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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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XCVII
Der Haß eines Menschen aus dem Volke

Als die zwei Männer allein waren, schauten sie sich ein paar Secunden an, ohne daß der Blick des Edelmanns die Augen des Mannes aus dem Volke sich senken machen konnte.

Mehr noch, Billot war es, der zuerst das Wort nahm.

»Der Herr Graf hat mir die Ehre erwiesen, mir anzukündigen, er müsse mir etwas sagen. Ich erwarte, daß er die Güte hat, zu sprechen.«

»Billot,« sprach Charny, »woher kommt es, daß ich Sie hier, beauftragt mit einer Rachesendung, treffe? Ich hielt Sie für den Freund von uns Adeligen und überdies für einen guten und treuen Unterthan des Königs.«

»Ich bin ein guter und treuer Unterthan des Königs gewesen, Herr Graf; ich bin nicht Ihr Freund gewesen, eine solche Ehre war einem armen Pächter, wie mir, nicht beschieden, sondern Ihr gehorsamer Diener.«

»Nun?«

»Nun, Herr Graf, Sie sehen, ich bin nichts mehr von Allem dem.«

»Ich begreife Sie nicht.«

»Warum wollen Sie mich begreifen, Herr Graf? Frage ich Sie nach den Ursachen Ihrer Treue für den König, nach den Ursachen Ihrer Ergebenheit für die Königin? Nein, ich nehme an, Sie haben Ihre Gründe, um so zu handeln, und da Sie ein redlicher und vernünftiger Mann sind, so seien Ihre Gründe gut, oder wenigstens nach Ihrem Gewissen gut. Ich habe nicht Ihre hohe Stellung, Herr Graf, ich habe nicht Ihr Wissen; doch Sie nennen mich oder haben mich auch als einen redlichen und vernünftigen Mann gekannt! nehmen Sie also an, ich habe, wie Sie, meine Gründe, welche, wenn sie nicht gut, doch meinem Gewissen entsprechen!«

»Billot,« sagte Charny, der durchaus nichts von den Motiven des Hasses wußte, welche der Pächter gegen den Adel oder das Königthum haben konnte, »ich habe Sie, und das ist nicht lange her, ganz anders gekannt, als Sie heute sind.«

»Oh! gewiß, ich leugne es nicht,« erwiderte Billot mit einem bittern Lächeln; »ja, Sie haben mich ganz anders gekannt, als ich heute bin; ich will Ihnen sagen, wie ich war, Herr Graf: ich war ein ächter Patriot, zwei Menschen und einer Sache ergeben: diese zwei Menschen waren der König und Herr Gilbert; diese Sache war mein Vaterland. Eines Tages kamen die Agenten des Königs, und ich gestehe,« sprach der Pächter, den Kopf schüttelnd, »das fing an mich mit ihm zu entzweien, – eines Tages kamen die Agenten des Königs zu mir und nahmen mir halb mit Gewalt, halb mit List eine Cassette, ein kostbares Depot, das mir von Herrn Gilbert anvertraut worden war. Alsbald reiste ich nach Paris; ich kam dort am 12. Juli Abends an; es war mitten unter der Emeute der Büsten des Herrn Herzogs von Orleans und von Herrn von Necker; man trug diese Büsten umher und rief: »»Es lebe der Herr Herzog von Orleans! es lebe Herr von Necker!«« Das that dem König nicht viel Eintrag, und dennoch, griffen uns plötzlich die Soldaten des Königs an. Ich sah arme Teufel, die kein anderes Verbrechen begangen, als daß sie zwei Männer, die sie wahrscheinlich nicht kannten, hatten hoch leben lassen, um mich her, die Einen den Kopf von Säbelhieben gespalten, die Andern die Brust von Kugeln durchbohrt, fallen; ich sah Herrn von Lambesc, einen Freund des Königs, in den Tuilerien Weiber und Kinder, welche gar nicht geschrieen, verfolgen und unter den Füßen seines Pferdes einen siebenzigjährigen Greis zertreten. Das entzweite mich noch ein wenig mehr mit dem König. Am andern Tage begab ich mich in die Pension des kleinen Sebastian, und ich erfuhr von dem armen Knaben, sein Vater sei in der Bastille auf einen Befehl des Königs, den eine Dame vom Hofe nachgesucht! Und ich sagte nun fortwährend, der König, von dem man behaupte, er sei so gut, habe mitten unter dieser Güte große Momente den Irrthums, der Unwissenheit oder der Vergessenheit, und um, so viel an mir lag, einen der Fehler, den der König in einem solchen Augenblicke der Vergessenheit, der Unwissenheit oder des Irrhums begangen, wieder gut zu machen, trug ich mit allen meinen Kräften dazu bei, die Bastille zu nehmen. Es gelang uns nicht ohne Mühe; die Soldaten des Königs schossen auf uns, tödteten uns ungefähr zweihundert Leute, was mir abermals Anlaß gab, nicht der Meinung von Jedermann über die große Güte des Königs zu sein; am Ende war aber die Bastille genommen: in einem der Kerker fand ich Herrn Gilbert, für den ich mich so eben der Gefahr ausgesetzt, zwanzigmal getödtet zu werden, und die Freude, ihn wiederzufinden, ließ mich viele Dinge vergessen. Uebrigens sagte mir Herr Gilbert zu allererst, der König sei gut, er wisse nichts von der Mehrzahl der Schändlichkeiten, welche in seinem Namen geschehen, und nicht ihm müsse man deshalb übel wollen, sondern seinen Ministern; weil aber Alles, was Herr Gilbert mir damals sagte, ein Evangelium für mich war, so glaubte ich Herrn Gilbert, und da ich die Bastille genommen, Herrn Gilbert frei und mich und Pitou unversehrt sah, so vergaß ich das Kleingewehrfeuer der Rue Saint-Honoré, die Angriffe und Metzeleien in den Tuilerien, die hundert und fünfzig bis zweihundert Menschen, die uns der Dudelsack des Herrn Prinzen von Sachsen getödtet, und die Einkerkerung von Herrn Gilbert auf die einfache Bitte einer Dame vom Hofe  . . .  Doch verzeihen Sie, Herr Graf,« unterbrach sich Billot, »Alles dies geht Sie nichts an, und Sie haben nicht unter vier Augen mit mir zu sprechen verlangt, um das Wiederkäuen eines Bauern ohne Erziehung zu hören, Sie, der Sie zugleich ein vornehmer Herr und ein Gelehrter sind.«

Hiernach machte Billot eine Bewegung, um die Hand an das Schloß zu legen und in das Zimmer des Königs zurückzukehren.

Doch Charny hielt ihn zurück.

Um ihn zurückzuhalten, hatte Charny zwei Gründe:

Der erste war, daß er die Ursachen dieser Feindseligkeit von Billot erfuhr, welche in einer solchen Lage nicht ohne Gewicht, der zweite, daß er Zeit gewann.

»Nein!« sagte er, erzählen Sie mir Alles, mein lieber Billot, Sie wissen, welche Freundschaft wir für Sie hegten, meine armen Brüder und ich, und was Sie mir mittheilen, interessirt mich im höchsten Grade.«

Bei den Worten! meine armen Brüder! lächelte Billot bitter.

»Wohl denn!« sprach er, »ich will Ihnen Alles erzählen, Herr von Charny, und ich bedaure, daß Ihre armen Brüder  . . .  Einer besonders, . . Herr Isidor, nicht da sind, um es zu hören.«

Billot hatte die Worte: Einer besonders, Herr Isidor, mit einem so seltsamen Ausdrucke gesprochen, daß Charny die Bewegung des Schmerzes zurückdrängte, den der Name seines vielgeliebten Bruders in seiner Seele erweckte, und, ohne Billot, der sichtbar nicht von dem Unglück wußte, das dem Bruder von Charny widerfahren, dessen Gegenwart er wünschte, etwas zu antworten, dem Pächter winkte, er möge fortfahren.

Billot fuhr fort:

»Als der König nach Paris aufbrach, sah ich in ihm auch nur einen Vater, der unter seine Kinder zurückkehrt. Ich marschirte mit Herrn Gilbert neben dem königlichen Wagen, bildete für diejenigen, welche er enthielt, einen Wall mit meinem Leibe und schrie aus vollem Halse: »»Es lebe der König!«« Das war die erste Reise des Königs; er hatte rings um sich her, vorne, hinten, aus seinem Wege, unter den Füßen seiner Pferde, unter den Rädern seines Wagens, Segnungen und Blumen. Als er auf dem Platze des Stadthauses ankam, bemerkte man, daß der König nicht mehr die weiße Cocarde, aber noch nicht die dreifarbige Cocarde hatte, man rief: »»Die Cocarde! die Cocarde!«« Ich nahm die, welche au meinem Hute befestigt war, und gab sie ihm; er dankte mir und steckte sie an seinen Hut unter gewaltigen Acclamationen der Menge. Ich war trunken vor Freude, meine Cocarde am Hute dieses guten Königs zu sehen; ich schrie auch allein: »»Es lebe der König!«« stärker als die ganze Welt; ich war so begeistert für diesen guten König, daß ich in Paris blieb. Meine Ernte war reif und bedurfte meiner Gegenwart  . . .  bah! was lag mir an meiner Ernte? Ich war wohl reich genug, um eine Ernte zu verlieren, und konnte meine Gegenwart diesem guten König, dem Vater des Volks, dem Wiederhersteller der französischen Freiheit, wie wir Dummköpfe ihn damals nannten, zu etwas nütze sein, so war es sicherlich mehr werth, wenn ich in Paris blieb, als wenn ich nach Pisseleu zurückkehrte; meine Ernte, die ich der Fürsorge von Catherine anvertraut, war beinahe verloren! Catherine hatte, wie es scheint, etwas Anderes zu thun, als sich um die Ernte zu bekümmern  . . .  Reden wir nicht mehr hiervon! ., . Man sagte indessen, der König nehme nicht ganz offenherzig die Revolution an; gezwungen marschire er mit; nicht die dreifarbige Cocarde habe er an seinem Hute tragen wollen, sondern die weiße Cocarde. Diejenigen, welche dies sagten, waren Verleumder, was klar bewiesen wurde durch das Mahl der Herren Gardes du corps, wobei die Königin weder die weiße Cocarde, noch die nationale Cocarde, noch die französische Cocarde aufsteckte, sondern ganz einfach die Cocarde von ihrem Bruder Joseph II., die österreichische Cocarde, die schwarze Cocarde. Ah! Ich gestehe, diesmal fing mein Zweifel wieder an; doch wie es mir Herr Gilbert sagte: »»Billot, es ist nicht der König, der das thut, sondern die Königin; die Königin ist aber ein Weib, und gegen die Weiber muß man nachsichtig sein.«« Ich glaubte dies so sehr, daß ich mich, als man von Paris kam, um das Schloß anzugreifen, obgleich ich im Grunde des Herzens fand, diejenigen, welche es angreifen wollen, haben nicht ganz Unrecht, auf die Seite von denjenigen schlug, die es vertheidigten; so daß ich es war, der Herrn von Lafayette, welcher schlief, der liebe arme Mann, daß es eine Lust war, aufweckte und ihn ins Schloß führte, gerade zeitig genug, um den König zu retten. Ah! an diesem Tage sah ich Madame Elisabeth Herrn von Lafayette in ihre Arme schließen; ich sah die Königin ihm die Hand zum Kusse reichen; ich hörte den König ihn seinen Freund nennen, und ich sagte mir: »»Bei meiner Treue, es scheint, Herr Gilbert hatte Recht. Sicherlich nicht aus Angst machen ein König, eine Königin und eine königliche Prinzessin solche Demonstrationen, und wenn sie nicht die Meinungen dieses Mannes theilen würden, von welchem Nutzen derselbe ihnen auch in diesem Augenblick sein dürfte, es würden sich doch drei solche Personen nicht zur Lüge erniedrigen.«« Auch diesmal also kam ich darauf zurück, daß ich die arme Königin beklagte, welche nur unklug war, und den armen König, der nur schwach war; doch ich ließ sie ohne mich nach Paris zurückkehren  . . .  ich, ich war in Versailles beschäftigt; Sie wissen womit, Herr von Charny?«

 

Charny stieß einen Seufzer aus.

»Die zweite Reise soll nicht so heiter gewesen sein, als die erste! statt den Segnungen soll man Flüche vernommen haben! statt der Vivats soll Todesgeschrei erschollen sein! statt Sträuße unter die Füße der Pferde und unter die Räder des Wagens zu werfen, soll man Kopfe abgeschnitten und am Ende von Spießen getragen haben! Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei, ich war in Versailles geblieben. Ich ließ den Pachthof immer ohne Herrn! Bah! ich war reich genug, um, nachdem ich die Ernte von 1789 verloren hatte, auch die Ernte von 1790 zu verlieren! Doch, an einem schönen Morgen, kam Pitou an und meldete mir, ich sei auf dem Punkte, etwas zu verlieren, was zu verlieren ein Vater nie reich genug ist: das war meine Tochter!«

Charny schauerte.

Billot schaute Charny starr an und fuhr dann fort:

»Ich muß Ihnen sagen, Herr Gras, daß eine Meile von uns, in Boursonnes, eine adelige Familie ist, eine sehr vornehme Familie, eine gewaltig reiche Familie. Diese Familie bestand aus drei Brüdern. Als sie noch Kinder waren und von Boursonnes nach Villers-Coterets gingen, erwiesen mir die Jüngeren von diesen drei Brüdern beinahe immer die Ehre, im Pachthofe anzuhalten; sie sagten, sie haben nie so gute Milch getrunken, als die Milch von meinen Kühen, nie so gutes Brod gegessen, als das Brod der Mutter Billot, und von Zeit zu Zeit fügten sie bei, – ich armer Dummkopf glaubte, es geschehe, um mir meine Gastfreundschaft zu bezahlen! – von Zeit zu Zeit fügten sie bei, sie haben nie ein so schönes Kind gesehen, als meine Tochter Catherine  . . .  Und ich, ich dankte ihnen dafür, daß sie meine Milch tranken, mein Brod aßen und meine Tochter hübsch fanden! Was wollen Sie? ich glaubte dem König, der, wie man sagt, halb Deutscher ist durch seine Mutter, ich konnte wohl ihnen glauben! Als der Zweite, welcher die Heimath seit langer Zeit verlassen hatte und Georges hieß, in Versailles, vor der Thüre der Königin, in der Nacht vom 5. auf den 6. October, da er muthig seine Pflicht als Edelmann that, getödtet wurde, Gott weiß, wie tief ich von dem Streiche, der ihn tödtete, verwundet war! Ah! Herr Graf, sein Bruder hat mich gesehen, sein ältester Bruder, der, welcher nicht in mein Haus kam, nicht weil er zu stolz war, ich muß ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, sondern weil er sich noch jünger als sein Bruder Georges aus der Heimath entfernt hatte; er hat mich auf den Knieen gesehen, vor dem Leichnam, so viel Thränen vergießend, als dieser Blut vergossen! ich glaube noch dort zu sein, im Hintergrunde eines grünen, feuchten kleinen Hofes, wohin ich ihn in meinen Armen getragen, damit der unglückliche junge Mann nicht verstümmelt würde, wie seine Gefährten, die Herren von Varicourt und des Huttes verstümmelt worden waren, so daß ich fast eben so viel Blut an meinen Kleidern hatte, als Sie an den Ihrigen haben. Herr Graf, Oh! das war auch ein reizender Knabe, den ich immer noch sehe, wie er nach dem College von Villers-Coterets ritt, auf seinem Grauschimmelchen, mit seinem Korbe an der Hand, und das ist so wahr, daß ich glaube, ich würde an ihn denkend, wenn ich nur an ihn dachte, weinen, wie Sie weinen, Herr Graf! Doch ich denke an den Andern,« fügte Billot bei, »und ich weine nicht.«

»An den Andern! was wollen Sie damit sagen?« fragte Charny.

»Warten Sie,« erwiderte Billot, »wir kommen hierzu. Pitou hatte sich also in Paris eingefunden und mir ein paar Worte gesagt, welche mir bewiesen, daß es nicht mehr meine Ernte war, was Gefahr lief, sondern mein Kind; daß es nicht mein Vermögen war, was vernichtet werden sollte, sondern mein Glück! Ich ließ also den König in Paris. Da er ein Mann von Treue und Glauben war, wie mir Herr Gilbert sagte, so konnte es nicht fehlen, daß Alles auf das Beste ging, mochte ich da sein oder nicht da sein, und ich kehrte nach dem Pachthofe zurück. Ich glaubte Anfangs, Catherine sei nur in Todesgefahr: sie hatte das Delirium, eine Gehirnentzündung, was weiß ich? Der Zustand, in dem ich sie fand, beunruhigte mich um so mehr, als der Doctor mir sagte, es sei mir so lange, als sie nicht wiederhergestellt, verboten, in ihr Zimmer einzutreten. Da ich aber nicht eintreten konnte, so dachte ich, der arme Vater in seiner Verzweiflung, es sei mir wohl erlaubt, an ihrer Thüre zu horchen. Ich horchte also! hierdurch erfuhr ich, daß sie beinahe gestorben wäre, daß sie die Gehirnentzündung hatte, daß sie fast wahnsinnig war  . . .  weil ihr Geliebter abgereist! Ich war ein Jahr vorher auch abgereist, und statt wahnsinnig darüber zu werden, daß ihr Vater sie verließ, hatte sie bei meinem Abgange gelächelt. Ließ ihr mein Abgang nicht die Freiheit, ihren Geliebten zu sehen?  . . .  Catherine kehrte zur Gesundheit zurück, doch nicht zur Freude! ein Monat, zwei Monate, drei Monate, sechs Monate vergingen, ohne daß ein Strahl der Heiterkeit ihr Gesicht, das meine Augen nicht verließen, aufklärte; eines Morgens sah ich sie lächeln, und ich zitterte: ihr Liebhaber sollte also zurückkommen, da sie gelächelt hatte? Am andern Tage erzählte mir in der That ein Schäfer, der ihn hatte vorüberreiten sehen, er sei an demselben Morgen angekommen! Ich bezweifelte nicht, er werde am Abend dieses Tags bei mir oder vielmehr bei Catherine sein! Als es Abend geworden war, lud ich auch meine Doppelflinte und stellte mich aus den Anstand ., .«

»Billot!« rief Charny, »Sie haben das gethan?«

»Warum nicht?« versetzte Billot, »ich stelle mich wohl auf den Anstand, um das Wildschwein zu erlegen, das meine Kartoffeln umwühlt, den Wolf, der meine Lämmer erwürgt, den Fuchs, der meine Hühner umbringt, und ich sollte mich nicht aus den Anstand stellen, um den Menschen zu tödten, der mir mein Glück raubt, den Liebhaber, der meine Tochter entehrt?«

»Als Sie aber so weit waren, da wurde Ihr Herz schwach, Billot!« sagte lebhaft der Graf.

»Nein,« erwiderte Billot, »nicht das Herz, sondern das Auge und die Hand; eine Blutspur bewies mir indessen, daß ich ihn nicht ganz gefehlt hatte; nur, Sie begreifen wohl,« fügte Billot mit Bitterkeit bei, »zwischen einem Geliebten und einem Vater blieb meine Tochter nicht unschlüssig. Als ich in das Zimmer von Catherine eintrat, war sie verschwunden.«

»Und Sie haben sie seitdem nicht wiedergesehen?« fragte Charny.

»Nein,« antwortete Billot; »doch warum, sollte ich sie wiedersehen? Sie weiß wohl, daß ich sie, wenn ich sie wiedersähe, tödten würde.«

Charny machte eine Bewegung, während er mit einem Gefühle der Bewunderung gemischt mit Schrecken die mächtige Natur anschaute, die er vor sich hatte.

»Ich machte mich wieder an die Arbeiten meines Pachthofes, fuhr Billot fort. »Was lag an meinem Unglück, wenn nur Frankreich glücklich war? Ging der König nicht offenherzig auf dem Wege der Revolution? Sollte er nicht Theil nehmen am Feste der Föderation? sollte ich ihn nicht dort wiedersehen, diesen guten König, dem ich meine dreifarbige Cocardeam 16. Juli gegeben, und dem ich am 6. October beinahe das Leben gerettet! Welche Freude mußte es für ihn sein, ganz Frankreich, wie ein einziger Mensch die Einheit des Vaterlands beschwörend, aus dem Marsfelde versammelt zu sehen! Ich vergaß auch einen Augenblick, als ich ihn sah. Alles bis aus Catherine  . . .  Nein, ich lüge, ein Vater vergißt seine Tochter nicht! Er schwor seinerseits auch! Mir schien wohl, er schwöre schlecht, er schwöre mit dem Ende der Lippen, er schwöre von seinem Platze aus, statt auf dem Altar des Vaterlandes zu schwören. Bah! er hatte geschworen: dies war das Wesentliche; ein Eid ist ein Eid! nicht der Ort, wo man ihn schwört, macht ihn mehr oder minder heilig, und wenn er einen Schwur gethan hat, so hält ihn ein ehrlicher Mann! Der König würde seinen Eid halten. Als ich nach Villers-Coterets zurückkam, – da ich mich nur noch mit Politik zu beschäftigen halte, nachdem ich mein Kind verloren, – hörte ich allerdings sagen, der König habe sich wollen durch Herrn von Favras entführen lassen, die Sache sei aber gescheitert; der König habe mit seinen Tanten fliehen wollen, der Plan sei aber nicht geglückt; der König habe nach Saint-Cloud geben und von da Rouen erreichen wollen, das Volk habe sich aber widersetzt; wohl hörte ich Alles dies sagen, doch ich glaubte nicht daran: hatte ich nicht mit meinen Augen aus dem Marsfelde den König die Hand ausstrecken sehen? hatte ich ihn nicht mit meinen eigenen Ohren der Nation den Eid leisten hören? Wie sollte ich glauben, ein König, weil er im Angesichte von dreimalhunderttausend Bürgern geschworen, werde seinen Eid für minder heilig halten, als den, welchen die anderen Menschen schwören? Das war nicht wahrscheinlich. Nachdem ich vorgestern aus dem Markte von Meaux gewesen, war ich auch sehr erstaunt, als ich bei Tagesanbruch, – ich muß Ihnen bemerken, daß ich beim Postmeister, einem meiner Freunde, mit dem ich einen bedeutenden Kornhandel abgeschlossen, übernachtet hatte, – ich war auch sehr erstaunt, sage ich, als ich in einem Wagen, der die Pferde wechselte, den König, die Königin und den Dauphin sah und erkannte! Ich konnte mich nicht täuschen, denn ich war gewohnt, sie im Wagen zu sehen! ich hatte sie am 16, Juli von Versailles nach Paris begleitet; da horte ich einen von den gelb gekleideten Herren sagen: »»Straße nach Chalons!«« Die Stimme fiel mir auf, ich wandte mich um und erkannte, wen? Den, welcher mir Catherine entfuhrt hatte, einen adeligen Herrn, der seine Lackeienpflicht that, indem er dem Wagen des Königs voranritt  . . . «

Bei diesen Worten schaute Billot den Grafen starr an, als wollte er sehen, ob dieser begreife, es handle sich um seinen Bruder Isidor; Charny wischte aber nur mit seinem Taschentuche den Schweiß ab, der von seiner Stirne floß, und schwieg.

Billot fuhr fort:

»Ich wollte ihn verfolgen, er war schon fern; er hatte ein gutes Pferd, er war bewaffnet, und ich war es nicht  . . .  Einen Augenblick knirschte ich mit den Zähnen beim Gedanken an diesen König, der Frankreich entwischte, und an diesen Räuber, der mir entwischte; plötzlich jedoch kam mir eine Idee: »»Halt!«« sagte ich, »»ich habe auch der Nation einen Eid geschworen, und da der König den seinigen bricht, – wenn ich den meinigen halten würde? Bei meiner Treue! ja, halten wir ihn! Ich bin nur zehn Meilen von Paris entfernt; es ist drei Uhr Morgens; auf einem guten Pferde ist das die Sache von zwei Stunden! Ich werde hierüber mit Herrn Bailly, einem ehrlichen Manne reden, der mir zur Partei von denjenigen, welche ihren Eid halten, gegen diejenigen, welche ihn nicht halten, zu gehören scheint.«« Als dieser Punkt festgestellt war, bat ich, um keine Zeit zu verlieren, meinen Freund, den Postmeister von Meaux, wohlverstanden, ohne ihm etwas von dem, was ich vorhatte, zu sagen, mir seine Nationalgarde-Uniform, seinen Säbel, und seine Pistolen zu leihen. Ich nahm das beste Pferd aus seinem Stalle, und statt in kurzem Trabe nach Villers-Coterets zu reiten, ritt ich im stärksten Galopp nach Paris! Bei meiner Treue! ich kam gerade recht an: man wußte schon die Flucht des Königs, doch man wußte nicht nach welcher Seite er entflohen war. Herr von Romeuf war von Herrn von Lafayette aus die Straße nach Valenciennes geschickt worden! Aber sehen Sie, was der Zufall ist!  . . .  an der Barrière war er angehalten worden, man hatte ihn in die Nationalversammlung zurückgeführt, und er erschien hier in dem Augenblick, wo Herr von Bailly, von mir unterrichtet, über die Reiselinie Seiner Majestät die genauesten Details angab; es war nur ein ganz wohl geordneter Befehl zu schreiben, um die Route zu ändern. Die Sache war in einem Augenblicke geschehen! Herr von Romeuf wurde aus der Straße nach Chalons abgesandt, und ich, ich erhielt den Auftrag, ihn zu begleiten, ein Auftrag, den ich erfülle, wie Sie sehen. Ich habe nun den König eingeholt, der mich als Franzosen getäuscht, und ich bin ruhig,« fügte Billot mit düsterer Miene bei, »er wird mir nicht entkommen! Zu dieser Stunde bleibt mir nur noch derjenige einzuholen, welcher mich als Vater betrogen hat! und ich schwöre, Herr Graf, er wird mir auch nicht entkommen!«

»Ach! mein lieber Billot,« erwiederte Charny seufzend, Sie irren sich.«

»Wie so?«

»Ich sage, der Unglückliche, von dem Sie sprechen, ist Ihnen entkommen.«

»Er ist geflohen?« rief Billot mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Wuth.

 

»Nein,« sprach Charny, »er ist todt.«

»Todt!« rief Billot, unwillkürlich schauernd, indem er seine Stirne abwischte, die sich auf der Stelle mit Schweiß bedeckt hatte.

»Todt!« wiederholte Charny, »und dieses Blut, das Sie sehen, und mit dem Sie so eben mit Recht das verglichen, mit welchem sie im kleinen Hofe von Versailles bedeckt waren, dieses Blut ist das seinige  . . .  Zweifeln Sie daran, so gehen Sie hinab, mein lieber Billot, und Sie werden den Körper in einem kleinen Hofe, ungefähr dem von Versailles ähnlich, liegend finden. Sie werden ihn erschlagen finden aus derselben Ursache, aus der Jener dort erschlagen wurde.«

Billot schaute Charny, der mit einer sanften Stimme zu ihm sprach, während zwei schwere Thränen über seine Wange flossen, mit stieren Augen und einem erschrockenen Gesichte an; dann stieß er plötzlich einen Schrei aus und rief:

»Ah! es ist also eine Gerechtigkeit im Himmel!«

Und aus dem Zimmer laufend, sagte er:

»Herr Gras, ich glaube Ihren Worten; doch gleichviel, ich will mich mit meinen eigenen Augen versichern, daß Gerechtigkeit geschehen ist.«

Charny schaute ihm nach, während er sich entfernte, unterdrückte einen Seufzer und wischte seine Thränen ab.

Dann, da er einsah, daß keine Minute zu verlieren war, eilte er seinerseits in das Zimmer der Königin, ging gerade auf sie zu und fragte leise:

»Herr von Romeuf?«

»Er gehört uns,« antwortete die Königin.

»Desto besser,« sagte Charny, »denn auf der andern Seite ist nichts zu hoffen.«

»Was also thun?«

»Zeit gewinnen, bis Herr von Bouillé ankommt.«

»Wird er aber ankommen?«

»Ja, denn ich werde ihn holen.«

»Oh!« rief die Königin, »die Straßen sind von Menschen versperrt, Sie sind signalisirt und werden nicht durchkommen, man wird Sie zusammenhauen! Olivier! Olivier!«

Doch Charny öffnete, ohne zu antworten, lächelnd das Fenster, das nach dem Garten ging, sandte ein letztes Versprechen dem König, einen letzten Gruß der Königin zu, und sprang die fünfzehn Fuß hinab, die ihn vom Boden trennten.

Die Königin gab einen Angstschrei von sich und verbarg ihren Kopf in ihren Händen; die jungen Leute aber liefen an’s Fenster und antworteten durch einen Freudenschrei auf den Angstschrei der Königin.

Charny hatte die Mauer des Gartens erklettert und war auf der andern Seite dieser Mauer verschwunden.

Es war Zeit: in diesem Augenblick erschien Billot wieder auf der Schwelle des Zimmers.

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