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Der Raufbold

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I

Im Jahr 1829 lag das zweite Kürassier-Regiment in dem Dorfe Kirilowo im Gouvernement Kolomna in Garnison. Mit seinen Hütten und Heuschobern, seinen grünen Hanffeldern und hohen Bohnenranken nahm dieses Dorf von fern sich aus wie eine Insel inmitten eines unabsehbaren Meeres aufgepflügter schwarzer Felder.

Mitten im Dorf lag ein kleiner, ewig mit Gänsefedern bedeckter Weiher mit schmutzigen aufgewühlten Ufern. Etwa hundert Schritt von dem Weiher, an der andern Seite der Landstraße, gewahrte man das aus Holz erbaute Herrenhaus. Es stand schon seit gekannter Zeit leer und hatte sich, als wollte es umfallen, melancholisch auf die Seite geneigt. Hinter dem Hause zog sich ein verwahrloster Garten hin. Darin standen alte Apfelbäume, die keine Früchte mehr trugen, und hohe Birken, auf denen ganze Schwärme von Krähen ihre Nester gebaut. Am Ende der Hauptallee, in einem kleinen Häuschen, das in früheren Zeiten der Herrschaft als Badestube gedient hatte, wohnte ein gebrechlicher Haushofmeister, der sich nach alter Gewohnheit jeden Morgen hustend und keuchend durch den Garten nach dem Herrenhause schleppte, obgleich er darin weiter nichts im Stand zu halten hatte als ein Dutzend Lehnstühle mit verschossenem weißem Bezug, zwei dickbäuchige Commoden mit geschweiften kurzen Füßen und Messinggriffen, vier durchlöcherte Bilder «und die Alabasterstatue eines Negers, dem die Nase abgeschlagen war.

Der Eigenthümer dieses Hauses, ein junger sorglos in den Tag lebender Mann, hielt sich bald in Petersburg, bald im Auslande auf – sein Gut hatte er ganz und gar vergessen. Er hatte es vor acht Jahren von einem alten Oheim geerbt, der einst in der ganzen Gegend wegen seiner ausgezeichneten Liqueure bekannt gewesen war. Noch jetzt lagen in der Vorrathskammer die leeren dunkelgrünen Flaschen unter allerlei Gerümpel: vollgeschriebenen Heften mit bunten Umschlägen, alten Krystall-Kronleuchtern, Hofcostümen aus der seit Katharinas der Zweiten, einem verrosteten Degen mit Stahlgriff u.s.w.

In dem einen der beiden Flügel hatte der Oberst sich einquartirt – ein verheiratheter Mann, von hohem Wuchs, wortkarg, bärbeißig und schläfrig. In dem andern wohnte sein Adjutant, ein gefühlvoller und stets parfümirter Soldat, zudem ein besonderer Liebhaber von Blumen und Schmetterlingen.

Die Herren Offiziere dieses Regiments unterschieden sich in nichts von ihren Kameraden in allen andern Regimentern. Es gab unter ihnen gute und schlechte, kluge und dumme . . .

Einer von ihnen, ein gewisser Alexis Iwanowitsch Lutschkoff, seinem Range nach Stabsrittmeister, galt für einen Raufbold. Lutschkoff war von untersetzter Statur – eine nichts weniger als stattliche Erscheinung. Er hatte ein kleines gelblich-trockenes Gesicht, dünnes schwarzes Haar, gewöhnliche Züge und kleine dunkle Augen. Schon als Kind hatte er seine Eltern verloren, und so war er in Noth und Armuth aufgewachsen. Ganze Wochen lang konnte er sich durchaus friedfertig benehmen, aber dann war’s mit einem Mal, als wär’ er vom Teufel besessen: Alle belästigte, Alle ärgerte er. Allen warf er dreiste herausfordernde Blicke zu, und so kam es denn zu Händeln. Uebrigens stand Lutschkoff mit keinem seiner Kameraden auf feindseligem Fuße, wenngleich er nur mit einem dem parfümirten Adjutanten, befreundet war . . . Er trank weder Wein, noch spielte er Karten . . .

Im Mai 1829, kurz nach Beginn der Uebungen, trat ein junger Cornet Namens Fedor Fedorowitsch Kister in das Regiment ein. Er stammte, obgleich ein echter Russe, aus einer deutschen Adelsfamilie, war sehr blond und sehr bescheiden, gebildet und wohlerzogen. Bis zu seinem zwanzigsten Jahr hatte er stets im elterlichen Hause gelebt unter den Fittigen der Mutter, Großmutter und zweier Tanten. In die Armee war er einzig und allein aus den dringenden Wunsch seiner Großmutter eingetreten, die sogar noch in ihren alten Tagen keinen weißen Federbusch sehen konnte, ohne in Aufregung zu gerathen.

Er widmete sich dem Dienst ohne sonderliche Lust: doch bewies er viel Eifer und that gewissenhaft seine Pflicht. Er war nie stutzerhaft, aber immer sauber und vorschriftsmäßig gekleidet. Gleich am Tage seiner Ankunft meldete sich Kister bei dem Commandirenden; dann begann er sofort seine Wohnung einzurichten. Er hatte Teppiche, Wandbretter, billige Tapeten u.s.w. mitgebracht, womit alle Wände und Thüren beklebt und bedeckt wurden. Sodann ließ er verschiedene spanische Wände aufstellen, den Hof reinigen, den Pferdestall und die Küche in Stand setzen und sogar eine Badestube einrichten . . .

Eine ganze Woche nahm ihn diese Arbeit in Anspruch. Aber dafür war es auch ein wahres Vergnügen, sein Zimmer zu betreten. Vor dem Fenster stand ein Tisch, der mit allerlei Sächelchen bedeckt war; in einer Ecke befand sich ein Gestell mit Büchern und den Büsten Schillers und Goethes; an den Wänden hingen Landkarten, vier Studienköpfe und eine Jagdflinte; neben dem Tische war in gefälliger Ordnung eine Reihe Pfeifen mit eleganten Spitzen aufgestellt: der Boden war vollständig mit Teppichen bedeckt: sämtliche Thüren schlossen und die Fenster waren mit Gardinen versehen – kurz, Alles in dem Zimmer des jungen Cornets athmete Ordnung und Sauberkeit.

Wie anders sah es bei seinen Kameraden aus! Nur mit Mühe gelangte man über den schutzigen Hof; in der Vorstube saß der Bursche des Offiziers hinter einem zerrissenen Schirm aus Segeltuch und schnarchte, am Boden lag faules Stroh: auf dem Herd standen die Stiefel und ein Pomadentopf mit Glanzwichse. Im Zimmer selbst gewahrte man einen buckligen, mit Kreide beschriebenen Spieltisch; und auf dem Tische standen Gläser, die halb mit kaltem dunkelbraunem Thee gefällt waren. An der Wand befand sich ein breites fettiges Sopha, das halb aus den Fugen war; auf dem Fensterbret lag Cigarrenasche, und auf einem plumpen runden Lehnstuhl saß der Herr selbst in grasgrünem Schlafrock mit hellrothen Plüschaufschlägen und mit einer gestickten asiatischen Mütze auf dem Kopf; neben dem Herrn aber lag schnarchend ein unförmlich dicker boshafter Hund mit schmutzigem Messinghalsband . . . Keine einzige Thür schloß . . .

Alle mochten den Cornet gern leiden. Man liebte ihn wegen seiner Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, warmen Herzlichkeit und der ihm angebornen Neigung »für alles Schöne« – kurz wegen all der Eigenschaften, die man an einem andern Offizier vielleicht unpassend gefunden hätte. Man hatte Kister den Spitznamen »Jüngferchen« beigelegt und beobachtete gegen ihn eine fast zärtliche Höflichkeit.

Nur Lutschkoff sah ihn mit scheelen Blicken an. Eines Tages trat er nach dem Exerciren mit zusammengepreßten Lippen und weit geöffneten Nüstern auf ihn zu.

»Guten Tag, Herr Knaster.«

Kister sah ihn unentschlossen an.

»Ich mache Ihnen mein Compliment, Herr Knaster,« fuhr Lutschkoff fort.

»Ich heiße Kister, werther Herr Lutschkoff.«

»Was liegt am Namen, Herr Knaster!«

Kister drehte ihm den Rücken und ging nach Hause. Lutschkoff blickte ihm höhnisch nach.

Am folgenden Tage trat er sofort nach dem Exerciren wieder auf Kister zu.

»Nun, wie geht’s Ihnen, Herr Kinderbalsam?«

Kister erbebte und sah ihm gerad’ in’s Gesicht. Die kleinen galligen Augen Lutschkoffs funkelten vor boshafter Freude.

»Ja, mit Ihnen red’ ich, Herr Kinderbalsam!«

»Mein werther Herr.« antwortete Kister, »ich finde Ihren Scherz dumm und unpassend – haben Sie mich verstanden? Dumm und unpassend!«

»Wann schlagen wir uns?« entgegnete Lutschkoff gelassen.

»Sobald es Ihnen beliebt . . . meinetwegen morgen.«

Am folgenden Morgen fand das Duell statt.

Lutschkoff brachte Kister eine leichte Verwundung bei, worauf er zum größten Erstaunen der Sekundanten aus den Cornet zutrat, seine Hand ergriff und ihn um Verzeihung bat.

Kister mußte vierzehn Tage das Zimmer hüten; während derselben besuchte der Rittmeister den Kranken einige Mal, und als der Cornet wieder ausgehen konnte, waren die Beiden mit einander befreundet. Hatte ihm die entschlossene Haltung des jungen Offiziers gefallen oder war in seiner Brust etwas wie Reue erwacht – das ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls schloß Lutschkoff seit diesem Vorfall sich eng an Kister an und nannte ihn erst Fedor und dann vertraulich Fedja. In seiner Gegenwart wurde er ein anderer Mensch – aber seltsam! nicht zu seinem Vortheil. Freundlichkeit und Höflichkeit kleideten ihn nicht. Trotzdem vermochte er Niemandem Theilnahme einzuflößen; so war nun einmal sein Geschick! Er gehörte zu den Menschen, denen gleichsam die Macht verliehen ist, über andere zu herrschen; aber die Natur hatte ihm die Eigenschaften versagt, welche nothwendig sind um eine solche Macht zu rechtfertigen.

Da er weder Bildung noch Geist besaß, durfte er sich in seiner wahren Gestalt nicht zeigen. Vielleicht wurzelte sein rauhes Wesen nur in dem Bewußtsein, daß er eine mangelhafte Erziehung genossen, und in dem Wunsche, sich vollständig hinter einer starren Maske zu verstecken.

Lutschkoff hatte sich anfangs nur den Anschein geben wollen, als verachte er die Menschen. Aber gar bald merkte er, daß es nicht schwer hält, sie einzuschüchtern, und so begann er sie wirklich zu verachten. Es that ihm wohl, dass bei seinem bloßen Erscheinen jedes einigermaßen ernste Gespräch sofort abgebrochen wurde.

»Ich weist nichts und habe nichts gelernt, auch besitze ich keinerlei Fähigkeiten, dachte er bei sich, »darum wißt auch ihr nichts und sollt mir gegenüber nicht mit euern Talenten prahlen . . . «

Vielleicht war der Raufbold bei Kister nur darum endlich aus der Rolle gefallen, weil er bis dahin niemals einem wirklichen »Idealisten« begegnet war – d. h. einem Wesen, das ehrlich und uneigennützig nach Idealen strebte und darum frei war von Selbstsucht, und gegen seine Mitmenschen Nachsicht übte.

Gar oft suchte Lutschkoff den Cornet des Morgens in seiner Wohnung auf. Dann steckte er sich eine Pfeife an und setzte sich still auf einen Stuhl. Kister gegenüber schämte er sich seiner Unwissenheit nicht, er verließ sich, und zwar nicht ohne Grund, auf dessen deutsche Bescheidenheit.

 

»Nun,« begann er nach einer Weile, »was hast Du gestern gemacht? Natürlich wieder gelesen, wie?«

»Ja . . . «

»Und was hast Du eigentlich gelesen? Erzähl mir das doch mal Freundchen,« fuhr Lutschkoff mit einem leisen Anflug von Spott fort.

»Ich habe das Idyll von Kleist gelesen. Ach, wie schön das ist! Wart’, ich will Dir ein paar Strophen übersetzen.«

Und Kister begann mit Begeisterung zu übersetzen, während Lutschkoff die Stirn runzelte, die Lippen zusammenbiß und aufmerksam zuhörte . . .

»Ja, ja.« sprach er hastig mit einem unangenehmen Lächeln, »hübsch . . . sehr hübsch . . . Sag mal,« fügte er dann langsam und gleichsam einem inneren Drange gehorchend hinzu, »sag’ mal, wie denkst Du über Ludwig XlV?«

Und Kister theilte ihm seine Ansicht über Ludwig XIV. Mit. Lutschkoff hörte ihm zu: vieles verstand er gar nicht, manches faßte er falsch aus, und so entschloß er sich endlich, eine Bemerkung zu machen. Das brachte ihn jedoch in große Verlegenheit. Wenn ich eine Dummheit sagte! dachte er. Und in der That sagte er gar oft Dummheiten, aber Kister gab ihm niemals eine scharfe Antwort; der brave Jüngling freute sich von Herzen, das; er in diesem Manne das Verlangen nach Erkenntniß geweckt hatte. Leider fragte Lutschkoff den Cornet nicht aus Wissensdurst! Warum eigentlich – das mag Gott wissen. Vielleicht wollte Lutschkoff mit sich selbst darüber in’s Klare kommen ob er wirklich ein Dummkopf sei oder ob es ihm nur an Kenntnissen fehle.

»Ja, ich bin wirklich ein dummer Mensch,« murmelte er manchmal mit bitterem Lächeln vor sich hin. lind dann richtete er sich plötzlich gerade auf und blickte mit einem unverschämten, boshaften Hohnlächeln um sich herum, wenn er bemerkte, daß irgend einer seiner Kameraden den Blick vor ihm senkte . . .

Die Herren Offiziere unterhielten sich nicht allzu lange über die Freundschaft, welche plötzlich zwischen Kisters und Lutschkoff entstanden war; bei dem Raufbold waren sie an allerlei Seltsamkeiten längst gewöhnt. »Der Teufel hat mit einem Kinde Freundschaft geschlossen,« sagten sie . . . Kister rühmte seinen neuen Freund überall mit großer Wärme; Niemand widersprach ihm, da man sich vor Lutschkoff fürchtete. Dieser nannte in Anderer Gegenwart niemals den Namen des Cornets, aber er hatte den Verkehr mit dem parfümirten Adjutanten vollständig aufgegeben.

II

Die Gutsbesitzer in Südrußland lieben es, von Zeit zu Zeit große Bälle zu geben und zu denselben die Herren Offiziere einzuladen, damit ihre heirathsfähigen Töchter die nöthigen Bekanntschaften machen können.

Etwa zehn Werst von dem Dorfe Kirilowo wohnte solch ein Gutsbesitzer, ein gewisser Perekatoff. Er besaß etwa vierhundert Seelen und ein recht hübsches Wohnhaus. Seine einzige achtzehnjährige Tochter hieß Marja, seine Frau Nenila Makarjewna. Herr Perekatoff hatte in seiner Jugend bei der Cavallerie gedient, aber aus Trägheit und aus Vorliebe für das Landleben seinen Abschied genommen, um für den Rest seines Lebens jenes ruhige Dasein zu führen, das dem nur mittelmäßig begüterten Landadel zur Gewohnheit geworden ist. Nenila stammte in nicht ganz legitimer Weise von einem hohen Würdenträger in Moskau ab.

Ihr Beschützer ließ sie in seinem eigenen Hause sehr sorgfältig erziehen. Aber bei der ersten Gelegenheit entledigte er sich ihrer mit einer gewissen Hast – wie einer Waare von zweifelhaftem Werthe. Denn Nenila war nicht schön und der hohe Würdenträger hatte ihr nur eine Mitgift von zehntausend Rubel ausgesetzt. Sie nahm Herrn Perekatoffs Antrag mit Freuden an, und Herr Perekatoff schätzte sich glücklich, dass er eine so gebildete und kluge und mit einem so hohen Würdenträger verwandte Dame zur Frau erhielt. Auch nach der Hochzeit ließ der hohe Herr dem jungen Paar noch gnädig seinen Schutz angedeihen, das heißt, er geruhte die Wachteln anzunehmen, welche Perekatoff ihm schickte und redete ihn mit »lieber Freund«, ja bisweilen sogar mit dein vertraulichem »Du« an.

Nenila hatte ihren Mann vollständig unter dem Pantoffel und führte nicht bloß das Regiment im Hause, sondern leitete auch die Verwaltung des Gutes; aber sie verwaltete es in sehr verständiger Weise und jedenfalls weit besser, als es Herr Perekatoff gethan hätte. Sie ließ ihn sein Joch nicht zu schwer fühlen, hielt ihn jedoch sehr kurz. Sie bestimmte, welchen Anzug er zu tragen hatte, sie verordnete, das; er sich nach englischer Mode kleiden müsse; auf ihren Befehl ließ er sich ein spanisches Kinnbärtchen wachsen, um auf diese Weise eine große Warze verbergen zu können, welche einer reifen Himbeere glich. Allen Fremden, die ins Haus kamen, erzählte Nenila, ihr Mann spiele die Flöte und alle Flötenspieler ließen sich am Kinn die Haare wachsen, um bequemer das Instrument halten zu können.

Herr Perekatoff erschien bereits am frühen Morgen mit hohem sauberem Halstuch und sorgfältig gekämmt und gewaschen. Uebrigens war er mit seinem Geschick vollkommen zufrieden, er speiste immer sehr gut, that was er wollte und schlief so lange er konnte. Wie die Nachbarn behaupteten, hatte Nenila eine »fremde Hausordnung« eingeführt; das heißt, sie hielt sich nur wenig Dienstboten und kleidete dieselben anständig. Unablässig nagte an ihr der Wurm des Ehrgeizes; sie wünschte, daß der Adel ihren Mann für irgend ein Amt ausersehen möchte; aber die Junker des Kreises ließen sich zwar Nenilas vortreffliche Speisen schmecken, gaben jedoch bei den Wahlen nicht ihrem Manne die Stimmen, sondern bald dem Generalmajor a. D. Burkholz, bald dem Major a. D. Burundukoff. Herr Perekatoff kam ihnen wie ein großstädtischer Stutzer vor.

Die Tochter glich dem Vater. Nenila hatte sehr viel Mühe auf ihre Erziehung verwendet. Sie sprach vorzüglich französisch und spielte leidlich Clavier. Sie war von Mittelgröße, ziemlich gut entwickelt und ein wenig blass: ihr etwas volles Gesicht war beständig belebt von einem freundlichen fröhlichen Lächeln; ihr blondes, wenn auch nicht sehr dichtes Haar, die schwarzen Augen und die angenehme Stimme machten sie zu einer gefälligen Erscheinung. Dazu kam, daß sie weder affectirt war, noch Vorurtheile hegte, eine für ein Steppenfräulein ungewöhnliche Bildung besaß und in Rede und Benehmen sich einfach und ungezwungen zu geben wußte – das alles fiel Einem unwillkürlich auf. Sie hatte sich ganz frei entwickelt; Nenila legte ihr in keiner Weise irgend welchen Zwang auf . . .

Eines Tages war die ganze Familie um die Mittagsstunde im Gastzimmer vereint. Perekatoff stand in grünem Rock, mit hohem carrirtem Halstuch und erbsenfarbenen Beinkleidern nebst Stiefeletten an einem Fenster und fing mit großer Aufmerksamkeit Fliegen. Die Tochter saß hinter ihrem Stickrahmen; langsam und graziös hob und senkte sich ihre kleine volle Hand hinter dem Canevas. Nenila saß auf dem Sopha und blickte schweigend vor sich hin.

»Sag mal, Sergey Sergejitsch,« wandte sie sich an ihren Mann, »hast Du die Einladung an das Regiment geschickt?«

»Die zu heut Abend? Jawohl, ma chère!« (Es war ihm verboten sie mit dem russischen »Mátuschka«, Mütterchen anzureden.) »Jawohl, versteht sich!«

»Wir haben nicht Herren genug« fuhr Nenila fort. »Die jungen Damen wissen nicht, mit wem sie tanzen sollen.«

Ihr Mann seufzte, als wäre er tief betrübt über diesen Mangel an Herren.

»Mama,« begann plötzlich Marja, »ist Herr Lutschkoff auch eingeladen?«

»Welcher Herr Lutschkoff?« .

»Einer von den Offizieren. Er soll ein sehr interessanter Mann sein.«

»Wirklich!«

»Ja . . . schön ist er nicht und auch nicht mehr jung, aber alle fürchten sich vor ihm. Er ist ein schrecklicher Duellant.« (Mama zog die Brauen zusammen.) »Ich möchte ihn sehr gern einmal sehen.«

»Dann würdest Du was Rechtes zu sehen bekommen.« nahm Perekatoff das Wort. »Du denkst wohl, er sei eine Art Lord Byron?« (Man begann damals in Russland gerade von Byron zu sprechen.) »Dummes Zeug. Siehst Du, mein Kind, auch ich galt meiner Zeit für einen gefährlichen Händelsucher!«

Marja sah den Vater verwundert an, sprang dann lächelnd auf ihn zu und küßte ihn auf die Wangen. Auch Nenila mußte lächeln; aber Perekatoff hatte nicht gelogen.

»Ich weiß nicht, ob dieser Herr ebenfalls kommt,« fuhr die Mutter fort. »Möglich, dass er uns die Ehre erweist.«

Die Tochter seufzte.

»Na, na, daß Du Dich nicht in ihn verliebst!« bemerkte Perekatoff. »Ich weiß, heutzutage schwärmt ihr jungen Damen gern für solche Leute . . .«

»Ich nicht,« antwortete Marja naiv.

Nenila warf ihrem Manne einen kalten Blick zu. Perekatoff begann verlegen mit seiner Uhrkette zu spielen, ergriff dann seinen breitkrämpigen englischen Hut und ging hinaus auf dem Hof. Demüthig und schüchtern folgte ihm der Hund. Das kluge Thier wußte sehr wohl, daß sein Herr im Hause nicht viel zu sagen hatte, und benahm sich deshalb vorsichtig und bescheiden.

Nenila näherte sich der Tochter, hob sanft ihr Köpfchen und schaute ihr freundlich in die Augen. »Nicht wahr, Du sagst mir’s, wenn Du Dich verliebst?« sagte sie.

Marja küßte lächelnd der Mutter die Hand und bewegte mehrmals zustimmend den Kopf.

»Vergiß es nicht,« fuhr die Mutter fort, streichelte ihr die Wange und folgte ihrem Mann.

Marja lehnte sich im Stuhl zurück, der Kopf sank auf die Brust, die Hände falteten sich. Lange schaute sie so mit blinzelnden Augen durch’s Fenster . . . Eine leichte Röthe spielte auf ihren frischen Wangen. Dann richtete sie sich seufzend wieder auf, wollte ihre Stickerei von Neuem vornehmen, ließ die Nabel fallen, stützte das Gesicht auf die Hand und versank, kaum merklich an den Nagelspitzen kauend in Träumerei . . .

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