Von der Erde zum Mond

Текст
Автор:
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

DRITTES KAPITEL
Welchen Eindruck Barbicanes Mitteilung machte

D

er Eindruck, den die letzten Worte des ehrenwerten Präsidenten machten, lässt sich nicht beschreiben. Das war ein Schreien! ein Grunzen! ein Rufen mit Hipp, Hipp, Hurra! – und all den Naturlauten, woran die amerikanische Sprache so reich ist. Es war ein Getümmel, ein Lärmen ohnegleichen! Die Kehlen schrien, die Hände klatschten, die Füße stampften auf den Boden. Kein Wunder: Es gibt Kanoniere, die im Lärmen mit ihren Kanonen wetteifern.

Barbicane bewahrte mitten in diesem Enthusiasmus seine Gelassenheit. Seine Handbewegungen forderten vergebens zur Stille auf, die donnernden Töne seiner Glocke wurden nicht gehört. Man riss ihn von seinem Präsidentenstuhl und trug ihn im Triumph umher.

Ein Amerikaner lässt sich nicht in Bestürzung versetzen. Für den Begriff ›unmöglich‹ findet sich in seinem Wörterbuch kein Ausdruck. In Amerika ist alles leicht, einfach, die mechanischen Schwierigkeiten sind wie nicht vorhanden. Ein wahrer Yankee war nicht imstande, nur einen Schein von Schwierigkeit zwischen Barbicanes Vorschlag und seiner Ausführung zu erkennen. Gesagt, getan.

Der Triumphzug des Präsidenten dauerte den ganzen Abend! Es war ein echter Fackelzug. Irländer, Franzosen, Schotten, all die gemischten Nationalitäten, woraus die Bevölkerung Marylands besteht, schrien in ihrer Muttersprache, und es mischten sich die Vivatrufe! die Hurras! und die Bravos! in einem Eifer, der über alle Beschreibung geht.

Luna, als begriffe sie, dass es sich um sie handle, strahlte in heiterer Pracht, die irdischen Feuer verdunkelnd. Alle Yankees richteten die Blicke nach ihrer glänzenden Scheibe, die einen grüßten sie mit der Hand, die anderen mit zärtlichen Worten. Diese maßen sie mit den Augen, andere drohten mit der Faust. Ein Optiker hatte bis Mitternacht nur Augengläser zu verkaufen. Frau Luna wurde wie eine Dame der hochvornehmen Welt lorgnettiert, und das mit einer Rücksichtslosigkeit, wie sie nur amerikanischen Gutsbesitzern eigen ist. Gerade als gehöre die blonde Phöbe bereits ihren kühnen Eroberern als Teil der Union an. Und doch handelte es sich erst darum, ein Geschoss zu ihr zu schleudern. Eine ziemlich brutale Art, Verbindungen anzuknüpfen, selbst gegenüber einem Trabanten, doch ist sie unter den zivilisierten Nationen sehr in Gebrauch.

Es war Mitternacht, die Begeisterung war auf ihrem Höhepunkt angelangt und verbreitete sich gleichmäßig auf alle Teile der Bevölkerung. Die Stadtbehörden, Gelehrten, Großhändler und Kaufleute, Lastträger, verständige Leute und Gelbschnäbel fühlten sich bis in die kleinsten Fasern der Lebensadern erregt. Es handelte sich um eine nationale Unternehmung. So schritten denn auch die Ober- und die Unterstadt einher, die Quais an den Ufern des Patapsco, die Schiffe im Hafenbecken voll gedrängt mit Menschen im Rausch der Freude, des Gins und Whiskys, alle plauderten, schwatzten, disputierten, diskutierten, billigten, klatschten, vom Gentleman, der auf dem Kanapee der Schenkstube vor seinem Schoppen Sherry-Cobbler[5] flegelhaft hingestreckt lag, bis zum Bootsmann, der sich in den dunklen Kneipen von Fells-Point mit ›Knock me down‹[6] betrank.


Gegen zwei Uhr legte sich die Aufregung. Nun gelang es dem Präsidenten endlich heimzukommen. Er fühlte sich wie gerädert. Es gehörte eine Herkulesnatur dazu, solch einem Enthusiasmus gewachsen zu sein. Die Menge auf den Straßen verlief sich allmählich. Die vier Eisenbahnen, welche in Baltimore zusammentreffen und aus Ohio, Susquehanna, Philadelphia und Washington kommen, führten das auswärtige Publikum an die vier Ausgangspunkte zurück, und die Stadt kam wieder in einen verhältnismäßig beruhigten Zustand.

Übrigens wäre es ein Irrtum zu glauben, dass an diesem Abend nur in Baltimore solche Aufregung geherrscht habe. Die großen Städte der Union: New York, Boston, Albany, Washington, Richmond, Crescent-City[7], Charleston, Mobile, von Texas bis Massachusetts, von Michigan bis Florida, nahmen alle an der ausufernden Begeisterung teil. Die dreißigtausend Mitglieder des Gun-Clubs kannten ja den Brief ihres Präsidenten und warteten mit gleicher Ungeduld auf die merkwürdige Mitteilung des 5. Oktobers. Sowie daher die Worte des Redners dessen Lippen entströmt waren, wurden sie noch am selben Abend mit einer Geschwindigkeit von 248.447 (engl.) Meilen[8] pro Sekunde durch die Telegrafendrähte aller Staaten der Union gejagt.

Man kann also ganz bestimmt sagen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika, welche zehnmal so groß wie Frankreich sind, im selben Augenblick in einem einzigen Aufschrei zusammenstimmten und dass 25 Millionen Herzen, von Stolz geschwellt, denselben Pulsschlag fühlten.

Am folgenden Morgen machten 1.500 Journale, Tag- und Wochenblätter, monatlich und zweimonatlich erscheinende Zeitschriften, diese Angelegenheit zum Thema. Sie prüften es unter den verschiedensten Gesichtspunkten, dem physischen, meteorologischen, ökonomischen oder moralischen, vom politischen Standpunkt aus und auch aus der Sicht der Zivilisation. Man fragte, ob denn der Mond ein fertiger Planet oder ob er noch im Prozess der Entstehung sei. Glich er der Erde zu der Epoche, da dieselbe noch keine Atmosphäre hatte? Welchen Anblick würde seine unsichtbare, also die unserer Erdkugel abgewandte Seite offenbaren? Obwohl es sich nur erst darum handelte, eine Kugel dorthin zu schleudern, sahen doch alle, dass eine Reihe von Untersuchungen zu diesem Punkt im Vordergrund standen. Alle gaben sich der Hoffnung hin, Amerika werde in die tief verhüllten Geheimnisse dieses mysteriösen Trabanten dringen. Manche schienen jedoch zu befürchten, dass seine Eroberung das europäische Gleichgewicht auffallend würde stören können.

Nachdem das Projekt besprochen war, setzte kein einziges Blatt seine Ausführbarkeit in Zweifel. Die von den gelehrten, wissenschaftlichen oder religiösen Gesellschaften herausgegebenen periodischen Blätter, Broschüren, Bulletins, Magazine unterstrichen seine Vorteile, und die Gesellschaft für Naturgeschichte‹ in Boston, die ›Amerikanische Gesellschaft der Wissenschaften und Künste‹ in Albany, die Geographische und Statistische Gesellschaft in New York, die ›Amerikanische Philosophische Gesellschaft‹ in Philadelphia, das ›Smithsonsche Institut‹ in Washington, alle sendeten dem Gun-Club in tausenden von Zuschriften Glückwünsche und boten Geld und ihre Dienste an.

Darum, kann man mit Bestimmtheit versichern, gab es auch nie einen Vorschlag, der so viele Anhänger fand. Von Zweifeln, Bedenken, Besorgnissen war gar keine Rede. In Europa, vor allem in Frankreich, hätte wohl die Idee, ein Geschoss bis zum Mond zu schleudern, Scherzreden, Karikaturen, Spottlieder hervorgerufen: So etwas hätte sich jemand nicht einfallen lassen dürfen. Kein ›Lebenssicherer‹[9] auf der Welt hätte gegen die allgemeine Entrüstung geschützt. In der Neuen Welt gibt es Dinge, worüber nicht mehr gelacht wird.

Impey Barbicane wurde daher von jenem Tag an zu den größten Bürgern der Vereinigten Staaten gezählt. Er galt fast soviel wie ein Washington der Wissenschaft.

Einer von vielen Vorfällen zeigt stellvertretend, bis zu welchem Grad die Hingebung eines Volkes an einen Mann plötzlich gestiegen war:

Einige Tage nach der famosen Sitzung des Gun-Clubs kündigte der Direktor einer englischen Theatergruppe, die gerade in Baltimore gastierte, das Shakes-pearesche ›Viel Lärmen um Nichts‹ an. Da das Stadtvolk darin eine verletzende Anspielung auf die Projekte Barbicanes sah, drang es in den Theatersaal ein, zertrümmerte die Bänke und nötigte den unglücklichen Direktor seinen Spielplan zu ändern. Als gescheiter Mann beugte sich der Direktor dem Volkswillen, setzte an die Stelle des leidigen Stücks ein anderes vom selben Dichter, nämlich: ›Was ihr wollt‹, und erzielte daraufhin für viele Wochen unglaublich hohe Einnahmen.

VIERTES KAPITEL
Gutachten des Observatoriums von Cambridge

I

nzwischen verlor Barbicane – inmitten der Huldigungen, die ihm zuteil wurden – keine Zeit. Vor allem ließ er sich die Bureaux des Gun-Clubs zu einer Beratung versammeln. Man beschloss zunächst, über die astronomische Seite des Unternehmens die Himmelsforscher zu befragen, sich sodann auf der Grundlage eines Gutachtens derselben über die technischen Mittel zu verständigen, um nichts zu versäumen, was den Erfolg des großen Versuchs garantieren könne.

Daher wurde ein klar und inhaltlich detailliert abgefasstes Schreiben mit speziellen Fragen formuliert und an das Observatorium nach Cambridge in Massachusetts abgesendet. Der Sitz dieser ersten Universität der Vereinigten Staaten ist durch sein astronomisches Institut sehr bekannt. Dort finden sich die verdienstvollsten Gelehrten und das weit reichende Teleskop, mit dessen Hilfe Bond das Nebelgestirn Andromeda durchdrang und Clarke den Trabanten des Sirius entdeckte. Das Vertrauen des Gun-Clubs zu diesem Institut war also in jeder Hinsicht gerechtfertigt.

Zwei Tage später traf beim Präsidenten Barbicane die so ungeduldig erwartete Antwort, die folgenden Wortlaut hatte, ein:

Der Direktor des Observatoriums von Cambridge an den Präsidenten des Gun-Clubs in Baltimore.

Cambridge, 7. Oktober.

»Nach dem Empfang Ihres geehrten, unter dem 6.d. Monats im Namen der Mitglieder des Gun-Clubs in Baltimore an das Observatorium in Cambridge gerichteten Schreibens hat sich unser Bureau unverzüglich versammelt und folgende Antworten für angemessen erachtet:

 

Die ihm vorgelegten Fragen sind:

1. Ist es möglich, ein Wurfgeschoss auf den Mond zu schleudern?

2. Wie groß ist die exakt berechnete Entfernung der Erde zu ihrem Trabanten?

3. Binnen welcher Zeit hätte das Geschoss bei einer hinreichenden Anfangsgeschwindigkeit diese Distanz zu überwinden, folglich: zu welchem Zeitpunkt müsste man es abschießen, damit es in einem vorher festgelegten Moment auf dem Mond aufprallen würde?

4. Zu welchem Zeitpunkt wird sich der Mond in der günstigsten Position befinden, damit er von dem Geschoss auch getroffen wird?

5. Auf welchen Fixpunkt am Himmel wird das Geschütz, mit dem das Projektil abgeschossen werden soll, auszurichten sein?

6. An welcher Stelle am Himmel wird sich der Mond befinden, wenn das Geschoss auf den Weg gebracht wird?

Die Antwort auf die erste Frage lautet:

Ja, es ist möglich ein Projektil auf den Mond zu schleudern, wenn es gelingt, demselben eine Anfangsgeschwindigkeit von zwölftausend Yards in der Sekunde zu geben. Nach exakter Berechnung reicht diese Geschwindigkeit aus. Je weiter man sich von der Erde entfernt, desto mehr nimmt die Schwerkraft im umgekehrten Verhältnis zum Quadrat der Entfernung ab; z. B. braucht man für eine dreimal größere Entfernung eine neunmal geringere Kraft. Folglich wird die Schwere des Geschosses drastisch abnehmen und schließlich in dem Augenblick völlig schwerelos sein, in dem die Anziehungskraft der Erde von der des Mondes aufgewogen wird, d. h., bei Siebenundvierzig-Zweiundfünfzigstel der Entfernungslinie. Ab diesem Moment wird das Projektil keine Schwerkraft mehr haben. Beim Weiterflug wirkt die Anziehungskraft des Mondes auf dasselbe ein, sodass es letztlich auf den Mond fällt. Theoretisch wäre hiermit die Möglichkeit des Experiments bewiesen – ob es auch gelingt, hängt allein von der Kraft der dazu verwendeten Maschine ab.


Auf die zweite Frage lautet die Antwort:

Der Mond beschreibt bei seinem Umlauf um die Erde nicht einen Kreis, sondern eine Ellipse, worin unsere Erdkugel einen der Brennpunkte einnimmt. Demnach befindet sich der Mond in einer bald näheren, bald weiteren Entfernung von der Erde, astronomisch ausgedrückt, manchmal in Erdnähe, manchmal in Erdferne. Nun ist der Unterschied zwischen seinem weitesten und seinem nächsten Abstand ziemlich bedeutend, sodass man im besonderen Fall denselben nicht unberücksichtig lassen darf. Die größte Entfernung des Mondes beträgt nämlich 247.552 Meilen (= 99.640 Lieues à vier Kilometer), die geringste Entfernung beträgt nur 218.657 Meilen (= 88.010 Lieues), sodass der Unterschied 20.895 Meilen (= 11.630 Lieues) ausmacht, also mehr als den neunten Teil der Umlaufbahn. Die jeweilige Entfernung, sprich die Erdnähe des Mondes, muss den Berechnungen zu Grunde gelegt werden.

Die Antwort auf die dritte Frage lautet:

Wenn das Geschoss die Anfangsgeschwindigkeit von zwölftausend Yards in der Sekunde, welche man ihm beim Abschießen gäbe, unverändert beibehielte, so bedürfte es nur etwa neun Stunden, um an dem Ort seiner Bestimmung anzulangen. Da sich diese Geschwindigkeit aber in zunehmendem Maße beständig vermindert, wird es allen Berechnungen nach 300.000 Sekunden benötigen, d. h. 83 Stunden und 20 Minuten, um an den Punkt zu gelangen, wo sich die Anziehungskraft der Erde und die des Mondes aufwiegen. Von diesem Punkt aus bedarf es noch 50.000 Sekunden, oder 13 Stunden, 53 Minuten und 20 Sekunden, um auf den Mond zu fallen. Man muss es also 97 Stunden, 13 Minuten und 20 Sekunden früher abschießen, bevor der Mond an dem Punkt angelangt ist, auf den man zielt.

Auf die vierte Frage:

Entsprechend diesen Aussagen muss man zuerst die Zeit der größten Erdnähe des Mondes und gleichzeitig den Moment auswählen, wo er sich im Zenit befinden wird, wodurch die Linie, welche das Geschoss zurückzulegen hat, um das Maß eines Erdradius kürzer wird, nämlich um 3.919 Meilen, sodass die zu durchlaufende Linie exakt 214.976 Meilen (= 86.410 Lieues) betragen wird. Aber wenn der Mond auch allmonatlich in seine Erdnähe kommt, so steht er in dem Moment nicht immer im Zenit: Ein Zusammentreffen, welches nur in langen Zeitabständen stattfindet. Solch ein Zusammentreffen der Erdnähe mit dem Zenitstand ist also abzuwarten. Glücklicherweise wird diese doppelte Bedingung am 4. Dezember des folgenden Jahres eintreten: Um Mitternacht wird er in seine Erdnähe treten, d. h., seinen kürzesten Abstand zur Erde haben, und gleichzeitig im Zenit[10] stehen.

Auf die fünfte Frage:

Die vorausgehenden Bemerkungen zu Grunde gelegt, wird das Geschütz auf den Zenit eines Ortes ausgerichtet werden müssen, der Schuss muss senkrecht nach oben in den Himmel abgefeuert werden, und das Geschoss wird umso schneller der Anziehungskraft der Erde entzogen. Aber damit der Mond über dem Zenit eines Ortes zu stehen kommt, darf dieser Ort nicht unter höherem Breitengrad liegen, als die Abweichung dieses Gestirns vom Äquator beträgt, mit anderen Worten, er muss sich zwischen 0° und 28° nördlicher oder südlicher Breite befinden. An jedem anderen Ort würde der Schuss zwangsläufig in schiefer Richtung abgegeben werden, was dem Gelingen des Experiments hinderlich sein würde.

Auf die sechste Frage:

In dem Augenblick, in dem das Projektil in den Weltraum geschleudert wird, muss sich der Mond, der in seiner Bahn täglich 13 Grad, 10 Minuten und 35 Sekunden zurücklegt, viermal so weit vom Zenitpunkt entfernt befinden, nämlich 52 Grad, 42 Minuten und 20 Sekunden, denn so lang wird die Strecke seiner Umlaufbahn noch sein. Aber da man auch die Ablenkung des Geschosses, die infolge der Erdrotation hervorgerufen wird, berücksichtigen muss, und da das Geschoss erst nach einer Abweichung von 16 Erdradien auf dem Mond ankommen wird, welche, vom Mond aus gemessen, ungefähr 11 Grad ausmachen, muss man diese 11 Grad noch zu denen hinzurechnen, welche die erwähnte Verzögerung des Mondes ausmachen, nämlich rund 64 Grad. Daher wird im Moment des Schusses die nach dem Mond gerichtete Sehlinie mit der vertikalen Linie des Ortes einen Winkel von 64 Grad bilden.

So lauteten die Antworten, welche auf die dem Observatorium von Cambridge von den Mitgliedern des Gun-Clubs gestellten Fragen gegeben wurden. Wir halten also fest:

1. Das Geschütz muss an einem Ort, der sich zwischen 0° und 28° nördlicher oder südlicher Breite befindet, aufgestellt werden.

2. Es muss auf den Zenit des Ortes gerichtet werden.

3. Dem Geschoss muss eine anfängliche Geschwindigkeit von 12.000 Yards in der Sekunde gegeben werden.

4. Es muss am 1. Dezember des folgenden Jahres um 11 Uhr, weniger 13 Minuten und 20 Sekunden, abgeschossen werden.

5. Es wird vier Tage danach, am 4. Dezember, Punkt 12 Uhr nachts, in dem Moment, wo der Mond in den Zenit treten wird, auf dem Mond anlangen.

Die Mitglieder des Gun-Clubs müssen also unverzüglich die für eine solche Unternehmung erforderlichen Vorbereitungen treffen, um zu dem bestimmten Zeitpunkt für diese Operation bereit zu sein. Denn, lassen sie diesen vierten Dezember vorübergehen, werden sie den Mond erst 18 Jahre und 11 Tage später wieder in demselben Verhältnis der Erdnähe und des Zenits finden.

Das Bureau des Observatoriums in Cambridge stellt sich Ihnen für die Fragen theoretischer Astronomie zur Verfügung und vereinigt seine Glückwünsche mit denen ganz Amerikas.

Für das Bureau:

J. M. Belfast,

Direktor des Observatoriums von Cambridge.«

FÜNFTES KAPITEL
Die Geschichte des Mondes

E

in mit unendlich scharfem Blick ausgestatteter Beobachter in dem unbekannten Zentrum, um welches die Welt kreist, würde zu der Zeit, in der sich das Weltall noch in einem ungeordneten Zustand befand, gesehen haben, wie Myriaden von Atomen den Raum anfüllten. Aber allmählich, im Laufe von Jahrmillionen, ging eine Veränderung vor sich, indem eine Anziehungskraft auf die bis dahin unbeständig im Raum umherschwirrenden Atome wirkte. Diese Atome gingen – ihrer Verwandtschaft gemäß – chemische Verbindungen ein, wurden zu Elementarteilchen und bildeten jene Nebelmassen, welche bis in die tiefsten Weiten des Weltraums verstreut sind.

Diese Massen wurden dann von einer Bewegung um ihren Mittelpunkt gelenkt. Solch ein Zentrum ungeordneter Elemente begann sich in allmählicher Verdichtung um sich selbst zu drehen. Den unveränderlichen Gesetzen der Mechanik gemäß gewann die Rotation in dem Verhältnis wie der Umfang durch die Verdichtung abnahm an Schnelligkeit, und indem diese beiden Wirkungen fortdauerten, entstand daraus ein Hauptstern, der zum Zentrum der Nebelmasse wurde.

Bei aufmerksamer Betrachtung hätte der Beobachter damals erkannt, dass sich die übrigen Elementarteilchen der Masse ebenso wie der Fixstern verhielten, sich in eigentümlicher Weise infolge einer Rotation von wachsender Geschwindigkeit verdichteten und in Gestalt unzähliger Planeten um denselben als ihren Mittelpunkt kreisten. So entstanden Nebelfelder, von denen die Astronomie mittlerweile ungefähr 5.000 gezählt hat.

Unter diesen 5.000 Nebelfeldern befindet sich die von den Menschen so genannte Milchstraße, welche ungefähr 18 Millionen Sterne aufweist, von denen jeder zum Zentrum eines Umlaufsystems geworden ist.

Hätte der Beobachter damals seine besondere Aufmerksamkeit einem von den 18 Millionen Sternen, welcher zu den weniger auffälligen[11] und am wenigsten scheinenden gehört, gewidmet, einem Sterne vierten Ranges, der mit Stolz Sonne genannt wird, so würden sich alle Erscheinungen der Weltentstehung der Reihe nach vor seinen Augen vollzogen haben.

In der Tat würde er diese Sonne noch im gasförmigen Zustand und aus beweglichen Elementarbestandteilen gebildet gesehen und wahrgenommen haben, wie sie sich um ihre eigene Achse drehte, um ihr Konzentrationswerk zu vollziehen. Er würde beobachtet haben, wie diese Bewegung nach den Gesetzen der Mechanik mit der Abnahme des Umfangs an Schnelligkeit zunahm und dann ein Zeitpunkt kam, zu dem die zentrifugale Kraft über die zentripetale, welche die Elementarbestandteile dem Zentrum zutreibt, das Übergewicht bekam.

Dann hätte sich vor den Augen des Beobachters eine andere Erscheinung abgebildet. Er hätte sehen können, wie sich um den Äquator herum die Elementarteile voneinander lösten, so wie der Stein einer Schleuder, deren Schnur plötzlich zerreißt, und um die Sonne herum mehrere konzentrische Ringe gleich denen des Saturn bildeten, wie alsdann diese aus dem Urstoff bestehenden Ringe für sich in eine Rundbewegung um die Zentralmasse fortgerissen zerbrachen und sich in Nebelgestirne untergeordneter Art, d. h. in Planeten, auflösten.

Hätte der Beobachter hierauf seine gesammelte Achtsamkeit auf die Planeten gerichtet, so hätte er gewahrt, dass dieselben sich gerade wie die Sonne verhielten und einem oder mehreren kosmischen Ringen den Ursprung gaben, woraus jene Gestirne niederen Ranges entstanden, welche man Trabanten nennt.

So bekommt man denn, aufsteigend vom Atom zum Elementarteilchen, von diesem zu Nebelfeldern und weiter zum Nebelgestirn und zum Hauptstern, von diesem zur Sonne, zu dem Planeten und seinen Trabanten einen Begriff von der ganzen Reihe der Umbildungen, welche die Himmelskörper seit dem Ursprung der Welt erfuhren.

Die Sonne scheint sich in der Unendlichkeit des Weltraums zu verlieren, und dennoch gehört sie, der gegenwärtigen wissenschaftlichen Theorie nach, zu den Nebelfeldern der Milchstraße. So klein sie auch inmitten der ätherischen Räume erscheinen mag, so ist sie doch das Zentrum eines Planetensystems und von enormer Größe, denn sie ist 14.000 Mal größer als die Erde. Um sie herum kreisen acht Planeten, welche zur ersten Schöpfungszeit aus ihr selbst hervorgegangen sind. Diese sind, vom nächsten zum entferntesten weitergehend: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Außerdem kreisen zwischen Mars und Jupiter regelmäßig noch andere, weniger große Himmelskörper, vielleicht Trümmer eines in mehrere tausend Stücke zerbrochenen Gestirns, von welchen mit dem Teleskop bis jetzt 97 entdeckt wurden.[12]

 

Von diesen abhängigen Körpern, welche die Sonne nach dem Gesetz der Gravitation in ihrer elliptischen Bahn beherrscht, besitzen einige ihre eigenen Trabanten. Uranus hat deren acht, Saturn acht, Jupiter vier, Neptun vielleicht drei, die Erde einen. Diesen, der einer der unbedeutendsten der Sonnenwelt ist, nennen wir Mond: Derselbe, den das kühne Genie der Amerikaner zu erobern trachtete.

Das Nachtgestirn hat durch seine verhältnismäßige Nähe und das sich rasch verändernde Aussehen während seiner Phasen von allem Anfang an zugleich mit der Sonne die Aufmerksamkeit der Erdbewohner auf sich gezogen, aber die Sonne ermüdet beim Anblick, und der blendende Glanz ihres Lichtes nötigt ihre Beschauer dazu, die Augen abzuwenden.

Die blonde Phöbe dagegen ist menschenfreundlicher, lässt sich gefällig in ihrer bescheidenen Anmut betrachten. Sanft anzuschauen, wenig ehrgeizig, erlaubt sie sich doch zuweilen, ihren Bruder, den strahlenden Apollo, in den Schatten zu stellen, ohne je von ihm verdunkelt zu werden. Die Mohammedaner haben in dankbarer Erkenntlichkeit gegen diese treue Freundin der Erde, ihre Monate nach ihrem Umlauf geregelt[13].

Die Urvölker widmeten dieser keuschen Göttin einen besonderen Gottesdienst. Die Ägypter nannten sie Isis, die Phönizier Astarte, die Griechen verehrten sie unter dem Namen Phöbe, Tochter der Latona und Jupiters, und erklärten ihre Verfinsterungen durch die geheimnisvollen Besuche der Diana beim schönen Endymion. Der mythologischen Legende nach durchstreifte der Nemeische Löwe, bevor er auf der Erde erschien, die Gefilde Lunas, und der Dichter Agesianax verherrlichte in Versen die süßen Augen, die reizende Nase und den freundlichen Mund, welche die bestrahlten Teile der anbetungswürdigen Selene erkennen lassen.

Aber begriffen auch die Alten den Charakter, das Temperament, kurz, die moralischen Eigenschaften Lunas vom mythologischen Standpunkt aus, so waren doch selbst die Gelehrtesten derselben in der Selenographie sehr unwissend.

Einige Astronomen der frühesten Zeiten entdeckten auch manche Eigenschaften, die in heutigen Zeiten von der Wissenschaft bestätigt werden konnten. Behaupteten die Arkadier schon zu einer Zeit, da der Mond noch nicht existierte, auf der Erde gewohnt zu haben. Hielt Simplicius ihn für unbeweglich am kristallenen Himmelsgewölbe befestigt. Sah Tatius ihn als ein von der Sonnenscheibe abgetrenntes Fragment an. Nahm des Aristoteles Schüler Klearch ihn als einen polierten Spiegel, auf welchem sich die Gebilde des Ozeans abstrahlten. Sahen andere in demselben nur eine Anhäufung von Ausdünstungen der Erde oder eine Kugel, die halb aus Feuer, halb aus Eis bestand und sich um sich selbst drehte, so gab es doch einige Gelehrte, die trotz des Fehlens an optischen Instrumenten durch scharfsinnige Beobachtung die meisten Gesetze errieten, welchen das Nachtgestirn unterworfen ist.

Thaies aus Milet äußerte 460 vor Christus die Meinung, der Mond sei von der Sonne beleuchtet. Aristarch von Samos fand die richtige Erklärung für seine Phasen. Kleomenes lehrte, der Mond strahle entliehenes Licht wider. Der Chaldäer Berosus machte die Entdeckung, dass die Dauer seiner Rotation mit dem seines Umlaufs übereinstimmt, und erklärte daraus die Tatsache, dass der Mond stets dieselbe Seite zeigt. Zwei Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung erkannte Hipparch schließlich einige Ungleichheiten in den scheinbaren Bewegungen des Erdtrabanten. Diese Beobachtungen bestätigten sich in der Folge und wurden den neuen Astronomen nützlich. Im zweiten Jahrhundert vervollständigte Ptolemäus, im zehnten Jahrhundert der Araber Abul-Wefa die Beobachtungen des Hipparch über die Ungleichheiten, denen der Mond beim Folgen der wellenförmigen Linie seiner Bahn unter Einwirkung der Sonne ausgesetzt ist. Später haben im 15. Jahrhundert Kopernikus und im 16. Jahrhundert Tycho Brahe das Planetensystem und die Funktion, die der Mond unter den Himmelskörpern innehat, ausführlich beschrieben. Zu dieser Zeit wurden seine Bewegungen fast vollständig bestimmt, doch wusste man von seiner physischen Beschaffenheit wenig. Damals erklärte Galilei die in gewissen Phasen eintretenden Lichterscheinungen mit der Existenz von Bergen, welchen er eine durchschnittliche Höhe von 4.500 Toisen[14] beimaß.

Später setzte Helvetius, ein Astronom aus Danzig, die höchsten Angaben auf 2.600 Toisen (15.600 par. Fuß) herab, aber sein Genosse Riccioli kam wieder auf 7.000 Toisen. Am Ende des 18. Jahrhunderts beschränkte Herschel, der mit dem stärksten Teleskop ausgerüstet war, diese Maße bedeutend, indem er für die höchsten Berge 1.900 Toisen und als durchschnittliche Höhe nur 400 Toisen (2.400 par. Fuß) ansetzte. Aber auch Herschel irrte noch, und es bedurfte der Beobachtungen von Schröter, Louville, Halley, Nasmyth, Bianchini, Pastorf, Lohrmann, Gruithuysen und besonders der ausdauernden Studien von Beer und Mädler, um die Frage entscheidend zu lösen. Ihnen verdankt man es, dass man die Höhe der Mondberge jetzt genau kennt. Die letzteren beiden haben 1.905 Berghöhen gemessen, von denen sechs 2.600 Toisen überragen und 22 über 2.400. Ihr höchster Gipfel reicht bis an 3.801 Toisen über der Mondfläche.

Zur selben Zeit wurden die Erkenntnisse über die Beschaffenheit des Mondes vermehrt. Er zeigte sich voller Krater, und seine im Wesentlichen vulkanische Natur ward durch jede Beobachtung bestätigt. Aufgrund fehlender Brechung der Lichtstrahlen bei den von ihm verdeckten Planeten schloss man, dass ihm eine Atmosphäre fast gänzlich fehle. Aus dem Mangel an Luft leitete man das Fehlen von Wasser ab. Daraus ergab sich deutlich, dass die Seleniten, um zu leben, besonders organisiert und von den Bewohnern der Erde sehr verschieden sein müssten.

Schließlich wurde mit Hilfe der durch neue Methoden vervollkommneten Instrumente der Mond unablässig untersucht und kein Punkt seiner Oberfläche blieb unerforscht: Immerhin beträgt sein Durchmesser 2.500 Meilen, seine Oberfläche entspricht dem dreizehnten Teil der Erdoberfläche und sein Umfang dem neunundvierzigsten Teil der Erdkugel. Aber dem Auge der Astronomen blieb keines seiner Geheimnisse verborgen. Und die geübten Gelehrten kamen mit ihren bedeutenden Beobachtungen noch viel weiter.

So bemerkten sie, dass zur Zeit des Vollmonds die Scheibe an manchen Stellen von weißen Linien durchfurcht schien, zur Zeit der einzelnen Mondphasen mit schwarzen. Durch genauere Studien gelang es ihnen, sich über das Wesen dieser Linien näheren Aufschluss zu verschaffen. Es waren lange, enge Furchen, tief zwischen parallelen Rändern, welche meist in die Umkreise von Kratern ausliefen, von 800 Toisen (4.800 Fuß) Breite und zehn bis hundert Meilen Länge. Die Astronomen nannten sie Furchen, das war aber auch alles, denn ob es ausgetrocknete Bette vormaliger Flüsse seien, konnten sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Daher hofften auch die Amerikaner, diese geologischen Unklarheiten früher oder später zu enträtseln. Auch behielten sie sich vor, jene Reihe von parallelen Wällen zu durchforschen, welche der gelehrte Professor Gruithuysen aus München, der sie für von Seleniten-Ingenieuren errichtete Befestigungswerke hielt, entdeckt hatte. Diese beiden noch unklaren Punkte und unstreitig noch viele andere können wohl nicht eher als nach Herstellung einer direkten Verbindung mit dem Mond geklärt werden.


Was die Lichtstärke des Mondes anbelangt, war nichts weiter zu lernen. Man wusste, dass dasselbe dreihunderttausendmal schwächer als das Sonnenlicht ist und dass seine Wärme nicht berechenbar auf die Thermometer wirkt. Was die unter dem Namen ›aschfarbiges Licht‹ bekannte Erscheinung betrifft, so ist sie natürlich durch die Wirkung der von der Erde auf den Mond zurückgeworfenen Sonnenstrahlen zu erklären, welche die Mondscheibe zu ergänzen scheinen, wenn dieser in Form eines Halbmonds im ersten und letzten Viertel zu sehen ist.

Diesen Stand der Kenntnisse, welche man über den Trabanten der Erde gewonnen hatte, in allen Gesichtspunkten, dem kosmographischen, dem geologischen, dem politischen und dem moralischen, zu vervollständigen, machte sich der Gun-Club zur Aufgabe.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»