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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Vergniaud lächelte traurig, leerte das Glas, und sagte, sich ans Ohr von Barbaroux neigend, der zu seiner Linken saß:

»Ach! ich befürchte sehr, diese große Seele täuscht sich. Es sind nicht Rosen, sondern Cypressenzweige, die man heute Abend in unsern Wein entblättern muß. Gott weiß, ob wir auf eine Republik trinkend, deren Füße in das Septemberblut getaucht sind, nicht auf unsern Tod trinken! Doch gleichviel!« fügte er bei, indem er einen erhabenen Blick dem Himmel zuwarf, »wäre dieser Wein mein Blut, ich würde ihn auf die Freiheit und die Gleichheit trinken!«

»Es lebe die Republik!« wiederholten im Chore alle Gäste.

Ungefähr in dem Augenblicke, wo Vergniaud diesen Toast ausbrachte und alle Gäste ihn durch den Ruf: »Es lebe die Republik!« im Chore erschallend erwiederten, schmetterten die Trompeten dem Tempel gegenüber, und es trat eine tiefe Stille ein.

Da konnten der König und die Königin von ihren Fenstern aus, welche offen waren, einen Municipalbeamten mit fester, mächtiger, sonorer Stimme die Abschaffung des Königthums und die Gründung der Republik proclamiren hören.

CLXXV
Die Legende vom Märtyrer-König

Man konnte sehen, mit welcher Unparteilichkeit wir, obgleich die Form vom Roman entlehnend, bis jetzt unsern Lesern vor Augen gelegt haben, was Erschreckliches, Grausames, Gutes, Schönes, Großes, Blutdürstiges, Niedriges in den Menschen und in den Ereignissen war, die sich gefolgt sind.

Heute sind die Menschen, von denen wir sprechen, todt; die Ereignisse allein, durch die Geschichte unsterblich gemacht, sterben nicht, bleiben stehen.

Nun wohl, wir können aus dem Grabe alle diese darin liegenden Leichname heraufbeschwören, von denen so wenige gestorben sind, nachdem sie die Tage ihres Lebens voll gemacht hatten! Wir können zu Mirabeau sagen: »Tribun, steh auf!« zu Ludwig XVI.: »Märtyrer, steh auf!« wir können sagen: »Steht Alle auf, Ihr, die man nannte Favras, Lafayette, Bailly, Fournier den Americaner, Jourdan den Kopfabschneider, Maillard, Théroigne von Méricourt, Barnave, Bouillé, Gamain, Pétion, Manuel, Danton, Robespierre, Marat, Vergniaud, Dumouriez, Marie Antoinette, Madame Campan, Barbaroux, Roland, Madame Roland, König Königin, Arbeiter, Tribune, Generale, Schlächter, Publicisten, steht auf und sagt, ob ich Euch nicht meine Generation, dem Volke, den Großen, den Frauen besonders, – das heißt den Müttern unserer Söhne, die ich die Geschichte lehren will, – wenn nicht wie Ihr seid, – wer kann sich rühmen, alle Eure Geheimnis entziffert zu haben? – wenigstens wie ich Euch gesehen, dargestellt habe.«

Wir können zu den Ereignissen sagen, welche noch an beiden Seiten des Weges stehen, den wir durchlaufen haben »Großer, leuchtender Tag des 14. Juli; düstere, drohende Nächte des 5. und des 6. Oktobers; blutiger Sturm vom Marsfelde, wo sich das Pulver mit dem Blitze und der Lärm der Kanonen mit dem Krachen des Donners vermengt hat; prophetische Invasion vom 20. Juni entsetzlicher Sieg vom 10. August, fluchwürdige Erinnerungen vom 2. und 3. September, habe ich euch gut gesagt? habe ich euch gut erzählt? habe ich wissentlich gelogen? habe ich euch freizusprechen oder euch zu verleumden gesucht?«

Und die Menschen werden antworten, – und die Ereignisse werden antworten: »Du hast die Wahrheit ohne Haß, ohne Leidenschaft gesucht; Du hast sie zu sagen geglaubt, wenn Du sie nicht gesagt hast; Du bis treu allem Ruhm würdigen der Vergangenheit, unempfindlich für alle Blendungen der Gegenwart, vertrauen allen Verheißungen der Zukunft geblieben; es sei Dir vergeben, wenn auch nicht geradezu Lob gespendet.«

Nun denn, was wir gethan haben, nicht als erwählter Richter, sondern als unparteiischer Erzähler, das werden wir bis zum Ende thun, und diesem Ende näher uns rasch jeder Schritt. Wir rollen auf dem Abhang der Ereignisse fort, und es gibt wenige Haltpunkte vom 21. September, dem Todestage des Königthums, bis zum 21. Januar, dem Todestage des Königs.

Wir haben die Proclamation der Republik gehört, gemacht unter dem Fenster des königlichen Gefängnisses durch die starke Stimme des Municipal Lubin, und diese Proclamation hat uns wieder zum Tempel geführt.

Kehren mir also in dieses düstere Gebäude zurück, das einen König enthält, der wieder Mensch geworden, eine Königin, welche Königin geblieben ist, eine Jungfrau, welche Märtyrin sein wird, und zwei arme, durch das Alter, wenn nicht durch die Geburt, unschuldige Kinder.

Der König war im Tempel; wie war er hierher gekommen? hatte man ihm zum Voraus das schmähliche Gefängniß zuerkennen wollen, das er einnahm? Nein, Pétion hatte Anfangs die Idee gehabt, ihn in den Mittelpunkt Frankreichs zu versetzen, ihm Chambord zu geben, ihn als Faulenzer-König zu behandeln.

Nehmen Sie an, alle Fürsten Europas haben ihren Ministern, ihren Generalen, ihren Manifesten Stillschweigen auferlegt und sich damit begnügt, daß sie dem, was in Frankreich vorging, zugeschaut, ohne sich in die innere Politik der Franzosen mischen zu wollen, so war diese Abschaffung vom 10. August, diese in einen schönen Palast, in ein schönes Klima, mitten in das, was man den Garten Frankreichs nennt, eingeschlossene Existenz keine sehr grausame Strafe für den Mann, der nicht nur seine Fehler und Vergehen, sondern auch die von Ludwig XV, und Ludwig XIV. büßte.

Die Vendée hatte sich empört: man machte die Einwendung eines kühnen Handstreichs durch die Feinde; der Grund schien triftig.

»Die gesetzgebende Versammlung bezeichnete den Luxembourg; der Luxembourg, ein florentinischer Palast von Maria von Medici, mit seiner Einsamkeit, mit seinen Gärten, Nebenbuhler von denen der Tuilerien, war eine für einen abgesetzten König nicht weniger als Chambord anständige Residenz.

Man wand die auf die Katakomben gehenden Keller des Palais ein; vielleicht war das nur ein Vorwand der Commune, die den König unter ihrer Hand halten wollte, doch es war ein plausibler Vorwand.

Die Commune stimmte also für den Tempel. Hierunter verstand sie nicht den Thurm des Tempels, sondern das Palais des Tempels, die ehemalige Komthurei der Chefs des Ordens.

Im Augenblicke der Versetzung, später sogar nachdem Pétion die königliche Familie in das Palais geführt, nachdem sie sich hier einquartiert und Ludwig XVI. seine Einrichtungen getroffen hat, kommt der Commune eine Denunziation zu, und Manuel wird abgeschickt, um zum letzten Male die Bestimmung der Municipalität abzuändern und den Thurm den Schlosse zu substitutieren.

Manuel kommt an untersucht das zur Wohnung von Ludwig XVI. und Marie Antoinette bestimmte Local, und geht ganz beschämt wieder hinab.

Der Thurm war unbewohnbar, diente nur einer Art von Portier zum Aufenthaltsorte, bot nur ungenügend Platz, nur enge Stuben, unsaubere, von Ungeziefer bevölkerte Betten.

Es liegt hierin mehr von jenem Verhängniß, das auf den sterbenden Geschlechtern lastet, als von schändlichem Vorbedachte von Seiten der Richter.

Die Nationalversammlung hatte ihrerseits nicht gefeilscht wegen der Ausgaben der Küche des Königs. Der König aß viel; das ist kein Vorwurf, den wir ihm machen machen: es liegt im Temperamente der Bourbonen, daß sie große Esser sind; doch er aß zu unschicklicher Zeit. Er aß, und zwar mit großem Appetit, während man in den Tuilerien ermordete. Nicht nur in seinem Prozesse warfen ihm die Richter dieses unzeitige Mahl vor, sondern auch die Geschichte, was noch viel ernster ist, die unversöhnliche Geschichte hat dasselbe in ihren Archiven einregistriert.

Die Nationalversammlung hatte also fünfmal hunderttausend Franken für die Tafelausgaben des Königs bewilligt.

Während der vier Monate, die der König im Tempel blieb, betrug die Ausgabe vierzigtausend Livres; zehntausend Franken monatlich; dreihundert dreiunddreißig Franken täglich; – in Assignaten allerdings, doch zu jener Zeit verlor man kaum sechs bis acht Franken auf den Assignaten.

Ludwig XVI. hatte im Tempel drei Bedienten und dreizehn Mundofficianten. Sein Diner bestand jeden Tag aus vier Vorgerichten, zwei Braten, jeder von drei Stücken, vier Zwischengerichten, zwei Compotes, drei Tellern Früchte, vier Carasons Bordeaux, einem Carason Malvasier und einem Carason Madeira.

Er allein mit seinem Sohne trank Wein; die Königin und die Prinzessinnen tranken nur Wasser.

Von dieser Seite also, materiell, war der König nicht zu beklagen.

Was ihm aber wesentlich fehlte, das waren die Luft, die Bewegung, die Sonne und der Schatten.

An die Jagden von Compiègne und Rambouillet, an die Parke von Versailles und Groß-Trianon gewöhnt, sah sich Ludwig XVI. plötzlich, nicht auf einen Hof, nicht auf einen Garten, nicht auf eine Promenade, sondern auf ein dürres, kahles Terrain mit vier Abtheilungen von verwelktem Rasen und einigen jämmerlichen, verkrümmten, durch den Herbstwind entblätterten Bäumen beschränkt.

Hier gingen jeden Tag der König und die königliche Familie spazieren; wir täuschen uns: hier führte man alle Tage den König und seine Familie spazieren.

Das war unerhört, grausam, doch weniger grausam, als die unterirdischen Gewölbe der Inquisition in Madrid, als die Bleikammern des Rathes der Zehn in Venedig, als die Kerker des Spielbergs.

Man bemerke wohl, wir entschuldigen ebenso wenig die Commune, als wir die Könige entschuldigen; doch wir sagen: der Tempel war nur eine Repressalie, eine furchtbare, ungeschickte Repressalie, denn aus einem Urtheile machte man eine Verfolgung; aus einem Schuldigen einen Märtyrer.

Was war nun der Anblick der verschiedenen Personen, denen wir in den Hauptphasen ihres Lebens zu folgen unternommen haben?

Der König mit seinem kurzsichtigen Auge, seinen schlaffen Backen, seinem schwerfälligen, schwankenden Gange, sah aus wie ein von einem Vermögensunglück betroffener guter Pächter; seine Melancholie war die eines Landwirthes, dem ein Gewitter die Scheunen verbrannt oder ein Hagel das Getreide zu Boden geschlagen hat.

 

Die Haltung der Königin war, wie immer, steif, hoffärtig, im höchsten Grade herausfordernd; Marie Antoinette hatte zur Zeit ihrer Größe Liebe eingeflößt; zur Stunde ihres Falles flößte sie aufopfernde Hingebungen ein, aber kein Mitleid: das Mitleid entspringt aus der Sympathie, und die Königin war durchaus nicht sympathetisch.

Madame Elisabeth, mit ihrem weißen Kleide, dem Symbole der Reinheit ihres Lebens und ihrer Seele; mit ihren blonden Haaren, welche noch schöner geworden, seitdem sie ohne Puder flattern mußten; Madame Elisabeth, mit einem azurblauen Bande um ihre Haube und um ihren Leib, schien der Schutzengel der ganzen Familie zu sein.

Madame Royale interessirte, trotz der Reize ihres Alters, wenig; ganz Oesterreicherin, wie ihre Mutter, ganz Maria Theresia und Marie Antoinette, hatte sie schon im Blicke die Geringschätzung und den Stolz der königlichen Racen und der Raubvögel.

Der kleine Dauphin, mit seinen Goldhaaren, mit seinem weißen, ein wenig krankhaften Teint, war interessant; er hatte nichtsdestoweniger ein hart blaues Auge von einem Ausdrucke, der manchmal über seinem Alter; er begriff Alles, folgte den Andeutungen, die ihm seine Mutter durch einen einzigen Blick gab, und er hatte zuweilen Schelmstücke von kindischer Politik, welche die Thränen selbst den Augen der Henker entlockten. Er halte sogar Chaumette gerührt, der arme Knabe! Chaumette, diesen Marder mit der spitzigen Schnauze, dieses Wiesel mit der Brille.

»Ich werde ihm Erziehung geben lassen,« sagte der Exanwaltsschreiber zu Herrn Hue, dem Kammerdiener des Königs; »doch man wird ihn von seiner Familie entfernen müssen, damit er die Idee seines Ranges verliert.«

Die Commune war zugleich grausam und unklug: grausam, indem sie die königliche Familie mit Mißhandlungen, Plackereien, Beleidigungen umgab; unklug, indem sie dieselbe schwach, gebrochen, gefangen, sehen ließ.

Jeden Tag schickte sie neue Wächter in den Tempel, unter dem Namen von Municipalen; sie traten ein als erbitterte Feinde des Königs, sie gingen weg als Feinde von Marie Antoinette, doch fast alle den König beklagend, die Kinder beklagend, Madame Elisabeth verherrlichend.

In der That, was sahen sie im Tempel, statt des Wolfes, der Wölfin, der Wölflein? Eine brave Bürgerfamilie, eine etwas stolze Mutter, eine Art von Elmire, die nicht duldete, daß man nur den Saum ihres Kleides anrührte: – doch vom Tyrannen keine Spur.

Wie verging der Tag dieser ganzen Familie?

Sagen wir es, nach der Erzählung von Cléry.

Zuerst aber richten wir die Augen auf das Gefängniß; wir werden sie sodann auf die Gefangenen zurücklenken.

Der König war in den kleinen Thurm eingeschlossen; der kleine Thurm stand an den großen angelehnt, ohne eine innere Verbindung; er bildete ein langes Viereck flankirt von zwei Thürmchen; in einem von diesen Thürmchen war eine kleine Treppe, welche vom ersten Stocke ausging und auf eine Gallerie führte: im andern waren Cabinete, welche mit jedem Stocke des Thurmes correspondirten.

Das Hauptgebäude hatte vier Stockwerke. Das erste bestand aus einem Vorzimmer, einem Speisezimmer und einem Cabinet, das im Thürmchen enthalten war; das zweite Stockwerk war ungefähr auf dieselbe Art abgetheilt; die größte Stube diente der Königin und den Dauphin als Schlafzimmer; die zweite war von der ersten durch ein kleines, fast dunkles Vorzimmer getrennt und wurde von Madame Royale und Madame Elisabeth bewohnt; man mußte durch diese Stube gehen, um in das Cabinet des Thürmchens einzutreten, und dieses Cabinet, – nichts Anderes, als das, was die Engländer Watercloset nennen, – war der königlichen Familie, den Municipalen und den Officieren gemeinschaftlich.

Der König wohnte im dritten Stocke, der dieselbe Anzahl von Zimmern umfaßte; er schlief in der großen Stube; das im Thürmchen enthaltene Cabinet diente ihm als Lesecabinet; auf der Seite war eine Küche, der ein dunkles Gelaß vorherging, welches in den ersten Tagen und ehe sie vom Könige getrennt worden waren, die Herren Chamilly und Hue bewohnt hatten, und an das seit dem Abgange von Herrn Hue Siegel gelegt worden waren.

Der vierte Stock war geschlossen; das Erdgeschoß war den Küchen vorbehalten, von denen man keinen Gebrauch machte.

Wie lebte nun die königliche Familie in diesem engen Raume, der halb Gefängniß, halb Wohnung?

Wir werden es sogleich sagen.

Der König stand gewöhnlich Morgens um sechs Uhr ans; er rasirte sich selbst; Cléry frisirte ihn und kleidete ihn an; sobald er frisirt und angekleidet war, ging er in sein Lesecabinet, das heißt in die Bibliothek der Archive des Malteser Ordens, welche fünfzehn- bis sechzehnhundert Bände enthielt.

Eines Tags bezeichnete der König, als er hier Bücher suchte, Herrn Hue mit dem Finger die Werke von Voltaire und Rousseau.

Dann sagte er mit leiser Stimme:

»Sehen Sie, das sind die zwei Männer, welche Frankreich ins Verderben gestürzt haben!«

Hier eintretend, kniete Ludwig XVI. nieder und betete fünf bis sechs Minuten; sodann las oder arbeitete er bis neun Uhr; während dieser Zeit brachte Cléry das Zimmer des Königs in Ordnung, bereitete das Frühstück und ging zur Königin hinab.

Nun allein, ließ sich der König nieder und unterhielt sich damit, daß er Virgil oder die Oden von Horaz übersetzte; um die Bildung des Dauphin fortzuführen, hatte er sich selbst wieder auf das Lateinische gelegt.

Dieses Gelaß war sehr klein; die Thüre desselben blieb immer offen: der Municipal hielt sich im Schlafzimmer auf und sah durch die offene Thüre, was der König machte.

Die Königin öffnete die Thüre nur, wenn Cléry kam, damit, da ihre Thüre geschlossen, der Municipal nicht bei ihr eintreten könnte.

Nun machte Cléry dem jungen Prinzen die Haare, er ordnete die Toilette der Königin, und ging in das Zimmer von Madame Royale und Madame Elisabeth, um ihnen denselben Dienst zu thun. Dieser, zugleich rasche und kostbare, Augenblick der Toilette war der, wo Cléry die Königin und die Prinzessinen von dem was er erfahren hatte, unterrichten konnte.

Um nenn Uhr gingen die Königin, die zwei Kinder und Madame Elisabeth zum König hinauf, wo das Frühstück servirt war; während des Desserts räumte Cléry die Zimmer der Königin und der Prinzessinnen auf; ein gewisser Tison und seine Frau waren Cléry beigegeben worden, unter dem Vorwande, ihn im Dienste zu unterstützen, in Wirklichkeit aber, um die königliche Familie und selbst die Municipale zu bespähen. Der Mann, ein ehemaliger Schreiber bei den Barrièren, war ein harter, boshafter Greis, unfähig irgend eines Gefühles der Humanität; die Frau, – Frau durch die Liebe, welche sie für ihre Tochter hegte, – trieb diese Liebe so weit, daß sie, von ihrer Tochter getrennt, die Königin denuncirte, um ihre Tochter wiederzusehen.62

Um zehn Uhr Morgens ging der König in das Zimmer der Königin hinab; hier beschäftigte er sich beinahe ausschließlich mit der Erziehung des Dauphin, ließ ihn einige Stellen aus Corneille oder Racine wiederholen, gab ihm eine Lection in der Geographie und übte ihn im Zeichnen und Tuschen von Plänen. – Frankreich war seit drei Jahren in Departements eingetheilt, und es war besonders diese Geographie des Königreichs, welche der König seinem Sohne zeigte.

Die Königin ihrerseits beschäftigte sich mit der Erziehung von Madame Royale, die sie zuweilen unterbrach, um in finstere tiefe Träumereien zu versinken; kam dies, so überließ sie Madame Royale ganz ihrem unbekannten Schmerze, der wenigstens die Wohlthat der Thränen hatte, entfernte sich auf den Fußspitzen und hieß ihren Bruder durch einen Wink schweigen; die Königin blieb mehr oder minder lang in ihre Betrachtungen versunken, es erschien eine Thräne am Winkel ihres Augenlides, rollte ihre Wange entlang, fiel auf ihre Hand, die den Ton des Elfenbeins angenommen hatte, und dann fuhr die arme Gefangene, – einen Augenblick frei in dem ungeheuren Gebiete der Gedanken, auf dem erleuchteten Felde ihrer Erinnerungen, – die arme Gefangene, sagen wir, fuhr ungestüm aus ihrem Traume auf, schaute umher und kehrte, mit gesenktem Haupte und gebrochenem Herzen, ins Gefängniß zurück.

Am Mittag traten die drei Prinzessinnen bei Madame Elisabeth ein, um ihre Morgenkleider auszuziehen; diesen Augenblick hatte die Schamhaftigkeit der Commune der Einsamkeit vorbehalten: kein Municipal war da.

Um ein Uhr, wenn es das Wetter erlaubte, führte man die königliche Familie in den Garten; vier Municipale und ein Legionschef der Nationalgarde begleiteten oder vielmehr überwachten sie. Da im Tempel eine Menge von Arbeitern war, die man zum Niederreißen der Häuser oder zur Erbauung der neuen Mauern verwendete, so konnten die Gefangenen nur einen Theil der Kastanienallee benutzen.

Cléry war bei diesen Spaziergängen; er gab dem jungen Prinzen dadurch ein wenig Leibesübung, daß er ihn Ball spielen oder mit dem Scheibenwerfen sich unterhalten ließ.

Um zwei Uhr kehrte man wieder in den Thurm zurück. Cléry servirte das Mittagsmahl; und alle Tage um diese Stunde kam Santerre in Begleitung von zwei Adjutanten in den Tempel, er visitirte dann ängstlich die beiden Wohnungen des Königs und der Königin.

Manchmal redete ihn der König an; die Königin nie; sie hatte den 20. Juni und das, was sie diesem Manne schuldig war, vergessen.

Nach dem Mahle ging man wieder in den ersten Stock hinab; der König machte eine Partie Piquet oder TrikTrak mit der Königin oder mit seiner Schwester.

Um vier streckte sich der König, um seine Siesta zu machen, auf einer Causeuse oder einem großen Lehnstuhle aus; da trat die tiefste Stille ein: die Prinzessinen nahmen ein Buch oder eine Arbeit, und jedes blieb unbeweglich, selbst de kleine Dauphin.

Ludwig XVI. Versank, fast ohne Übergang von Wachen in den Schlaf: die physischen Bedürfnisse waren wie gesagt, tyrannisch bei ihm. Der König schlief so regelmäßig anderthalb bis zwei Stunden. Bei seinem Erwachen nahm man die Conversation wieder auf; man rief Cléry, der nie fern war, und Cléry gab dem Dauphin seine Schreibstunde; nachdem er ihm diese Stunde gegeben, führte er den jungen Prinzen in das Zimmer von Madame Elisabeth und ließ ihn Ball oder Volant spielen.

Kam der Abend, so setzte sich die ganze Familie um einen Tisch; die Königin las laut etwas vor, was die Kinder zu unterhalten oder zu belehren geeignet war; Madame Elisabeth löste die Königin ab, wenn diese müde wurde. Die Lectüre dauerte bis acht Uhr; um acht Uhr speiste der junge Prinz im Zimmer von Madame Elisabeth zu Nacht; die königliche Familie war bei diesem Mahle anwesend, und der König pflegte dann eine Sammlung vom Mercure de France, die er in der Bibliothek gefunden, zu nehmen und den Kindern Räthsel und Charaden aufzugeben.

Nach dem Abendbrode ließ die Königin ihren Sohn folgendes Gebet sprechen:

»Allmächtiger Gott, der Du mich geschaffen und erlöset hast, ich bete Dich an! erhalte die Tage des Königs meines Vaters und die meiner Familie; beschütze uns gegen unsere Feinde; gib Frau von Tourzel die Kräfte deren sie bedarf, um zu ertragen, was sie um unseretwillen leidet.«

Cléry entkleidete sodann den Dauphin und legte ihn zu Bette, und es blieb eine von den zwei Prinzessinnen bei ihm, bis er eingeschlafen war.

Alle Abende kam um diese Stunde ein Zeitungscolporteur vorüber und rief die Neuigkeiten des Tages aus: Cléry stellte sich auf den Anstand und theilte hernach dem König die Worte des Ausrufers mit.

Um nenn Uhr speiste der König ebenfalls zu Nacht.

Cléry brachte auf einem Plateau das Abendbrod der Prinzessin, welche beim kleinen Dauphin wachte.

Nach beendigtem Mahle ging der König wieder ins Zimmer der Königin, reichte ihr, wie seiner Schwester, die Hand zum Abschiede, küßte die Kinder, begab sich in sein Zimmer, zog sich in die Bibliothek zurück und las bis um Mitternacht.

Die Prinzessinnen ihrerseits schlossen sich in ihrer Wohnung ein; Einer von den zwei Municipalen blieb in dem kleinen Gelasse, das ihre zwei Zimmer trennte; der Andere folgte dem König.

Cléry stellte sodann sein Bett in die Nähe von dem des Königs; doch ehe er sich niederlegte, wartete Ludwig XVI., bis der neue Municipale heraufgekommen, um zu wissen, wer es war, und ob er ihn schon gesehen. – Die Municipale wurden um elf Uhr Morgens, um fünf Uhr Abends und um Mitternacht abgelöst.

 

Diese Lebensart, ohne irgend eine Veränderung, dauerte fort, so lange der König im kleinen Thurme blieb, das heißt bis zum 30. September.

Man sieht, die Lage war traurig und um so mehr bemitleidenswerth, als sie würdig ertragen wurde; die Feindseligsten milderten sich auch bei diesem Anblicke: sie kamen, um einen abscheulichen Tyrannen zu beaufsichtigen, der Frankreich zu Grunde gerichtet, der die Franzosen niedergemetzelt, die Heere der Fremden herbeigerufen hatte um die Königin zu beaufsichtigen, welche die Gierden von Messalina mit den Ausschweifungen von Katharina II. Verbunden hatte; sie fanden einen gutherzigen grau gekleideten Mann, den sie mit seinem Kammerdiener verwechselten, der gut aß, gut trank, gut schlief. Piquet und TrikTrak spielte, seinem Sohn Lateinisch und Geographie lehrte und seine Kinder Charaden auflösen ließ: – eine Frau, allerdings stolz, hoffärtig, aber würdig, ruhig, ergeben, noch schön, ihre Tochter im Sticken unterrichtend, ihrem Sohne Gebete vorsprechend, mit ihren Domestiquen sanft redend und einen Kammerdiener »mein Freund« nennend.

Die ersten Augenblicke gehörten dem Hasse; Jeder von diesen Menschen, der mit Gefühlen der Erbitterung und der Rache gekommen war, fing damit an, daß er diesen Gefühlen den Lauf ließ; sodann, allmälig wurde er von Mitleid gerührt; er, der am Morgen drohend und den Kopf hoch tragend von Hause weggegangen, kam Abends betrübt und mit gesenktem Haupte zurück; seine Frau erwartete ihn neugierig.

»Ah! Du bist da!« rief sie.

»Ja,« antwortete er laconisch.

»Hast Du den Tyrannen gesehen?«

»Ich habe ihn gesehen.«

»Hat er eine sehr grimmige Miene?«

»Er gleicht einem Rentier des Marais.«

»Was macht er? er wüthet! er verflucht die Republik! er. . .«

»Er bringt seine Zeit damit zu, daß er mit seinen Kindern studirt, sie Lateinisch lehrt, mit seiner Schwester Piquet spielt, Charaden erräth, um seine Frau zu belustigen.«

»Der Unglückliche hat also keine Gewissensbisse?«

»Ich habe ihn essen sehen, und er ißt wie ein Mensch, der ein ruhiges Gewissen hat; ich habe ihn schlafen sehen, und ich stehe Dir dafür, daß ihn der Alp nicht drückt.«

Und die Frau wurde ebenfalls nachdenkend.

»Dann ist er also nicht so grausam und so strafbar, als man behauptet?« sagte sie.

»Strafbar, ich weiß es nicht; grausam, ich stehe Dir dafür, nein; unglücklich, ganz gewiß!«

»Armer Mann!« rief die Frau.

Man vernehme, was geschah: je mehr die Commune ihren Gefangenen erniedrigte, und je mehr sie zeigte, daß es im Ganzen ein Mensch war wie ein Anderer, desto mehr hatten die andern Menschen Mitleid mit demjenigen, welchen sie als ihres Gleichen erkannten.

Dieses Mitleid äußerte sich oft unmittelbar gegen den König selbst, gegen den Dauphin, gegen Cléry.

Eines Tags war ein Steinhauer beschäftigt, Löcher in die Mauer des Vorzimmers zu machen, wo ungeheure Riegel angebracht werden sollten. Während der Arbeiter frühstückte, belustigte sich der Dauphin damit, daß er mit seinem Handwerkzeug spielte; da nahm der König aus den Händen des Kindes den Hammer und den Meißel und zeigte ihm, selbst ein geschickter Schlosser, auf welche Art man sich dieser Dinge bedienen müsse.

Aus dem Winkel, wo er saß und sein Stück Brod und Käse aß, sah der Maurer mit Erstaunen, was vorging.

Er war vor dem König und dem Prinzen nicht aufgestanden: er stand vor dem Menschen und dem Kinde auf; er näherte sich, den Mund noch voll, aber den Hut in der Hand, und sagte zum König:

»Nun wohl, wenn Sie aus diesem Thurme weggehen werden, können Sie sich rühmen, Sie haben an Ihrem eigenen Gefängniß gearbeitet!«

»Ah!« erwiederte der König, »wann und wie werde ich daraus weggehen?«

Der Dauphin fing an zu weinen; der Arbeiter wischte sich eine Thräne ab; der König ließ Hammer und Meißel fallen und kehrte in sein Zimmer zurück, wo er lange mit großen Schritten auf und abging.

An einem andern Tage bezog eine Schildwache, wie gewöhnlich, den Posten vor der Thüre der Königin, das war ein Vorstädter, grob, aber reinlich gekleidet.

Cléry war allein im Zimmer, mit Lesen beschäftigt Die Schildwache betrachtete ihn mit tiefer Aufmerksamkeit.

Nach einem Augenblicke stand Cléry, durch seinen Dienst anderswohin gerufen, auf und wollte hinausgehen; der Vorstädter aber, während er das Gewehr präsentierte, sagte mit leiser, schüchterner, beinahe zittert der Stimme:

»Man passiert nicht hier.«

»Warum nicht?« fragte Cléry.

»Weil mir der Befehl vorschreibt, die Augen auf Sie gerichtet zu haben.«

»Auf mich?« versetzte Cléry.

»Sie täuschen sich sicherlich.«

»Sind Sie nicht der König?«

»Sie kennen also den König nicht?«

»Ich habe ihn nie gesehen, mein Herr; und, wenn ich es sagen soll  . . . ich möchte ihn lieber anderswo als hier sehen.«

»Sprechen Sie leise,« sagte Cléry.

Sodann, auf eine Thüre deutend:

»Ich will in dieses Zimmer eintreten, und Sie werden den König sehen: er sitzt an einem Tische und liest.«

Cléry trat ein und erzählte dem König, was vorgefallen war, der König stand auf und ging von einer Zimmer ins andere auf und ab, damit ihn der brave Mann nach seiner Bequemlichkeit sehen könnte.

Nicht bezweifelnd, der König bemühe sich um seinetwillen so, sprach der Vorstädter zu Cléry:

»Ah! mein Herr, wie gut ist der König! Ich was mich betrifft, kann nicht glauben, daß er all das Böse gethan hat, was man sagt.«

Eine andere Schildwache, welche am Ende der Allee stand, die der königlichen Familie als Promenade diente, machte den hohen Gefangenen eines Tages begreiflich, sie habe ihnen einige Nachrichten zu geben. Beim ersten Gange hatte Niemand das Ansehen, als schenkte man ihren Zeichen eine Aufmerksamkeit; beim zweiten Gange näherte sich aber Madame Elisabeth der Schildwache, um zu sehen, ob sie mit ihr spreche. Unglücklicher Weise, war es Angst, war es Ehrfurcht, blieb dieser junge Mann, der ein distinguiertes Gesicht hatte, stumm: nur rollten zwei Thränen in seinen Augen, und er deutete mit seinem Finger auf einen Schutthaufen, wo wahrscheinlich ein Brief verborgen war. Unter dem Vorwande, er suche Wurfteine für den kleinen Prinzen, störte Cléry im Schutte; doch ohne Zweifel errathend, was er suchte, befahlen ihm die Municipale, sich zu entfernen, und verboten ihm, bei Strafe der Trennung vom König, je wieder mit der Schildwache zu sprechen.

Es zeigten übrigens nicht Alle, die sich den Gefangenen des Tempels näherten, dieselben Gefühle der Ehrfurcht und des Mitleids: bei Vielen waren der Haß und die Rache so tief eingewurzelt, daß ihnen dieses Schauspiel des königlichen Unglücks mit bürgerlichen Tugenden ertragen ihre Leidenschaften nicht ausreißen konnte, und zuweilen hatten der König und die Königin Grobheiten, Beleidigungen, Beschimpfungen sogar zu erdulden.

Eines Tags war der Municipal vom Dienste beim König ein gewisser James, Professor der englischen Sprache; dieser Mensch hatte sich an den König wie ein Schatten angehängt und verließ ihn nicht. Der König trat in sein Lesecabinet ein, der Municipal trat hinter ihm ein und setzte sich zu ihm.

»Mein Herr,« sagte nun der König zu ihm mit seiner gewöhnlichen Sanftmuth, »Ihre Collegen pflegen mich in diesem Zimmer allein zu lassen, weil ich, da die Thüre immer offen bleibt, ihren Blicken nicht entgehen kann.«

»Meine Collegen handeln nach ihrem Belieben,« antwortete James, »und ich nach dem meinen.«

»Bemerken Sie gefälligst, mein Herr: dieses Zimmer ist so klein, daß es unmöglich ist, zu zwei hier zu bleiben,« entgegnete der König.

»Dann gehen Sie in ein größeres,« erwiederte ungeschlacht der Municipal.

Der König stand auf, ohne etwas zu sagen, und kehrte in sein Schlafzimmer zurück, der Lehrer der englischen Sprache folgte ihm auch dahin und hielt ihn belagert bis zu dem Augenblicke, wo er abgelöst wurde.

Am Morgen hielt der König den Municipal, der die Wache hatte, für den, welchen er am vorhergehenden Tage gesehen; wir haben gesagt, um Mitternacht seien die Municipale gewöhnlich gewechselt worden.

Er ging auf ihn zu und sprach zu ihm mit einer Miene der Theilnahme:

»Ah! mein Herr, ich bedaure sehr, daß man Sie abzulösen vergessen hat.«

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte ungeschlacht der Municipal.

»Damit will ich sagen, Sie müssen müde sein.«

62S. den Chevalier von Maison-Rouge, der gleichsam die Fortsetzung der Gräfin von Charny bildet und in der Uebersetzung längst durch das Belletristische Ausland veröffentlicht worden ist.]
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