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Punin und Baburin

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»Noch ein Knabe!« – »Leben Sie wohl,« sagte ich laut und eilte hinaus.

Ich war eben im Begriff, aus dem Hofe auf die Straße hinauszutreten, als Musa mir plötzlich nach gelaufen kam, ein zusammengedrücktes Papier in meine Hand drückte und sogleich wieder verschwand. Beim ersten Laternenpfahl machte ich es auseinander und entzifferte nur mit Mühe folgende, hastig mit Bleistift hingeworfene Zeilen: »Ums Himmels willen,« schrieb mir Musa, »kommen Sie morgen nach der Messe in den Alexandergarten neben dem Thurm Kutafi, ich werde Sie dort erwarten und hoffe, Sie werden mir meine Bitte nicht verweigern, machen Sie mich nicht unglücklich, ich muß Sie unbedingt sehen.«

Orthographische Fehler waren nicht in dem Zettelchen, wohl aber war er ganz ohne Interpunktion. Ich kam nach Hause, ohne zu wissen, was ich von der Sache denken sollte, sie wurde mir immer unerklärlicher.

* * *

Als ich mich am folgenden Tage dem Katasi-Thurme näherte – es war zu Anfang April, die Knospen fingen an sich zu füllen, das Gras schimmerte in leichtem, kärglichem Grün und die Sperlinge zwitscherten laut und kämpften unter einander in den noch kahlen Fliederbüschen – bemerkte ich zu meiner großen Verwunderung, daß Musa mich bereits in einem Seitenwege unweit des Gitters erwartete. Sie war mir zuvorgekommen. Ich war eben im Begriff auf sie zuzugehen, als sie mir entgegenkam.

»Kommen Sie näher zu der Mauer des Kreml hin, hier gehen zu viele Menschen,« rief sie mir mit zu Boden gesenkten Augen zu und eilte rasch voraus, ich folgte ihr.

»Musa Pawlowna,« hub ich eben an, sie ließ mich aber nicht zu Worte kommen.

»Um Gottes Willen,« hub sie an, »denken Sie ja von mir nichts Schlimmes. Ich habe Ihnen ein Billet geschrieben; Ihnen ein Rendezvous gegeben, weil . . .nun weil ich fürchte . . . mir schien gestern immer, daß Sie über mich lachten. – Ich muß Ihnen aber sagen,« fuhr sie plötzlich still stehend und ihre ganze Kraft zusammennehmend mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit und Aufregung fort, »wenn Sie auch nur mit einem Wort erwähnen . . . wenn Sie sagen, wo wir uns begegnet haben – so stürze ich mich in’s Wasser und mache meinem Leben ein Ende!«

Zum erstenmale blickte sie mich mit ihrem mir bereits bekannten forschenden und scharfen Blicke an.

»Hm,« dachte ich, »die ist im Stande dazu, entschlossen genug scheint sie zu sein.« Laut fügte ich in beruhigendem, vertraueneinflößendem Tone hinzu: »Wie können Sie nur von mir dergleichen wohl denken? Ich werde doch einen guten Freund nicht verrathen und ihm und Ihnen schaden? Und dann ist ja auch in Ihrem Verhältniß zu ihm, so viel ich weiß, nichts Böses . . . Was meine Verschwiegenheit betrifft, so können Sie vollkommen ruhig sein.«

Sie ließ mich ausreden, ohne sich vom Platze zu ; rühren und blickte mich weiter nicht an.

»Ich muß Ihnen noch etwas sagen,« hub sie wieder weitergehend an, »sonst könnten Sie mich vielleicht für überspannt oder für wahnsinnig halten. Ich muß Ihnen anvertrauen, daß jener Alte die Absicht hat mich zu heiraten!«

»Welcher Alte? Doch wohl nicht der Kahlkopf? der Punin?«

»Ei was – nicht der; der Andere . . . Paramon Semeonitsch.«

»Baburin?«

»Er selbst.«

»Ist das möglich ? Hat er Ihnen denn einen Antrag gemacht?«

»Leider!«

»Nun und Sie haben ihm natürlich einen Korb gegeben ?«

»Nein, ich habe eingewilligt . . . weil ich damals ein Kind war, nicht begriff. Jetzt freilich . . . ist das anders geworden.«

»Ich schlug die Hände zusammen. – »Baburin – und Sie? Er muß ja fast ein Fünfziger sein!«

»Dreiundvierzig, wie er sagt. Aber das bleibt sich gleich und wenn er fünfundzwanzig Jahre alt wäre, so nähme ich ihn doch nicht· Was würde das für ein Leben werden. Kein freundlicher Blick, kein Lächeln oft wochenlang! Paramon Semeonitsch ist mein Wohlthäter; ich verdanke ihm viel, sehr viel; er hat mich aufgenommen, erziehen lassen; ohne ihn, was wäre wohl aus mir geworden; ich muß ihn lieben und achten – wie einen Vater aber sein Weib zu werden! Lieber den Tod! Besser gleich in’s Grab!«

»Wozu erwähnen Sie beständig des Todes, Musa Pawlowna, wozu gleich verzweifeln?«

»Als ob das Leben denn so schön wäre! Selbst Ihren Freund, Wladimir Nikolaewitsch, liebe ich, ich möchte sagen, gewissermaßen, auch nur halb aus Kummer und Verzweiflung, – und nun dieser Alte mit seinem Antrag! Punin wenigstens, wenn er auch mit seinen langweiligen Versen lästig wird, flößt Einem doch keine Angst ein; man braucht ihm nicht ganze Abende lang, wenn Einem vor Müdigkeit fast die Augen zufallen, die russische Geschichte von Karamsin vorzulesen. Was sind mir, in meinem Alter, diese Alten? Und noch obendrein für kalt halten sie mich. Als ob man in ihrer Gesellschaft wohl warm werden könnte! Wenn sie mich werden zwingen wollen, so laufe ich weg. Predigt doch Paramon Semeonitsch selbst stets nur Freiheit; nun wohl, auch ich will frei sein, was habe ich sonst vom Leben! Wenn Alles frei werden soll, warum hält man dann mich im Gefängniß? Ich werde ihm das selbst sagen. – Und, wenn Sie mich verrathen, so haben Sie mich, vergessen Sie nicht, zum letztenmale gesehen.«

Sie blieb plötzlich mitten im Wege stehen, ihr hübsches, frisches Gesichtchen kündete einen unbeugsamen Eigenwillen, einen unwiderruflichen Entschluß.

»Tarchow hat doch recht,« dachte ich in diesem Augenblicke bei mir selbst, »das Mädchen ist ein echter Typus unserer neuen Schule.«

»Ich habe Ihnen bereits gesagt, von mir haben Sie nichts zu fürchten,« wiederholte ich, sie beruhigend.

»Wirklich? Selbst dann Sie erwähnten da vorhin etwas hinsichtlich unseres Verhältnisses; nun, selbst wenn dieses . . . « Sie schwieg.

»Selbst in dem Falle haben Sie nichts zu fürchten, Musa Pawlowna. Ich werfe mich nicht zu Ihrem Richter auf und – Ihr Geheimniß bleibt hier« – ich zeigte auf meine Brust – vergraben. Ich weiß, glauben Sie mir, Ihr Vertrauen zu schätzen . . .«

»Wo haben Sie meinen Brief?« unterbrach sie plötzlich meine Versicherungen.

»Hier bei mir.«

»Geben Sie ihn mir rasch, rasch!« Ich nahm den gestern erhaltenen Zettel aus der Tasche. Musa ergriff ihn mit ihrer kleinen, nervigen Hand, stand einen Augenblick vor mir, wie unentschlossen, ob sie mir danken solle, sich gewissermaßen dazu zusammennehmend, plötzlich jedoch wendete sie sich um und eilte, selbst ohne mich zu grüßen, den Hügel, auf welchem wir uns gerade befunden hatten, hinab und fort.

Ich blickte ihr nach und nach der Seite hin, wohin sie die Richtung nahm. Unweit des Thurmes stand, in einen Almaviva gehüllt (diese Mäntel waren damals gerade Mode), eine Gestalt, in der ich, trotz der Entfernung meinen Freund Tarchow erkannte.

»Ah, Freundchen,« dachte ich, »Du wußtest also um das Rendezvons, wenn Du es aus der Ferne beobachtest.«

Und ein Liedchen vor mir hinpfeifend begab ich mich nach Hause.

* * *

Kaum hatte ich am folgenden Morgen meinen Thee getrunken, als Punin bei mir erschien. Er kam mir verlegen vor, machte ein paar linkische Verbeugungen, blickte sich im Zimmer um und entschuldigte seine Unbescheidenheit. Ich beeilte mich, ihn zu beruhigen. Ich bekenne meine Schuld, ich vermuthete, Punin sei gekommen, bei mir Geld zu leihen. Er bat jedoch um nichts, als um ein Glas Thee mit Rum, da ja die Theemaschine noch auf dem Tische war. – »Nicht ohne Herzensangst und Zagen begab ich mich zu Ihnen,« hub er an, nach Volksgebrauch ein Stückchen Zucker zum Thee in den Mund nehmend; »Sie selbst fürchte ich freilich nicht; Ihre ehrwürdige Frau Großmutter hingegen stößt mir eine große Angst ein! Auch mein Anzug, wie ich Ihnen bereits mitzutheilen mir erlaubte, gestattet mir nur bescheiden aufzutreten. Zu Hause ist er schon lange gut genug, auch auf der Straße noch erträglich, wenn man aber in die Paläste und vergoldeten Gemächer der Reichen geräth – fällt Einem seine Armuth in die Augen und man geräth in Verlegenheit.« Ich bewohnte zwei bescheidene Zimmer im Entresol und es würde sicher Niemandem einfallen, das Haus der Großmutter einen Palast und meine Zimmer vergoldete Gemächer zu nennen, ich war jedoch schon längst mit der eigenthümlichen Redeweise meines alten Freundes vertraut, als daß ich solche ihm hätte übel nehmen und als Spott auslegen sollen. Er machte mir Vorwürfe, daß ich ihn am vergangenen Tage nicht besucht habe. »Paramon Semeonitsch hat Sie erwartet, wenn er gleich versicherte, Sie würden um keinen Preis kommen; auch Muschen hat sich nach Ihnen erkundigt und Sie erwartet.«

»Wie, auch Musa Pawlowna?« fragte ich.

»Ja, auch sie. Nicht wahr, ein hübsches Mädchen ist aus ihr geworden! Was sagen Sie?«

»O gewiß, ein reizendes Kind!« bestätigte ich.

Punin fuhr rasch mit der Hand über seinen kahlen Kopf. »Ein Blitzmädchen, mein Herr, eine Perle, ein kostbarer Edelstein, gewiß und wahrhaftig!« Er neigte sich zu mir hinüber und flüsterte mir in’s Ohr. »Hat auch adeliges Blut in ihren Adern, nur – Sie verstehen mich – von der linken Seite: Die Frucht des Kostens vom verbotenen Paradiesapfel. Nun, die Eltern waren gestorben, die Verwandten wollten nichts von dem Kinde wissen, hatten es seinem Schicksale überlassen! so blieb nichts als Verzweiflung und der Hungertod! Da legt sich denn Paramon Semeonitsch, der Gerechte vor dem Herrn, in’s Mittel und erscheint als Befreier! Er nahm das Geschöpf Gottes, kleidete es, pflegte sein und machte das Vögelchen flügge, bis es uns zur Freude erblühte. Ich sage Ihnen, ein seltener, würdiger Mensch!«

Punin warf sich in den Sessel zurück, hob· die Hände empor und flüsterte, sich wieder vornüberbückend, geheimnißvoll: »Und Paramon Semeonitsch ist ja selbst . . . wissen Sie das nicht? – selbst von hoher Abstammung – auch von linker Seite. Es heißt, sein Vater sei sogar – ein souveräner Georgischer Fürst vom Stamme des Königs David . . . Wie kommt Ihnen das vor? In wenig Worten – und wie viel liegt nicht darin?! Das Blut des Königs David! Nicht wahr, das ist großartig? Nach anderen Berichten wieder war der Stammvater von Paramon Semeonitsch ein gewisser indischer Schah Babur, der weiße Knochen! Auch das, nicht wahr, ist schön? Ah!«

 

»Hat man denn Baburin,« fragte ich, »in seiner Jugend gleichfalls ausgesetzt oder seinem Schicksal überlassen ?«

Punin rieb sich wieder seinen kahlen Schädel. »Natürlich! Und mit noch größerer Grausamkeit, als bei unserer jungen Königin der Fall war! Seit frühester Jugend ein beständiger Kampf um’s Dasein! Ich habe diese Gelegenheit benutzt und zu dem Bilde unseres Wohlthäters ein Gedicht geschrieben, das ich Ihnen später einmal vorlesen will.«

»So?« rief ich aus, »also daher ist er ein Republikaner geworden!«

»Nein, nicht daher,« erwiderte in seiner Einfalt Punin. »Seinem Vater hat er längst verziehen; aber eine Ungerechtigkeit kann er nicht ertragen, fremder Kummer geht ihm tief zu Herzen.«

Ich dachte eben darüber nach, wie ich wohl die Rede darauf bringen könne, was Musa mir gestern anvertraut habe, auf Baburin’s Heiratsantrag, wußte aber nicht recht, wie ich es anfangen sollte, als mich Punin selbst aus dieser Verlegenheit zog.

»Haben Sie nichts bemerkt?« fragte er mich unverhofft, schlau mit den Augen blinzelnd.

»War denn etwas Bemerkenswerthes bei Ihnen ?« fragte ich ihn meinerseits.

Punin blickte sich um, als wenn er sich versichern wolle, daß uns Niemand belausche, dann hub er feierlich an: »Unsere Prinzessin, unser Muschen, wird bald eine verheiratete Dame sein.«

»Wie das ?«

»Wird bald Madame Baburin heißen!« brachte Punin mit einer gewissen Anstrengung hervor, wobei er sich ein paar Mal mit der Hand auf die Kniee klopfte und den Kopf wie eine chinesische Pagodefigur auf- und abbewegte.

»Unmöglich !« rief ich mit verstelltem Erstaunen.

»Warum unmöglich, erlauben Sie zu fragen?«

»Weil Paramon Semeonitsch ihr Vater sein könnte; weil ein solcher Unterschied an Jahren jede Möglichkeit von Liebe ausschließt – von Seite der Braut meine ich.«

»Ausschließt?« fiel Punin mir in’s Wort. »Und Dankbarkeit, Herzensreinheit und Zartgefühl? . . .

Ausschließt! »Sie sollten doch nur bedenken, daß Musa ein musterhaft erzogenes Mädchen ist, der es ein Vergnügen sein wird, Paramon Semeonitsch’s Zuneigung zu verdienen, sein Trost und seine Stütze – mit einem Worte sein Weib zu sein; ist das nicht selbst für ein solches Mädchen das höchste Glück? Das begreift sie übrigens auch. Achten Sie einmal aufmerksam darauf. Musa ist in Paramon Semeonitsch’s Gegenwart voll Ehrfurcht, Zittern und Zagen und Entzücken.«

»Das ist ja eben das Unglück, Nikander Wawilitsch, daß sie in seiner Gegenwart voll Zagen ist! Wen man liebt, vor dem zittert und zagt man nicht.«

»Auch damit bin ich nicht einverstanden! Ich zum Beispiel: kann wohl Jemand Paramon Semeonitsch mehr lieben, als ich? und ich . . . nun, ich zittere vor ihm.«

»Ach Sie – das ist ja ganz etwas Anderes.« – »Warum etwas Anderes? warum? warum ?« unterbrach mich Punin. Ich erkannte ihn kaum, so eifrig und hitzig wurde er; er vergaß sogar seine eigenthümliche Sprachweise. »Nein,« fuhr er zu behaupten fort, »ich bemerke, Ihnen mangelt das Auge des Scharfsinnes. Sie sind kein Herzenserforscher!« – Ich verzichtete darauf, ihn durch ferneren Widerspruch zu enttäuschen und schlug ihm vor, um ihn zu zerstreuen, etwas, nach alter Weise, mit ihm zu lesen.

Punin schwieg.

»Etwas aus den alten, wahren?« fragte er endlich.

»Die besitz’ ich leider nicht, aber wohl die neuen.«

»Die neuen?« wiederholte er ungläubig.

»Nun ja, lesen wir etwas aus Puschkin.« Mir fielen dabei dessen »Zigeuner« ein; da war gerade eine Stelle, die auf die alten Männer paßte. Punin brummte etwas in den Bart, ich ließ ihn aber sich aus den Divan setzen und sing meine Lectüre an. Als ich dann an jene Stelle kam, wo es heißt: Alter Mann, grausamer Mann, tödte mich, schlage mich u.s.w., ließ mich Punin die Verse bis zu Ende lesen – dann sprang er jedoch plötzlich auf:

»Nein, ich kann nicht, ich mag diesen Autor nicht länger anhören,« rief er mit tiefer innerer Bewegung. »Das ist ein unmoralischer Pasquillant, ein Lügner . . . der mich aufregt. Ich kann nicht! Erlauben Sie meinen heutigen Besuch aufzuheben.«

Ich redete ihm zu, doch noch zu bleiben, er bestand aber mit einer gewissen zähen Hartnäckigkeit darauf, gehen zu müssen, weil ihn diese Verse so aufgeregt hätten, daß er gehen müsse, frische Luft zu schöpfen. – Als er dann Abschied nahm, vermied er es, mich anzusehen, gerade als ob ich ihn beleidigt hätte.

Bald nach ihm verließ auch ich das Haus und begab mich geraden Weges zu Tarchow.

* * *

Nach herkömmlicher alter Studentenart ging ich, ohne Jemanden zu fragen, in seine Wohnung. Im ersten Zimmer war Niemand. Ich rief laut seinen Namen und wollte mich eben, als ich keine Antwort erhielt, wieder entfernen, als die Thür des andern Zimmers sich öffnete und mein Freund erschien. sah mich ganz eigenthümlich an und drückte mir schweigend die Hand. Mir schien, daß ich ihm aus irgend einer Ursache nicht gelegen komme, doch achtete ich weiter nicht darauf und theilte ihm Baburin’s Absichten auf Musa mit. Diese Nachricht schien ihn eben nicht besonders in Erstaunen zu setzen; er setzte sich langsam an den Tisch und blickte mich so aufmerksam forschend an, daß es mir schien, als ob er mir sagen wollte: »Nun, und was weiter? Was meinst Du selbst dazu?« Sein Gesicht dünkte mir sogar einigermaßen höhnisch und anmaßend. Dies reizte mich denn, ihm meine Meinung geradeheraus zu sagen, daß ich es nämlich für unrecht halte, sich von seinen Eindrücken hinreißen zu lassen, daß jeder Mensch die Verpflichtung habe, in dem andern Person und Freiheit zu achten, – mit einem Worte ich begann ihm eine, wie ich glaubte, lehrreiche und nützliche Lection zu geben. Während ich so perorirte, ging ich, weil es mir so – bequemer war, im Zimmer auf und ab; Tarchow hingegen ließ mich reden, ohne mich auch nur durch ein Wort zu unterbrechen. Er blieb unbeweglich auf seinem Stuhle sitzen und fuhr nur ab und zu mit den Fingern glättend über seinen jugendlichen Bart.

»Ich weiß,« sagte ich, . . . (was mich eigentlich dazu bewog, ihm meinen Rath zu ertheilen, weiß ich nicht, wahrscheinlich war es nur Neid, denn ein Sittenprediger war ich doch sonst nicht) – »ich weiß und bin versichert, Du liebst Musa und sie liebt Dich; daß dies von Deiner Seite keine augenblickliche Laune ist, hoffe ich auch . . . nehmen wir aber an (und hier blieb ich mit über der Brust gekreuzten Händen stehen) – nehmen wir an, Du habest Deine Leidenschaft gestillt, was dann weiter? Heiraten wirst Du sie ja doch nicht! Unterdessen hast Du das Glück eines liebenswürdigen, unschuldigen Mädchens zerstört und das ihres ehrenhaften Wohlthäters noch obendrein u.s.w.«

In diesem Sinne dauerte meine Rede wohl eine Viertelstunde und Tarchow schwieg immer noch. Sein Schweigen machte mich endlich stutzen. Ich blickte ihn ab und zu von der Seite an, nicht sowohl um zu sehen, welchen Eindruck meine Worte auf ihn machten, als um zu wissen, warum er mir nicht antworte und wie taubstumm da sitze. Endlich schien sein Gesicht sich denn doch zu verändern; in der That Unruhe, Langeweile und Ungeduld wurden in demselben sichtbar und – sonderbar – dazwischen wieder eine gewisse Heiterkeit, die ich auch schon anfangs an ihm bemerkt hatte.

Ich wußte nicht, sollte ich mir zu dem Erfolg meiner Predigt Glück wünschen, oder was ging in ihm vor, als Tarchow plötzlich aufsprang, mir die Hände heftig drückte und mir hastig zurief:

»Danke, danke . . . Du bist mein wahrer Freund« . . . ich weiß das . . . jetzt aber, bitte, laß mich allein.«

»Du bist in einer solchen Aufregung . . . « hub ich an. »Ich, in Aufregung?« Tarchow lachte laut auf, faßte sich aber sogleich und erwiderte: »Nun ja, freilich; wie sollt’s auch anders sein. Ich muß über Deine Worte nachdenken, aber . . . allein!« Und dabei drückte er mir wieder die Hand: »Nun, leb’ wohl, Bruder, leb’ wohl!«

»Leb’ wohl,« wiederholte ich und warf im Weggehen noch einen letzten Blick auf Tarchow. Er schien zufrieden. – Womit? damit, daß ich als wahrer Freund ihm den schlüpfrigen Pfad gezeigt hatte, auf den er wandele – oder damit, daß ich weggehe? Die verschiedenartigsten Gedanken gingen in meinem Kopfe herum bis zu dem Augenblick, in welchem ich wieder zu Baburin und Punin kam, denn ich ging noch an demselben Tage zu ihnen.

* * *

Punin hatte mir gesagt, man habe mich am vorigen Tage erwartet; heute aber erwartete man mich sicher , nicht. Ich traf alle zu Hause und alle setzte mein Kommen in Erstaunen. Baburin und Punin waren Beide unwohl. Punin hatte Kopfschmerzem und er lag wie eine zusammengedrehte Bretzel, krumm auf dem niedrigen Liegeofen, den Kopf mit einem bunten Tuch umwickelt, an jeder Seite der Schläfe die Hälfte einer zerschnittenen, kühlenden Gurke. Bei Baburin war die Galle in’s Blut getreten und er sah fast braunroth im Gesicht aus, um seine Augen waren breite schwarze Ringe, seine Stirne gefaltet und der Bart unrasirt – wenig glich er so einem Bräutigam. Ich wollte wieder gehen, man ließ mich jedoch nicht fort und bewirthete mich mit Thee. So verbrachte ich keinen heiteren Abend. Musa freilich war gesund, sie mied mich sogar nicht wie sonst, dafür war sie über irgend etwas böse . . . Endlich konnte sie sich nicht länger halten und flüsterte mir heimlich zu, während sie mir den Thee reichte: »Was Sie auch sagen, wie viele Mühe Sie sich auch geben werden, Sie werden doch nichts damit ausrichten . . . das sage ich Ihnen!« Verwundert blickte ich sie an und fragte sie, einen günstigen Augenblick erhaschend, gleichfalls flüsternd: »Was wollen Sie damit sagen, ich verstehe Sie nicht.« »Nun,« antwortete sie mir und ihre schwarzen Augen blitzten böse unter den herabhängenden Wimpern und hefteten sich fest auf mein Gesicht: »ich habe alles gehört, was Sie heute dort gesagt haben, danke Ihnen aber dafür nicht; übrigens wird’s doch nicht so kommen, wie Sie meinen!« – »Also waren Sie da?« rief ich unwillkürlich. In diesem Augenblick wendete sich Baburin zufällig zu uns und sie trat rasch von mir weg.

Zehn Minuten später war sie wieder in meiner Nähe. Es war, als ob es ihr Freude mache, mir dreist gefährliche Sachen in Gegenwart ihres Beschützers, unter seinen Augen zuzuflüstern, wobei sie kaum die eben nöthige Vorsicht gebrauchte, damit er nichts merke. Es ist ja eine bekannte Sache: hart am Rande des Abgrundes zu gehen; mit der Gefahr zu spielen, ist ein Lieblingsvergnügen des Weibes. – »Ja, ich war da,« flüsterte Musa, ohne ihr Gesicht zu verändern, nur ihre Nasenflügel zitterten leicht und ihre Lippen bebten krampfhaft. »Ja, und wenn Paramon Semeonitsch mich fragt, wovon ich jetzt mit Ihnen flüstere, so mache ich mir nichts daraus, es ihm gleich selbst zu sagen.«

»Seien Sie vernünftig, wer wird wohl so unvorsichtig sein,« redete ich ihr zu; »wahrhaftig, er scheint etwas zu merken.«

»Ich sage Ihnen ja, daß ich bereit bin, es ihm selbst zu sagen. Wenn Sie aber glauben, es merke Jemand, irren Sie sich. Der eine liegt auf dem Liegeofen und hört nichts und der andere ist in seinem Philosophiren vertieft. Sie brauchen keine Angst zu haben!« Und Musa’s Stimme erhob sich etwas lauter, während ihre Wangen sich mit einer schadenfrohen Röthe bedeckten. Nie war sie mir bisher so schön erschienen· Während sie das Theezeug abnahm, die Tassen und Gläser wieder an ihren Platz stellte und im Zimmer hin- und herging, war etwas elastisches, verführerisches in ihrem Gange, aus dem jungen Mädchen schien ein Weib geworden zu sein, ihr Auftreten mir zu sagen: »Denken Sie von mir, was Sie wollen, ich weiß, was ich thue und fürchte Sie nicht!«

»Ja,« dachte ich, »diese böse kleine Hexe ist ein echter Typus neuester Schule, ein reizendes Geschöpf! Freilich sehen mir diese kleinen Hände gerade so aus, als ob sie auch zuschlagen könnten . . . Nun, was thäte das . . . das Unglück wäre noch nicht so groß!«

Als ich wegging, begleitete sie mich in’s Vorzimmer, natürlich nicht aus Höflichkeit, sondern aus derselben Schadensreude. Ich fragte sie beim Abschiednehmen: »Sagen Sie mir, lieben Sie ihn denn wirklich so innig?«

»Bah, ob ich ihn liebe oder nicht liebe, das weiß nur ich allein, geht auch Niemanden etwas an ; übrigens was geschehen soll, dem entgeht man nicht!«

»Hüten Sie sich, spielen Sie nicht mit dem Feuer, . . . Sie könnten sich verbrennen!«

»Besser verbrennen als erfrieren· Sie aber, mit Ihren Rathschlägen, . . . woher wissen Sie denn so gewiß, daß er mich nicht heiraten wird ? Woher wissen Sie, ob ich auch selbst heiraten will ? Und, wenn ich verloren gehe . . . was geht das Sie an?«

 

Sie schlug mir die Thür vor der Nase zu. Auf meinem Wege nach Hause erinnere ich mich, wie der Gedanke mir eine heimliche Freude verursachte, daß meinem Freunde Wladimir der »neue Typus« eines Weibes theuer zu stehen kommen könne. Sein unerhörtes Glück mußte er doch irgend womit bezahlen!

Daß er zum glücklichsten Sterblichen werden würde, darin konnte ich zu meinem Bedauern kaum einen Zweifel setzen.

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