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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Aber wer ist denn dieser Robespierre?«

»Ah! da bist Du, Aristokrat des 17. Jahrhunderts! »»Wer ist denn dieser Cromwell?«« fragte der Graf von Strafford, dem der Protector den Kopf abschlagen sollte; »»ich glaube, ein Bierschenk.««

»Wollen Sie damit sagen, mein Kopf lause dieselbe Gefahr, wie der von Sir Thomas Wentworth?« fragte Gilbert, der ein Lächeln versuchte, welches sich auf seinen Lippen in Eis verwandelte.

»Wer weiß?« versetzte Cagliostro.

»Ein Grund mehr, daß ich mich erkundige,« sprach der Doctor.

»Wer dieser Robespierre ist? In ganz Frankreich weiß es vielleicht Niemand als ich. Ich liebe es, damit bekannt zu sein, woher die Auserwählten des Verhängnisses kommen; das hilft mir errathen, wohin sie gehen. Die Robespierre sind Irländer. Ihre Vorfahren gehörten vielleicht zu jenen irischen Colonien, welche im 16. Jahrhundert herüberkamen und die Seminarien und Klöster unserer nördlichen Küsten bevölkerten; dort werden sie von den Jesuiten die starke Widersprecher-Erziehung erhalten haben, die diese ihren Zöglingen gaben; sie waren Notare vom Vater auf den Sohn. Ein Zweig der Familie, der, von welchem dieser abstammt, ließ sich in Arras, einem, wie Sie wissen, großen Centrum des Adels und der Geistlichkeit, nieder. Es waren in der Stadt zwei Herren oder vielmehr zwei Könige: der Eine, der Abt von Saint-Wast; der Andere, der Bischof von Arras, dessen Palast die Hälfte der Stadt in den Schatten stellt. In dieser Stadt ist derjenige, welchen Sie dort sehen, im Jahre 1758 geboren. Was er als Kind gethan hat, was er als junger Mann gethan hat, was er in dickem Augenblicke thut, will ich Ihnen mit zwei Worten sagen; was er thun wird, habe ich Ihnen schon mit einem gesagt. Es waren vier Kinder im Hause. Der Chef der Familie verlor seine Frau; er war Advocat beim Rathe von Artois; nach dem Tode seiner Frau versank er in eine tiefe Traurigkeit; er hörte auf zu plaidiren, unternahm eine Zerstreuungsreise und kam nicht mehr zurück. Mit elf Jahren war der älteste Sohn, – dieser hier, – ebenfalls Familienhaupt, Vormund von einem Bruder und von zwei Schwestern; in diesem Allen begriff, seltsamer Weise, das Kind seine Aufgabe und machte sich sogleich zum Manne. In vier und zwanzig Stunden wurde er das, was er geblieben ist: ein Gesicht, was zuweilen lächelt, ein Herz, das nie lacht. Er war der beste Zögling vom Collegium. Man erhielt für ihn vom Abte von Saint-Wast eines von den Stipendien, über welche der Prälat beim Collége Louis-le-Grand verfügte. Er kam allein nach Paris, empfohlen an einen Domherrn von Notre-Dame; im Verlaufe des Jahres starb der Domherr. Beinahe zu gleicher Zeit starb in Arras seine jüngere Schwester, die er am meisten liebte. Der Schatten der Jesuiten, die man aus Frankreich vertrieben hatte, fiel noch auf die Mauern von Louis-le-Grand. Sie kennen das Gebäude, wo zu dieser Stunde Ihr Sebastian heranwächst; düster und tief wie die der Bastille, entfärben seine Höfe die frischesten Gesichter: das des jungen Robespierre war bleich, sie machten es leichenfarbig. Die anderen Kinder gingen zuweilen aus; für sie hatte das Jahr Sonntage und Feste; für den verwaisten, jeder Protection entbehrenden Stipendiaten waren alle Tage dieselben. Während die Anderen die Luft der Familie athmeten, athmete er die Lust der Einsamkeit, der Traurigkeit und der Langweile: drei schlimme Hauche, welche in den Herzen den Haß und den Neid entzünden und der Seele ihre Blüthe rauben. Dieser Hauch verschmächtigte den Knaben und machte einen faden jungen Mann aus ihm. Eines Tags wird man nicht glauben, daß es ein Portrait von Robespierre im Alter von vier und zwanzig Jahren gibt, wo er eine Rose in einer Hand hält und die andere an seine Brust drückt mit der Devise: »Alles für meine Freundin!«

Gilbert lächelte traurig, indem er Robespierre anschaute.

»Es ist wahr,« fuhr Cagliostro fort, »als er diese Devise nahm und sich so malen ließ, schwor diese Freundin, nichts auf der Welt werde ihr Schicksal trennen; er schwor auch, und zwar als ein Mann, der gesonnen ist, seinen Schwur zu halten. Er machte eine Reise von drei Monaten und fand sie verheirathet wieder. Der Abt von Saint-Wast war übrigens sein Gönner geblieben; er hatte seinem Bruder das Stipendium vom Collége Louis-le-Grand zukommen lassen und ihm die Stelle eines Richters beim Criminaltribunal gegeben. Es kam ein Prozeß zur gerichtlichen Entscheidung, ein Mörder war zu bestrafen; Robespierre, voller Gewissensbisse, daß er, selboritte, es gewagt, über das Leben eines Menschen zu verfügen, obgleich dieser Mensch als schuldig erkannt war, Robespierre nahm seine Entlassung. Er wurde Advocat, denn er mußte leben und seine junge Schwester ernähren; der Bruder wurde schlecht genährt im Collége Louis-le-Grand, aber er war doch am Ende genährt. Kaum hatte er sich in die Liste einschreiben lassen, als ihn Bauern baten, für sie gegen den Bischof von Arras zu plaidiren. Die Bauern waren in ihrem Rechte; Robespierre überzeugte sich hiervon durch die Prüfung der Acten, plaidirte, gewann den Prozeß der Bauern und wurde, noch ganz warm von seinem Siege, in die Nationalversammlung geschickt. In der Nationalversammlung fand sich Robespierre zwischen einen mächtigen Haß und eine tiefe Verachtung gestellt: Haß der Geistlichkeit gegen den Advocaten, der es gewagt hatte, gegen den Bischof von Arras zu plaidiren; Verachtung der Adeligen des Artois gegen den durch die Wohlthätigkeit erzogenen Robin.11«

»Aber was hat er denn bis heute gethan?« unterbrach Gilbert.

»Oh mein Gott! beinahe nichts für die Andern, aber ziemlich viel für mich. Entspräche es nicht meinen Plänen und Absichten, daß dieser Mensch arm ist, so gäbe ich ihm morgen eine Million.«

»Ich frage Sie noch einmal: was hat er gethan?«

»Erinnern Sie sich des Tages, wo die Geistlichkeit heuchlerischer Weise in der Versammlung den durch das königliche Veto unschlüssigen dritten Stand bat, seine Arbeiten zu beginnen?«

»Ja.«

»Nun wohl, durchlesen Sie noch einmal die Rede, welche an diesem Tage der kleine Advocat von Arras hielt, und Sie werden sehen, ob nicht eine ganze Zukunft in dieser herben Heftigkeit liegt, die ihn beinahe beredt machte.«

»Doch seitdem?«

»Seitdem?  . . .Oh! das ist wahr. Wir sind genöthigt, vom Monat Mai auf den Monat October überzuspringen. Als am 5. Maillard, der Abgeordnete der Pariser Weiber, im Namen seiner Clientinnen die Nationalversammlung haranguirte, nun, da blieben alle Mitglieder dieser Versammlung stumm und unbeweglich; dieser kleine Advocat aber zeigte sich nicht allein herb, er zeigte sich vermessener, als Einer. Alle angebliche Vertheidiger des Volks schwiegen, er erhob sich zweimal; das erste Mal unter dem Lärmen, das zweite Mal unter dem Stillschweigen. Er unterstützte Maillard, der im Namen der Hungersnoth sprach und Brod verlangte.«

»Ja, in der That,« sagte Gilbert nachdenkend, »das wird ernster; doch vielleicht wird er sich ändern.«

»Oh! mein lieber Doctor, Sie kennen nicht den Unbestechlichen, wie man ihn eines Tages nennen wird: wer würde übrigens den kleinen Advocaten, über den Jedermann lacht, erkaufen wollen? Dieser Mensch, welcher später, – hören Sie wohl, was ich Ihnen sage, Gilbert, – welcher später der Schrecken der Versammlung sein wird, ist heute die Zielscheibe des Spottes. Die adeligen Jacobiner sind übereingekommen, Herr von Robespierre sei der lächerlichste Mensch der Nationalversammlung, derjenige, welcher alle Welt belustige und belustigen müsse, derjenige, über welchen Jeder spotten könne und spotten müsse. Die großen Versammlungen langweilen sich manchmal, es muß wohl ein Gimpel da sein, der sie erheitert. In den Augen der Lameth, der Cazalès, der Maury, der Barnave, der Duport ist Herr von Robespierre ein Gimpel. Seine Freunde verrathen ihn, indem sie ganz leise lächeln, seine Feinde zischen ihn auf und lachen ganz laut; wenn er spricht, spricht alle Welt; wenn er die Stimme erhebt, schreit Jeder; hat er, – immer zu Gunsten des Rechts, immer um irgend ein Princip zu vertheidigen, – eine Rede gehalten, die Niemand angehört, so verlangt irgend ein unbekanntes Mitglied, auf das der Redner einen Moment seinen Blick heftet, ironisch den Druck der Rede. Ein Einziger von seinen Collegen begreift ihn; ein Einziger errathen Sie, welcher? Mirabeau. »»Dieser Mensch wird weit gehen,«« sagte er mir vorgestern, »»denn dieser Mensch glaubt, was er spricht.«« Was, wie Sie sich denken können, Mirabeau seltsam scheint.«

»Ich habe die Rede dieses Mannes gelesen und sie mittelmäßig, flach gefunden,« entgegnete Gilbert.

»Ei! mein Gott, ich sage Ihnen nicht, es sei ein Demosthenes oder ein Cicero, ein Mirabeau oder ein Barnave; ei! nein, es ist ganz einfach Herr von Robespierre, wie man ihn geflissentlich nennt. Uebrigens behandelt man seine Reden eben so rücksichtslos in der Druckerei, wie auf der Tribune: auf der Tribune unterbricht man sie; in der Druckerei verstümmelt man sie. Die Journalisten nennen ihn nicht einmal Herr von Robespierre; nein, die Journalisten wissen seinen Namen nicht. Sie nennen ihn Herr B  . . ., Herr N  . . .oder Herr *** Oh! Gott allein und ich vielleicht wissen, was sich an Galle in dieser magern Brust, an Stürmen in diesem engen Gehirne anhäuft; denn um alle diese Beleidigungen, alle diese Schmähungen, alle diese Verrathe zu vergessen, hat der ausgezischte Redner, der seine Stärke fühlt, weder die Zerstreuung der Familie, noch die Erleichterung der Welt. In seiner traurigen Wohnung im traurigen Marais, in seinem kalten, dürftigen, jedes Hausraths entbehrenden Zimmer in der Rue Saintonge, wo er ganz klein von seinem Gehalte als Abgeordneter lebt, ist er allein wie in den feuchten Höfen von Louis-le-Grand. Bis zum vorigen Jahre ist sein Gesicht noch jung und sanft gewesen: sehen Sie, seit einem Jahre ist es vertrocknet, wie die Köpfe der Caraiben-Häuptlinge vertrocknen, welche von Oceanien die Cook und die la Pérouse zurückbringen; er verläßt die Jacobiner nicht, und bei den für Alle unsichtbaren Aufregungen, die er erleidet, bekommt er Blutflüsse, welche ihn schon mehrere Male ohne Bewußtsein gelassen haben. Sie sind ein großer Algebrist, Gilbert, nun, ich fordere Sie heraus, durch die übertriebensten Multiplicationen das Blut zu berechnen, welches diesem Adel, der ihn beschimpft, diesen Priestern, die ihn verfolgen, diesem König, der nichts von ihm weiß, das Blut, das Robespierre verliert, kosten wird.«

 

»Warum kommt er aber in den Club der Jacobiner?«

»Oh! weil man ihn, der in der Nationalversammlung ausgezischt wird, bei den Jacobinern anhört. Die Jacobiner, mein lieber Doctor, das ist der Minotaurus als Kind; er saugt an einer Kuh, später wird er ein Volk verschlingen. Nun wohl, von den Jacobinern ist Robespierre der Typus. Die Gesellschaft faßt sich in ihm zusammen, und er ist der Ausdruck der Gesellschaft: nichts mehr, nichts weniger; er geht denselben Schritt wie sie, ohne ihr zu folgen, ohne ihr vorzugehen. Nicht wahr, ich habe Ihnen versprochen, Sie ein kleines Instrument sehen zu lassen, mit dem man sich gegenwärtig beschäftigt, und das zum Zwecke hat, einen Kopf, vielleicht zwei in der Minute fallen zu machen? wohl, von allen hier anwesenden Personen ist diejenige, welche diesem Tödtungsinstrumente am meisten Arbeit geben wird, der kleine Acvocat von Arras, Herr von Robespierre.«

»Wahrhaftig, Graf, Sie sind fürchterlich,« sagte Gilbert, »und wenn mich Ihr Cäsar nicht ein wenig für Ihren Brutus tröstet, so bin ich im Stande, die Ursache zu vergessen, aus der ich hierher gekommen  . . .Doch verzeihen Sie, was ist aus Cäsar geworden?«

»Sehen Sie ihn dort? Er plaudert mit einem Manne, den er noch nicht kennt, währender später einen großen Einfluß auf sein Geschick haben wird. Dieser Mann heißt Barras: behalten Sie seinen Namen und erinnern Sie sich desselben bei Gelegenheit.«

»Ich weiß nicht, ob Sie sich täuschen, Graf,« versetzte Gilbert, »aber in jedem Falle wählen Sie Ihre Typen sehr gut. Ihr Cäsar hat eine wahre Stirne, um die Krone zu tragen, und seine Augen, deren Ausdruck ich nicht erfassen kann  . . .«

»Ja, weil sie inwendig schauen; das sind die Augen, welche die Zukunft errathen, Doctor.«

»Und was sagt er zu Barras?«

»Er sagt ihm, wenn er die Bastille vertheidigt hätte, so würde man sie nicht genommen haben.«

»Das ist also kein Patriot?«

»Die Männer wie er wollen nichts sein, bevor sie Alles sind.«

»Sie behaupten also den Scherz in Betreff des kleinen Unterlieutenants?«

»Gilbert,« sprach Cagliostro, indem er die Hand gegen Robespierre ausstreckte, »so wahr als Dieser das Schaffot von Karl l wieder errichten wird, so wahr wird Jener,« – und er streckte die Hand gegen den Corsen mit den glatten Haaren aus, – »so wahr wird Jener den Thron von Karl dem Großen wieder aufbauen.«

»Also ist unser Kampf für die Freiheit unnütz?«

»Wer sagt Ihnen, der Eine werde nicht eben so viel für sie mit seinem Throne thun, als der Andere mit seinem Schaffot?«

»Das wird also ein Titus, ein Marc Aurel, es wird der Gott sein, der die Welt für das eherne Zeitalter tröstet?«

»Das wird zugleich Alexander und Hannibal sein. Mitten im Kriege geboren, wird er durch den Krieg groß werden und durch den Krieg fallen. Ich habe Sie aufgefordert, das Blut zu berechnen, welches dem Adel und der Geistlichkeit, das Blut, das Robespierre verliert, kosten werde; nehmen Sie das Blut, das Priester und Adelige verloren haben werden, häufen Sie Multiplicationen auf Multiplicationen, und Sie werden den Fluß, den See, das Meer von Blut nicht erreichen, das dieser Mann mit seinen Heeren von fünfmal hunderttausend Soldaten und seinen dreitägigen Schlachten mit ihren hundert und fünfzigtausend Kanonenschüssen vergießen wird.«

»Und was wird aus diesem Lärmen, aus diesem Rauche, aus diesem Chaos hervorgehen?«

»Was aus jeder Genesis hervorgeht,« Gilbert; wir sind beauftragt, die alte Welt zu begraben; unsere Kinder werden die neue Welt entstehen sehen; dieser Mann ist der Riese, der die Thüre derselben bewacht; wie Ludwig XIV., wie Leo X., wie Augustus, wird er seinen Namen dem Jahrhundert geben, das sich öffnet.«

»Und wie heißt dieser junge Mann?« fragte Gilbert, unterjocht durch die Miene, der Ueberzeugung von Cagliostro.

»Er nennt sich bis jetzt nur Bonaparte,« erwiederte der Prophet; »doch eines Tags wird er Napoleon heißen.«

Gilbert neigte seinen Kopf aus seine Hand und versank in eine so tiefe Träumerei, daß er, fortgezogen durch den Lauf seiner Gedanken, nicht bemerkte, daß die Sitzung eröffnet war und daß ein Redner die Tribune bestieg.

Eine Stunde war vergangen, ohne daß das Geräusch der Versammlung und der Tribunen, so stürmisch die Sitzung, Gilbert seinem Nachsinnen hatte entziehen können, als er fühlte, daß eine mächtige Hand sich aus seine Schulter legte.

Er wandte sich um, Cagliostro war verschwunden, doch an seinem Platze fand er Mirabeau.

Mirabeau mit einem durch den Zorn verstörten Gesichte.

Gilbert schaute ihn mit fragendem Auge an.

»Nun!« sagte Mirabeau.

»Was gibt es?« fragte Gilbert.

»Man hat uns zum Besten gehabt, schmählich behandelt, verrathen; der Hof will nichts von mir; man hat Sie als einen Gimpel angesehen und mich als einen Dummkopf.«

»Ich begreise Sie nicht, Graf.«

»Sie haben also nicht gehört?«

»Was?«

»Den Beschluß, der gefaßt worden ist!«

»Wo?«

»Hier.«

»Welcher Beschluß?«

»Sie schliefen also?«

»Nein,« erwiederte Gilbert, »ich träumte.«

»Nun denn, morgen werden als Antwort auf meine heutige Motion, welche beantragt, die Minister einzuladen, den nationalen Berathungen beizuwohnen, drei Freunde des Königs verlangen, daß kein Mitglied der Nationalversammlung während der Dauer der Session Minister sein könne. Hiermit stürzt die so mühsam errichtete Combination bei dem launenhaften Hauche Seiner Majestät des Königs Ludwigs XVI. zusammen; doch,« fuhr Mirabeau fort, indem er wie Ajax seine geschlossene Faust gegen den Himmel ausstreckte, »doch, bei meinem Namen Mirabeau, ich werde es ihnen zurückgeben, und wenn ihr Hauch ein Ministerium umstürzen kann, so werden sie sehen, daß der meinige einen Thron zu erschüttern vermag!«

»Aber,« versetzte Gilbert, »Sie werden nichtsdestoweniger in die Nationalversammlung gehen, Sie werden nichtsdestoweniger bis zum Ende kämpfen?«

»Ich werde in die Nationalversammlung gehen, ich werde bis zum Ende kämpfen. Ich gehöre zu denjenigen, welche man nur unter Trümmern begräbt.«

Und obgleich halb niedergeschmettert, entfernte sich Mirabeau doch schöner und furchtbarer durch die göttliche Furche, welche der Donner seiner Stirne eingedrückt hatte.

Am andern Tage nahm in der That auf den Antrag von Lanjuinais, trotz der Anstrengungen eines von Mirabeau entwickelten übermenschlichen Geistes, die Nationalversammlung mit einer ungeheuren Stimmenmehrheit die Motion an: »Daß kein Mitglied der Nationalversammlung während der Dauer der Session Minister sein könne.«

»Und ich rief Mirabeau, als das Decret beschlossen war, »ich schlage folgendes Amendement vor, das nichts an Ihrem Gesetze ändern wird: »»Alle Mitglieder der gegenwärtigen Versammlung können Minister sein, den Grafen von Mirabeau ausgenommen.««

Alle schauten einander bestürzt über diese Dreistigkeit an; dann stieg Mirabeau unter dem allgemeinen Stillschweigen von seiner Estrade mit dem Schritte herab, mit dem er aus Herrn von Dreux-Brézé zugegangen war, als er zu ihm sagte: »Wir sind hier durch den Willen des Volks, wir werden nur mit dem Bajonnet im Leibe weggehen.«

Er verließ den Saal.

Die Niederlage von Mirabeau glich dem Siege eines Andern.

Gilbert war nicht einmal in die Nationalversammlung gekommen.

Er war zu Hause geblieben und sann über die seltsamen Weissagungen von Cagliostro nach, ohne daran zu glauben; aber dennoch konnte er sie nicht aus seinem Geiste verwischen.

Die Gegenwart kam ihm klein im Vergleiche mit der Zukunft vor.

Vielleicht wird man mich fragen, wie ich, ein einfacher Geschichtschreiber der abgelaufenen Zeit, temporis acti, die Wahrsagung von Cagliostro in Beziehung auf Robespierre und Napoleon erklären werde?

Ich werde denjenigen, der diese Frage an mich richtet, bitten, mir die Prophezeiung zu erklären, welche Mademoiselle Lenormand Josephine gemacht hat?

Aus jedem Schritte trifft man in dieser Welt eine unerklärliche Sache: für diejenigen, welche solche Dinge nicht erklären können und nicht daran glauben wollen, ist der Zweifel erfunden worden.

XXXI
Metz und Paris

Wie es Cagliostro gesagt, wie es Mirabeau errathen, war es der König, der die Projecte von Gilbert scheitern gemacht hatte.

Die Königin, welche bei den Mirabeau gemachten Eröffnungen mehr mit dem Verdrusse einer Liebenden und der Neugierde einer Frau, als mit der Politik einer Königin zu Werke gegangen war, sah ohne großes Bedauern das ganze constitutionelle Gerüste fallen, das immer ihren Stolz scharf verletzte.

Was den König betrifft, so war seine fest beschlossene Politik, zu warten, Zeit zu gewinnen und aus den Umständen Nutzen zu ziehen; überdies boten ihm zwei angeknüpfte Unterhandlungen, auf der einen oder der andern Seite, die Chance einer Flucht aus Paris und eines Rückzugs nach einem festen Platze, was immer sein Lieblingsplan war.

Diese Unterhandlungen waren, wie wir wissen, die, welche einerseits Favras, der Mann von Monsieur, andererseits Charny, der eigene Bote von Ludwig XVI., angeknüpft hatten.

Charny machte die Reise von Paris nach Metz in zwei Tagen. Er fand Herrn von Bouillé in Metz und übergab ihm den Brief. Dieser Brief war, wie man sich erinnert, nur ein Mittel, Charny mit Herrn von Bonillé in Verbindung zu bringen. Der Letztere, wahrend er seine Unzufriedenheit über die Dinge, welche sich ereigneten, fing damit an, daß er sich äußerst zurückhaltend benahm.

Die in diesem Augenblick Herrn von Bouillé gegebene Eröffnung änderte in der That alle seine Pläne. Die Kaiserin Katharina hatte ihm Anerbietungen gemacht, und er war auf dem Punkte, an den König zu schreiben und ihn um Erlaubniß zu bitten, in russische Dienste treten zu dürfen, als der Brief von Ludwig XVI. kam.

Das Erste bei Herrn von Bouillé war also ein Zögern; doch bei dem Namen Charny, bei der Erinnerung an seine Verwandtschaft mit Herrn von Suffren, bei dem Gerüchte, das im Umlaufe war, die Königin beehre ihn mit ihrem ganzen Vertrauen, fühlte er sich, als getreuer Royalist, durchdrungen von dem Wunsche, den König der scheinbaren Freiheit zu entreißen, welche Viele als eine wirkliche Gefangenschaft betrachteten.

Ehe er indessen etwas mit Charny entschied, beschloß Herr von Bouillé, welcher behauptete, die Vollmachten von diesem seien nicht ausgedehnt genug, nach Paris, um sich unmittelbar mit dem König über diesen wichtigen Plan zu besprechen, seinen Sohn, den Grafen Louis von Bouillé, zu schicken.

Charny würde während dieser Unterhandlungen in Metz verweilen; kein persönliches Verlangen rief ihn nach Paris zurück und seine, vielleicht ein wenig übertriebene, Ehre machte es ihm beinahe zur Pflicht, als eine Art von Geißel in Metz zu bleiben.

Der Graf Louis kam um die Mitte des Monats November nach Paris. Um diese Zeit wurde der König von Herrn von Lafayette scharf bewacht, und der Graf Louis von Bouillé war ein Vetter von Herrn von Lafayette.

Er stieg bei einem seiner Freunde ab, dessen patriotische Gesinnung sehr bekannt war, und der damals in England reiste.

In das Schloß ohne Wissen von Herrn von Lafayette kommen war also für den jungen Mann etwas, wenn nicht Unmögliches, doch wenigstens sehr Gefährliches und sehr Schwieriges.

Andererseits aber, da Herr von Lafayette in völliger Unwissenheit über die durch Charny zwischen dem König und Herrn von Bouillé angeknüpfte Verbindung sein mußte, war nichts einfacher für den Grafen Louis, als sich dem König gerade durch Herrn von Lafayette vorstellen zu lassen.

Die Umstände schienen von selbst den Wünschen des jungen Mannes entgegenzukommen.

Er war seit drei Tagen in Paris, ohne etwas beschlossen zu haben, dachte über das Mittel, zum König zu gelangen, nach und fragte sich, wie gesagt, ob es nicht das Sicherste wäre, sich an Lafayette selbst zu wenden, als man ihm ein paar Zeilen von diesem übergab, welcher ihn benachrichtigte, seine Ankunft in Paris sei bekannt, und den Grafen einlud, ihn beim Generalstab der Nationalgarde oder im Hotel Noailles zu besuchen.

 

Das war gewisser Maßen die Vorsehung, welche laut auf die Bitte antwortete, die leise Herr von Bouillé an sie richtete; es war eine gute Fee, wie sie sich in den reizenden Mährchen von Perrault finden, die den Chevalier bei der Hand nahm und zu seinem Ziele führte.

Der Graf begab sich schleunigst nach dem Gebäude des Generalstabs.

Der General war zum Stadthause abgegangen, wo er eine Mittheilung von Herrn Bailly zu empfangen hatte.

Doch in Abwesenheit des Generals traf er seinen Adjutanten, Herrn Romeuf.

Romeuf hatte in einem Regimente mit dem jungen Grafen gedient, und obgleich der Eine der Demokratie und der Andere der Aristokratie angehörte, hatte doch ein freundliches Verhältnis? zwischen ihnen stattgefunden; von selbiger Zeit an nahm Romeuf, der in eines von den nach dem 14. Juli aufgelösten Regimentern übergegangen war, nur noch Dienste bei der Nationalgarde, wo er den Posten eines Lieblingsadjutanten des General Lafayette inne hatte.

Obgleich sehr verschiedener Meinung über gewisse Punkte, stimmten doch die zwei jungen Leute bei diesem überein: Beide liebten und verehrten den König.

Nur liebte ihn der Eine auf Art der Patrioten, das heißt unter der Bedingung, daß er die Constitution beschwöre, der Andere auf Art der Aristokraten, das heißt unter der Bedingung, daß er den Eid verweigere und, wenn es nöthig wäre, an das Ausland appellire, um die Rebellen zur Vernunft zu bringen.

Unter den Rebellen verstand Herr von Bouillé drei Viertel der Nationalversammlung, die Nationalgarde, die Wähler u.s.w., das heißt, fünf Sechstel von Frankreich.

Romeuf war sechs und zwanzig Jahre alt, und der Graf Louis zwei und zwanzig, es war also schwierig für sie, lange über Politik zu sprechen.

Ueberdies wollte der Graf nicht einmal, daß man vermuthe, er beschäftige sich mit einer ernsten Idee.

Er vertraute als großes Geheimniß seinem Freunde Romeuf an, er habe Metz mit einer einfachen Erlaubniß verlassen, um in Paris eine Frau zu besuchen, die er anbete.

Während der Graf Louis dem Adjutanten dieses Geständniß machte, erschien der General Lafayette aus der Schwelle der offen gebliebenen Thüre; doch, obgleich er den Ankommenden in einem vor ihm hängenden Spiegel wohl gesehen hatte, setzte Herr von Bouillé seine Erzählung nichtsdestoweniger fort; nur erhob er, trotz der Zeichen von Romeuf, welche er nicht zu verstehen sich den Anschein gab, die Stimme so, daß der General nicht ein Wort von dem, was er sprach, verlor.

Der General hatte Alles gehört das wollte der Graf Louis.

Er schritt hinter dem Erzähler vor, legte ihm, als dieser geendigt hatte, die Hand auf die Schulter und sagte:

»Ah! mein Herr Leichtfuß, darum verbergen Sie sich vor Ihren achtenswerthen Verwandten?«

Es war kein sehr strenger Richter, kein sehr verdrießlicher Mentor, dieser junge General von zwei und dreißig Jahren, der selbst sehr in der Mode bei allen gefeierten Damen jener Zeit; der Graf Louis schien auch nicht besonders erschrocken über den Verweis, der ihn erwartete.

»Ich verbarg mich so wenig, mein lieber Vetter, daß ich mir heute noch die Ehre geben wollte, bei dem Ausgezeichnetsten derselben zu erscheinen, wäre er mir nicht durch diese Botschaft zuvorgekommen.«

Und er zeigte dem General den Brief, den er empfangen hatte.

»Nun! werden Sie sagen, die Polizei von Paris sei schlecht beschaffen, meine Herren von der Provinz?« sprach der General mit einer Miene der Befriedigung, welche bewies, daß er eine gewisse Eitelkeit hierein setzte.

»General, wir wissen, daß man demjenigen, der über der Freiheit des Volkes und dem Heile des Königs wacht, nichts verbergen kann.«

Lafayette schaute seinen Vetter mit jener zugleich gutmüthigen und ein wenig spöttischen Miene an, die wir selbst an ihm gekannt haben.

Er wußte, daß diesem Zweige der Familie sehr viel am Heile des Königs gelegen war, daß sie sich aber sehr wenig um die Freiheit des Volkes bekümmerte.

Er antwortete auch nur auf einen Theil der Phrase.

»Und mein Vetter, der Herr Marquis von Bouillé,« sagte er, indem er einen besondern Nachdruck aus einen Titel legte, auf den er seit der Nacht vom 4. August verzichtet hatte, »hat er seinen Sohn nicht mit irgend einem Auftrag für den König betraut, über dessen Heil ich wache?«

»Er hat mich beauftragt, ihm den Ausdruck seiner ehrfurchtvollsten Gefühle zu Füßen zu legen, sollte mich der General Lafayette nicht für unwürdig erachten, meinem Souverain vorgestellt zu werden,« erwiederte der junge Mann.

»Sie vorstellen  . . .und wann dies?«

»So bald als möglich, General  . . .ich glaube die Ehre gehabt zu haben, Ihnen oder Romeuf zu sagen, da ich ohne Urlaub hier sei . . .«

»Sie haben es Romeuf gesagt, doch das kommt auf eins heraus, da ich es gehört habe. Nun wohl, die guten Dinge dürfen nicht aufgeschoben werden; es ist elf Uhr; jeden Tag zur Mittagsstunde habe ich die Ehre, den König und die Königin zu sehen; essen Sie einen Bissen mit mir, wenn Sie nur ein erstes Frühstück zu sich genommen haben, und ich werde Sie in die Tuilerien führen.«

»Aber,« fragte der junge Mann, indem er einen Blick auf seine Uniform und seine Stiefel warf, »bin ich im Costume, lieber Vetter?«

»Vor Allem,« erwiederte Lafayette, »vor Allem muß ich Ihnen sagen, mein armes Kind, daß die große Etiquettefrage, welche Ihre Amme war, sehr krank, wenn nicht gar gestorben ist, seit Ihrem Abgange; sodann schaue ich Sie an: Ihr Rock ist tadellos, Ihre Stiefel sind ganz gut; welches Costume schickt sich besser für einen Edelmann, der bereit ist, für seinen König zu sterben, als seine Kriegsuniform?  . . .Romeuf, sehen Sie nach, ob aufgetragen ist; ich nehme Herrn von Bouillé sogleich nach dem Frühstück in die Tuilerien mit.«

Dieses Vorhaben stand aus eine zu directe Weise im Einklange mit den Wünschen des jungen Mannes, als daß er einen ernsten Einwurf gemacht hätte; er verbeugte sich auch, um seine Beistimmung und seinen Dank zu bezeichnen.

Eine halbe Stunde nachher präsentirten die Schildwachen an den Gittern das Gewehr vor dem General Lafayette und dem jungen Grafen von Bouillé, ohne zu ahnen, daß sie die militärischen Ehren zugleich der Revolution und der Gegenrevolution bezeigten.

11Ein Spottname für Magistratspersonen, Advokaten, Rechtsgelehrte und dergl.
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