Aus der Asche. Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert

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Konrad H. Jarausch

Aus der Asche

Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ulrich Bossier

Reclam

© Konrad H. Jarausch 2015

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Out of Ashes. A New History of Europe in the Twentieth Century bei Princeton University Press, Princeton.

2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: zero-media.net

Coverabbildung: Photo by Fred Ramage / Keystone Features / Hulton Archive / Getty Images

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2018

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961401-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011114-7

www.reclam.de

Inhalt

  Vorwort

  AUS DER ASCHE

  Einleitung: Das europäische Paradox Die vielversprechende Moderne Europas Dynamik Ambivalenzen des Fortschritts

  TEIL I

  Globale Herrschaft Ursachen der Expansion Muster der Machtgewinnung Imperiale Visionen Koloniale Prägekraft Imperiale Kultur Europäische Hegemonie

  Ein Frieden bricht zusammen Bande des Friedens Quellen der Feindseligkeit Polarisierende Krisen Der Prozess der Eskalation Kriegsgründe

  Ein totaler Krieg Die Illusion vom kurzen Krieg Stillstand durch Grabenkampf Kriegsziele und Friedensbemühungen Mobilisierung der Heimatfront Äußerste Eskalation Mechanisierte Metzelei

  Die bolschewistische Revolution Späte Westernisierung Auswirkungen des Krieges Die Provisorische Regierung Roter Oktober Die Sowjetmacht Revolutionärer Utopismus

  Demokratische Hoffnungen Deutschland kollabiert Demokratische Friedensstiftung Demokratie auf dem Vormarsch Mühen der Sieger Internationale Kooperation Liberale Neugestaltung

  Die faschistische Alternative Die Rückständigkeit Italiens Die Nachkriegskrise Die Machtergreifung Der faschistische Staat Prestige und Imperium Regeneration auf faschistische Art

  Modernistische Provokationen Modernistische Revolte Der Schock des Krieges Reize der Populärkultur Klassische Moderne Der antimodernistische Rückschlag Ideologische Kulturkriege

  TEIL II

  Eine verhängnisvolle Depression Nachkriegsverwerfungen Galoppierende Inflation Vorübergehender Wohlstand Der große Absturz Wiederaufschwung mit Ungleichheiten Zweifel an der Demokratie

  Stalinistische Modernisierung Lenins Erbe Stalins Aufstieg Der große Wandel Terrorherrschaft Stalinismus Das stalinistische Entwicklungsprojekt

  Hitlers Volksgemeinschaft Agonie der Republik Der Führer aus dem Obdachlosenheim Agitation und Gefolgschaft Nationale Revolution Die Volksgemeinschaft Antimoderne Moderne

  Der Zweite Weltkrieg wird entfesselt Rückzug aus dem Internationalismus Revisionismus und Wiederaufrüstung Der »Anschluss« Österreichs Die Münchner Konferenz Der Streit um Danzig Rivalisierende Internationalismen

  Eroberungszüge der Wehrmacht Erste Invasionen Sieg im Westen Ausweitung des Krieges Suche nach Lebensraum Weltweiter Kampf Blitzkriege

  Hitlers Holocaust Die Kriegsziele der Nazis Die Neuordnung Europas »Ethnische Säuberung« der Slawen Genozid an den Juden Täter, Kollaborateure, Widerständler Mörderische Moderne

  Bitterer Sieg Die Wende des Kriegsverlaufs Zermürbung des Reichs Befreiung des Westens Sieg im Osten Erzwungene Kapitulation Gründe für den Sieg

 

  TEIL III

  Demokratischer Neubeginn Allgegenwärtige Verheerung Frieden ohne Vertrag Neuaufbau der Demokratie Die Rehabilitierung der Feinde Internationale Kooperation Wiederbelebung der Demokratie

  Kommunistisches Diktat im Osten Bestätigung des Kommunismus Volksdemokratien Die Sowjetisierung des Blocks Entstalinisierung Konsumkommunismus Real existierender Sozialismus

  Krisen des Kalten Kriegs Gegenseitige Fehlwahrnehmungen Konfliktfälle Wachsende Konfrontation Dimensionen des Wettstreits Erneute Krisen Ost-West-Konflikt

  Enttäuschende Entkolonialisierung Die Weltkriege als Katalysatoren Kämpfe um nationale Befreiung Herausforderungen der Dekolonisation Enttäuschende Ergebnisse Der imperiale Blowback Postkoloniale Hinterlassenschaften

  Integration durch Wirtschaft Anfänge der Kooperation Der Gemeinsame Markt Das Europa der Vaterländer Die Europäische Union Erweitern oder vertiefen? Der Traum von Europa

  Pop und Prosperität Wachsender Wohlstand Expansion des Konsums Schwindende Klassenunterschiede Triumph der Modernität Explosion der Populärkultur Wirkungen der Amerikanisierung

  Die Planung sozialer Reformen Organisation des Wiederaufbaus Wirtschaftsplanung Planungsfeld Städtebau Ausbau der Bildung Der Wohlfahrtsstaat Der Aufstieg der Experten

  TEIL IV

  Revolte gegen die Moderne Inspirationsquellen des Protests Muster der Revolte Sozialismus mit menschlichem Antlitz Neue soziale Bewegungen Postmoderne Kritik Nach der Moderne?

  Die postindustrielle Transformation Die Ölpreisschocks Die Geißel der Deindustrialisierung Die neoliberale Wende Der Rückbau des Wohlfahrtsstaates Neue Chancen durch Hightech Die postindustrielle Gesellschaft

  Zurück zur Entspannung Nukleare Abschreckung Europas steigendes Selbstbewusstsein Deutsche Ostpolitik Ein zweiter Kalter Krieg Zurück zur Entspannungspolitik Nuklearer Frieden

  Friedliche Revolution Zerfall des Kommunismus Wachsende Unruhe Der Mauerfall Kollaps der Sowjetunion Ambivalente Folgen Triumph der Demokratie?

  Die Transformation des Ostens Politische Demokratisierung Ökonomischer Wandel Soziale Restratifizierung Kulturelle Pluralisierung Neue Balkankriege Postkommunistischer Systemwechsel

  Globale Herausforderungen Wirtschaftliche Impulse Sorgen um die Umwelt Der Druck der Zuwanderung Die terroristische Bedrohung Demokratische Teilhabe Globale Modernen

  Aussichten für das 21. Jahrhundert Der Westen verblasst Das europäische Modell Transatlantische Spannungen Die globale Rolle Eine engere Union? Postmoderne Politik

  Epilog: Eine gezähmte Moderne Das verwirrende Jahrhundert Die Zähmung der Moderne Europäische Verwandlungen Lektionen der Geschichte Die europäische Alternative

  ANHANG

  Danksagung

  Verzeichnis der Karten und Abbildungen

  Zum Autor

  Register

Vorwort

Die alte Legende von Doktor Faustus nimmt weitgehend den paradoxen Verlauf der europäischen Geschichte im vergangenen Jahrhundert vorweg. In dieser Erzählung schließt ein erfolgreicher Gelehrter einen Pakt mit dem Teufel, bei dem er seine Seele gegen unbegrenztes Wissen und freien Zugang zu weltlichen Vergnügungen tauscht. Nachdem er die vergänglichen Früchte seines Handels genossen hat, fällt er unvermeidlich der Verdammnis anheim, denn sein Ehrgeiz verletzt die göttliche Ordnung. In GoethesGoethe, Johann Wolfgang von Version sucht Faust rastlos das innerste Wesen des Lebens, wobei er sich von Mephistopheles helfen lässt – und eine unschuldige junge Frau, Gretchen, zugrunde richtet. Doch im zweiten Teil des Dramas lernt Faust, anderen zu dienen, statt nur seine eigenen Begierden zu befriedigen, und da er nun immer strebend sich um menschliche Vervollkommnung bemüht, kann er schließlich der Verdammnis entgehen. In Thomas MannsMann, Thomas Roman Doktor Faustus aus dem Jahre 1947, einer literarischen Reaktion auf die Gräuel des Dritten Reiches, erscheint wieder die warnende Tendenz der älteren Bearbeitungen des Stoffs; die Rolle des Faust spielt darin der Komponist Adrian Leverkühn, der wunderbare Musik schafft – freilich um den Preis eines syphilitischen Wahnsinns, der ihn verzehrt. Die Erzählung kann gelesen werden als Allegorie entweder auf die Suche nach Innovation, die zur Zerstörung führt, oder auf das Streben nach potenzieller Erlösung.

Was Europa im 20. Jahrhundert erlebte, ist angesichts seiner drastischen Umschwünge ein beispielloses Drama, dessen breites Handlungsspektrum von Leid und Selbstzerstörung bis hin zu Zivilität und Wohlstand reicht. Das Jahr 1900 begrüßten die europäischen Nationen mit großen Hoffnungen auf weiteren materiellen Fortschritt und Stolz auf ihre imperiale Herrschaft über den Erdball. Aber gar zu bald verwickelten sie sich in Konflikte, die zum »Großen Krieg« eskalierten; das gewaltige Blutvergießen erschütterte ihren Optimismus bis in die Grundfesten. Nach einer kurzfristigen Erholungsphase während der 1920er Jahre führte das Ringen zwischen kommunistischen, faschistischen und demokratischen Ideologien in den Zweiten Weltkrieg, der noch mehr Verwüstungen brachte, und in den furchtbaren Holocaust, der inzwischen ein Synonym für die Fähigkeit des Menschen zum Bösen geworden ist. Aus der Asche der großen Selbstverbrennung stieg der verheerte Kontinent jedoch – trotz der Belastungen durch den Kalten Krieg und den Verlust der Gebiete jenseits der Ozeane – lebendig wieder empor und erreichte erneut ein erstaunliches Maß an Frieden und Wohlstand. Mehr noch, eine unvorhergesehene friedliche Revolution verbreitete den liberalen Kapitalismus auch in Osteuropa, der sich allerdings bald mit neuen globalen Problemen konfrontiert sah. Die interpretatorische Herausforderung besteht nun darin, die Aufeinanderfolge dieser Umschwünge, Brüche und Verschiebungen verstehbar zu machen.

 

Um den verwirrenden Verlauf zu erklären, legt dieses Buch den Schwerpunkt auf die besondere Dialektik, die der europäischen Dynamik innewohnt: Sie hat einerseits den materiellen Fortschritt beeindruckend weit vorangetrieben, andererseits einen furchtbaren Prozess politischer Selbstzerstörung ausgelöst. Verteidiger der westlichen Zivilisation und ihre postkolonialen Kritiker sind sich darin einig, dass die Europäer eine proteische Zivilisation schufen, welche den Rest der Welt eroberte und so veränderte, dass sie ihn leichter beherrschen und ausbeuten konnten. Um den Beginn des 20. Jahrhunderts herum belegten Gesellschaftsanalytiker das Zusammentreffen von wissenschaftlichen Entdeckungen, ökonomischen Entwicklungen, politischer Teilhabe und kulturellem Experimentieren erstmals mit dem Terminus Moderne; so wollten sie die progressiven Wandlungen der Jetztzeit abgrenzen gegen die Traditionen der Vergangenheit – und sich selbst über die »rückständigen Völker« anderer Kontinente stellen. Zweifellos war ihr Anspruch, »modern« zu sein, mehr Wunsch denn Realität, beschrieb also eher ein Ziel, als dass er etwas schon Erreichtes feststellte. Aber wie die Faust-Legende macht auch dieses Selbstverständnis den unaufhörlichen Drang nach mehr Wissen, materiellem Gewinn und Massenmobilisierung deutlich, der den Kontinent in die Katastrophe stürzte und ihn anschließend zwang, für eine Rückkehr zur Zivilität zu kämpfen.

Besonders faszinierend an der Art und Weise, wie Europa das letzte Jahrhundert erlebte, sind die vielen gebrochenen und doch anrührenden Biografien, die sich aus den Versuchen ergaben, große Umwälzungen zu bewältigen. Meine Großeltern zum Beispiel zogen gegen 1900 von einem schlesischenSchlesien Bauernhof in die wimmelnde Metropole BerlinBerlin, um dort ihr Glück zu suchen. Zwar kam mein Vater aus dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Soldat teilgenommen hatte, lebend zurück, aber die Hyperinflation brachte den Kolonialwarenladen der Großeltern in Schwierigkeiten. Während der Depression hatten meine Eltern als junge Akademiker es schwer, Posten im Schulbetrieb zu finden, und im Zweiten Weltkrieg wurde mein Vater erneut eingezogen. Wie ich in Das stille Sterben geschildert habe, starb er Januar 1942 in Russland, während seine Witwe, als die Alliierten MagdeburgBerlin bombardierten, sich auf einem Bauernhof in BayernBayern befand und dadurch überlebte; nach dem Krieg nahm sie im RheinlandRheinland ihre Tätigkeit als Lehrerin wieder auf. Mein Schwiegervater, von Beruf Ingenieur, war mit anderen Wissenschaftlern Teil der amerikanischen Operation Paperclip, und da die Aussichten in Europa trübe erschienen, wanderte er 1948 in die Vereinigten Staaten aus. Dieses Buch skizziert die Strukturen der zerstörerischen Kräfte, die Verwandte töteten, Häuser in Schutt legten, Lebensgrundlagen gefährdeten – kurz, ganze Welten auf den Kopf stellten. Es berichtet aber auch von ermutigenden Entwicklungen – Genesung, Versöhnung und Emanzipation –, die Hoffnung für die Zukunft machen.

Ich selbst schaue auf die europäische Vergangenheit von einem transatlantischen Standpunkt aus, der Innenansichten und Außenansichten verbindet. Ich wurde während des Zweiten Weltkriegs in MagdeburgMagdeburg geboren und wuchs in Westdeutschland auf, wechselte dann aber in die Vereinigten Staaten und ging dort aufs College, promovierte an der University of Wisconsin und lehrte während meiner akademischen Laufbahn an verschiedenen amerikanischen Hochschulen. Der letzten Generation zugehörig, die noch eine klassische Bildung genoss, lernte ich Latein, Griechisch und Hebräisch im Gymnasium sowie danach Englisch, Französisch, Russisch und Italienisch, wodurch ich Zugang zu einer ganzen Reihe europäischer Kulturen erhielt. Während Ferienaufenthalten machte ich mich weiter mit dem deutschsprachigen Europa bekannt; ferner konnte ich dank Stipendien und familiärer Verbindungen zeitweise auch in Frankreich, den Niederlanden und Schweden leben. Schließlich führten mich berufsbedingte Reisen durch weite Teile des übrigen Europas, vom BalkanBalkan bis Großbritannien, von Russland bis Portugal. Mögen die folgenden Seiten viel aus dem schöpfen, was ich durch meinen deutschen Hintergrund und während meiner Ausbildung über Deutschland erfuhr, so sind sie doch von dem aufrichtigen Wunsch beseelt, auch anderen Ländern und dem jeweiligen Verlauf ihrer Geschichte gerecht zu werden. Als euro-amerikanisches Hybridwesen bemühe ich mich jetzt schon über fünf Jahrzehnte, die »Einheit in Vielfalt« wissenschaftlich zu ergründen, jenes charakteristische Erbe, das der Alte Kontinent uns hinterlassen hat.

Konrad H. Jarausch

Berlin / Washington / Chapel Hill, im Sommer 2018

AUS DER ASCHE

Einleitung: Das europäische Paradox


Der Palast der Elektrizität bei der Weltausstellung in Paris, 1900

Die meisten europäischen Bürger begrüßten den Anbruch des 20. Jahrhunderts mit Optimismus. Sie waren stolz darauf, dass sich ihre Lebensbedingungen stetig verbesserten. Im Sommer 1900 präsentierte die Weltausstellung in ParisParis ermutigende Erfindungen und futuristische Designs, die rund fünfzig Millionen Besucher bezauberten. Die Permanentbauten wie die temporären Pavillons auf dem Marsfeld, ebenso die neu eröffnete Pariser Untergrundbahn, Métro genannt, waren stilistisch eine seltsame Mixtur aus Historismus und Moderne: In ihnen verschmolz eine idealisierte Vergangenheit mit der Art nouveau der Gegenwart. Zu den gezeigten Innovationen gehörten ein gigantisches Teleskop, ein Dieselmotor, eine extrem schnelle Dampflok, daneben Fotografien großer Brücken und anderer technischer Glanzleistungen; ein Laufband verkürzte die Wege zwischen den Ausstellungsorten. Die Hauptattraktion war der Elektrizitätspalast, eine strahlende Demonstration künstlichen Lichts, die schon vorausahnen ließ, was ein französischer Science-Fiction-Zeichner »das elektrische Leben« der Zukunft nannte. Die Weltausstellung und die »Wunder der Wissenschaft und Technik«, die sie so grandios darbot, verstärkten den »Glauben« der Öffentlichkeit »an einen ununterbrechbaren und unaufhaltsamen Fortschritt«.1

Kritischere Stimmen warnten jedoch davor, dass die »ausgreifende Mechanisierung des Lebens durch den Kapitalismus und den modernen Superstaat« eine gefährliche Krise bewirken werde. Keir HardieHardie, Keir, Führer der Scottish Labour Party, befürchtete ein Wettrüsten zu Lande oder zur See mit neuartigen Waffen und witterte Krieg, während andere sich eher durch den Imperialismus bedroht wähnten. Das Lager der Gesellschaftskommentatoren war gespalten: hier die Kritiker der Dekadenz, denen es vor der »Anarchie der Massen« graute, dort Autoren wie Émile ZolaZola, Émile, die sich über die Profitmacherei in Kaufhäusern und die herzlose Ausbeutung der Arbeiter in den Bergwerken empörten. Der britische Oberrabiner Hermann AdlerAdler, Hermann fürchtete das »Wiederaufflackern rassischer Antipathien und nationaler Animositäten«, während andere Moralisten die »infernalische Selbstsucht« beklagten, die bestimmte »Pseudophilosophen ›Individualismus‹ nennen«. Der Romancier Conan DoyleConan Doyle, Arthur verabscheute die »erregungsfreudige und sensationsgierige Presse ohne Maß und Mitte«, während eine Dame der gehobenen Gesellschaft vor der zunehmenden »Laxheit im Bereich der Ehemoral« warnte. Einige scharfsichtige Beobachter spürten, dass unter der dünnen Schicht der Zivilisation immer noch die »schrecklichste und bösartigste Form der Barbarei« lauerte.2

Ungeachtet solcher Vorahnungen schauten die meisten Kommentatoren des fin de siècle doch hoffnungsfroh in die Zukunft; sie schlossen einfach von bisherigen Fortschritten auf kommende. Ingenieure prophezeiten, dass aufregende wissenschaftliche Entdeckungen und technische Innovationen auch das neue Jahrhundert kennzeichnen würden. Sozialreformer waren zuversichtlich, dass verbesserte Methoden des Ackerbaus, gründlichere Hygiene und soliderer Wohnungsbau den Menschen ein längeres und angenehmeres Leben bescheren könnten; endlich müssten sie Hunger und Kälte nicht mehr fürchten. Intellektuelle und Künstler erwarteten, dass der Zuwachs an Meinungsfreiheit und der größere Raum für Experimente ihnen ermöglichen würden, die Grenzen der bisher anerkannten Wahrheiten und Geschmäcker zu überschreiten. Geschäftsleute äußerten die Gewissheit, dass nun die Kolonialkonflikte gelöst würden und Europa friedliche Zeiten bevorstünden, so dass Handel und Warenaustausch über Grenzen hinweg sich intensivieren ließen. Sogar die Führer der Arbeiterbewegung proklamierten: »Das neue Jahrhundert gehört uns!« Mochte der Soziologe Werner SombartSombart, Werner auch eher besorgt auf die völlige Veränderung aller Lebensweisen schauen – es gab viele Gründe zu glauben, dass der weitere Fortschritt sämtliche verbliebenen Probleme beseitigen werde.3

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