volle vierzehn Tage früher, als ich ihn erwartet hatte!

Asta. Und es geht ihm gut? Er ist nicht verstimmt?

Rita klappt den Koffer zusammen und lächelt ihr zu. Geradezu verklärt sah er aus, als er zur Tür hereintrat.

Asta. Und war auch gar nicht müde?

Rita. Doch, müde schien er mir schon zu sein. Tüchtig müde sogar. Aber der Ärmste war ja den größten Teil des Weges zu Fuß gegangen.

Asta. Und dann ist ihm die Hochgebirgsluft gewiß zu rau gewesen.

Rita. Nein, – das glaube ich durchaus nicht. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal husten hören.

Asta. Na, siehst Du wohl! So war es doch gut, daß ihn der Arzt zu der Reise überredete.

Rita. Jetzt, da es endlich überstanden ist, da –. Du kannst mir aber glauben, Asta, es ist für mich eine entsetzliche Zeit gewesen. Ich habe nie davon reden mögen. Und Du bist ja auch so selten zu mir herausgekommen –

Asta. Das war gewiß nicht recht von mir. Aber –

Rita. Na ja, na ja, – Du hattest ja Deine Schule in der Stadt. Lächelt. Und unser Ingenieur – der war doch auch verreist.

Asta. Aber Rita, wie kannst Du nur –

Rita. Also schön, – lassen wir den Ingenieur aus dem Spiel. – Du hast keinen Begriff davon, wie sehr ich mich nach Alfred gesehnt habe! Diese Leere! Diese Öde! Puh – es war, als ob hier im Hause eins begraben wäre –!

Asta. Nun, mein Gott, – es waren doch nur sechs – sieben Wochen –

Rita. Ja. Du mußt aber bedenken, daß Alfred vordem noch nie von mir fort gewesen ist. Keine vierundzwanzig Stunden. Nicht ein Mal in den ganzen zehn Jahren –

Asta. Aber gerade darum, meine ich, war es in diesem Jahr wirklich höchste Zeit, daß er einmal ein bißchen herausgekommen ist. Jeden Sommer hätte er ins Gebirge sollen. Hätte er das nur getan!

Rita mit einem leichten Lächeln. Ach ja, Du hast gut reden. Wäre ich so – so vernünftig wie Du, dann hätte ich ihn wohl schon eher weggelassen – vielleicht. Aber ich konnte es nicht über mich gewinnen, Asta! Mir war, als würde ich ihn nie wieder zurückbekommen. Kannst Du denn das nicht begreifen?

Asta. Nein. Wohl deshalb, weil ich niemand zu verlieren habe.

Rita mit einem neckischen Lächeln. Hast Du wirklich so gar niemand –?

Asta. Nicht, daß ich wüßte. Abbrechend. Aber sag' mir, Rita, – wo ist denn Alfred? Schläft er vielleicht?

Rita. Keine Idee. Er ist heute genau so zeitig aufgestanden wie sonst.

Asta. Na, dann wird er wohl auch nicht besonders müde gewesen sein.

Rita. O doch, heut nacht. Als er ankam. Aber jetzt hat er über eine Stunde Eyolf auf seinem Zimmer bei sich gehabt.

Asta. Der arme, kleine, blasse Junge! Er soll wohl schon wieder mit dem ewigen Lernen anfangen?

Rita mit Achselzucken. Alfred will es doch so haben, weißt Du.

Asta. Ja, aber ich finde, Du solltest Dich dem widersetzen, Rita.

Rita etwas ungeduldig. Nein, hör' mal, – da kann ich mich wirklich nicht hineinmischen. Alfred muß diese Dinge viel besser verstehen als ich. – Und womit soll sich denn Eyolf beschäftigen? Er kann doch nicht herumlaufen und spielen, – wie andere Kinder.

Asta bestimmt. Ich werde mit Alfred darüber reden.

Rita. Tu das nur, liebe Asta. – Ei, sieh da –

Alfred Allmers, im Sommeranzug, tritt, Eyolf an der Hand, durch die Tür links herein. Er ist ein Mann von schlankem, feinem Wuchs und ist 36 bis 37 Jahr alt; er hat sanfte Augen; sein Haar und sein Bart sind braun und dünn. Auf seinem Gesicht ruht ein ernster, nachdenklicher Zug. – Eyolf trägt eine Art Uniform mit goldenen Schnüren und Wappenknöpfen. Er hinkt und geht mit dem linken Arm an der Krücke. Das Bein ist gelähmt. Er ist klein von Gestalt und sieht kränklich aus, hat aber schöne, kluge Augen.

Allmers läßt Eyolf los, geht vergnügt auf Asta zu und reicht ihr beide Hände. Asta! Liebste Asta! Du hier! Wie schön, daß ich Dich gleich sehe!

Asta. Mir war es, ich müßte –. Herzlich willkommen!

Allmers schüttelt ihr die Hände. Das war lieb von Dir!

Rita. Sieht er nicht prächtig aus?

Asta starrt ihn unverwandt an. Wunderbar! Ganz wunderbar! Diese hellen, munteren Augen! Hast wohl sehr viel geschrieben auf der Reise? In freudiger Erregung. Am Ende ist das ganze Buch fertig, Alfred?

Allmers zuckt die Achseln. Das Buch –? Ach, das –

Asta. Ja, ich habe mir gedacht, es würde Dir flott von der Hand gehen, wenn Du nur erst heraus wärst.

Allmers. Das dachte ich auch. Aber, schau, es ist ganz anders gekommen. Ich habe wirklich an dem Buch keine Zeile geschrieben.

Asta. Keine Zeile –!

Rita. Drum auch! Ich begriff gar nicht, warum das ganze Papier unberührt im Koffer dalag.

Asta. Aber, Alfred, was hast Du denn die ganze Zeit über getrieben?

Allmers lächelnd. Meinen Gedanken bin ich nachgegangen, nur meinen Gedanken –.

Rita legt den Arm um seine Schulter. Hast Du auch ein bißchen an die gedacht, die zu Haus geblieben sind?

Allmers. Natürlich habe ich das. Sehr viel sogar. Tagaus, tagein.

Rita läßt ihn los. Na, dann ist ja alles in schönster Ordnung.

Asta. Aber an dem Buche hast Du gar nicht geschrieben? Und doch siehst Du so froh und zufrieden aus? Das pflegst Du doch sonst nicht. Wenn Dir die Arbeit schwer fällt, meine ich.

 

Allmers. Da hast Du recht. Denn schau, früher bin ich so dumm gewesen. Denken ist des Menschen bestes Teil. Was aufs Papier kommt, taugt nicht viel.

Asta erregt. Taugt nicht –

Rita lacht. Bist Du von Sinnen, Alfred?

Eyolf blickt treuherzig zu ihm auf. O doch, Papa, – was Du schreibst, das taugt schon.

Allmers streicht ihm lächelnd übers Haar. Natürlich, wenn Du es sagst, so –. Aber glaub' mir, – später kommt einer, der es besser machen wird.

Eyolf. Was für einer denn? Ach, sag' es doch!

Allmers. Nur Geduld. Er wird schon kommen und sich melden.

Eyolf. Und was tust Du dann?

Allmers ernst. Dann gehe ich wieder ins Gebirg –

Rita. Pfui, schäm' Dich, Alfred!

Allmers. – hinauf zu den Gipfeln und großen Fernsichten.

Eyolf. Nicht wahr, Papa, ich werde bald so gesund sein, daß ich mit Dir kann?

Allmers schmerzlich berührt. O ja – vielleicht, mein kleiner Kerl.

Eyolf. Wie fein wär's, wenn ich auch in den Bergen herumklettern könnte!

Asta ablenkend. Bist Du aber heut schmuck angezogen, Eyolf!

Eyolf. Nicht wahr, Tante?

Asta. Freilich. Dem Papa zu Ehren hast Du wohl den neuen Anzug an?

Eyolf. Ja, ich habe die Mama darum gebeten. Ich wollte, daß Papa mich drin sieht.

Allmers leise zu Rita. Du hättest ihm solch ein Kostüm nicht anschaffen sollen.

Rita ebenso. Er hat mich aber doch fortwährend gequält. Er bat so inständig. Er hat mich doch nicht in Frieden gelassen.

Eyolf. Ja, und dann, Papa, – Borgheim hat mir einen Bogen gekauft. Und er hat mich auch gelehrt, wie man damit schießt.

Allmers. Seh' einer, das ist so recht etwas für Dich, Eyolf.

Eyolf. Und das nächste Mal, wenn er wieder kommt, dann will ich ihn bitten, daß er mich auch das Schwimmen lehrt.

Allmers. Das Schwimmen! Was willst Du denn damit?

Eyolf. Jawohl, – unten am Strand die Jungen, die können alle schwimmen. Nur ich kann's nicht.

Allmers schließt ihn bewegt in die Arme. Was Du nur willst, alles sollst Du lernen! Alles, wozu Du Lust hast.

Eyolf. Ja, weißt Du, Papa, was ich am allerliebsten möchte?

Allmers. Nun? So sag'!

Eyolf. Am allerliebsten möchte ich Soldat lernen.

Allmers. Aber, Eyolfchen, es gibt doch so viele Dinge, die besser sind.

Eyolf. Aber wenn ich groß bin, dann muß ich doch Soldat werden. Das weißt Du ganz gut.

Allmers preßt die Hände zusammen. Ja, ja, ja; wir werden sehen –

Asta nimmt am Tische links Platz. Eyolf! Komm mal her zu mir – ich will Dir etwas erzählen.

Eyolf geht zu ihr hin. Was denn, Tante?

Asta. Denk Dir, Eyolf, – ich habe die Rattenmamsell gesehen.

Eyolf. Was! Du hast die Rattenmamsell gesehen? Ach, Du hältst mich nur zum besten.

Asta. Nein, es ist wirklich wahr. Ich habe sie gestern gesehen.

Eyolf. Wo hast Du sie denn gesehen?

Asta. Auf der Landstraße vor der Stadt draußen.

Allmers. Auch mir ist sie da oben im Land irgendwo begegnet.

Rita, die sich auf das Sofa gesetzt hat. Vielleicht bekommen wir sie dann auch zu sehen, Eyolf.

Eyolf. Du, Tante, ist das nicht wunderlich, daß sie die Rattenmamsell heißt.

Asta. Die Leute nennen sie deshalb so, weil sie im Land und an der Küste herumzieht und alle Ratten vertreibt.

Allmers. Ich glaube, ihr richtiger Name ist Varg.

Eyolf. Varg? Das bedeutet ja einen Wolf.

Allmers streichelt ihm den Kopf. So, das weißt Du auch, Eyolf?

Eyolf nachdenklich. Dann ist es am Ende doch wahr, daß sie in der Nacht ein Werwolf ist. Glaubst Du das, Papa?

Allmers. Ach nein, das glaube ich nicht. – Aber jetzt geh hinunter in den Garten und spiel' ein bischen.

Eyolf. Soll ich nicht lieber ein paar Bücher mitnehmen?

Allmers. Nein, – fortan keine Bücher mehr. Geh lieber zum Strand hinunter zu den anderen Jungen.

Eyolf verlegen. Nein, Papa, ich mag heute nicht zu den Jungen hinunter.

Allmers. Warum denn nicht?

Eyolf. Weil ich den Anzug hier anhabe.

Allmers runzelt die Stirn. Machen sie sich etwa lustig über – über Deinen hübschen Anzug?

Eyolf ausweichend. Nein, das getrauen sie sich nicht. Denn sonst würde ich sie hauen.

Allmers. Na also, – weshalb denn –?

Eyolf. Die Jungen, die sind so ungezogen. Und dann sagen sie, ich könnte nie Soldat werden.

Allmers mit unterdrücktem Schmerz. Und warum, meinst Du, sagen sie das wohl?

Eyolf. Sie sind gewiß neidisch auf mich. Denn sie sind so arm, Papa, daß sie barfuß gehen müssen.

Allmers leise, mit erstickter Stimme. Ach, Rita, – wie herzzerreißend ist das alles!

Rita beschwichtigend, indem sie aufsteht. Ich bitte Dich, Alfred –!

Allmers drohend. Die Jungen, die sollen noch erfahren, wer am Strand unten der Herr ist!

Asta horchend. Es hat geklopft.

Eyolf. Das ist gewiß Borgheim.

Rita. Herein!

Die Rattenmamsell tritt sachte und behutsam durch die Tür rechts ein. Sie ist eine kleine, schmächtige, eingeschrumpfte Person, betagt und grauhaarig, mit scharfen, stechenden Augen. Sie hat ein altfränkisches, geblümtes Kleid, einen schwarzen Umhang an und einen schwarzen, kapuzenartigen Hut auf. In der Hand hält sie einen großen, roten Regenschirm und am Arm trägt sie, an einer Schnur, einen Beutel.

Eyolf zupft Asta am Kleid, leise. Tante! Das ist sie gewiß!

Die Rattenmamsell macht an der Tür ein Kompliment. Mit allergnädigstem Verlaub, – haben die Herrschaften im Hause was Nagendes?

Allmers. Wir? Nein, ich glaube nicht.

Die Rattenmamsell. In diesem Fall würde ich die Herrschaften mit dem allergrößten Vergnügen davon befreien.

Rita. Ja, ja, wir verstehen. Aber derartiges gibt es hier nicht.

Die Rattenmamsell. Was für ein Malheur! Ich bin nämlich jetzt gerade auf der Tour. Und wer weiß, wann ich wieder in diese Gegenden komme –. Ach, wie bin ich müde!

Allmers deutet auf einen Stuhl. Sie sehen in der Tat so aus.

Die Rattenmamsell. Man sollte freilich niemals müde werden, ihnen wohlzutun, den armen kleinen Dingern, die so bitter gehaßt und verfolgt werden. Aber es greift einen arg an.

Rita. Wollen Sie nicht Platz nehmen und sich ein wenig ausruhen?

Die Rattenmamsell. Danke tausend Mal. Setzt sich auf einen Stuhl zwischen der Tür und dem Sofa. Bin ich doch die ganze Nacht in Geschäften draußen gewesen.

Allmers. So, – waren Sie das?

Die Rattenmamsell. Ja, drüben auf den Inseln. Mit einem glucksenden Lachen. Man sollte es nicht glauben – die Leute hatten nach mir geschickt. Schwer genug wird es ihnen gefallen sein. Es hat aber nichts geholfen. Sie mußten schon hübsch in den sauren Apfel beißen. Sieht Eyolf an und nickt ihm zu. In den sauren Apfel, junger Herr. In den sauren Apfel.

Eyolf etwas zaghaft, unwillkürlich. Warum mußten sie –?

Die Rattenmamsell. Was?

Eyolf. Hineinbeißen?

Die Rattenmamsell. Weil sie sich nicht mehr lassen konnten vor Ratten und Rattenbrut, wie der junge Herr wohl verstehen.

Rita. Mein Gott! Die armen Leute, – haben sie denn so viele?

Die Rattenmamsell. War das ein Geschwärm und Gewimmel! Lacht stillvergnügt. In den Betten kribbelten und krabbelten sie die liebe lange Nacht. In die Milchkübel plumpsten sie. Und über die Fußböden ruschelten und raschelten sie die Kreuz und Quer.

Eyolf leise zu Asta. Da möchte ich nie hin, Tante.

Die Rattenmamsell. Aber da bin ich gekommen – und noch einer. Und wir haben sie mitgenommen, alle, alle. Die lieben Dingerchen. Wir beide wurden mit allen fertig.

Eyolf aufschreiend. Papa, – sieh, sieh!

Rita. Um Gottes willen, Eyolf!

Allmers. Was ist denn los?

Eyolf hindeutend. Da zappelt was im Beutel!

Rita schreit, nach links hinüber eilend. Herr Gott! Schaff sie hinaus, Alfred!

Die Rattenmamsell lacht. Ach, schönste gnädige Frau, haben Sie doch keine Angst vor so einem Geschöpfchen.

Allmers. Was ist denn das?

Die Rattenmamsell. Das ist ja bloß Moppelchen. Schnürt den Beutel auf. Komm heraus aus Deinem Dunkel, Du mein herzallerliebster Freund.

Ein Hündchen mit breiter, schwarzer Schnauze steckt den Kopf aus dem Beutel.

Die Rattenmamsell nickt und winkt Eyolf zu. Komm getrost näher, Du kleiner blessierter Krieger. Er beißt nicht. Komm her! Komm!

Eyolf klammert sich an Asta. Nein, ich getraue mich nicht.

Die Rattenmamsell. Finden der junge Herr nicht, daß er ein sanftes und liebliches Gesicht hat?

Eyolf deutet erstaunt auf den Hund hin. Der da?

Die Rattenmamsell. Freilich, der.

Eyolf halblaut, indem er den Hund unverwandt anstarrt. Ich finde, er hat das schrecklichste – Gesicht, das ich je gesehen habe.

Die Rattenmamsell macht den Beutel zu. Ach, das kommt schon. Das kommt schon.

Eyolf kommt unwillkürlich näher, geht ganz dicht zu ihr heran, und streichelt vorsichtig den Beutel. Wunder –, wunderschön ist er doch!

Die Rattenmamsell behutsam. Nur ist er jetzt so matt und müde, der arme Kerl. Rechtschaffen müde ist er. Blickt Allmers an. Denn so ein Reigen, der greift an, das dürfen der Herr mir glauben.

Allmers. Was für eine Art Reigen meinen Sie?

Die Rattenmamsell. Den Lockreigen.

Allmers. Aha, – der die Ratten lockt, das ist wohl der Hund?

Die Rattenmamsell nickt. Moppelchen und ich. Wir beide zusammen. Und das geht so flott. Wenigstens dem Anschein nach. Er kriegt bloß eine Schnur ans Halsband. Dann führe ich ihn dreimal ums Haus herum. Und ich spiele auf der Maultrommel. Und wenn sie das hören, dann müssen sie aus den Kellern herauf und von den Dachböden herunter und aus den Löchern heraus – alle die lieben Geschöpflein.

Eyolf. Beißt er sie dann tot?

Die Rattenmamsell. I Gott bewahre! Nein! Wir gehen zum Boot hinunter, Moppelchen und ich. Und sie kommen hinter uns drein. Die Alten wie die Pusselchen.

Eyolf gespannt. Und was dann –? Erzählen Sie!

Die Rattenmamsell. Dann stoßen wir vom Lande ab. Und ich wricke mit dem Ruder und spiele auf der Maultrommel. Und Moppelchen, das schwimmt hinterher. Mit glühenden Augen. Und alle, die da kribbelten und krabbelten, die folgen uns weit und weiter aufs Wasser hinaus. Das müssen sie nämlich.

Eyolf. Warum müssen sie?

Die Rattenmamsell. Gerade weil sie nicht wollen. Weil sie vor dem Wasser so grausige Angst haben, – darum müssen sie aufs Wasser hinaus.

Eyolf. Ertrinken sie dann?

Die Rattenmamsell. Alle miteinander. Leiser. Und dann haben sie es so gut und so still und so schattenkühl, wie sie sich's nur wünschen können, – die herzigen Kleinen. Tief unten schlafen sie einen gar süßen und langen Schlaf. Sie, die von den Menschen gehaßt und verfolgt wurden. Steht auf. Ja, in früheren Zeiten, da hatte ich kein Moppelchen nötig. Da habe ich selber gelockt. Ich ganz allein.

Eyolf. Was haben Sie denn gelockt?

 

Die Rattenmamsell. Menschen. Besonders einen.

Eyolf gespannt. Ach, sagen Sie doch, wer war denn das?

Die Rattenmamsell lachend. Das war mein Schatz und Liebster, – Sie kleiner Herzenbrecher, Sie!

Eyolf. Und wo ist er jetzt?

Die Rattenmamsell hart. Unten bei den Ratten. Wieder sanft. Aber jetzt muß ich wieder hinaus an mein Geschäft. Bin immer auf der Reise. Zu Rita. Brauchen mich die Herrschaften heut wirklich nicht? Sonst könnte ich es gleich in einem hin abmachen.

Бесплатный фрагмент закончился. Хотите читать дальше?
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»