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Die erste Liebe

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V

Die Fürstin machte, wie sie zugesagt hatte, meiner Mutter einen Besuch und gefiel derselben nicht. Ich war bei dem Zusammentreffen Beider nicht zugegen, bei Tische aber erzählte meine Mutter dem Vater, diese Fürstin Sassekin scheine ihr »une femme très vulgaire« zu sein, sie sei ihr sehr lästig gewesen mit ihren Bitten um Fürsprache beim Fürsten Sergius, sie stecke in Processen und Händeln »de vilaines affaires d'argent« und müsse eine große Intriguantin sein. Meine Mutter setzte hinzu, sie habe trotzdem die Fürstin nebst Tochter auf den morgenden Tag zum Mittagsessen eingeladen (beim Worte »Tochter« steckte ich die Nase in den Teller) – da sie doch einmal unsere Nachbarin und von Familie wäre. Hierauf entgegnete ihr mein Vater, er besinne sich nun, wer diese Dame sei; er habe in seiner Jugend einen verstorbenen Fürsten Sassekin, einen vortrefflich erzogenen, jedoch faden und hohlen Menschen gekannt; man habe demselben, seines langen Aufenthaltes in Paris wegen, in der Gesellschaft den Beinamen »le Parisien« gegeben; es sei ein sehr reicher Mann gewesen, habe jedoch sein ganzes Vermögen verspielt – und, aus welchem Grunde wisse man nicht, vermuthlich ans Berechnung – (wobei, meinte mein Vater mit kaltem Lächeln, er eine bessere Wahl hätte treffen können) die Tochter eines Beamten geheirathet und sich darauf in Speculationen eingelassen, die ihn vollends ruinirt.

– Wenn sie mich nur nicht um Geld bittet, bemerkte meine Mutter.

– Sehr möglich, entgegnete mein Vater gelassen. – Spricht sie französisch?

– Sehr schlecht.

– Hm! Uebrigens bleibt es sich gleich. Du sagtest, däucht mir, Du habest auch die Tochter eingeladen; ich habe von Jemand gehört, sie sei eine sehr liebenswürdige und gebildete Dame.

– O! dann gleicht sie der Mutter nicht.

–– Und ebenso wenig dem Vater; der war zwar auch gebildet, aber dumm, schloß er.

Meine Mutter seufzte und wurde nachdenkend. Mein Vater schwieg. Ich fühlte mich sehr unbehaglich während dieses Gespräches.

Nach dem Essen begab ich mich in den Garten, doch ohne Flinte. Ich hatte mir vorgenommen, mich dem »Sassekinschen Garten« nicht zu nähern; eine unwiderstehliche Macht zog mich aber hin – und nicht umsonst. Kaum war ich dem Zaune näher gekommen, so wurde ich Sinaïde gewahr. Diesmal war sie allein. Sie hielt ein Buch in der Hand und ging langsam den Weg entlang. Sie bemerkte mich nicht.

Fast hätte ich sie so vorübergehen lassen; ich besann mich jedoch eines Besseren und hustete.

Sie drehte sich um, blieb aber nicht stehen; mit der Hand strich sie das breite, blaue Band ihres runden Strohhutes zur Seite, blickte mich an, lächelte still und vertiefte sich wieder in das Buch.

Ich zog die Mütze und nachdem ich mich einige Zeit auf demselben Flecke herumgedreht hatte, entfernte ich mich mit schwerem Herzen. »Que suis-je pour elle?« dachte ich (Gott weiß warum), französisch.

Bekannte Schritte ließen sich hinter mir hören; ich blickte mich um – mein Vater war es, der mir mit seinem gewohnten raschen und leichten Gange entgegenkam.

– Ist das die junge Fürstin? fragte er mich.

– Das ist sie.

– Kennst Du sie denn?

– Ich habe sie heute morgen bei ihrer Mutter gesehen.

Der Vater blieb stehen, drehete sich rasch auf den Absätzen herum und ging zurück. Als er bis zu Sinaïde gekommen war, grüßte er sie höflich. Sie grüßte ihn gleichfalls? ein Ausdruck von Erstaunen glitt über ihr Gesicht und sie ließ das Buch sinken. Ich sah, wie sie ihm mit den Augen folgte. Mein Vater kleidete sich immer elegant, nach eigenem Geschmacke und einfach; niemals aber war mir seine edle Gestalt vortheilhafter erschienen, niemals hatte sein grauer Hut das unmerklich dünner gewordene Lockenhaar besser bedeckt, als heute.

Ich wollte nochmals Sinaïde entgegengehen; sie blickte mich aber nicht einmal an, hatte das Buch wieder vorgenommen und entfernte sich.

VI

Den ganzen Abend und folgenden Morgen verbrachte ich in einem Zustande trüber Entmuthigung. Ich versuchte es, erinnere ich mich, etwas zu arbeiten, nahm den Kaidanow vor – doch gedankenlos schweiften meine Blicke über die weitläufigen Zeilen und Seiten des berühmten Lehrbuches hin. Zehn Mal hintereinander las ich die Worte: »Julius Cäsar zeichnete sich durch kriegerischen Muth aus,« – ich verstand nichts und warf das Buch fort.

Vor dem Essen rieb ich mir wieder Pomade in’s Haar und legte meinen neuen Rock und die Halsbinde an.

–– Wozu das? fragte die Mutter. – Noch bist Du nicht Student und Gott weiß, ob Du das Examen bestehen wirst. Vor Kurzem erst ist Dir die Jacke gemacht worden! Soll die denn fortgeworfen werden?

– Es werden ja Gäste kommen, stammelte ich halb in Verzweiflung.

– Unsinn!l schöne Gäste! Ich mußte mich fügen. Der Rock ward gegen die Jacke vertauscht, die Halsbinde nahm ich jedoch nicht ab. Die Fürstin nebst Tochter erschienen eine halbe Stunde vor der Tafel. Die Alte hatte über das grüne, mir bereits bekannte Kleid einen gelben Shawl geschlungen und sich eine altmodische Haube mit feuerrothem Bande ausgesetzt. Sie fing sogleich von ihren Wechseln an, stieß Seufzer aus, klagte über ihre dürftigen Umstände, brachte verschiedene Anliegen vor, und genirte sich nicht im Geringsten: sie nahm ihre Prisen mit ebendemselben Geräusche, drehte sich und kutschte ebenso auf ihrem Stuhle hin und her, wie zu Hause. Es schien ihr gar nicht einzufallen, daß sie Fürstin sei. Dagegen benahm sich Sinaïde mit strengstem Anstande, ja fast hochmüthig, wie eine echte Fürstentochter. Ihr Gesicht drückte eine kalte Gemessenheit und Würde aus, so daß ich irre an ihr wurde und ihre Blicke, ihr Lächeln nicht wiederzuerkennen vermochte, obgleich sie mir auch in dieser neuen Gestalt bezaubernd erschien. Sie hatte ein leichtes Barègekleid mit hell-blauen Streifen an; das Haar fiel, nach englischer Sitte, in breiten Locken längs den Wangen herab: diese Frisur paßte zu dem kalten Ausdrucke ihres Gesichtes. – Mein Vater saß während der Tafel neben ihr und unterhielt seine Nachbarin mit der ihm eigenen feinen und ruhigen Höflichkeit. Von Zeit zu Zeit blickte er sie an – und dann und wann sie ihn, doch in eigenthümlicher, fast feindseliger Weise. Die Unterhaltung führten sie in französischer Sprache; – mein Erstaunen erregte, erinnere ich mich, Sinaïde’s reine Aussprache. Die Fürstin legte sich auch während der Tafel, ebenso wenig wie vorher, den geringsten Zwang an, sie aß viel und lobte die Speisen. Meine Mutter fühlte sich sichtbar belästigt durch sie und antwortete ihr mit einer gewissen mitleidigen Geringschätzung; dann und wann verzog mein Vater leicht das Gesicht. Sinaïde gefiel meiner Mutter auch nicht. – Das ist ein stolzes Ding, – sagte sie am folgenden Tage.

– Und es giebt da Etwas – stolz zu thun – »avec sa mine de grisette!«

– Du hast vermuthlich keine Grisetten gesehen, bemerkte mein Vater.

– Und dafür sei Gott gedankt!

– Ganz recht, . . . aber wie kannst Du dann so urtheilen? Auf mich gab Sinaïde nicht im Geringsten Acht. Bald nach dem Essen empfahl sich die Fürstin.

– Ich werde auf Ihre Protection bauen, Marja Nikolajewna, Peter Wassiljitsch, sagte sie mit flehendlichem Tone zu meinen Eltern. – Was soll ich machen! Es gab auch für mich Zeiten, ach! – die sind vorbei! Da sitze ich – man nennt mich Durchlaucht – setzte sie mit widerlichem Lachen hinzu, – eine schöne Ehre! – goldene Tressen und Nichts zu essen. – Mein Vater verbeugte sich ehrerbietig und begleitete sie bis zur Thüre des Vorzimmers. Ich stand dabei, in meinem kurzen Jäckchen, und stierte, gleich einem zum Tode Verurtheilten, den Fußboden an. Sinaïdes Benehmen gegen mich hatte mir den Gnadenstoß gegeben. Wer beschreibt aber mein Erstaunen, als sie mir, an mir vorübergehend, hastig und mit dem früheren freundlichen Ausdrücke im Gesichte, zuflüsterte: kommen Sie zu uns heute Abend um acht Uhr, hören Sie, aber bestimmt . . . Ich erhob die Hände – sie war aber schon fort, nachdem sie eine weiße Schärpe über den Kopf geworfen hatte.

VII

Punkt acht Uhr betrat ich, im Rock und die Haare in die Höhe gestrichen, das Vorzimmer des Nebengebäudes, welches die Fürstin bewohnte. Der alte Diener blickte mich finster an und erhob sich ungern von seiner Bank. Aus dem Gastzimmer erschallten heitere Stimmen. Ich öffnete die Thüre und trat befremdet zurück. Mitten im Zimmer, auf einem Stuhle, stand die junge Fürstin und hielt einen Männerhut vor sich; um den Stuhl drängten sich fünf Herren. Sie waren bemüht in den Hut zu greifen, während die junge Fürstin denselben emporhob und heftig schüttelte. Als sie mich gewahr wurde, rief sie: »wartet, wartet! ein neuer Gast, man muß auch ihm einen Zettel geben,« – sprang behend vom Stuhl und faßte mich beim Rockaufschlage.

– So kommen Sie doch, sagte sie, was stehen Sie da? Messieurs, erlauben Sie, daß ich Sie vorstelle: dieß hier ist Monsieur Woldemar, der Sohn unseres Nachbarn, Hier, – fuhr sie zu mir gewendet und der Reihe nach auf die Gäste weisend, fort – Graf Malewsky, Doctor Luschin, Poet Maidanow, Kapitän außer Diensten Nirmatzky und Belowsorow, Husar, den Sie bereits gesehen haben.

Ich war dermaßen verwirrt, daß ich Niemandem meinen Gruß entbot; im Doctor Luschin erkannte ich jenen schwarzhaarigen Herrn wieder, der mich im Garten so unbarmherzig angefahren hatte, die Uebrigen waren mir unbekannt.

– Graf! fuhr Sinaïde fort – schreiben Sie für Monsieur Woldemar einen Zettel.

– Das ist gegen alles Recht, entgegnete mit leichtem polnischen Accente der Graf, ein sehr hübscher und elegant gekleideter junger Mann mit braunen Haaren, ausdrucksvollen schwarzen Augen. einem feinen, weißen Näschen, und einem dünnen Schnurbärtchen über dem kleinen Munde. – Der Herr hat an unserem Pfänderspiele nicht theilgenommen.

– Das ist ungerecht, wiederholten Belowsorow und der Kapitän außer Diensten, ein Mann von etwa vierzig Jahren, ganz von Pockennarben entstellt, kraushaarig wie ein Neger, mit gekrümmtem Rücken, krummen Beinen und in aufgeknöpftem Uniformrock ohne Epauletten.

 

– Schreiben Sie den Zettel, sage ich Ihnen, wiederholte die junge Fürstin, – Eine Auflehnung! Monsieur Woldemar nimmt heute zum ersten Male Theil an unserer Gesellschaft, für ihn existirt heute kein Gesetz. Ohne Murren, schreiben Sie, es ist mein Wille!

Der Graf zuckte die Achseln, beugte jedoch den Kopf, nahm eine Feder in seine weiße, beringte Hand, riß ein Stückchen Papier ab und begann auf dasselbe zu schreiben.

– Erlauben Sie uns wenigstens Herrn Woldemar auseinanderzusetzen, worum es sich handelt, bemerkte Luschin mit spöttischem Tone, – er ist ja ganz verwirrt. Sehen Sie, junger Mann, wir spielen ein Pfänderspiel; die Fürstin mußte ein Pfand geben, und Derjenige, welcher so glücklich ist, den richtigen Zettel zu ziehen, hat das Recht ihr das Händchen zu küssen. Haben Sie verstanden, was ich Ihnen gesagt habe?

Ich blickte ihn bloß an und blieb wie bisher verdutzt stehen, die junge Fürstin aber sprang wieder auf den Stuhl und begann von Neuem die Zettel in dem Hute zu schütteln.

Es stellten sich Alle um sie herum – ich gleichfalls- – Maidanow, sagte die Fürstin zu einem jungen Menschen von magerem Aussehen, mit kleinen, trüben Augen und ungewöhnlich langem, schwarzem Haar, – Sie, als Poet, müssen Ihren Zettel großmüthig Monsieur Woldemar abtreten, damit er doppelte Chance habe den Treffer zu ziehen.

Maidanow schüttelte jedoch verneinend den Kopf und warf das Haar zurück.

Ich war der Letzte, der in den Hut griff, faßte den Zettel und entfaltete ihn . . . Mein Gott! wie wurde mir, als ich auf demselben las: Ein Kuß!

– Ein Kuß! rief ich unwillkürlich.

– Bravo! er hat gewonnen, erklärte die junge Fürstin. – Wie mich das freut! Sie stieg vom Stuhle herunter und blickte mir so hell und süß in die Augen, daß mir das Herz vor Freude hüpfte . – Freut es Sie auch? fragte sie mich.

– Mich! stotterte ich . . .

– Verkaufen Sie mir Ihren Zettel, platzte plötzlich, hart über meinem Ohre, Belowsorow heraus. – Ich gebe Ihnen hundert Rubel dafür.

Ich erwiderte dem Husaren mit einem so entrüsteten Blicke, das Sinaïde in die Hände klatschte und Luschin ausrief: braver Bursche! Darauf setzte er hinzu: ich als Ceremonienmeister bin verpflichtet darauf zu sehen, daß alle Vorschriften erfüllt werden. Monsieur Woldemar, knieen Sie nieder. So ist es bei uns Regel.

Sinaïde stellte sich vor mich hin, neigte den Kopf ein wenig auf die Seite, gleichsam als habe sie mich betrachten wollen und reichte mir mit Würde die Hand. Es wurde mir trübe vor den Augen; ich wollte mich auf ein Knie niederlassen, fiel aber auf beide nieder und berührte mit den Lippen so ungeschickt Sinaïdes Finger, daß ich mir die Spitze der Nase leicht an ihrem Nagel streifte.

– So recht! rief Luschin und half mir wieder aufstehen.

Das Pfänderspiel wurde fortgesetzt. Sinaïde ließ mich neben sich Platz nehmen. Wie war sie erfinderisch im Pfandauslösen! So fiel es ihr unter Anderem ein, als sie verurtheilt wurde, eine »Statue« vorzustellen, zum Postamente den häßlichen Nirmatzky zu wählen; sie befahl, er solle sich mit dem Gesichte nach unten niederlegen und noch dazu den Kopf unter die Brust zwängen. Das Gelächter wollte kein Ende nehmen. Mir, dem einsam und sittsam erzogenen und in einem ehrbaren adeligen Hause aufgewachsenen Burschen, stieg von all’ diesem Lärmen, dieser rückhaltslosen, fast stürmischen Heiterkeit, diesem ungewohnten Verkehre mit wildfremden Menschen, das Blut zu Kopfe. Ich fühlte mich trunken, wie von Weine. Ich lachte und schwatzte lauter als Alle, so daß die alte Fürstin, die im Nebenzimmer mit einem Kanzelisten vom Jwerskoi’schen Thore1 Berathungen hielt, hereinkam, um zu sehen was ich denn triebe. Ich fühlte mich jedoch dermaßen glücklich, daß ich mir nichts aus dem Spotte und den scheelen Blicken der Anderen machte. Sinaïde fuhr fort mich zu bevorzugen und ließ mich nicht von ihrer Seite. Bei einer Pfandauslösung kam ich neben ihr zu sitzen, unter einem und demselben seidenen Tuche, das uns bedeckte: ich sollte ihr mein Geheimniß mittheilen. Ich erinnere mich, wie unsere Köpfe in dem warmen, halbdurchsichtigen, duftigen Dämmerlichte aneinanderkauren, wie in ihm ihre Augen, mir so nahe, in mildem Feuer aufleuchteten, wie heißer Athem ihren halbgeöffneten Lippen entströmte, und mich glühend anwehte und wie die Spitzen ihrer Haare mir die Wangen kitzelten. Ich schwieg. Sie lächelte geheimnißvoll, und flüsterte mir endlich schmeichelnd zu: nun? ich aber erröthete und lachte, wandte mich verwirrt ab und konnte kaum Luft schöpfen. Wir wurden das Pfänderspiel satt, und begannen jetzt das Schnurspiel. Mein Gott! von welchem Entzücken ward ich erfüllt, als ich, in einem Momente von Unachtsamkeit, von ihr einen heftigen und raschen Schlag auf die Finger bekam, und wie ich mir darauf absichtlich den Schein gab, als gäbe ich nicht Acht, und sie, um mich zu necken, meine hingehaltenen Hände nicht berührte!

Und das war noch lange nicht Alles, was wir an jenem Abende vorhatten! Wir musicirten auf dem Claviere, sangen und tanzten und stellten ein Zigeunerlager dar, Nirmatzky mußte sich als Bär kleiden und wir gaben ihm Wasser mit Salz zu trinken. Graf Malewsky zeigte uns verschiedene Kartenkunststücke und gab zum Beschlusse, nachdem er die Karten gemischt hatte, sich selbst im Whistspiele alle Trümpfe aus, wozu Luschin »die Ehre hatte, ihm Glück zu wünschen.« Maidanow declamirte uns Bruchstücke aus seinem Gedichte »der Mörder« (das fiel gerade in die Zeit der höchsten Blüthe der Romantik), das er beabsichtigte in schwarzem Umschlage mit blutrothem Titel erscheinen zu lassen; dem Kanzelisten vom Jwerschen Thore stahl man die Mütze von dem Kamin und ließ ihn, zu ihrer Auslösung, den Kosakentanz tanzen; dem alten Bonifacius wurde eine Haube aufgesetzt – und Sinaïde setzte einen Männerhut auf den Kopf. Doch . . . es würde zu weit führen, wollte ich Alles wieder erzählen. Belowsorow allein saß meistentheils, mit finsterem Gesichte und schmollend in einem Winkel . . . Von Zeit zu Zeit liefen seine Augen blutig an, er wurde über und über roth, und es schien, als werde er sogleich über uns Alle herfallen und uns wie Spreu auseinanderschlendern; die junge Fürstin blickte ihn dann an, drohete ihm mit dem Finger und er zog sich wieder in seinen Winkel zurück.

Endlich waren wir erschöpft. Selbst die Fürstin, die, wie sie selbst sagte, Alles zu ertragen im Stande war – die sich nichts ans Geschrei machte, – auch sie fühlte sich erschöpft und wünschte auszuruhen. Um zwölf Uhr in der Nacht wurde das Abendessen aufgetragen, es bestand aus einem Stücke alten, trockenen Käse und einigen kalten Pastetchen mit gehacktem Schinken gefüllt, die mir schmackhafter däuchten als alle Delicatessen; Wein war nur eine Flasche da und auch die war ganz eigenthümlicher Art: von dunkelem Glase mit aufgetriebenem Halse, der Wein darin zeigte einen rosafarbenen Bodensatz: übrigens trank Niemand davon. Müde und bis zur Erschlaffung glücklich, verließ ich das Nebengebäude: zum Abschiede drückte mir Sinaïde kräftig die Hand und lächelte wiederum räthselhaft.

Schwül und feucht schlug die Nachtluft an mein erhitztes Gesicht, es schien ein Gewitter im Anzuge zu sein: schwarze Wolken stiegen auf und zogen, ihre Umrisse jeden Augenblick ändernd, über den Himmel hin. Unstät zitterte ein leichter Wind in dem dunkelen Laube der Bäume und ganz in der Ferne, am Horizonte, rollte dumpf der Donner, gleichsam mit sich selbst grollend.

Durch den hinteren Eingang erreichte ich mein Zimmer. Mein Aufwärter lag schlafend auf dem Fußboden und ich war gezwungen über ihn hinwegzuschreiten; er erwachte und meldete mir, meine Mutter sei wieder böse auf mich gewesen und habe nach mir schicken wollen, der Vater habe sie jedoch davon abgehalten. (Ich legte mich niemals zu Bette, ohne meiner Mutter gute Nacht gewünscht und den Segen von ihr empfangen zu haben). Da war nun Nichts zu ändern!

Ich erklärte meinem Aufwärter, ich werde mich selbst entkleiden und zu Bette legen – und löschte das Licht aus. Ich kleidete mich aber nicht aus und legte mich nicht hin.

Ich setzte mich auf einen Stuhl und blieb lange wie von Zauber gebannt sitzen. Das was in mir Vorging, war so neu, so süß . . . Ich saß unbeweglich, kaum traute ich mir den Blick zu erheben, wagte kaum zu athmen und lachte entweder still vor mich hin, oder es durchschauerte mich bei dem Gedanken, daß ich verliebt, daß dies also, dies die Liebe sei. Sinaïdes Gesicht schwebte sanft vor mir im Dunkeln, – es schwebte vor mir und zerrann doch nicht; ihre Lippen lächelten immer noch so bedeutungsvoll, ihre Augen blickten mich forschend, nachsinnend und zärtlich von der Seite an . . . so wie in jener Minute, als ich mich von ihr verabschiedete. Endlich erhob ich mich, trat auf den Zehen an mein Lager und vorsichtig, ohne mich auszukleiden, ließ ich den Kopf aufs Kissen sinken, gleichsam als fürchte ich, durch eine rasche Bewegung das was mich erfüllte zu zerstören . . .

Ich legte mich nieder, schloß die Augen aber nicht. Bald wurde ich gewahr, daß beständig schwache Lichtblicke in mein Zimmer drangen . . . Ich erhob mich und warf einen Blick durch’s Fenster. Die Kreuzhölzer im Fensterrahmen traten scharf aus den matterleuchteten Scheiben hervor. Ein Gewitter – dachte ich; und in der That war ein Gewitter da; doch zog dasselbe in weiter Ferne vorüber, so daß der Donner nicht zu hören war; nur schossen unaufhörlich, nicht grelle, aber lange und nach allen Seiten hinfahrende Blitze auf, die weniger leuchteten, als zitterten und zuckten, wie die Flügel eines sterbenden Vogels. Ich verließ das Bett, trat an’s Fenster und blieb an demselben bis zum Morgen stehen . . .Das Wetterleuchten hörte nicht einen Augenblick auf. Ich schaute hinaus auf die Sandfläche, auf die dunkele Waldmasse des Neskuschnigartens, auf die gelblichen Facaden der fernen Gebäude, die gleichfalls bei jedesmaligem Leuchten zu zucken schienen . . . Ich war in Anschauen versunken – und konnte mich nicht davon losreißen; diese lautlosen Blitze, dieses fast ununterbrochene Aufleuchten, schienen im Einklange mit jenen stummen und geheimen Regungen zu stehen, die mich gleichfalls durchzuckten. Der Tag brach an; wie Purpur erschimmerte das Morgenroth. Je höher die Sonne emporstieg, desto schwächer und kürzer wurden die Blitze: sie zuckten immer seltener und seltener und verschwanden endlich, verschlungen von dem vernichtenden und siegreichen Lichte des hereinbrechenden Tages . . .

Auch in meinem Innern hörte das Wetterleuchten auf. Ich fühlte eine große Müdigkeit und Oede . . . doch Sinaïdes Bild schwebte noch immer, triumphirend, vor meiner Seele. Nur schien dieses Bild selbst auch beruhigt zu sein: wie ein Schwan – der dem Moorgrunde entschwindet, hatte es sich von den, es umgebenden anderen, unschönen Gestalten getrennt . . . und bereits dem Schlafe verfallend, schmiegte ich mich zuletzt noch zum Abschiede an dasselbe in zutraulicher Hingebung an . . .

O, sanfte Regungen, zarte Laute, Güte und Beruhigung einer gerührten Seele, freudiges Aufgehen im ersten Sehnen der Liebe, – wo seid Ihr, wo seid Ihr?

1Früherer Sammelnlatz aller »Straßenadvokaten« in Moskau, die auf vorübergehende arme Bittsteller lauerten.
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