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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CLXXIII
Valmy

Wenden wir nun, für eine kurze Zeit, die Augen von dieser entsetzlichen Metzelscene ab und folgen wir, in den Engpässen der Argonne, einer der Personen unserer Geschichte, auf der in diesem Momente die äußersten Geschicke Frankreichs beruhen.

Der Leser wird errathen, daß wir Dumouriez meinen.

Mir haben gesehen, daß Dumouriez aus dem Ministerium geschieden und wieder in activen Kriegedienst getreten war. Nach der Flucht Lafayette’s war er commandirender General der Ostarmee geworden.

Die verschiedenen Parteien hatten durch diese Ernennung Dumouriez einen Beweis von wunderbarem Scharfblick gegeben. Dumouriez wurde allerdings von Einigen gehaßt, von Andern verachtet, aber er war glücklicher als Danton am 2. September, denn man erkannte in ihm den Mann, der Frankreich retten kannte.

Die Girondisten, die ihn zum commandirenden General ernannten, haben ihn; sie hatten ihn in’s Ministerium gebracht, er hingegen hatte sie daraus entfernt, und gleichwohl übertrugen sie dem unbeachteten Divisioinsgeneral ein Obercommando.

Die Jacobiner haßten und verachteten Dumouriez. Sie wußten indeß, daß er vor Allem nach Ruhm strebte, und daß er siegen oder das Leben lassen werde. Robespierre der ihn wegen seines schlechten Rufes nicht begünstigen wollte, ließ Couthon für ihn sprechen.

Danton hegte weder Haß nach Verachtung gegen Dumouriez; er gehörte zu den besonnenen, charakterfesten Menschen, die eine höhere Ansicht der Dinge haben und sich wenig um guten oder schlechten Ruf kümmerten, obgleich sie bereit sind, selbst Laster zu ihren Zwecken zu benutzen, wenn sie durch dieselben ihr Ziel erreichen können. Danton traute indeß dem Manne, von dessen Haltung so viel abhing, wenig Consequenz und Beharrlichkeit zu: er schickte daher zwei Bevollmächtigte an ihn ab, nämlich Fabre d’Eglantine, der als sein Geist, und Westermann, der als sein Arm zu betrachten war.

Man legte alle Kräfte Frankreichs in die Hände von demjenigen, welchen man einen Intriganten nannte. Der alte Luckner, der deutsche Haudegen, der seine Unfähigkeit am Anfange des Feldzuges bewiesen hatte, wurde nach Chalons geschickt, um die Rekruten auszuheben. Dillon, ein braver Soldat, ein ausgezeichneter General, mehr als Dumouriez in der militärischen Hierarchie auferzogen, erhielt den Befehl, ihm zu gehorchen. Kellermann wurde auch unter den Befehl dieses Mannes gestellt, dem plötzlich Frankreich in Thränen zerfließend sein Schwert mit den Worten übergab: »Ich kenne nur Dich, der mich vertheidigen kann; vertheidige mich.«

Kellermann brummte, fluchte, weinte, gehorchte aber; nur gehorchte er schlecht, und es bedurfte des Kanonendonners, um aus ihm das zu machen, was er wirklich war: ein ergebener Sohn des Vaterlandes.

Warum machten nun die verbündeten Fürsten, deren Marsch durch Etappen bis Paris bezeichnet war, plötzlich Halt nach der Einnahme von Longwy, nach der Uebergabe von Verdun?

Ein Gespenst stand zwischen ihnen und Paris: das Gespenst von Beaurepaire.

Beaurepaire, ehemaliger Officier der Carabiniere, hatte das Maine- und Loire-Bataillon formirt und commandirt. In dem Augenblicke, wo man erfuhr, der Feind habe den Fuß auf den Boden Frankreichs gesetzt, durchzogen er und seine Leute Frankreich im Geschwindschritt von Westen nach Osten.

Sie begegneten auf ihrem Wege einem patriotischen Abgeordneten, der ins Land zurückkehrte.

»Was werde ich Euren Familien von Euch sagen?« fragte der Abgeordnete.

»Daß wir todt sind!« antwortete eine Stimme.

Kein nach den Thermopylen marschirender Spartaner gab eine so erhabene Antwort.

Der Feind kam, wie gesagt, vor Verdun. Das war am 30. August 1792; am 31. wurde die Stadt zur Uebergabe aufgefordert.

Beaurepaire und seine Leute wollten, unterstützt von Marceau, bis zum Tode kämpfen.

Der Vertheidigungsrath, bestehend ans Mitgliedern der Municipalität und den vornehmsten Bürgern der Stadt, die sie sich beigeordnet hatten, befahl ihm, sich zu ergeben.

Beaurepaire lächelte verächtlich und sagte:

»Ich habe geschworen, eher zu sterben, als mich zu ergeben. Ueberlebt Euren Schimpf und Eure Schande, wenn Ihr wollt; ich, ich bleibe meinem Eide getreu. Vernehmt mein letztes Wort: »Ich sterbe!«

Und er erschoß sich.

Dieses Gespenst war so groß und noch erschrecklicher, als der Riese Adamastor.

Sodann sahen die verbündeten Fürsten, welche auf die Aussagen der Emigranten glaubten, Frankreich werde ihnen entgegenfliegen, noch etwas ganz Anderes.

Sie sahen dieses Land Frankreich, so furchtbar und bevölkert, wie durch den Schlag eines Zauberstabs verwandelt: das Getreide war verschwunden, als hätte es ein Wetterwirbel fortgeführt.

Der bewaffnete Bauer war allein auf seiner Furche stehen geblieben; diejenigen, weiche Flinten besaßen, hatten ihre Flinten genommen, diejenigen, welche nur eine Sense besaßen, hatten ihre Sense genommen, diejenigen, welche nur eine Heugabel besaßen, hatten eine Heugabel genommen.

Sodann hatte sich das Wetter für uns erklärt; ein anhaltender Regen benetzte die Menschen, durchnäßte die Erde und durchwühlte die Wege. Allerdings fiel dieser Regen für die Einen, wie für die Andern, für die Franzosen, wie für die Preußen; nur kam Alles den Franzosen zu Hilfe, wie Alles den Preußen feindlich war. Der Bauer, der für den Feind nur die Flinte, die Heugabel oder die Sense hatte, schlimmer als Alles dies: nur grüne Trauben, – der Bauer hatte für seine Landsleute das Glas Wein hinter Reisbündeln verborgen, das Glas Bier in einer unbekannten Ecke des Kellers vergraben, das trockene Stroh auf der Erde ausgebreitet, ein wahres Soldatenbett.

Man hatte indessen Fehler über Fehler gemacht, Dumouriez zuallererst, und in seinen Denkwürdigkeiten erzählt er die einen wie die andern, die seinen wie die seiner Lieutenants.

Er hatte an die Nationalversammlung geschrieben: »Die Engpässe der Argonne sind die Thermopylen Frankreichs; doch seid unbesorgt, glücklicher als Leonidas, werde ich nicht hierbei sterben.«

Und er hatte die Engpässe schlecht bewachen lassen, und einer derselben war genommen worden, und er war genöthigt gewesen, sich zurückzuziehen. Zwei von seinen Lieutenants59 waren verirrt, verloren! er war selbst gleichsam verwirrt und verloren, mit nur fünfzehntausend Mann, und zwar fünfzehntausend Mann so völlig demoralisirt, daß sie zweimal die Flucht vor fünfzehnhundert preußischen Husaren ergriffen. Doch er allein verzweifelte nicht, er behielt sein Vertrauen, und sogar seine Heiterkeit, und schrieb an die Minister: »Ich stehe für Alles!« Und in der That, obgleich verfolgt, umgangen, abgeschnitten, bewerkstelligte er seine Vereinigung mit den zehntausend Mann von Beurnonville und den fünfzehntausend Mann von Kellermann; er brachte seine verlorenen Generale wieder zusammen, und am 13. September befand er sich im Lager von Sainte-Menehould, nach rechts und nach links die zwei Hände über sechsundsiebzigtausend Mann ausstreckend, während die Preußen nur siebzigtausend Mann hatten.

Allerdings murrte oft diese Armee; sie war manchmal zwei bis drei Tage ohne Brod. Dann mischte sie Dumouriez unter seine Soldaten und sagte zu ihnen:

»Meine Freunde, der berühmte Marschall von Sachsen hat ein Buch über den Krieg gemacht, in welchem er behauptet, man müsse es wenigstens einmal in der Woche den Truppen an der Brodlieferung fehlen lasse damit sie im Nothfalle bei dieser Entbehrung weniger empfindlich seien: wir sind nun hierbei, und Ihr seid weit glücklicher, als diese Preußen, die Ihr vor Euch seht: sie sind zuweilen vier Tage ohne Brod, und sie verzehrt ihre todten Pferde. Ihr habt Speck, Reis, Mehl, mal Fladen, und die Freiheit wird sie würzen!«

Dann war noch etwas Schlimmeres: dieser Auswurf von Paris, dieser Abschaum vom 2. September den man nach der Metzelei den Armeen zugetrieben hatte. Sie waren gekommen, alle diese Elenden, das Ça ira singend, schreiend, sie werden weder Epauletten, weil St. Ludwigs-Kreuze, noch irgend etwas von Alle der dulden, sie werden Dekorationen und Hutfedern abreißen und Allem den Kopf zurecht setzen.

Sie kamen so ins Lager und waren erstaunt über die Leere, die sich um sie her bildete: Niemand ließ sich herbei, ihre Drohungen oder ihre Zuvorkommenheiten zu erwiedern; nur kündigte der General eine Revue an den andern Tag an.

Am andern Tage fanden sich die Neuangekommenen, durch ein unerwartetes Manoeuvre zwischen einer zu reichen und feindlichen Cavallerie, bereit, sie niederzusäbeln, und einer drohenden Artillerie, bereit, die niederzuschießen, gefaßt.

Da ritt Dumouriez auf diese Menschen zu; sie bildeten sieben Bataillons.

»Ihr Leute,« rief er, »denn ich will Euch weder Bürger, noch Soldaten, noch meine Kinder nennen, – Ihr seht vor Euch diese Artillerie, hinter Euch diese Kavallerie; damit sage ich Euch, daß ich Euch zwischen dem Eisen und dem Feuer halte! Ihr habt Euch entehrt durch Verbrechen; ich dulde hier weder Mörder, noch Henker! Bei der kleinsten Meuterei lasse ich Euch in Stücke zerhacken! Bessert Ihr Euch, führt Ihr Euch auf wie dieses Heer, bei welchem zugelassen zu sein Ihr die Ehre habt, so werdet Ihr an mir einen guten Vater finden. Ich weiß, daß es unter Euch Schurken gibt, welche beauftragt sind, Euch zum Verbrechen anzutreiben: jagt sie selbst fort, oder zeigt sie mir an! Ich mache Euch für einander verantwortlich!«

 

Und diese Menschen beugten nicht nur das Haupt und wurden vortreffliche Soldaten, sie jagten nicht nur die Unwürdigen fort, sondern sie hieben auch in Stücken den elenden Charlot, der die Prinzessin von Lamballe mit einem Scheite geschlagen und ihren Kopf am Ende einer Pieke umhergetragen hatte.

In dieser Lage erwartete man Kellermann, ohne welchen man nichts wagen konnte.

Am 19. erhielt Dumouriez die Meldung, sein Lieutenant sei nur noch zwei Meilen von ihm auf seiner Linken entfernt.

Dumouriez schickte ihm sogleich eine Instruction zu.

Er forderte ihn auf, am andern Tage das Lager zwischen Dampierre und der Elize zu besetzen. Die Oertlichkeit war vollkommen bezeichnet.

Zu gleicher Zeit, da er die Instruction an Kellermann schickte, sah Dumouriez vor sich die preußische Armee auf den Bergen der Lune sich entfalten, so daß die Preußen sich zwischen Paris und ihm, und folglich näher bei Paris als bei ihm befanden.

Es war alle Wahrscheinlichkeit, daß die, Preußen eine Schlacht suchten.

Dumouriez befahl also Kellermann, einen Kampf platz auf den Höhen von Valmy und Gizancourt zu nehmen. Kellermann vermengte sein Lager mit seinem Kampfplatze:60 er machte auf den Höhen von Valmy Halt.

Das war ein großer Fehler, oder eine erschreckliche Geschicklichkeit.

Gestellt, wie er war, konnte sich Kellermann mit umdrehen, indem er seine ganze Armee über eine schmale Brücke passiren ließ; er konnte sich nur auf die Recht von Dumouriez zurückziehen, indem er durch einen Sumpf marschierte, wo er versunken wäre; er konnte sich auf seine Linke nur zurückziehen durch ein tiefes Thal, wo er zermalmt worden wäre.

Kein Rückzug möglich.

War es das, was der alte elsässische General hatte wollen? Dann war es ihm großartig gelungen. Ein schöner Ort, zu siegen oder zu sterben!

Braunschweig schaute unsere Soldaten mit Erstaunen an.

»Diejenigen, welche sich dort einquartiert habe, sind entschlossen, nicht zurückzuweichen,« sagte er zum König von Preußen.

Doch man ließ die preußische Armee glauben, Dumouriez sei abgeschnitten, und man versicherte ihr, die Heer von Schneidern, Landstreichern und Schuhflickern wie es die Emigranten nannten, werde sich bei den ersten Salven ihrer Kanonen zerstreuen.

Man hatte es versäumt, die Anhöhen von Gizancourt durch den General Chazot, – der längs der Landstraße von Chalons aufgestellt war, – besetzen zu lassen, – Anhöhen, von denen aus er dem Feinde die Flanken gefallen wäre, die Preußen benützten die Nachlässigkeit und bemächtigten sich der Position.

Sie waren es sodann, welche dem Corps von Kellermann in die Flanken fielen.

Der Tag brach, verdüstert durch einen dicken Nebel, an, doch das war gleichgültig. Die Preußen wußten, wo die französische Armee stand: sie war auf den Höhen von Valmy und konnte nicht anderswo sein.

Sechzig Feuerschlünde entzündeten sich zu gleicher Zeit, die preußischen Artilleristen schoßen aufs Gerathewohl; doch sie schossen in Massen, wenig lag also daran, ob man richtig schoß.

Die ersten Schüsse waren erschrecklich zu ertragen für dieses Heer, das, ganz Enthusiasmus, bewunderungswürdig anzugreifen gewußt hätte, aber schlecht zu warten verstand.

Sodann war der Zufall, – das war nicht die Geschicklichkeit, denn man sah ja nicht, – der Zufall war Anfangs gegen uns; die Haubitzen der Preußen steckten zwei Munitionswagen in Brand, und sie zersprangen. Die Führer der Wagen warfen sich von den Pferden, um sich vor der Explosion zu schützen: man hielt sie für Flüchtlinge.

Kellermann sprengte nach dem Orte, wo eine große Verwirrung herrschte, mit der sich der Nebel und der Rauch vermischten.

Plötzlich sah man sein Pferd und ihn niedergeschmettert hinrollen.

Das Pferd war von einer Kanonenkugel erschossen; der Mann hatte nichts, er sprang auf ein anderes Pferd, und sammelte einige Bataillons, welche auseinander liefen.

In diesem Augenblicke war es elf Uhr Morgens; der Nebel fing an sich zu zerstreuen.

Kellermann sah die Preußen, die sich in drei Colonnen formirten, um das Plateau von Valmy anzugreifen er formirte seine Soldaten ebenfalls in drei Colonnen, durchritt die ganze Linie und sprach:

»Soldaten! Keinen Flintenschuß! erwartet den Feind festen Fußes und empfangt ihn mit dem Bajonnet!«

Und er steckte den Hut an das Ende seines Säbels und rief:

»Es lebe die Nation! und laßt uns für sie siegen!«

Auf der Stelle ahmt sein ganzes Heer seinem Beispiele nach; jeder Soldat steckt seinen Hut an das Ende seines Bajonnets und ruft: »Es lebe die Nation!« Der Nebel erhebt sich, der Rauch zerstreut sich, und Braunschweig erblickt mit seinem Augenglase ein seltsames, außerordentliches, unerhörtes Schauspiel: dreißigtausend Franzosen unbeweglich, mit entblößtem Haupte, ihre Gewehre emporhaltend, und auf das Feuer der Feinde nur durch den Ruf: »Es lebe die Nation!« antwortend.

Braunschweig schüttelte den Kopf; wäre er allein gewesen, so hätte die preußische Armee nicht einen Schritt mehr gemacht; doch der König war da, er wollte die Schlacht, und man mußte gehorchen.

Die Preußen stiegen, fest und düster, unter den Augen des Königs und von Braunschweig hinan; sie durchschritten den Raum, der sie von ihren Feinden trennte, mit der Solidität eines alten Heeres von Friedrich; jeder Mann schien durch einen eisernen Ring an den, welcher ihm voranging, befestigt.

Plötzlich schien die ungeheure Schlange in der Mitte abzubrechen; doch ihre Stücke vereinigten sich alsbald wieder.

Fünf Minuten nachher war sie aufs Neue gebrochen, und sie verband sich abermals.

Zwanzig Kanonen von Dumouriez faßten die Colonne in der Flanke und schmetterten sie unter einem Eisenregen nieder; der Kopf konnte nicht hinaufsteigen, da er jeden Augenblick durch die Convulsionen des Leibes, den die Kartätschen zerrissen, rückwärts gezogen wurde.

Braunschweig sah, daß es ein verlorener Tag war und ließ den Rappel blasen.

Der König befahl, zum Angriffe zu trommeln, und trieb seine folgsame, tapfere Armee unter das doppelte Feuer von Kellermann und Dumouriez; er brach sich an den französischen Linien.

Etwas Leuchtendes, Glänzendes schwebte über diesem jungen Heere; das war der Glaube!

»Ich habe keine solche Fanatiker seit den Religionskriegen gesehen!« sagte Braunschweig.

Das waren erhabene Fanatiker der Freiheit!

Sie, die Helden von 1792, hatten die große Eroberung des Krieges begonnen, welche mit der Eroberung der Geister endigen sollte.

Am 20. September rettete Dumouriez Frankreich.

Am anderen Tage emancipirte der Nationalconvent Europa dadurch, daß er die Republik proclamirte!

CLXXIV
Der 21. September

Am 21. September, um Mittag, ehe man in Paris den von Dumouriez erfochtenen Sieg kannte, der Frankreich rettete, öffneten sich die Thüren des Saales der Reitschule, und man sah langsam, feierlich, fragende Blicke auf einander werfend, die siebenhundert neunundvierzig Mitglieder, welche die neue Assemblée bildeten, eintreten.

Von diesen siebenhundert neunundvierzig Mitgliedern gehörten zweihundert der alten Nationalversammlung an.

Der Nationalconvent war unter dem Eindrucke der Septemberneuigkeiten gewählt worden; man hätte also von Anfang an eine reactionäre Versammlung glauben können. Es war sogar etwas Besseres; mehrere Adelige waren gewählt worden; – ein ganz demokratischer Gedanke hatte die Dienstboten zur Abstimmung berufen: Einige hatten Herren gewählt.

Diese neuen Abgeordneten waren übrigens Bürgersleute, Aerzte, Advocaten, beeidigte Priester, Literaten, Journalisten, Kaufleute. Der Geist dieser Masse war unruhig und schwankend; fünfhundert Repräsentanten waren weder Girondisten, noch Montagnards61; die Ereignisse sollten bestimmen, welchen Platz sie in der Versammlung einnehmen würden.

Alles dies war aber einstimmig in einem doppelten Hasse: Haß gegen die Septembertage, Haß gegen die fast gänzlich aus der Commune genommene Deputation von Paris, welche diese entsetzlichen Tage gemacht hatte.

Man hätte glauben sollen, das vergossene Blut fließe durch den Saal der Reitschule und isolire die hundert Montagnards von der übrigen Versammlung.

Selbst das Centrum, als wollte es sich von dem rothen Bache entfernen, neigte sich gegen die Rechte hin.

Die Montagne, – erinnern wir uns der Menschen und versetzen wir uns in Gedanken in die Ereignisse, welche in Erfüllung gegangen waren, – die Montagne bot einen furchtbaren Anblick.

Das war in den unteren Gliedern die ganze Commune; über der Commune der berufene Aufsichtsausschuß der die Metzelei gemacht hatte; sodann als eine dreiköpfige Hydra, auf der obersten Spitze des Dreiecks, drei entsetzliche Gesichter, drei tief charakterisirte Masken.

Zuerst das kalte, unempfindliche Gesicht von Robespierre mit der pergamentartigen, auf seine schmale Stirne geklebten Haut, mit den blinzelnden unter seiner Brille verborgenen Augen, mit den geballten, auf seinem Schooße ausgestreckten Händen, nach der Art jener aus dem härtesten von allen Marmorn, aus dem Porphyr gehauenen ägyptischen Figuren: ein Sphinx, der allein das Auflösungswort der Revolution zu haben schien, von dem es aber Niemand zu verlangen wagte.

Neben ihm das verunstaltete, zerrissene Gesicht von Danton, mit seinem verkrümmten Munde, seiner beweglichen Maske, seinem Gepräge erhabener Häßlichkeit, mit seinem fabelhaften Leibe, halb Mensch, halb Stier, fast sympathetisch trotz Alledem, denn man fühlte, daß das, was dieses Fleisch schauern, diese Lava hervorsprudeln machte, die Schläge eines tief patriotischen Herzens waren, und daß diese breite Hand, die immer seiner ersten Bewegung gehorchte, sich mit derselben Leichtigkeit ausstreckte, um einen stehenden Feind zu treffen, oder um einen auf der Erde liegenden Feind aufzuheben.

Sodann, an der Seite von diesen zwei in ihren Ausdrücken so verschiedenen Gesichtern, hinter ihnen, über ihnen, erschien, nicht ein Mensch, – es ist dem menschlichen Geschöpfe nicht erlaubt, einen solchen Grad von Häßlichkeit zu erreichen, – sondern ein Ungeheuer, eine Chimäre, eine Unheil weissagende und zugleich lächerliche Vision, – Marat! Marat mit seinem kupferfarbigen, von Blut und Galle unterlaufenen Gesichte; mit seinen frechen und geblendeten Augen; mit seinem schalen, breit gespaltenen, zum Schlendern oder vielmehr zum Ausspeien der Schmähung disponirten Munde, mit seiner gekrümmten, durch ihre weit geöffneten Löcher jene Popularitätsluft, welche für ihn aus den Rinnsteinen und den Gossen aufstieg, einathmenden Nase; Marat gekleidet, wie der Schmutzigste von seinen Bewunderern, der Kopf umbunden mit einem befleckten Tuche; Marat mit seinen mit Nägeln beschlagenen Schuhen, ohne Schnallen, häufig ohne Bänder; mit seiner Hose von groben schwarzem Tuche, mit Koth überzogen; mit seinen auf seiner mageren, und dennoch im Verhältniß zu seine Gestalt breiten, Brust offenen Hemde; mit seiner schwarzen, fettigen, schmalen Cravate, welche die abscheulichen Ansätze seines Halses sehen ließ, die, schlecht miteinander harmonierend, den Kopf sich nach links neigen machten; mit seinen schmutzigen, dicken Händen, immer drohend, immer die Faust weisend und in den Zwischenräumen ihrer Drohungen seine fetten Haar durchfurchend. Dieses Gesammtwesen, ein Riesenrumpf auf Zwergenbeinen, war häßlich anzuschauen; die erst Bewegung von Jedem, der es erblickte, war auch, da er sich abwandte; doch das Auge wandte sich nicht rasch ab, daß es nicht auf Allem dem las; der 2. September! und dann blieb das Auge starr und erschrocken wie vor einem andern Medusenhaupte.

Das waren die drei Männer, welche die Girondisten beschuldigten, sie trachten nach der Dictatur.

Sie, ihrerseits, beschuldigten die Girondisten, ist wollen den Föderalismus.

Zwei andere Männer, welche durch verschiedene Interessen und verschiedene Gesinnungen mit der Erzählung, die wir unternommen, verknüpft sind, saßen auf den zwei entgegengesetzten Seiten dieser Versammlung Billot, Gilbert; Gilbert auf der äußersten Rechten, zwischen Lanjuinais und Kersaint; Billot auf der äußersten Linken, zwischen Thuriot und Couthon.

 

Die Mitglieder der ehemaligen legislativen Versammlung begleiteten den Convent; sie hatten feierlich abdicirt und Ihre Vollmachten in die Hände ihrer Nachfolger niedergelegt.

François von Neuschateau, der letzte Präsident der aufgelösten Versammlung, bestieg die Tribüne und nahm das Wort.

»Repräsentanten der Nation,« sagte er, »die gesetzgebende Versammlung hat ihre Functionen zu versehen aufgehört; sie legt die Regierung in Eure Hände nieder.«

»Das Ziel Eurer Anstrengungen wird sein, den Franzosen die Freiheit, die Gesetze, den Frieden zu geben! die Freiheit, ohne welche die Franzosen nicht leben können; die Gesetze, die festeste Grundlage der Freiheit, den Frieden, den einzigen und alleinigen Zweck des Krieges.

»Die Freiheit, die Gesetze, der Friede, diese drei Worte wurden von den Griechen über den Pforten des Tempels von Delphi eingegraben. Ihr werdet sie dem ganzen Boden Frankreichs ausprägen!«

Die gesetzgebende Versammlung hatte ein Jahr gedauert.

Sie hatte ungeheure und erschreckliche Ereignisse in Erfüllung gehen sehen: den 20. Juni, den 10. August, den 2. und den 3. September! Sie hinterließ Frankreich den Krieg mit zwei Mächten des Nordens, den Bürgerkrieg in den Vendée, eine Schuld von zwei Billiarden, zwei hundert Millionen Assignate, – und den Sieg von Valmy, am Tage vorher erfochten, allein noch Jedermann unbekannt.

Pétion wurde durch Acclamation zum Präsidenten ernannt.

Condorcet, Brissot, Rabant-Saint-Etienne, Vergniaud, Camus und Lasource wurden zu Secretären gewählt: fünf Girondisten unter sechs.

Der ganze Convent, mit Ausnahme vielleicht von dreißig bis vierzig Mitgliedern, wollte die Republik nur hatten die Girondisten in einer Zusammenkunft Madame Roland beschlossen, man sollte die Discussion über die Veränderung der Regierung erst in der ihn entsprechenden Stunde und an dem ihnen entsprechend Orte zulassen, das heißt, wenn sie sich der ersten Commissionen und der Verfassungs-Commission bemächtigt hätten.

Doch am 20. September, am Tage der Schlacht von Valmy, lieferten andere Streiter eine noch viel mehr entscheidende Schlacht!

Saint-Just, Lequinio, Panis, Billaud-Varennes, Collot-d’Herbois und einige andere Mitglieder der künftigen Versammlung speisten im Palais Royal Mittag; sie beschlossen, es sollte schon am andern Tag das Wort Republik ihren Feinden zugeschleudert werden.

»Nehmen sie es auf,« sagte Saint-Just, »so in sie verloren, denn wir werden es sein, die dieses Wort zuerst ausgesprochen haben; weisen sie es zurück, so sind sie abermals verloren, denn, dieser Leidenschaft die Volkes sich widersetzend, werden sie durch die Umpopularität, die wir über ihren Häuptern aufhäufen, überschwemmt werden.«

Collot-d’Herbois übernahm die Motion.

François von Neuschateau hatte auch kaum in Vollmachten der alten Versammlung der neuen übergeben, als Collot-d’Herbois das Wort verlangte.

Es wurde ihm bewilligt.

Er bestieg die Tribune; das Losungswort war den Ungeduldigen gegeben.

»Bürger Repräsentanten,« sprach er, »ich beantrage Folgendes: der erste Beschluß der Versammlung welche so eben zusammengetreten ist, sei die Abschaffung des Königthums.«

Bei diesen Worten brach eine ungeheure Acclamation im Saale und auf den Tribünen aus.

Nur zwei Opponenten erhoben sich, zwei wohlbekannte Republicaner: Barère und Quinette. Sie verlangten, daß man den Willensausspruch des Volkes abwarte.

»Den Willensausspruch des Volkes? wozu?« fragte ein armer Dorfpfarrer; »wozu deliberiren, wenn alle Welt einverstanden ist? die Könige sind in der moralischen Ordnung, was in der physischen die Ungeheuer sind; die Höfe sind die Werkstätte aller Verbrechen; die Geschichte der Könige ist das Märtyrerbuch der Nationen.«

Man fragte, wer der Mann sei, der diese kurze, aber energische Geschichte des Königthums gegeben habe. Wenige wußten seinen Namen: er hieß Grégoire.

Die Girondisten fühlten den Schlag, den man ihnen versetzt hatte; sie sollten im Schlepptau der Montagnards sein.

»Fassen wir den Beschluß noch in dieser Sitzung ab,« rief von seinem Platze aus Ducos, der Freund und Zögling von Vergniaud. Der Beschluß bedarf nicht der Angabe von Beweggründen: nach der Erleuchtung, die der 10. August verbreitet hat, wird der Beweggrund Eures Beschlusses, die Abschaffung des Königthums betreffend, die Geschichte der Verbrechen von Ludwig XVI. Sein.«

So fand sich das Gleichgewicht wiederhergestellt; die Montagnards hatten die Abschaffung des Königthums verlangt; doch die Girondisten hatten die Einführung der Republik gefordert.

Die Republik wurde nicht decretirt, sie wurde durch Acclamation angenommen.

Man warf sich nicht nur in die Zukunft, um die Vergangenheit zu fliehen, sondern auch in das Unbekannte aus Haß gegen das Bekannte.

Die Proclamation der Republik entsprach einem ungeheuren Volksdedürfnisse. Das war die Weihung des langen Streites, den das Volk seit den Gemeinden ausgehalten hatte; das war die Absolution der Jacquerie, der Mallotins, der Ligue, der Fronde, der Revolution, es war die Krönung der Menge zum Nachtheile des Königthums.

Es war, – so frei athmete jeder Bürger, – als hätte man von der Brust von Jedem das Gewicht des Thrones genommen.

Die Stunden der Illusion waren kurz, aber glänzend; man hatte eine Republik zu proclamiren geglaubt; man hatte eine Revolution eingeweiht.

Gleichviel! man hatte etwas Großes gethan, was auf mehr als ein Jahrhundert die Welt erschüttern sollte.

Die wahren Republikaner, die reinsten wenigstens, diejenigen, welche die Republik frei von Verbrechen wollten, diejenigen, welche am andern Tage das Triumvirat von Danton, Robespierre und Marat anfechten sollten, – die Girondisten waren im höchsten Grade erfreut. Die Republik, das war die Verwirklichung ihres theuersten Wunsches; man hatte, Dank sei es ihnen, unter den Trümmern von zwanzig Jahrhunderten den Typus der menschlichen Regierungen wiederaufgefunden. Frankreich war ein Athen unter Franz I. und Ludwig XIV. gewesen; es sollte ein Sparta mit ihnen werden!

Das war ein schöner, ein erhabener Traum! Sie versammelten sich auch am Abend zu einem Bankett beim Minister Roland. Hier befanden sich Vergniaud, Guadet, Louvet, Pétion, Boyer-Fonfrède, Barbaroux, Gensonné, Grangeneuve Condorcetra, diese Tischgenossen, welche, ehe ein Jahr verlaufen, ein anderes Bankett, das noch viel feierlicher als dieses, versammeln sollte! Doch in diesem Augenblicke warf Jeder, dem andern Tage den Rücken zuwendend, die Augen vor der Zukunft schließend, freiwillig den Schleier auf den unbekannten Ocean, wo man eintrat, und wo man diesen Schlund brüllen hörte, der, wie der Mälstrom der scandinavischen Sagen, wenn nicht das Schiff, doch wenigstens die Steuermänner und die Matrosen verschlingen sollte.

Der Gedanke von Allen war geboren, er hatte eine Form, ein Aussehen, einen Körper angenommen; er war da vor ihren Augen: die junge Republik sprang bewaffnet mit dem Helme und dem Speere hervor; was konnten sie mehr verlangen?

Das war während der zwei Stunden, die das feierliche Liebesmahl dauerte, ein Austausch von hohen Gedanken, hinter denen sich große Hingebungen gruppirten. Diese Männer sprachen von ihrem Leben wie von einer Sache, die schon nicht mehr ihnen gehörte, sondern der Nation. Sie reservirten die Ehre, das war Alles; im Nothfalle würden sie den Ruf preisgeben.

Es gab darunter, welche im tollen Rausche ihrer jugendlichen Hoffnungen vor ihnen sich die azurnen, endlosen Horizonte, die man nur in den Träumen findet, öffnen sahen; das waren die Jungen, die Glühenden, diejenigen, welche am Tage vorher in diesen Kampf, den entnervendsten von allen, den Kampf der Tribüne, eingetreten: es waren Barbaroux, Rebecqui, Ducos, Boyer-Fonfrède.

Da waren Andere, welche mitten auf dem Wege Halt machten, Kräfte sammelnd für den Lauf, den sie noch zu vollbringen hatten; das waren diejenigen, welche sich unter den harten Tagen der gesetzgebenden Versammlung gebeugt hatten: die Guadet, die Gensonné, die Grangeneuve, die Vergniaud.

Wieder Andere waren da, welche sich bei ihrem Ziele angelangt fühlten und begriffen, die Popularität werde sie demnächst verlassen; im Schatten des entstehenden Blätterwerks vom republicanischen Baume liegend, fragten sie sich schwermüthig, ob es wohl der Mühe werth sei, aufzustehen, aufs Neue seine Lenden zu umgürten, den Wanderstab wiederzunehmen, um beim ersten Hindernisse zu stolpern: das war Roland, das war Pétion.

Wer war aber in den Augen von allen diesen Männern das Haupt der Zukunft? wer war der Urheber, wer würde der zukünftige Mäßiger der jungen Republik sein? Vergniaud.

Am Ende des Mahles füllte er sein Glas, stand auf und sprach:

»Meine Freunde, einen Toast.«

Alle standen auf wie er.

»Auf die Ewigkeit der Republik!«

Alle wiederholten:

»Auf die Ewigkeit der Republik!«

Er wollte das Glas an seine Lippen setzen.

»Warten Sie,« sagte Madame Roland.

Sie trug an ihrer Brust eine frische Rose, die sich so eben geöffnet hatte, wie die neue Aera, in die man eintrat: sie nahm sie, und wie es eine Athenienserin in den Becher von Perikles gethan hatte, entblätterte sie dieselbe in das Glas von Vergniaud.

59Man wollte diesem wiederholt hier vorkommenden Worte seine französische Bedeutung lassen: es sollen nämlich hiermit unter seinem Oberbefehle besondere Heertheile commandirende Generale bezeichnet sein.
60Eine Verwechselung von camp und champs.
61Mitglieder der Bergpartei.
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