Бесплатно

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

XXXII
Die Königin

Beide stiegen die kleine Treppe des Pavillon Marsan hinaus und traten in die Gemächer des ersten Stockes ein, den der König und die Königin bewohnten.

Alle Thüren öffneten sich vor Herrn von Lafayette. Die Schildwachen präsentirten das Gewehr; die Lackeien verbeugten sich; man erkannte leicht den König des Königs, den Major domus, wie Marat sagte.

Herr von Lafayette wurde zuerst bei der Königin eingeführt; der König war in seiner Schmiede, und man benachrichtigte Seine Majestät.

Herr Louis von Bouillé hatte Marie Antoinette drei Jahre nicht gesehen.

Während dieser drei Jahre waren die Stände versammelt gewesen, war die Bastille genommen worden und hatten die Tage des 5. und 6. Octobers stattgehabt.

Die Königin hatte ein Alter von vier und dreißig Jahren erreicht, »ein rührendes Alter,« sagt Michelet, »welches Van Dyck so oft mit Wohlgefallen gemalt hat, das Alter der Frau, das Alter der Mutter, und bei Marie Antoinette besonders das Alter der Königin.«

Seit diesen drei Jahren hatte die Königin viel an Geist und Herz, an Liebe und Eitelkeit gelitten. Die vier und dreißig Jahre erschienen daher bei der armen Frau um ihre Augen durch jene leichten, perlmutterartigen, bläulichen Nuancen, welche thränenreiche Tage und schlaflose Nächte verrathen, welche besonders das tiefe Uebel der Seele offenbaren, von dem die Frau, – Frau oder Königin, – sobald sie davon befallen ist, nicht mehr geneset.

Es war das Alter der gefangenen Maria Stuart, das Alter, wo sie die tiefsten Leidenschaften durchlebte und erregte, das Alter, wo Douglas, Mortimer, Norfolk und Babington sich ihr weihten und für sie starben.

Der Anblick dieser gefangenen, gehaßten, verleumdeten, bedrohten Königin, – der Tag des 5. October hatte bewiesen, daß die Drohungen nicht leer waren,– machte einen tiefen Eindruck aus das ritterliche Herz des jungen Louis von Bouillé.

Die Frauen täuschen sich nicht in der Wirkung, die sie hervorbringen, und da die Königinnen und die Könige überdies ein Gedächtnis, für Gesichter haben, das gleichsam einen Theil ihrer Erziehung bildet, so war Marie Antoinette Herrn von Bouillé kaum gewahr geworden, als sie ihn erkannte; sie hatte kaum einen Blick auf ihn geworfen, als sie sich sicher fühlte, sie befinde sich einem Freunde gegenüber.

Hierdurch erfolgte, daß, ehe der General den jungen Mann vorgestellt, ehe er sich am Fuße des Divans befand, auf welchem die Königin halb lag, diese aufgestanden war und, wie man es zugleich bei einem allen Bekannten, den man mit Vergnügen wiedersieht, und bei einem Diener thut, auf dessen Treue man zählen kann, ausgerufen hatte:

»Ah! Herr von Bouillé!«

Dann hatte sie, ohne sich um den General Lafayette zu bekümmern, die Hand gegen den jungen Mann ausgestreckt.

Der Graf Louis zögerte einen Augenblick, er konnte an eine solche Gunst nicht glauben.

Da aber die königliche Hand ausgestreckt blieb, so setzte er ein Knie auf die Erde und berührte mit seinen zitternden Lippen diese Hand.

Das war ein Fehler, den die Königin machte, und sie machte viele diesem ähnliche; ohne diese Gunstbezeigung gehörte Herr von Bouillé ihr, und durch dies, Herrn von Bouillé vor Herrn von Lafayette, dem nie eine solche Gnade zu Theil geworden, bewilligte Gunst stellte sie ihre Demarcationslinie fest und verletzte den Mann, aus welchem sich einen Freund zu machen sie am meisten nöthig hatte.

Lafayette sagte auch mit der Höflichkeit, von welcher nur einen Augenblick abzugehen der General unfähig war:

»Bei meiner Treue, mein lieber Vetter, ich habe Ihnen angeboten, Sie Ihrer Majestät vorzustellen, doch, wie mir scheint, war es eher an Ihnen, mich ihr vorzustellen.«

Die Königin war so freudig, daß sie sich einem von den Dienern gegenüber fand, von welchen sie wußte, sie könne aus dieselben zählen, die Frau war so stolz auf den Eindruck, den sie, wie ihr schien, auf den Grafen hervorgebracht hatte, daß sie sich, in ihrem Herzen einen von jenen Strahlen der Jugend, die sie erloschen glaubte, und rings um sich die Lüfte des Frühlings und der Liebe, die sie todt wähnte, fühlend, gegen den General umwandte und mit ihrem Lächeln von Trianon und Versailles erwiederte:

»Herr General, der Graf Louis ist kein strenger Republicaner, wie Sie; er kommt von Metz und nicht von America; er kommt nicht nach Paris, um an der Constitution zu arbeiten; er kommt, um mir seine Huldigungen darzubringen. Wundern Sie sich also nicht, daß ich, die arme, halb entthronte Königin, ihm eine Gunst bewillige, die für ihn, einen jungen Mann aus der Provinz, vielleicht noch diesen Namen verdient, während für Sie  . . .«

Und die Königin machte eine reizende Geberde, beinahe eine Mädchengeberde, welche besagen wollte: »Während Sie, Herr Scipio, während Sie, Herr Cincinnatus, sich den Henker um solche Freundlichkeiten bekümmern.«

»Madame,« sprach Lafayette, »ich werde ehrfurchtsvoll und ergeben an der Königin vorübergegangen sein, ohne daß je die Königin meine Ehrfurcht begriffen, meine Ergebenheit geschätzt hat; das wird ein großes Unglück für mich, ein noch größeres vielleicht für sie sein.«

Und er verbeugte sich.

Die Königin schaute ihn mit ihrem tiefen, klaren Auge an. Mehr als einmal hatte ihr Lafayette solche Worte gesagt, mehr als einmal hatte sie über die Worte, die ihr Lafayette gesagt, nachgedacht; aber zum Unglück für sie, wie es dieser ausgesprochen, hegte sie einen instinctartigen Widerwillen gegen den Menschen.

»Ah! General,« versetzte sie, »seien Sie großmüthig, verzeihen Sie mir.«

»Ich, Madame, Ihnen verzeihen! Und was?«

»Daß es mich so zu der guten Familie Bouillé hingerissen hat, die mich von ganzem Herzen liebt und zu deren elektrischen Kette sich zu machen dieser junge Mann die Güte gehabt. Ich sah seinen Vater, seine Oheime, seine ganze Familie erscheinen, als er eintrat und mir mit seinen Lippen die Hand küßte.«

Lafayette verbeugte sich abermals.

»Und nun,« sagte die Königin, »nach der Verzeihung der Friede; einen guten Händedruck, General, auf englische oder americanische Art.«

Und sie bot ihm die Hand, aber offen und die flache Seite nach außen.

Lafayette berührte langsam und mit einer kalten Hand die Hand der Königin und erwiederte:

»Ich bedaure, daß Sie sich nie erinnern wollen, daß ich Franzose bin, Madame. Es ist doch nicht so, weit vom 6. October zum 16. November.«

»Sie haben Recht, General,« sprach die Königin, indem sie ihm nach einer Anstrengung gegen sich selbst die Hand drückte; »ich bin eine Undankbare.«

Und sie sank wie gebrochen durch die Gemüthsbewegung auf ihr Sofa zurück und fügte bei:

»Uebrigens darf Sie dies nicht in Erstaunen setzen. Sie wissen, das ist der Vorwurf, den man mir macht.«

Dann fragte sie, den Kopf schüttelnd:

»Nun, General, was gibt es Neues?«

Lafayette hatte eine kleine Rache zu üben; er ergriff die Gelegenheit.

»Ah! Madame,« sagte er, »wie sehr bedaure ich, daß Sie gestern nicht in der Nationalversammlung gewesen sind. Sie hätten eine rührende Scene gesehen, von der sicherlich Ihr Herz bewegt worden wäre; ein Greis kam und dankte der Nationalversammlung für das Glück, das er ihr, ihr und dem König verdanke, denn die Nationalversammlung vermag nichts ohne die königliche Sanction.«

»Ein Greis?« wiederholte die Königin zerstreut.

»Ja, Madame; aber welch ein Greis! der Aelteste der Menschheit, ein höriger Bauer des Jura, hundert und zwanzig Jahre alt, vor die Schranken der Nationalversammlung durch fünf Generationen von Abkömmlingen geführt und hier erscheinend, um für ihre Decrete vom 4. August zu danken. Sie begreifen, Madame, ein Mann, der Leibeigener ein halbes Jahrhundert unter Ludwig XIV. und siebenzig Jahre seitdem gewesen ist!«

»Und was hat die Nationalversammlung zu Gunsten dieses Mannes gethan?«

»Sie ist insgesamt aufgestanden und hat ihn genöthigt, sich zu setzen und zu bedecken.«

»Ah!« sagte die Königin mit dem Tone, der nur ihr eigenthümlich war, »das mußte in der That sehr rührend sein; »doch zu meinem Bedauern war ich nicht dort. Sie wissen besser, als irgend Jemand,« fügte sie lächelnd bei, »ich bin nicht immer da, wo ich sein will.«

Der General machte eine Bewegung, welche bezeichnete, er habe etwas zu erwiedern, doch ohne daß sie ihm Zeit ließ, ein Wort zu sagen, fuhr die Königin fort:

»Nein, ich war hier, ich empfing die Frau François, die arme Witwe des unglücklichen Bäckers der Nationalversammlung, den diese vor ihrer Thür hat ermorden lassen. Was that denn die Nationalversammlung an diesem Tage, Herr von Lafayette?«

»Madame,« erwiederte der General, »Sie sprechen da von einem der Unglücksfälle, welche die Repräsentanten Frankreichs im höchsten Maße betrübt haben: die Nationalversammlung konnte dem Morde nicht vorbeugen, aber sie wußte wenigstens die Mörder bestrafen.«

»Ja, doch diese Strafe, das schwöre ich Ihnen, hat die arme Frau nicht getröstet; sie wäre beinahe rasend geworden, und man glaubt, sie werde ein todtes Kind gebären; lebt das Kind, so habe ich ihr versprochen, die Pathe desselben zu werden, und damit das Volk erfahre, ich sei nicht so unempfindlich, als man sagt, gegen das Unglück, das ihm begegnet, frage ich Sie, mein lieber General, ob keine Inconvenienz dabei wäre, daß das Kind in Notre-Dame getauft würde.«

Lafayette erhob die Hand wie ein Mensch, der im Begriffe ist, um das Wort zu bitten, und der sich entzückt fühlt, daß man es ihm bewilligt.

»Madame,« sagte er, »das ist die zweite Anspielung, die Sie seit einem Augenblick auf die angebliche Gefangenschaft machen, in der ich Sie, wie man gern Ihre getreuen Diener glauben machen würde, halten soll. Madame, ich beeile mich, es vor meinem Vetter auszusprechen, ich werde es vor Paris, vor Europa, vor der Welt, wenn es sein muß, wiederholen, ich habe es gestern Herrn Mounier geschrieben, der aus dem Dauphiné über die königliche Gefangenschaft jammert, – Madame, Sie sind frei, und ich habe nur einen Wunsch, ich richte nur eine Bitte an Sie: Sie mögen einen Beweis hiervon dadurch geben, daß der König seine Jagden und seine Fahrten wieder ausnimmt, und daß Sie ihn begleiten.«

 

Die Königin lächelte wie eine schlecht überzeugte Person.

»Was den Punkt betrifft, daß Sie Pathe der armen Waise sein wollen, welche in der Trauer geboren werden wird, so hat die Königin, diese Verpflichtung gegen die Witwe übernehmend, dem vortrefflichen Herzen gehorcht, das ihr die Achtung und die Liebe ihrer ganzen Umgebung erworben. Ist der Tag der Ceremonie gekommen, so wird die Königin die Kirche wählen, wo sie wünscht, daß diese Ceremonie stattfinden soll; sie wird ihre Befehle geben, und nach ihren Befehlen wird Alles geschehen. Und nun,« fügte der General, indem er sich verbeugte, bei, »nun erwarte ich diejenigen, mit welchen Eure Majestät mich für heute zu beehren die Gnade hoben wird.«

»Für heute, mein lieber General,« erwiederte die Königin, »habe ich keine andere Bitte an Sie zu richten, als die, Sie mögen Ihren Vetter, wenn er noch einige Tage in Paris bleibt, einladen, Sie in eine der Abendgesellschaften von Frau von Lamballe zu begleiten. Sie wissen, sie empfängt für sich und für mich.«

»Und ich, Madame,« sagte Lafayette, »ich werde von der Einladung für meine Rechnung und für die seinige Gebrauch machen; und wenn mich Eure Majestät nicht früher dort gesehen hat, so bitte ich sie, überzeugt zu sein, es rühre dies davon her, daß sie es vergessen, mir ihren Wunsch, mich in diesen Gesellschaften, zu sehen, kundzugeben.«

Die Königin antwortete durch eine Verneigung des Kopfes und durch ein Lächeln.

Das war der Abschied.

Jeder nahm davon, was ihm zukam.

Lafayette den Gruß; der Graf Louis das Lächeln.

Beide entfernten sich rückwärts schreitend. Der Eine trug aus dieser Zusammenkunst mehr Bitterkeit, der Andere mehr Ergebenheit fort.

XXXIII
Der König

Vor der Thüre des Gemachs der Königin fanden der General und der Graf Louis den Kammerdiener des Königs, der auf sie wartete.

Der König.


Der König ließ Herrn von Lafayette sagen, da er, um sich zu zerstreuen, eine sehr wichtige Schlosserarbeit angefangen habe, so bitte er ihn, in die Schmiede hinaufzukommen.

Eine Schmiede war das Erste, wonach sich Ludwig XVI. bei seiner Ankunft in den Tuilerien erkundigte, und als er erfuhr, dieser für ihn unerläßlich nothwendige Gegenstand sei in den Plänen von Katharina von Medicis und Philibert von Lorme vergessen worden, wählte er im zweiten Stocke, gerade über seinem Schlafzimmer, eine große Mansarde, die eine äußere und eine innere Treppe hatte, um seine Schlosserwerkstätte daraus zu machen.

Unter den schweren Sorgen, welche ihn seit den fünf Wochen, die er ungefähr in den Tuilerien war, belagerten, vergaß Ludwig XVI. nicht einen Augenblick seine Schmiede. Seine Schmiede war eine fixe Idee; er leitete selbst ihre Feuereinrichtung, bezeichnete selbst den Platz für den Blasebalg, für den Herd, den Amboß, den Werktisch und die Schraubstöcke. Die Schmiede war seit dem vorhergehenden Tag eingerichtet; runde Feilen, flache Feilen, Karpfenzungen, Reißhaken waren an ihren Plätzen; Vorschlaghämmer, Kreuzhämmer, Rundschlaghämmer hingen an ihren Nägeln; Zwickzangen, Maulzangen, Beißzangen lagen im Bereiche der Hand. Ludwig XVI. hatte nicht länger widerstehen können, und vom Morgen an widmete er sich mit glühendem Eifer dieser Arbeit, welche eine so große Zerstreuung für ihn bot, und in der er Meister geworden wäre, hätte ihn nicht, wie wir zum großen Bedauern von Meister Gamain gesehen, eine Anzahl von Faullenzern, wie Herr Turgot, Herr von Calonne, Herr Necker, von dieser gelehrten Beschäftigung abgezogen, um mit ihm nicht nur über die Angelegenheiten Frankreichs, was, streng genommen, Meister Gamain gestattete, sondern auch, was ihm sehr unnütz schien, über die Angelegenheiten von Brabant, von Oesterreich, von England, von Spanien und Amerika zu reden.

Dies erklärt, wie König Ludwig XVI. in der ersten Hitze seiner Arbeit, statt zu Herrn von Lafayette hinabzugehen, Herrn von Lafayette hatte bitten lassen, zu ihm herauszukommen.

Dann vielleicht auch war es Ludwig XVI., nachdem er sich vor dem Commandanten der Nationalgarde in seiner Schwäche als König hatte sehen lassen, nicht unangenehm, sich ihm in seiner Majestät als Schlosser zu zeigen.

Da es der Kammerdiener, um die Besuche in die königliche Schmiede zu führen, nicht für geeignet gehalten hatte, die Wohnzimmer zu durchschreiten und sie die Privattreppe hinaussteigen zu lassen, so umgingen Herr von Lafayette und der Graf Louis diese Zimmer und stiegen die öffentliche Treppe hinauf, was ihren Weg sehr verlängerte.

Die Folge dieses Abweichens von der geraden Linie war, daß der junge Graf Louis Zeit zum Nachdenken hatte.

Er dachte also nach.

So voll sein Herz von dem guten Empfang war, der ihm von Seiten der Königin zu Theil geworden, so konnte er sich doch nicht verleugnen, daß er nicht von ihr erwartet worden. Kein doppelsinniges Wort, keine geheimnißvolle Geberde hatte ihm zu verstehen gegeben, die erhabene Gefangene, was sie zu sein behauptete, habe Kenntniß von der Sendung, mit der er beauftragt war, und rechne auch nur im Geringsten auf ihn, daß er sie ihrer Gefangenschaft entziehe. Dies stand übrigens ganz gut mit dem im Einklange, was Charny von dem Geheimnisse gesagt hatte, das der König aus seiner Mission für Alle und selbst für die Königin gemacht habe.

Welches Glück es auch dem Grafen Louis gewährte, die Königin wiederzusehen, es war doch offenbar, daß er nicht zu ihr zurückkommen mußte, um die Lösung seiner Botschaft zu suchen.

Es war seine Ausgabe, zu studiren, ob sich im Empfang des Königs, in seinen Worten oder in seinen Geberden nicht ein ihm allein begreifliches Zeichen finde, welches ihm andeute, Ludwig XVI. sei besser als Herr von Lafayette über die Ursachen seiner Reise nach Paris unterrichtet.

Vor der Thüre der Schmiede wandte sich der Kammerdiener um, und fragte, da er den Namen von Herrn von Bouillé nicht wußte:

»Wen werde ich melden?«

»Melden Sie den Oberbefehlshaber der Nationalgarde. Ich werde die Ehre haben, diesen Herrn Seiner Majestät vorzustellen.«

»Der Herr Obercommandant der Nationalgarde,« meldete der Kammerdiener.

Der König wandte sich um.

»Ah! Ah!« sagte er, »Sie sind es, Herr von Lafayette? Ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich Sie habe hier herauskommen lassen; doch der Schlosser versichert Sie, daß Sie in seiner Werkstätte willkommen sind; ein Kohlenbrenner sagte zu meinem Ahnherrn, Heinrich IV.: »»Kohlenbrenner ist Herr in seinem Hause.«« Ich sage Ihnen, General: »»Sie sind Herr beim Schlosser, wie beim König.««

Der König nahm, wie man sieht, das Gespräch ungefähr aus dieselbe Art in Angriff, wie es Marie Antoinette gethan hatte.

»Sire,« erwiederte Herr von Lafayette, »unter welchen Umständen ich die Ehre habe, vor dem König zu erscheinen, in welchem Stocke und in welcher Kleidung er mich empfängt, der König wird immer der König sein, und derjenige, welcher ihm in diesem Augenblick seine Ehrfurcht bezeigt, wird immer sein getreuer Unterthan und sein ergebener Diener bleiben.«

»Ich bezweifle es nicht, Marquis; doch Sie sind nicht allein? Haben Sie Ihren Adjutanten gewechselt, und nimmt dieser junge Officier bei Ihnen die Stelle von Herrn Gouvion oder von Herrn Romeuf ein?«

»Dieser junge Officier, Sire, – ich bitte Eure Majestät um Erlaubniß., ihr derselben vorstellen zu dürfen, – dieser Officier ist mein Vetter, der Graf Louis von Bouillé, Kapitän bei den Dragonern von Monsieur.

»Ah! Ah!« versetzte der König, der sich eines leichten Bebens, welches der junge Edelmann wohl bemerkte, nicht erwehren konnte, »ah! ja, der Herr Graf Louis von Bouillé, Sohn des Marquis von Bouillé, Commandanten von Metz,«

»So ist es, Sire,« sagte lebhaft der junge Graf.

»Ah! Herr Graf Louis von Bouillé, verzeihen Sie, daß ich Sie nicht erkannte, ich habe ein kurzes Gesicht. Und Sie haben Metz schon lange verlassen?«

»Vor fünf Tagen, Sire, und da ich mich in Paris zwar ohne einen officiellen Urlaub, aber mit besonderer Genehmigung meines Vaters befand, so ersuchte ich meinen Verwandten, Herrn von Lafayette, um die Ehre, Eurer Majestät vorgestellt zu werden.«

»Von Herrn von Lafayette! Sie haben wohl gethan, Herr Graf, Niemand war mehr im Stande, Sie zu jeder Stunde vorzustellen, und von Niemand konnte mir die Vorstellung angenehmer sein.«

Dieses zu jeder Stunde bezeichnete, daß Herr von Lafayette den großen und den kleinen Zutritt, der ihm in Versailles bewilligt worden war, behalten hatte.

Die wenigen Worte, welche Ludwig XVI, gesprochen, hatten indessen genügt, um dem jungen Grafen anzudeuten, er habe aus seiner Hut zu sein. Die Frage besonders: »Haben Sie Metz schon lange verlassen?« besagte: »Haben Sie Metz seit der Ankunft des Grafen von Charny verlassen?«

Die Antwort des Boten hatte den König hinreichend unterrichten müssen. »Ich habe Metz vor fünf Tagen verlassen und bin in Paris ohne Urlaub, aber mit besonderer Genehmigung meines Vaters,« wollte besagen: »Ja, Sire, ich habe Herrn von Charny gesehen, und mein Vater hat mich nach Paris geschickt, um mich mit Eurer Majestät zu verständigen und die Gewißheit zu erlangen, daß der Graf wirklich im Auftrage des Königs komme.«

Herr von Lafayette schaute neugierig umher. Viele waren in das Arbeitscabinet des Königs, in seinen Conseilsaal, in seine Bibliothek, in sein Betzimmer sogar gekommen; Wenige hatten sich der ausnehmenden Gunst erfreut, in die Schmiede zugelassen zu sein, wo der König Lehrling wurde, und wo der wahre König, der wahre Meister Herr Gamain war.

Der General bemerkte die vollkommene Ordnung, in der sich alle Werkzeuge aufgestellt oder aufgehängt fanden, worüber man sich indessen nicht wundern durste, da der König erst vom Morgen an arbeitete.

»Und Eure Majestät,« sagte Lafayette, der ziemlich in Verlegenheit über den Gegenstand war, den er bei einem König zur Sprache bringen könnte, welcher ihn mit aufgestreiften Aermeln, die Feile in der Hand und die lederne Schürze vorgebunden, empfing, »und Eure Majestät hat eine wichtige Arbeit unternommen?«

»Ja, General, ich habe das große Werk der Schlosserei: ein Schloß, unternommen Ich sage Ihnen, was ich mache, damit Sie, wenn Herr Marat erführe, ich arbeite wieder in der Werkstätte, und behauptete, ich schmiede Ketten für Frankreich, ihm antworten könnten, das sei nicht wahr  . . .Sie sind weder Gesell, noch Meister, Herr von Bouillé?«

»Nein, Sire; doch ich bin Lehrling, und wenn ich Eurer Majestät in Etwas nützlich sein könnte  . . .«

»Ah! es ist wahr, mein lieber Vetter,« sagte Lafayette, »war nicht der Mann Ihrer Amme ein Schlosser? und sagte Ihr Vater nicht, obgleich er ein ziemlich mittelmäßiger Bewunderer des Verfassers von Emil ist, wenn er in Beziehung auf Sie den Rath von Jean Jacques zu befolgen hätte, so würde er aus Ihnen einen Schlosser machen?«

»Ganz richtig, und darum hatte ich die Ehre, Seiner Majestät zu bemerken, sollte sie eines Lehrlings bedürfen  . . .«

»Ein Lehrling wäre mir unnütz, mein Herr,« erwiederte der König; »ich müßte hauptsächlich einen Meister haben.«

»Was für ein Schloß macht denn Seine Majestät?« fragte der junge Graf mit der Quasivertraulichkeit, zu der das Costume des Königs und der Ort, wo er sich befand, berechtigten. »Ist es ein Leierschloß, ein Mahlschloß, ein Einschlagschloß oder ein Schraubenschloß?«

»Ho! Ho! mein Wetter,« rief Lafayette, »ich weiß nicht, was Sie als Praktiker machen können, doch als Theoretiker scheinen Sie mir vertraut, ich sage nicht mit dem Handwerk, da es ein König geadelt hat, sondern mit der Kunst.«

Ludwig XVI. hatte mit einem sichtbaren Vergnügen den jungen Edelmann eine Anzahl Schlösser mit Namen nennen hören.

»Nein,« sagte er, »das ist ganz einfach ein Schloß mit einer geheimen Feder, was man ein Benarde-Schloß nennt, welches auf beiden Seiten schließt; doch ich befürchte sehr, meine Kräfte überschätzt zu haben. Ah! wenn ich meinen armen Gamain noch hätte, ihn, der sich Meister über Meister, Meister über Alle nannte!«

»Ist denn dieser brave Mann gestorben, Sire?«

»Nein,« erwiederte der König, indem er dem jungen Mann einen Blick zuwarf, der zu sagen schien: »»Verstehen Sie aus das halbe Wort;«« »nein, er ist in Versailles in der Rue des Reservoirs; der liebe Mensch wird es nicht gewagt haben, mich in den Tuilerien zu besuchen.«

 

»Warum nicht, Sire?« fragte Lafayette.

»Aus Furcht, sich zu gefährden. Ein König von Frankreich ist sehr gefährdend zu dieser Stunde, und zum Beweise dient, daß alle meine Freunde, die Einen in London, die Andern in Koblenz oder Turin sind. Wenn Sie indessen nichts Nachtheiliges darin finden, mein lieber General, daß er mit einem von seinen Lehrburschen hierher kommt, um mich ein wenig zu unterstützen, so werde ich ihn dieser Tage holen lassen.«

»Sire.« erwiederte rasch Herr von Lafayette, »Eure Majestät weiß wohl, daß es ihr vollkommen frei steht, zu sehen, wen es ihr beliebt.«

»Ja, unter der Bedingung, daß Ihre Schildwachen die Besuche betasten, wie man es mit den Schmugglern an der Grenze macht; oh! mein armer Gamain würde sich verloren glauben, hielte man sein Werkzeugbündel für eine Patrontasche und seine Feilen für Dolche!«

»Sire, ich weiß in der That nicht, wie ich mich bei Eurer Majestät entschuldigen soll, aber ich hafte Paris, Frankreich, Europa für das Leben des Königs, und ich kann nicht genug Vorsichtsmaßregeln nehmen, damit dieses kostbare Leben unversehrt bleibt. Was den wackern Mann betrifft, von dem wir sprechen, so mag der König selbst nach seinem Gefallen Befehle geben.«

»Es ist gut; ich danke, Herr von Lafayette; doch das hat keine Eile; erst in acht bis zehn Tagen,« fügte er bei, indem er einen Seitenblick auf Herrn von Bouillé warf, »bedarf ich seiner und seines Lehrlings; ich werde ihn durch meinen Kammerdiener Durcy, der mit ihm befreundet ist benachrichtigen.«

»Und er braucht nur zu erscheinen, um beim König zugelassen zu werden, Sire; sein Name wird ihm als Passirschein dienen. Gott bewahre mich vor dem Rufe eines Schließers, eines Gefangenenwärters, eines Kerkermeisters, den man mir macht; nie ist der König freier gewesen, als in diesem Augenblick; ich kam sogar, um Seine Majestät dringend zu bitten, sie möge ihre Jagden, ihre Reisen wieder anfangen.«

»Oh! meine Jagden, nein, ich danke! Uebrigens habe ich für den Augenblick, wie Sie sehen, etwas ganz Anderes im Kopfe. Was meine Reisen betrifft, das ist ein Unterschied; die letzte, die ich von Versailles nach Paris gemacht, hat mich von allem Verlangen, zu reisen, – wenigstens in so großer Gesellschaft, – geheilt,« sagte der König.

Und er warf einen neuen Blick dem Grafen von Bouillé zu, der durch ein einfaches Blinzeln mit den Augenlidern dem König zu verstehen gab, er habe begriffen.

»Und nun, mein Herr,« sprach der König zu dem jungen Grafen, »verlassen Sie Paris bald, um zu Ihrem Vater zurückzukehren?«

»Sire,« erwiederte der junge Mann, »ich verlasse Paris in zwei bis drei Tagen, doch nicht um nach Metz zurückzukehren. Ich habe eine Großmutter, welche in Versailles in der Rue des Reservoirs wohnt, und ich muß ihr meine Ehrfurcht bezeigen. Dann bin ich von meinem Vater beauftragt, eine ziemlich wichtige Familienangelegenheit zu Ende zubringen, und ich kann erst in acht bis zehn Tagen die Person sehen, deren Befehle ich bei dieser Veranlassung ein holen soll. Ich werde also bei meinem Vater frühestens in den ersten Tagen des December sein, wenn nicht etwa der König aus irgend einem besondern Grunde wünscht, daß ich meine Rückkehr nach Metz beschleunige.«

»Nein, mein Herr,« sagte der König, »nein, lassen Sie sich Zeit, gehen Sie nach Versailles, besorgen Sie die Angelegenheiten, mit denen Sie der Marquis beauftragt hat, und wenn sie abgemacht sind, sagen Sie ihm, ich vergesse ihn nicht, ich kenne ihn als einen meiner getreusten Unterthanen, und ich werde ihn eines Tags Herrn von Lafayette empfehlen, damit ihn Herr von Lafayette Herrn du Portail empfiehlt.«

Lafayette lächelte mit dem Ende der Lippen, als er diese neue Anspielung auf seine Allmacht hörte.

»Sire,« sprach er, »ich würde längst selbst die Herren von Bouillé Eurer Majestät empfohlen haben, hätte ich nicht die Ehre, mit diesen Herren verwandt zu sein. Die Furcht, man könnte sagen, ich wende die Gunstbezeigungen des Königs meiner Familie zu, hat mich allein bis jetzt abgehalten, diese Gerechtigkeit zu üben.«

»Ei! das schickt sich vortrefflich, Herr von Lafayette; wir werden wieder davon sprechen, nicht wahr?«

»Erlaubt mir der König, ihm zu sagen, daß mein Vater als eine Ungunst, als eine Ungnade sogar ein Avancement betrachten würde, das ihm ganz oder theilweise die Mittel Seiner Majestät zu dienen, entzöge?«

»Oh! das versteht sich,Graf,« erwiederte der König, »und ich werde nicht gestatten, daß man die Stellung von Herrn von Bouillé, anrührt, ohne sie noch mehr seinen Wünschen und den meinigen entsprechend zu machen. Lassen Sie uns, Herrn von Lafayette und mich, das ordnen und gehen Sie ihrem Vergnügen nach, ohne indessen darüber die Angelegenheiten zu vergessen. Gott befohlen, meine Herren!«

Und er entließ die beiden Herren mit einer majestätischen Miene, welche einen ziemlich seltsamen Contrast mit seinem gemeinen Anzug bildete.

Dann, als die Thüre wieder zugemacht war, sagte er:

»Ich glaube, daß mich der junge Mann verstanden hat, und daß ich in acht bis zehn Tagen Meister Gamain und seinen Lehrling haben werde, um mir mein Schloß anlegen zu helfen.«

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»