Kaiser und Galiläer

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Basilios.

 Was, Julian?



Julian.

 Die alte Schönheit ist nicht länger schön, und die neue Wahrheit nicht länger wahr.



Libanios


kommt eilig durch den Säulengang von rechts; schon von fern:

 Da haben wir ihn – da haben wir ihn!



Julian.

 Ihn? Ich dachte, Du hättest sie beide.



Libanios.

 Welche beiden?



Julian.

 Milons Söhne.



Libanios.

 Ah ja, die habe ich auch. Aber wir haben

ihn

, mein Julian!



Julian.

 Wen, teurer Bruder?



Libanios.

 Er hat sich in seinem eigenen Garn gefangen.



Julian.

 Aha, – also ein Weiser?



Libanios.

 Aller Weisheit Widersacher.



Julian.

 Wer, wer – frag' ich?



Libanios.

 Weißt Du es wirklich nicht? Hast Du nicht das Neueste über Maximos gehört?



Julian.

 Über Maximos? O, habe doch die Güte –



Libanios.

 So weit mußte es mit diesem unruhigen Schwärmer kommen – Schritt um Schritt, in den Wahnsinn hinein –



Julian.

 Mit andern Worten: in die höchste Weisheit hinein.



Libanios.

 Meinetwegen auch so. Aber jetzt gilt es zu handeln und den Augenblick zu ergreifen. Du, unser hochverehrter Julian, Du bist der Mann. Du bist des Kaisers naher Verwandter. Die Hoffnung aller wahren Weisheitsfreunde ist auf Dich gerichtet, hier wie in Nikomedia –



Julian.

 Höre, trefflicher Libanios, – dieweil ich nicht allwissend bin –



Libanios.

 So erfahre denn, daß Maximos jüngst offen mit dem Kern seiner Lehre hervorgetreten ist.



Julian.

 Und das wirfst du ihm vor?



Libanios.

 Er hat behauptet, er könnte Geistern und Schatten gebieten!



Julian


faßt ihn am Mantel.

 Libanios!



Libanios.

 Alle auf dem Schiff erzählten sich eine Fülle der wunderlichsten Geschichten, und hier –

zeigt einen Brief vor

 – hier schreibt mein Mitbruder Eusebios ausführlich darüber.



Julian.

 Geistern und Schatten –



Libanios.

 Zu Ephesos hat Maximos neulich, in einer großen Versammlung von Anhängern und Widersachern, verbotene Künste an Hekates Bildsäule getrieben. Es geschah im Tempel der Göttin. Eusebios schreibt, er wäre selbst zugegen und Zeuge von allem gewesen, von Anfang bis zu Ende. Es war rabenschwarze Nacht rings um sie her. Maximos sprach seltsame Beschwörungen – dann sang er eine Hymne, die keiner verstand. Da entzündete sich die Marmorfackel in der Hand der Statue –



Basilios.

 Welch gottloses Tun!



Julian


atemlos.

 Und dann?



Libanios.

 Und in dem vollen bläulichen Licht sahen sie alle, daß das Antlitz der Statue Leben bekam und sie anlächelte.



Julian.

 Was weiter –?



Libanios.

 Entsetzen ergriff die meisten Gemüter. Alle stürzten nach dem Ausgang. Viele lagen danach krank oder irr danieder. Aber er selbst – kannst Du es glauben, Julian? – dem Los zum Trotze, das seine beiden Brüder in Konstantinopel getroffen hat, schreitet weiter auf seinem gefährlichen und anstößigen Wege.



Julian.

 Anstößig? Anstößig nennst Du diesen Weg? Läuft nicht aller Weisheit Ziel

da

rauf hinaus? Verkehr von Geist zu Geist –



Basilios.

 Teurer, verirrter Freund –!



Libanios.

 Mehr als anstößig, sag' ich. Was ist Hekate? Was sind überhaupt die Götter für die Erkenntnis der Aufgeklärten? Glücklicherweise leben wir nicht mehr in der Zeit jenes alten blinden Sängers. Maximos sollte doch bessere Einsicht haben. Hat nicht Platon – und nach ihm wir andern – das Licht der Erklärung über das Ganze verbreitet? Ist es nicht anstößig, jetzt, in diesem unseren Zeitalter, jenes bewundernswerte, einleuchtende und ich darf wohl sagen: mühsam aufgerichtete Gebäude von Begriff und Deutung wieder hüllen zu wollen in Rätsel und neblichte Träume, die wir, die Jünger der Weisheit, die die Schule, die –



Julian


stürmisch

. Leb' wohl, Basilios! Ich sehe ein Licht auf meinem Pfad!



Basilios


schlingt die Arme um ihn.

 Ich lasse Dich nicht – ich halte Dich fest!



Julian


ringt sich los.

 Es hält mich keiner, – löcke nicht wider den Stachel –



Libanios.

 Welcher Anfall von Wahnwitz! Freund, Bruder, Gefährte, wo willst Du hin?



Julian.

 Dahin, dahin, wo Fackeln sich entzünden und Statuen lächeln.



Libanios.

 Und das könntest Du!? Du, Julian, unser Stolz, unsere Leuchte, unsere Hoffnung – Du wolltest nach diesem verblendeten Ephesos eilen, um Dich in die Gewalt eines Gauklers zu geben! Wisse, in demselben Augenblicke, da Du Dich so tief erniedrigst, in demselben Augenblick hast Du des herrlichen Rufes der Gelehrtheit und Beredsamkeit Dich entäußert, den Du in all diesen Jahren in Pergamon wie in Nikomedia und vornehmlich hier auf der hohen Schule Athens –



Julian.

 Schule, Schule! Bleib Du bei Deinen Büchern – jetzt hast Du mir den Mann gezeigt, den ich suchte!

Er geht schnell durch den Säulengang links ab.



Libanios


blickt ihm eine Weile nach.

 Dieser fürstliche Jüngling ist eine Gefahr für die Wissenschaft.



Basilios


halb für sich.

 Nicht für sie allein ist Julian eine Gefahr.





Dritter Akt





In Ephesos. Erleuchteter Saal in des Prinzen Julian Wohnung. Der Eingang von der Vorhalle ist rechts; weiter hinten eine kleinere, durch einen Vorhang verdeckte Tür. Links eine Tür, die zum Innenraum des Hauses führt. Der Hintergrund des Saales wird von einer durchbrochenen Wand gebildet, durch die man in einen kleinen umfriedeten Hofraum blickt, der mit Statuetten geschmückt ist.







Diener bereiten eine festliche Abendmahlzeit und legen Polster um den Tisch. Eutherios, der Hausmeister, steht am Eingang und nötigt unter vielen Höflichkeiten Gregor von Nazianz und Basilios von Cäsarea herein.





Eutherios.

 Ja, ja, ich versichere Euch, – es stimmt alles.



Gregor.

 Unmöglich! Treib doch nicht Spott mit uns!



Basilios.

 Du spaßest, Freund! Wie kann Dein Herr uns erwarten? Kein Mensch hat um unsere Abreise von Athen gewußt; kein Aufenthalt hat unsere Fahrt verzögert, – um die Wette sind wir gesegelt mit den Wolken und den wilden Kranichen.



Eutherios.

 Schaut Euch um – seht den Tisch da. Für gewöhnlich lebt er von Kräutern und Brot.



Gregor.

 Unleugbar – alle Sinne zeugen für Dich – Weinkannen, umwunden mit Blumen und Grün – Lampen und Früchte – Räucherwerk, das den Saal mit seinem Duft erfüllt – die Flötenspieler draußen vor dem Haustor –



Eutherios.

 Heut, in der Frühe des Morgens ließ er mich rufen. Er schien ungewöhnlich heiter zu sein; denn er ging auf und ab im Zimmer und rieb sich die Hände. »Rüste ein reichlich Mahl«, sagte er, »denn noch vor Abend kommen zwei Freunde aus Athen.«

Er hat inzwischen nach der offenen Tür links einen Blick geworfen, schweigt plötzlich und zieht sich ehrerbietig zurück.



Basilios.

 Ist er da?





Eutherios nickt als Antwort; dann gibt er den Dienern einen Wink, sich zu entfernen; sie gehen durch die größere Tür rechts ab; er selbst folgt. – Julian kommt gleich darauf von links; er trägt ein langes morgenländisches Gewand; sein ganzes Benehmen ist lebhaft und verrät starke innere Spannung.





Julian


geht ihnen entgegen und begrüßt sie leidenschaftlich

. Da seid Ihr! Ich habe Euch! Dank, Dank, daß Euer Geist Eurem Körper vorausgeflogen ist!



Gregor.

 Julian!



Basilios.

 Mein Freund und Bruder!



Julian.

 Wie ein Liebender hab' ich nach Eurem Händedruck geschmachtet. Das höfische Pack, nach dem Beifall gewisser Leute trachtend, nannte mich einen Affen – hätte ich doch des Affen vier Hände, um Eure vier auf einmal drücken zu können.



Gregor.

 So erklär' uns doch, – Deine Diener empfangen uns mit Flötenspiel an der Tür, wollen uns ins Bad führen, unser Haar salben und uns mit Rosen schmücken –



Julian.

 Ich sah Euch letzte Nacht. Es war Vollmond, wißt, – und da ist der Geist stets so wunderbar wirksam in mir. Drinnen im Büchersaal saß ich an meinem Tisch und war in Schlaf gesunken, – müde, Ihr Freunde, so müde vom Forschen und Schreiben. Da ging es durchs Haus wie ein Sturmwind; der Vorhang hob sich flatternd empor, und ich sah hinaus in die Nacht, weit über das Meer. Ich hörte lieblichen Gesang; die aber, von denen der Gesang kam, waren zwei große Vögel mit Frauengesichtern; in schrägem Flug stießen sie auf die Küste zu – dort schwebten sie sanft hernieder, das Vogelkleid löste wie weißlicher Nebel sich ab und in einem milden Dämmerschein sah ich Euch beide.



Gregor.

 Bist Du dessen auch gewiß?



Julian.

 Dachtet Ihr an mich, – spracht Ihr von mir in dieser Nacht?



Basilios.

 Jawohl, – vorn im Schiff –



Julian.

 Um welche Zeit in der Nacht war das?



Gregor.

 Um welche Zeit in der Nacht hattest Du das Gesicht?



Julian.

 Eine Stunde nach Mitternacht.



Gregor


mit einem Blick auf Basilios.

 Seltsam.



Julian


reibt sich die Hände; geht auf und nieder im Zimmer.

 Seht Ihr! Haha! Seht Ihr wohl?



Basilios


folgt ihm mit den Augen.

 So ist es doch wahr –



Julian.

 Was? Was ist wahr?



Basilios.

 Das Gerücht von den geheimnisvollen Künsten, die Du hier treibst.



Julian.

 Ei, was bauschen Gerüchte nicht auf?! – Doch – was sagt das Gerücht sonst von mir? Ich habe mir erzählen lassen, daß viele Gerüchte über mich umgehen. Darf ich den Versicherungen gewisser Leute trauen, so müßte ich glauben, es gibt wenig Männer im Reich, über die so viel geredet wird wie über mich.

 



Gregor.

 Das kannst Du getrost glauben.



Julian.

 Und was sagt Libanios zu dem allen? Es war ihm niemals angenehm, wenn die Menge sich mehr mit andern als mit ihm beschäftigte. Und was sagen die vielen unvergeßlichen Freunde in Athen sonst? Man weiß wohl, daß ich beim Kaiser wie beim ganzen Hof in Ungnade bin.



Gregor.

 Du? Ich bekomme doch häufig Nachrichten vom Hoflager, – aber darüber schreibt mein Bruder Cäsarios nichts.



Julian.

 Ich kann es nicht anders deuten, guter Gregor! Allerseits halten sie es für ratsam, ein Auge auf mich zu haben. Neulich sandte Cäsar Gallos seinen Hauspriester Aëtios her, um zu erkunden, ob ich an der unverfälschten Lehre festhielte –



Basilios.

 Nun, und?



Julian.

 Ich versäume so leicht keine Morgenandacht in der Kirche. Auch zähle ich die Blutzeugen zu den außerordentlichen Menschen; denn es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit, so große Schmerzen, selbst den Tod um seiner Überzeugung willen zu leiden. Alles in allem glaube ich, Aëtios war wohl mit mir zufrieden, als er abreiste.



Basilios


greift nach seiner Hand.

 Julian,– bei unserer innigen Freundschaft, – sprich offen über Deine Lage.



Julian.

 Lieben Freunde, ich bin der glücklichste Sohn der Erde! Und Maximos, – ja, er trägt seinen Namen mit Recht – Maximos ist der Größte, der je gelebt hat!



Gregor


wendet sich zum Gehen.

 Wir wollten Dich nur sehen, Herr!



Julian.

 Darf das den Bruder entfremden dem Bruder? Ihr weicht in Angst vor dem Rätselhaften! O ja, das wundert mich gar nicht. So wich auch ich, bis ich sehend ward und bis ich ahnte, was des Lebens Kern ist.



Basilios.

 Was nennst Du des Lebens Kern?



Julian.

 Maximos weiß es. In ihm ist die neue Offenbarung.



Basilios.

 Und sie ist Dir zu teil geworden?



Julian.

 Noch nicht ganz. Ich bin nahe daran. Noch in dieser Nacht, hat Maximos mir versprochen –



Gregor.

 Maximos ist ein Schwärmer, oder er betrügt Dich –



Julian.

 Wie kannst Du über die Geheimnisse urteilen? Das ist nichts für

Deine

 Gelehrsamkeit, mein Gregor! Der Weg zur großen Glückseligkeit ist entsetzlich. Jene Träumer in Eleusis waren beinahe auf der richtigen Spur; Maximos fand die Spur, und dann

ich

 – an seiner Hand. Ich habe finstre Klüfte durchwandert. Ein träges, sumpfiges Gewässer war mir zur Linken – ich glaube, es war ein Strom, der des Weiterfließens vergessen hatte. Grelle Stimmen redeten wirr, – plötzlich und sozusagen ohne alle Ursache im Dunkel der Nacht. Ab und zu sah ich ein bläuliches Licht; schreckhafte Gestalten strichen an mir vorüber; ich ging und ging in Todesangst, aber ich habe die Prüfung bestanden –. Und dann – und dann, Ihr teuren Freunde, bin ich mit diesem meinem zu Geist verwandelten Leibe tief im Innern des Paradieses gewesen. Die Engel haben mir ihre Lobgesänge gesungen, – ich habe das mittelste Licht geschaut –



Gregor.

 Wehe über diesen gottlosen Maximos! Wehe über diesen heidnischen Gaukler, der des Teufels ist!



Julian.

 Blindheit, Blindheit! Maximos huldigt seinem vorausgegangenen Bruder; er huldigt seinen beiden großen Brüdern: dem Gesetzgeber von Sinai und dem Seher von Nazareth –. Weißt Du, wie der Geist der Erkenntnis über mich gekommen ist? Es geschah eines Nachts bei Gebet und Fasten. Da war es mir, als würde ich weit hinweggerückt – weit hinaus in den Raum und hinaus aus der Zeit – denn voller, sonnenlichter Tag war um mich, und ich stand einsam auf einem Schiff mit schlaffem Segel mitten im blanken, blitzenden Griechenmeer. Die Inseln stiegen auf, leichten, gefesselten Wolkenschichten gleich, weit in der Ferne, und träge lag das Schiff, als ob es schliefe auf der weinblauen Fläche –. Siehe, da ward die Fläche immer durchsichtiger, leichter und dünner; zuletzt war sie ganz verschwunden, und mein Schiff hing über einer leeren, entsetzlichen Tiefe. Nichts Grünes, keine Sonne da unten, – nur der tote, schleimige, schwarze Meeresgrund in seiner ganzen grausigen Öde. – Doch über mir in der unendlichen Wölbung, die mir vorher als Leere erschienen war, da war das Leben; da gestaltete es sich in unsichtbaren Formen, und die Stille nahm Töne an. – Da ward mir die große, erlösende Erkenntnis.



Gregor.

 Was für eine Erkenntnis meinst Du?



Julian.

 Was ist, ist nicht; und was nicht ist, das ist.



Basilios.

 Du gehst unter und verlierst Dich in diesem Gespinst von Licht und Nebel!



Julian.

 Ich? Geschehen nicht Wunder? Verkünden nicht Wahrzeichen und gewisse seltsame Ereignisse am Sternenhimmel, daß der göttliche Wille etwas noch Unaufgeklärtes mit mir vorhat?



Gregor.

 Trau' diesen Zeichen nicht, Du kannst nicht wissen, wessen Werk sie sind.



Julian.

 Ich sollte nicht den glückverheißenden Zeichen trauen, die sich schon bestätigt haben?

Er zieht sie näher an sich heran und spricht leise:

 Euch kann ich es sagen, Freunde, daß eine große Umwälzung vor der Tür steht. Cäsar Gallos und ich werden binnen kurzer Zeit die Weltherrschaft teilen, – er als Kaiser und ich als –, ja, wie soll ich es nennen? Das Ungeborne kann man nicht mit Namen nennen, denn es hat keinen. Also nichts mehr davon, bis die Zeit erfüllt ist. Doch über Cäsar Gallos darf ich wohl sprechen –. Habt Ihr von dem Gesicht gehört, dessentwegen man den Bürger Apollinaris zu Sidon verhaftet und gemartert hat?



Basilios.

 Nein, nein, wie sollten wir –?



Julian.

 Apollinaris hat ausgesagt, er habe zur Nachtzeit an seiner Türe wiederholtes Klopfen gehört. Er stand auf und trat ins Freie. Und siehe, draußen gewahrte er eine Gestalt, – ob Mann, ob Weib, das wußte er nicht. Und die Gestalt sprach ihn an und befahl ihm, ein Purpurgewand anzufertigen, so wie es neugewählte Herrscher tragen. Aber als Apollinaris erschrocken so gefährlicher Dinge sich erwehren wollte, da war die Erscheinung verschwunden, und nur eine Stimme rief noch: Geh, geh, Apollinaris, und fertige rasch das Purpurgewand!



Gregor.


Das

 war also das Zeichen, das, wie Du eben sagtest, sich bestätigt hat?



Julian


nickt langsam.

 Sieben Tage später starb in Bithynien die Gattin des Cäsar. Konstantina war immer sein böser Engel gewesen; darum mußte sie jetzt fort, nachdem in dem göttlichen Willen eine Wandlung vorgegangen war. Drei Wochen nach Konstantinas Tod kam des Kaisers Abgesandter, der Tribun Skudilo, mit großem Gefolge nach Antiochia, erwies dem Cäsar Gallos kaiserliche Ehren und lud ihn in des Kaisers Namen an das römische Hoflager zu Gast. – Wie im Siegeszuge fährt jetzt der Cäsar durch die Lande. Zu Konstantinopel hielt er im Hippodrom einen Wettlauf ab, und die Menge jubelte hell, da er, obwohl erst nur dem Namen nach Cäsar, nach Art der alten Kaiser auftrat und den Kranz jenem Korax reichte, der im Wettlauf gewonnen hatte. So wunderbar erhöht aufs neue Gott unser Geschlecht, das unter Sünde und Verfolgung gesunken war.



Gregor.

 Seltsam. In Athen gingen andere Gerüchte.



Julian.

 Ich habe sichere Kunde. Es hat Eile mit dem Purpurgewande, Gregor! Und sollte ich zweifeln an dem, was Maximos mir als nahe bevorstehend verheißen hat? Heut nacht fällt die letzte Hülle. An dieser Stelle soll sich das große Rätsel offenbaren. Bleibt bei mir, Brüder, – bleibt bei mir in diesen Stunden der Angst und Erwartung! Wenn Maximos kommt, sollt Ihr Zeugen sein –



Basilios.

 Niemals!



Gregor.

 Kann nicht sein! Wir sind auf der Heimreise nach Kappadocien.



Julian.

 Und was hat Euch so jählings aus Griechenland getrieben?



Basilios.

 Meine Mutter ist Witwe, Julian!



Gregor.

 Mein Vater ist hinfällig an Körper und Geist; er bedarf einer Stütze.



Julian.

 So bleibt in der Herberge – nur bis morgen!



Gregor.

 Unmöglich; unsere Weggenossen brechen mit Tagesgrauen auf.



Julian.

 Mit Tagesgrauen? Vor Mitternacht noch könnte der Tag Euch grauen.



Basilios.

 Julian, laß mich nicht in allzu großer Angst von dannen ziehen. Sag' mir, – wenn Dir Maximos alle Rätsel gelöst hat, – was dann?



Julian.

 Erinnerst Du Dich jenes Flusses, von dem Strabon schreibt, – jenes Flusses, der seine Quellen auf den libyschen Bergen hat? Er wächst und wächst in seinem Lauf, aber wenn er ganz groß geworden ist, siecht er im Wüstensande dahin und begräbt sich selbst im Mutterschoß der Erde, dem er entsprungen ist.



Basilios.

 Du willst doch nicht den Tod, Julian?!



Julian.

 Was Ihr knechtisch nach dem Tod erhofft, das hier in unserm irdischen Leben für alle Mitwissenden zu erwerben, das eben ist der Zweck des großen Geheimnisses. Es ist Wiedergeburt, die Maximos und seine Lehrlinge suchen, – es ist die verlorene Gottähnlichkeit. Warum so zweifelsüchtig, Ihr Brüder? Warum steht Ihr da wie vor etwas Unübersteiglichem? Ich weiß, was ich weiß. In jedem der wechselnden Geschlechter war

eine

 Seele, worin der reine Adam wieder erstand; er war stark in Moses, dem Gesetzgeber; er hatte Kraft, sich die Erde untertänig zu machen, im macedonischen Alexander; er war beinahe vollkommen in Jesus von Nazareth. Aber sieh, Basilios, –

seinen Arm ergreifend

 – ihnen allen mangelte, was

mir

 verheißen ist, – das reine Weib.



Basilios


reißt sich los.

 Julian, Julian!



Gregor.

 Du Lästerer! Dahin hat der Hochmut Deines Herzens Dich gebracht!



Basilios.

 Gregor, er ist krank und irr!



Julian.

 Warum diese höhnischen Zweifel? Ist es mein schmächtiger Wuchs, der gegen mich zeugt? Haha! Ich sage Euch, dieses grobe, fleischige Geschlecht wird vergehen. Das werdende wird mehr vom Geiste empfangen werden als vom Körper. In dem ersten Adam war Gleichgewicht wie in jenen Abbildungen des Gottes Apollon. Dann war es mit dem Gleichgewicht zu Ende. Hatte nicht Moses eine schwere Zunge? Mußte man nicht seine Arme stützen, da er sie beschwörend erheben sollte am Roten Meere dort? Mußte nicht der Macedonier häufig durch gewisse starke Getränke und andere künstliche Mittel sich befeuern? Und nun Jesus von Nazareth, – hatte er nicht einen gebrechlichen Körper? Fiel er nicht in Schlaf auf dem Schiffe, während doch die andern sich wach hielten? Brach er nicht unter dem Kreuz zusammen, unter jenem Kreuz, das der Jude Simon mit Leichtigkeit trug? Die beiden Schächer brachen nicht zusammen. – Ihr nennt Euch Gläubige, und habt doch so wenig Glauben an die Offenbarungsmacht des Wunderbaren? Wartet, wartet, Ihr sollt sehen; – die Braut wird mir gewißlich werden, und dann –, Hand in Hand gehen wir gen Osten, dahin, wo, nach einigen, Helios geboren sein soll; – in die Einsamkeit, uns zu verbergen, wie die Gottheit sich verbirgt, zu suchen den Paradiesesgarten an des Euphrats Ufern, ihn zu finden, und

da

 – o, Herrlichkeit! – von da aus soll ein neues Geschlecht in Schönheit und Gleichgewicht ausgehen über die Erde –

da

, Ihr schriftgeketteten Zweifler, soll das Kaiserreich des Geistes gegründet werden!



Basilios.

 O, ich muß wohl meine Hände in Trauer über Dich ringen! Bist Du derselbe Julian, der vor drei Jahren Konstantinopel verließ?



Julian.

 Damals war ich blind, wie jetzt Ihr! Ich kannte nur den Weg, der mit der Lehre aufhört.



Gregor.

 Weißt Du, wo

Dein

 Weg aufhört?



Julian.

 Wo Weg und Ziel

Eins

 sind. – Zum letzten Mal, Gregor, Basilios, – ich flehe Euch an, bleibt bei mir. Das Gesicht, das ich letzte Nacht hatte, – das und vieles andere – deuten auf ein rätselhaftes Band zwischen uns. Dir, mein Basilios, hätte ich so viel zu sagen. Du bist ja das Haupt Deiner Sippe; und wer weiß, ob nicht all das Verführerische, das mir verheißen ist, – ob nicht durch Dich und in Deinem Hause –



Basilios.

 Niemals! Mit meinem Willen soll keiner mit hineingerissen werden in Deinen Wahn und Deine wilden Träume.



Julian.

 Was sprichst Du da von Willen? Eine schreibende Hand gewahre ich an der Wand; bald werde ich die Schrift deuten.



Gregor.

 Komm, Basilios.



Julian


mit ausgestreckten Armen.

 O, Ihr Freunde! Ihr Freunde!



Gregor.

 Wir sind geschieden von heut ab –.





Er zieht Basilios mit sich fort; beide rechts ab.





Julian


sieht ihnen eine Weile nach.

 Ja, geht! Geht nur! Was wißt Ihr zwei gelehrten Leute! Was bringt Ihr mit von der Stätte der Weisheit? Du, mein starker, trotziger Gregor, – und Du, Basilios, mehr Mädchen als Mann, – Ihr kennt nur zwei Wege in Athen, den Weg zur Schule und den Weg zur Kirche, den dritten Weg – über Eleusis und weiter, den kennt Ihr nicht, und noch weniger–. Ah!

 





Der Vorhang rechts wird beiseite gezogen. Zwei Diener in morgenländischen Kleidern bringen einen hohen verhüllten Gegenstand herein, den sie in eine Ecke hinter den Tisch stellen. Gleich darauf tritt Maximos, der Mystiker, durch dieselbe Tür. Er ist ein magerer, mittelgroßer Mann mit braunem, habichtartigem Gesicht; sein Haar und Bart ist stark ergraut, mit Ausnahme der dichten Augenbrauen und des Schnurrbartes, die noch ihre tiefschwarze Farbe haben. Er trägt eine spitze Mütze und ein langes, schwarzes Gewand; in der Hand hat er einen weißen Stab.







Maximos geht, ohne Julians zu achten, auf den verhüllten Gegenstand zu, bleibt stehen und gibt den Dienern einen Wink; sie entfernen sich lautlos.





Julian


leise.

 Endlich!





Maximos nimmt die Hülle ab; man erblickt eine Bronzelampe auf einem hohen Dreifuß; dann zieht er einen kleinen silbernen Krug hervor und gießt Öl in die Lampenschale. Die Lampe entzündet sich von selbst und brennt mit starkem, rötlichem Schein.





Julian


in gespannter Erwartung.

 Ist die Stunde da?



Maximos

,

ohne ihn anzusehen.

 Ist Dein Sinn und Dein Körper rein?



Julian.

 Ich habe gefastet und habe mich gesalbt.



Maximos.

 So kann das nächtliche Fest beginnen!





Er gibt ein Zeichen; Tänzerinnen und Flötenspieler erscheinen im Vorhof; Musik und Tanz während des Folgenden.





Julian.

 Maximos, – was ist das?



Maximos.

 Rosen ins Haar! Perlenden Wein! Sieh, sieh dort die schönen Glieder im Tanz!



Julian.

 Und mitten in diesem Taumel der Sinne willst Du –?



Maximos.

 Die Sünde ist nur in Deiner Anschauung des Sündigen.



Julian.

 Rosen ins Haar! Perlenden Wein!

Er wirft sich auf ein Polster am Tische, leert eine volle Schale, setzt sie schnell ab und fragt:

 Ah, was war in dem Wein?



Maximos.

 Ein Funke von dem Feuer, das Prometheus stahl.

Er legt sich auf ein Polster an der andern Seite des Tisches.



Julian.

 Meine Sinne tauschen ihre Verrichtungen aus: ich höre Licht und sehe Töne.



Maximos.

 Der Wein ist die Seele der Traube! Der befreite, freiwillige Gefangene! Logos in Pan!



Die tanzenden Mädchen


singen im Vorhofe:



Leere die Schalen der



Bacchischen Glut; –



Wieg Dich auf strahlender



Rhythmen Flut!



Julian


trinkt.

 Ja, ja – im Rausch ist Befreiung! Kannst Du diese Seligkeit deuten?



Maximos.

 Der Rausch ist Deine Hochzeit mit der Seele der Natur.



Julian.

 Süßes Rätsel! Versuchendes, verlockendes! Was war das? Warum lachtest Du?



Maximos.

 Ich?



Julian.

 Es flüstert an meiner linken Seite! Das seidene Polster knistert –

bleich; springt halb auf:

 Maximos, wir sind nicht allein!



Maximos


ruft:

 Wir sind fünf zu Tisch!



Julian.

 Ein Symposion mit Geistern!



Maximos.

 Mit Schatten.



Julian.

 Nenne mir die Gäste!



Maximos.

 Noch nicht! Horch, horch!



Julian.

 Was ist das? Es braust wie ein Sturm durch das Haus –



Maximos


schreit:

 Julian! Julian! Julian!



Julian.

 Sprich, sprich! Was geschieht mit uns?



Maximos.

 Die Stunde der Verheißung ist über Dir!



Julian


springt auf und weicht vom Tische weit zurück.

 Ah!

Die Tischlampen drohen zu erlöschen; über der großen Bronzelampe erhebt sich ein bläulicher Lichtkreis.



Maximos


wirft sich ganz nieder

. Wende das Auge zum Licht!



Julian.

 Dorthin?



Maximos.

 Ja, ja!



Gesang der Mädchen


gedämpft aus dem Vorhofe

:



Nacht, die wachäugige,



Stellt das Netz ein;



Lust, die lachäugige,



Lockt Dich hinein.



Julian


starrt auf den Lichtglanz

. Maximos! Maximos!



Maximos


leise

. Siehst Du etwas?



Julian.

 Ja!



Maximos.

 Was siehst Du?



Julian.

 Ich sehe ein leuchtendes Antlitz im Licht!



Maximos.

 Mann oder Weib?



Julian.

 Ich weiß nicht.



Maximos.

 Sprich zu ihm!



Julian.

 Darf ich?



Maximos.

 Sprich! Sprich!



Julian


näher

. Warum wurde ich?



Eine Stimme im Lichtkreis.

 Um dem Geist zu dienen.



Maximos.

 Antwortet es?



Julian.

 Ja, ja!



Maximos.

 Frag' mehr!



Julian.

 Was ist meine Bestimmung?



Die Stimme.

 Du sollst das Reich begründen.



Julian.

 Welches Reich?



Die Stimme.

 Das Reich.



Julian.

 Und auf welchem Wege?



Die Stimme

 Auf dem Wege der Freiheit!



Julian.

 Sprich Dich aus! Welches ist der Weg der Freiheit?



Die Stimme.

 Der Weg der Notwendigkeit.



Julian.

 Und durch welche Macht?



Die Stimme.

 Durch das

Wollen

.



Julian.


Was

 soll ich wollen?



Die Stimme.

 Was Du

mußt!



Julian.

 Es verblaßt – es schwindet –!

Näher.

 Sprich! Sprich! Was muß ich?



Die Stimme


wehklagend

. Julian!





Der Lichtkreis löst sich auf; die Tischlampen brennen wie zuvor.





Maximos


sieht auf

. Fort?



Julian.

 Fort.



Maximos.

 Bist Du

jetzt

 wissend?



Julian.

 Weniger denn je. Ich schwebe über der Feste der unergründlichen Tiefe – mitten zwischen Licht und Finsternis.

Er legt sich wieder hin.

 Was ist das Reich?



Maximos.

 Es gibt drei Reiche.



Julian.

 Drei?



Maximos.

 Zuerst jenes Reich, das auf den Baum der Erkenntnis gegründet ward; dann jenes, das auf den Baum des Kreuzes gegründet ward –



Julian.

 Und das dritte?



Maximos.

 Das dritte ist das Reich des großen Geheimnisses, das Reich, das auf den Baum der Erkenntnis und des Kreuzes zusammen gegründet werden soll, weil es sie beide zugleich haßt und liebt, und weil es seine lebendigen Quellen in Adams Garten und unter Golgatha hat.



Julian.

 Und das Reich wird kommen –?



Maximos.

 Es steht vor der Tür. Ich habe gerechnet und gerechnet –



Julian


bricht jäh ab.

 Es flüstert wieder. Wer sind meine Gäste?



Maximos.

 Die drei Ecksteine unter dem Zorne der Notwendigkeit.



Julian.

 Wer, wer?



Maximos.

 Die drei großen Helfer der Verneinung.



Julian.

 Nenne sie!



Maximos.

 Das kann ich nicht – ich kenne sie nicht – aber ich könnte sie Dir zeigen –



Julian.

 So zeig' sie mir! Gleich, Maximos –!



Maximos.

 Nimm Dich in acht –!



Julian.

 Gleich! Gleich! Ich will sie sehen – ich will sie sprechen, einen nach dem andern.



Maximos.

 Über Dich selbst komme die Schuld!

Er schwingt seinen Stab und ruft:

 Nimm an Gestalt und erscheine, Du erstes Opferlamm der Erwählung!



Julian.

 Ah!



Maximos


mit verhülltem Gesicht

. Was siehst Du?



Julian


gedämpft

. Da liegt er – gleich an der Ecke. Er ist groß wie Herakles und schön – doch nein, – nicht–

Zögernd.

 Kannst Du, so sprich zu mir!



Eine Stimme.

 Was willst Du wissen?



Julian.

 Was war Dein Beruf im Leben?



Die Stimme.

 Meine Schuld.



Julian.

 Warum wurdest Du schuldig?



Die Stimme.

 Warum ward ich nicht mein Bruder?



Julian.

 Keine Ausflüchte. Warum wurdest Du schuldig?



Die Stimme

 Warum ward ich ich selbst?



Julian.

 Und was

wolltest

 Du – als Du selbst?



Di

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