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Die Mohicaner von Paris

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CXXXV
Der Weg

»Sobald wir außerhalb Versailles waren.« fuhr das Mädchen fort, »knüpfte der Graf von Valgeneuse das Sacktuch aus, das meinen Mund bedeckte, so wie das, mit welchem meine Hände gebunden waren. Ich hatte blutige Lippen, und über vierzehn Tage behielt ich an meinen Händen das bläuliche Mahl des Knotens . . . «

»Der Elende!« murmelte Salvator.

›Mademoiselle,‹ sagte er zu mir, ›Sie sehen, daß ich Ihnen Alles, was ich kann, von Freiheit wiedergebe. Schreien Sie nicht, rufen Sie nicht: ich erkläre Ihnen, daß ich die Ehre, sogar das Leben von Herrn Justin in meinen Händen halte.‹

›Sie?‹ rief ich mit Verachtung.

›Ich werde Ihnen den Beweis von dem, was ich sage, geben. Mittlerweile Hebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß ich die Wahrheit sage.‹

›Ihr Ehrenwort?‹ wiederholte ich. ›Schwören Sie bei etwas Anderem, mein Herr, wenn ich Ihnen glauben soll.‹

›Wie dem sein mag, überlegen Sie sich meine Worte.‹

›Ja, mein Herr, und ich sage Ihnen zum Voraus, daß meine Reflexionen mich abhalten werden. Ihnen zu antworten. Es ist also unnütz, daß Sie sprechen.‹

»Ohne Zweifel ließ es sich der Graf gesagt sein, denn aus dem ganzen Wege sprach er nicht ein einziges Wort mehr.

»An der Barrière hielt der Wagen an, und man öffnete zu gleicher Zeit beide Schläge. Ich war im Begriffe, hinauszustürzen: der Graf versuchte es nicht einmal, mich zurückzuhalten, er sagte mir nur das Wort:

›Sie wissen, daß Sie Justin tödten!‹

»Ich wußte nicht, wie ich ihn tödtete, doch ich schätzte meinen Entführer und hielt ihn zu Allem fähig. Ich kauerte mich stillschweigend in die Ecke des Wagens. Wir gelangten nach Paris.

»Der Wagen erreichte die Champs-Elysées, folgte dem Rande des Wassers, fuhr über eine Brücke, machte ein paar Schritte in einer Straße und hielt an. Der Kutscher rief: ›Das Thor auf!‹ Das Thor öffnete sich schwerfällig. Der Wagen fuhr in einen Hof ein; ich stieg aus. Der Hof war aus allen Seiten von Gebäuden eingeschlossen, eine von seinen Seiten, die der Mauer, welche aus die Straße ging, ausgenommen . . . «

»Ja, so ist es,« murmelte Salvator.

»Ich stieg eine Freitreppe hinauf.«

»Fünf Stufen?«

»Ja, ich habe sie gezählt. Woher wissen Sie das?«

»Fahren Sie fort, mein Kind, fahren Sie fort, ich folge Ihnen Schritt für Schritt.«

»Wir traten in ein großes Vestibule ein. Eine kleine Thüre öffnete sich vor mir, eine Treppe schien sich von selbst meinen Füßen zu bieten; ich stieg achtzehn Stufen hinaus.«

»Eine mehr, welche die Schwelle des Zimmers bildete, in das man Sie führte.«

»So ist es! so ist es! Ich wußte durchaus nicht, wo ich war.«

»Ich weiß es: Sie waren in der Rue du Bac, in dem Hotel, das der Marquis von Valgeneuse, der Vater des Grafen, von seinem älteren Bruder geerbt hat, der ohne Erben gestorben ist,« fügte Salvator bei, indem er einen seltsamen Ausdruck diesen fünf Worten gab.

»Ja, nun bedenke ich . . . das ist möglich . . . Eine Thüre öffnete sich vor mir auf eine beinahe zauberhafte Art wie die anderen. Ich war in einem großen, ganz mit Tapetenwerk ausgeschlagenen, ganz mit eichenen Meubles ausgestatteten Zimmer, das eine Bibliothek zu sein schien, wegen der großen Menge an der Wand ausgestellter, auf den Stühlen, aus den Tischen aufgehäufter und sogar aus den Boden geworfener Bücher.«

»Ja,« sagte Salvator, »das Atelier.«

›Wollen Sie hier einen Moment warten,‹ sprach der Graf zu mir, ›und fürchten Sie nichts: Sie sind hier bei mir; damit sage ich Ihnen, das Sie keine Gefahr laufen. In einem Augenblicke werde ich die Ehre haben, Sie wiederzusehen; ich habe einige Anordnungen zu treffen, und wir werden sogleich wieder abreisen. Haben Sie etwas nötig, so brauchen Sie nur zu klingeln: im anstoßenden Zimmer ist eine Kammerfrau zu Ihren Diensten.‹

»Und er entfernte sich, ohne meine Antwort abzuwarten, fest überzeugt, wie er war, ich werde ihm nicht antworten. Kaum war ich allein, als mir der Gedanke kam, mich aus dem Fenster zu stürzen und mir die Hirnschale aus dem Pflaster zu zerschmettern; doch die einzige Oeffnung, die dieses Zimmer, außer den Thüren, hatte, war am Plafond, das heißt in einer Höhe von mehr als fünfzehn Fuß, angebracht. Ich warf mich aus die Kniee und rief Gott an. Unglücklicher Weise war ich, ohne Zweifel, noch nicht genug geprüft: Gott antwortete mir nicht, wie er es so eben durch Ihre Stimme gethan hat, und ich hatte keinen andern Trost, als den, alle Thränen meiner Augen zu weinen. In diesem Momente durchzuckte eine Idee meinen Geist: an Justin schreiben . . .

»Ich fand Papier, doch man hatte die Federn und die Tinte weggenommen. Zum Glücke fand sich aus dem Tische ein vergessenes Portefeuille; dieses Portefeuille enthielt einen Bleistift: ich zog ihn rasch aus seinem Futteral und schrieb in Eile zwei Zeilen. Ich befürchtete nur Eines: ich hatte Justin so wenig gesagt, ich liebe ihn, daß er mich für schuldig halten konnte! Was ich ihm schrieb? ich weiß nichts mehr davon . . . «

»Ich weiß es.« sagte Salvator.

»Sie wissen es?«

»Ja, weil ich dabei war, als er den Brief erhielt. Sie schrieben ihm folgende paar Worte:

›Man entführt mich mit Gewalt, man schleppt mich fort . . . ich weiß nicht, wohin! Zu Hilfe, Justin! Rette mich, mein Bruder! oder räche mich, mein Gatte! ›M i n a.‹

»Nur frage ich Sie, welche Mittel haben Sie angewandt, um ihm dieses Billet zukommen zu lassen? Das ist uns immer dunkel geblieben, und ich glaube, bei diesem Punkte hatte uns die Brocante etwas zu verbergen.«

»Mit zwei Worten will ich es Ihnen sagen.« erwiderte Mina. »Kaum hatte ich die Adresse geschrieben, als ich ein Geräusch von Tritten im Gange hörte. Ich verbarg den Brief in meiner Brust und wartete. Eine Kammerfrau erschien und stellte sich mir zur Verfügung: ich schlug ihre Dienste aus, und sie entfernte sich wieder.

»Der Brief war geschrieben; doch wie ihn an seine Adresse gelangen machen? Ich fügte den Reiz einer starken Belohnung der Aufschrift bei, und rechnete auf die Vorsehung . . . Ich hörte aufs Neue Geräusch im Gange, und diesmal war es der Graf, der wiedererschien.

›Sind Sie bereit, mich zu begleiten?‹ fragte er mich.

›Sie wissen wohl, daß ich nichts Anderes thun kann,‹ erwiderte ich.

»Und ich stand auf.

›So kommen Sie,‹ sprach er kalt.

»Ich folgte ihm.

»Wir gingen dieselbe schmale Treppe hinab, und ich befand mich wieder in demselben Hose, den ich bei meiner Ankunft durchschritten hatte. Unten an der Treppe stand ein Wagen von einer anderen Form und einer anderen Farbe, als der, welcher uns gebracht hatte. Der Graf ließ mich zuerst einsteigen und stieg nach mir ein. Das Thor öffnete sich aufs Neue, und der Wagen ging ab.

»Ich kenne Paris nicht, so daß ich nicht sagen kann, durch welche Straßen wir passierten; übrigens dachte ich nur an Eines, ich hatte nur eine fixe Idee: meinen Brief Justin zukommen lassen. Ich konnte wohl die Hitze vorschützen, das Fenster des Wagens, öffnen und meinen Brief aus die Straße werfen; doch es war so kothig, und die Vorübergehenden hätten daraus treten können, ohne ihn zu sehen . . . Was war zu thun? . . . Ich erblickte von fern Lichter, etwas wie Fackeln, die man bewegte: es waren Masken, wie mir schien. Ich verlangte, daß das Fenster niedergelassen werde; doch der Graf, der ohne Zweifel befürchtete, ich werde um Hilfe rufen, weigerte sich förmlich,

›Ich ersticke aber!‹ sagte ich.

›In einem Augenblicke werden Sie Luft haben,‹ antwortete er.

»Wir fuhren mitten über eine Art von Markt, und kamen in eine lange Reihe von schmalen, schlecht gepflasterten Gassen, wo die Pferde jeden Augenblick stolperten. Ich erblickte von fern ein zitterndes kleines Licht, das auf einem Weichsteine befestigt zu sein schien; sodann, beim Schimmer dieses Lichtes, kam es mir vor, als bewegte sich eine menschliche Gestalt. Eine Idee tauchte in meinem Geiste aus: diese menschliche Gestalt war wahrscheinlich ein Lumpensammler; wer es auch sein mochte, hörte dieser Mensch in seiner Nähe irgend einen Gegenstand fallen, so würde er nicht unterlassen, diesen Gegenstand auszuheben, und, wahrnehmend, welche Belohnung versprochen war, den Brief an seine Adresse tragen. Wie es aber machen, daß er den Brief fallen hörte? . . . Der Wagen fuhr indessen rasch weiter; wir näherten uns dem Lichte; ich erschaute deutlich eine Frau.

›Gut!‹ sagte ich zu mir selbst, ›diese Frau geht suchend von einem Pflastersteine zum andern»; sie wird meinen Brief finden.‹

»Ich zog meinen Brief hervor, indem ich aber die Hand in meine Brust steckte, fühlte ich eine Kette; diese Kette hielt eine kleine Uhr. die mir Justin geschenkt hatte . . . Armes Uehrchen! . . . das war Alles, was ich von Justin hatte . . . Alles, was ich von Justin hatte, – ich irre mich: ich hatte im Gegentheile nichts, was nicht von Justin kam. War er es nicht, der mir seit neun Jahren Alles gab, was ich brauchte? Armes Uehrchen! es hatte mir so oft die Stunde gesagt, wo Justin kommen sollte; es hatte mich nie verlassen, weder bei Tage, noch bei Nacht, und ich sollte mich davon trennen! .. Ja, doch geschah es nicht in der Hoffnung, Justin wiederzusehen, daß ich dieses Opfer brachte? . . . Ich nahm es von meinem Halse und küßte es bitterlich weinend; ich wickelte den Brief um das Uehrchen und die Kette um den Brief. In diesem Augenblicke hielt der Wagen an. Wir waren zu dem Weichsteine gekommen, aus welchem die Laterne stand. Der Graf öffnete das Vorderfenster, wandte sich an den Kutscher und rief ihm zu:

›Warum hältst Du an. Elender?‹

›Herr Graf,‹ antwortete der Kutscher, ›dieses Weib sagt mir, man könne nicht passieren, weil man von Neuem pflastere.‹

›Dann kehre um und fahre durch eine andere Straße.‹

›Das thue ich, Herr Graf.‹

»Das war eine Gnade, die mir der Himmel gewährte. Indeß sich der Graf vorwärts neigte, streckte ich den Arm durch das niedergelassene Fenster und warf mein Päckchen so hurtig, als ich konnte, hinaus. Es schlug an die Mauer, an die der Weichstein angelehnt war, und ich fühlte mein Herz brechen, als ich das Geräusch vom Zerspringen des Glases meiner Uhr hörte. Armes Uehrchen! ich hatte Zeit gehabt, es hinauszuwerfen und den Arm zurückzuziehen, ehe der Graf sich umwandte: er bemerkte nichts. Der Wagen drehte sich um sich selbst, und bei der Bewegung, die er machte, hatte ich noch Zeit, die Lumpensammlerin ihre Laterne nehmen, das Pflaster beleuchten und das Päckchen ausheben zu sehen. Von diesem Augenblicke an hielt ich mich für gerettet, und ich beschloß, mich mit Geduld zu waffnen. Zwei Stunden nachher fuhren wir in das, seit sieben bis acht Jahren unbewohnte, Schloß ein, das der Graf einen Monat vorher, in der Absicht, mich dahin zu führen, gemiethet hatte.

 

›Mademoiselle,‹ sagte er zu mir, ›Sie sind zu Hause: hier ist Ihr Zimmer: man wird nicht eintreten, ohne daß Sie rufen. Bedenken Sie, welches Loos Sie mit dem elenden Schulmeister in seinem Neste in der Rue Saint-Jacques erwartete, wo Sie jeden Tag gegen die Bedürfnisse des Lebens kämpfen mußten, und vergleichen Sie es mit dem, das Ihnen ein Mann von meinem Range, Herr über zweimal hunderttausend Livres Einkommen, bietet, ein Mann, der aus der ganzen Welt Ihr Königreich macht. Eine Kammerfrau wird sich zu Ihrer Verfügung stellen.«

Und er ging ab. Hinter ihm trat in der That eine Kammerfrau ein. Sie bot mir Abendbrod an; ich antwortete ihr, sie möge das Abendbrod in meinem Zimmer auftragen, und wenn ich in der Nacht Hunger habe, so werde ich essen. – Ich hatte weder das Bedürfniß, noch den Wunsch, das Abendbrod anzurühren; ich hegte eine Hoffnung. Diese Hoffnung wurde verwirklicht. Mit dem Dessert brachte man mir Messer, um das Obst zu schneiden. Ich nahm eines mit einer dünnen, spitzigen Klinge; ich war schon halb gerettet. Da ich nicht wußte, was die geheimen Eingänge dieses Zimmers sein konnten, so schloß ich nicht einmal die sichtbaren Eingänge. Ich beabsichtigte, mich nicht zu Bette zu legen, und, wenn ich schlafen würde, beim Kamine in einem großen Lehnstuhle zu schlafen . . . Das Messer verbarg ich in meiner Brust; dann stellte ich mich durch ein frommes, tiefes Gebet unter die Obhut des Herrn, und ich wartete.«

CXXXVI
Die Artikel 854, 355 und 356

»Die Nacht verlief ruhig,« fuhr Mina fort. »Ich war dergestalt gelähmt durch alle Erschütterungen, die ich erlitten hatte, daß ich entschlief. Allerdings wachte ich von fünf zu fünf Minuten schauernd wieder aus. Es kam der Tag, und mit dem Tage das Mißbehagen einer außer dem Bette zugebrachten Nacht. Das Feuer war dem Erlöschen nahe: ich fügte Holz dem bei, welches sich vollends verzehrte, und es gelang mir, mich wiederzuerwärmen.

»Meine Fenster lagen gegen Sonnenausgang, doch die Sonne schien an diesem Tage nicht ausgehen zu sollen. Ich trat ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. Das Fenster ging auf eine Wiese, in deren Mitte, umgeben von Schilfrohr, das trübselige Wasser eines Teiches schlummerte; jenseits des Teiches dehnte sich ein Park aus, dessen Ende man vermöge einer geschickten Anlage nicht sehen konnte. Alles dies, stehendes Wasser, vergelbter Rasen, ihrer Blätter entkleidete Bäume, – eine Dickung von Tannen ausgenommen, – Alles dies war von einer tiefen Melancholie! Ich liebte indessen die Natur mehr so: sie war wenigstens im Einklange mit der Stimmung meines Gemüthes.

»In dem Augenblicke, wo ich das Fenster öffnete, drang ein schwacher Sonnenstrahl, der einzige, der an diesem düsteren Tage glänzte, durch die grauen Wolken. Ich wandte mich an ihn wie an einen Boten des Herrn; ich sandte ihm mein Gebet zu und flehte ihn an, es an den Fuß vom Throne Gottes, das heißt dahin zu tragen, von wo er ausging; ich sprach mit ihm von Justin mehr noch als von mir. Justin, der nicht wußte, was aus mir geworden war, der nicht wußte, ob ich ihn genug liebte, um den Verführungen und den Drohungen zu widerstehen, Justin schien Mir mehr zu beklagen, als ich, sicher, wie ich war, daß ich mir selbst und folglich Justin treu bleiben werde.

»Während ich mein Gebet vollendete, kam es mir vor, als öffnete man meine Thüre. Ich wandte mich um und erblickte den Grafen. Ich ließ mein Fenster so wie es war: ich fand mich weniger vereinzelt, da ich vor mir diesen aus das große Gemälde des Himmels geöffneten Rahmen hatte. Ich klammerte mich am Gitter an,

›Mademoiselle,‹ sagte der Graf zu mir, ›ich hörte Sie Ihr Fenster öffnen, und da ich hieraus schloß, Sie seien aufgestanden, so erlaubte ich mir, bei Ihnen zu erscheinen.‹

›Ich habe mich nicht zu Bette gelegt, wie Sie sehen können,‹ antwortete ich,

›Und Sie haben Unrecht gehabt, Mademoiselle. Sie sind hier so sehr in Sicherheit, als wenn Sie von Ihrer Mutter bewacht würden.‹

›Hätte ich das Glück, eine Mutter zu besitzen, mein Herr, so wäre ich ohne Zweifel nicht hier.‹

»Er schwieg einen Augenblick.

›Sie betrachteten die Landschaft!‹ sagte er sodann In diesem Augenblicke des Jahres muß sie Ihnen traurig dünken; doch im Frühling ist sie, wie man versichert, eine der schönsten der Umgebung von Paris.‹

›Wie! im Frühling?‹ rief ich Sie denken also, ich werde im Frühling noch hier sein?‹

›Sie werden sein, wo Sie wollen, in Rom, in Neapel, in Italien, überall, wo es Ihnen beliebt, überall, wohin Sie dem Manne, der Sie liebt, Ihnen zu folgen erlauben werden.‹

›Sie sind verrückt, mein Herr,‹ erwiderte ich.

›Sie haben also nicht überlegt?‹ fragte der Graf.

›Doch, mein Herr.‹

›Und das Resultat Ihrer Ueberlegung?‹

›Ist, daß man in unserer Zeit nicht im Ernste ein Mädchen entführt, so vereinzelt es auch sein mag.‹

›Ich verstehe Sie nicht.‹

›Ich will mich verständlich machen. Nehmen Sie an, ich sei Gefangene in diesem Zimmer . . . ‹

›Sie sind es nicht, Gott sei Dank! Dieses ganze Haus ist zu Ihrer Verfügung, – mit seinem Parke.‹

›Und Sie rechnen darauf, daß ich. Dank sei es den Mauern, welche zu hoch, um erstiegen zu werden, den Gittern, welche zu stark, um durchbrochen zu werden, nicht werde fliehen können?‹

›Sie haben, um zu fliehen, nicht nötig, die Mauern zu ersteigen: die Thüren sind von Morgens um sechs Uhr bis Abends um zehn Uhr offen.‹

›Nun,‹ fragte ich erstaunt, ›wie hoffen Sie mich dann hier zurückzuhalten, mein Herr?‹

›Oh! mein Gott, indem ich einfach an Ihre Vernunft appelliere.‹

›Erklären Sie sich.‹

›Sie lieben Herrn Justin, haben Sie mir gesagt?‹

›Ja, mein Herr, ich liebe ihn!‹

›Es wäre Ihnen also sehr leid, wenn ihm ein Unglück widerführe?‹

›Mein Herr!‹

›Das größte Unglück, was ihm zu dieser Stunde widerfahren könnte, ist nun, daß Sie es versuchten, aus diesem Schlosse zu entfliehen.‹

›Wie so?‹

›Weil Herr Justin für Sie bezahlen würde.‹

›Justin würde für mich bezahlen! Und was hat denn Justin mit Ihnen zu thun?‹

›Nicht mit mir, Mademoiselle, sondern mit dem Gesetze.‹

›Wie, mit dem Gesetze?‹

›Ja, versuchen Sie es, zu fliehen, fliehen Sie, und zehn Minuten, nachdem ich von Ihrer Flucht unterrichtet bin, ist Herr Justin im Gefängnisse.‹

›Im Gefängnisse, Justin? Mein Gott! welches Verbrechen hat er begangen? Oh! Sie wollen mich erschrecken; doch, Gott sei Dank! ich bin weder wahnsinnig, noch blödsinnig genug, um Ihnen aus das Wort zu glauben.‹

›Ich mache auch nicht daraus Anspruch, daß Sie mir so glauben sollen; werden Sie mir aber aus einen Beweis glauben?‹

»Ich fing an zu erschrecken, als ich seine Zuversicht sah.

›Mein Herr!‹ stammelte ich.

»Er zog aus seiner Tasche ein kleines Buch, dessen Schnitt mehrfarbig gestreift war.

›Kennen Sie dieses Buch?‹ fragte er mich.

›Ei! mir scheint, das ist ein Codex,‹ erwiderte ich.

›Ja, es ist ein Codex. Hier, nehmen Sie.‹

»Ich zögerte.

›Oh! ich bitte, nehmen Sie, Sie wollen Beweise, ich muß Ihnen solche geben, nicht wahr?«

»Ich nahm das Buch.

›Sehr gut! Oeffnen Sie die Seite 800, Strafcodex Buch III.‹

›Und dann?‹

›Paragraph 2.‹

›Paragraph 2?‹

›Lesen Sie . . . Bemerken Sie wohl, daß das nicht für Sie allein gedruckt ist; worüber Sie sich dadurch versichern können, daß Sie seines Gleichen beim Notar oder beim Maire holen lassen.‹

›Ich soll lesen?‹

›Ja, lesen Sie.‹

»Ich las:

§. 2. Entführung von Minderjährigen.

›Jeder, der durch List oder mit Gewalt Minderjährige entführt hat oder hat entführen lassen, oder sie hat weggeschleppt, weggebracht, weggenommen, oder dieselben hat wegschleppen, wegbringen, wegnehmen lassen, von den Orten, wohin sie diejenigen gebracht hatten, deren Autorität oder Leitung sie unterworfen oder anvertraut waren, hat die Straft der Einsperrung zu erleiden.‹

»Ich schlug die Augen zum Grafen aus, als wollte ich ihn befragen.

›Fahren Sie fort,‹ sagte er.

»Ich fuhr fort:

›355. Ist diese so weggebrachte und entführte Person ein Mädchen unter sechzehn Jahren, so wird die Strafe Zwangsarbeit auf bestimmte Zeit sein . . . ‹

»Ich fing an zu begreifen und erbleichte . . . «

»Der Elende!« murmelte Salvator.

›Das ist der Fall von Herrn Justin,‹ sprach kalt der Graf.

›Ja, mein Herr,‹ erwiderte ich, ›nur mit dem Unterschiede, daß ich ihm freiwillig gefolgt bin, daß ich laut sagen werde, er habe mir das Leben gerettet, ich verdanke ihm Alles, ich . . . ‹

»Er unterbrach mich:

›Es ist für diesen Fall durch den folgenden Paragraphen vorhergesehen,‹ sagte er. ›Lesen Sie.‹

»Ich las.

›Hätte das Mädchen unter sechzehn Jahren zu seiner Entführung eingewilligt oder wäre freiwillig dem Entführer gefolgt, so wird dieser, wenn er volljährig, also einundzwanzig Jahre und darüber . . . ‹

›Herr Justin,‹ unterbrach der Graf, ›war gerade zweiundzwanzig; ich habe mich nach seinem Alter erkundigt . . . Fahren Sie fort . . . ‹

»Ich fuhr fort:

›Einundzwanzig Jahre und darüber, zu Zwangsarbeit auf bestimmte Zeit verurtheilt.‹

»Das Buch entfiel meinen Händen.

›Aber statt bestraft zu werden,‹ rief ich, ›würde Justin eine Belohnung verdienen.‹

›Dies. Mademoiselle,‹ erwiderte kalt der Graf, ›werden die Gerichte zu würdigen wissen. Ich muß Ihnen aber zum Voraus sagen, dafür, daß er eine Minderjährige entführt, daß er sie bei sich eingesperrt hat, daß er sie ohne die Einwilligung ihrer Verwandten wissend, diese Minderjährige sei reich, hat heirathen wollen, – ich muß Ihnen sagen, ich bezweifle, daß die Gerichte Herrn Justin den Tugendpreis dafür zuerkennen.‹

»Oh!‹ rief ich.

›In jedem Falle,‹ fuhr der Graf fort, ›versuchen Sie es, zu fliehen, und die Frage wird bald entschieden sein.‹

»Er zog aus seiner Tasche ein Papier, das er entfaltete. Dieses Papier war mit dem Staatssiegel versehen.«

›Was ist das noch?‹ fragte ich ihn.

›Nichts: ein zum Voraus ausgefertigter Vorführungsbesehl, mit dem Namen von Herrn Justin bezeichnet, wie Sie sehen, und zu meiner Verfügung gestellt.

Die Freiheit von Herrn Justin ist also in meinen Händen. Eine Stunde nach Ihrer Flucht wird seine Ehre in den Händen der Gerichte sein.‹’

»Ich fühlte den Schweiß aus meiner Stirne perlen. Meine Beine wankten, als wollten sie mir den Dienst versagen; ich fiel in den nächsten Lehnstuhl.«

»Der Graf bückte sich, hob den Codex aus, und legte ihn offen aus meinen Schooß.

›Hören Sie,‹ sagte er, ›ich lasse Ihnen dieses Büchlein hier. Denken Sie über die Artikel 354, 355 und 35« nach, und behaupten Sie nicht mehr, es stehe Ihnen nicht frei, zu fliehen.‹

»Und er grüßte mich mit einer geheuchelten Höflichkeit und ging weg . . . «

Salvator wischte auch seine Stirne ab.

»Ah!« murmelte er, »er würde es machen, wie er sagt, der Elende!«

»Oh! ich dachte es wohl,« erwiderte Mina. »Darum bin ich nicht geflohen, darum habe ich nicht an Justin geschrieben, darum habe ich geschwiegen, als wäre ich todt!«

»Und Sie haben wohl daran gethan.«

»Ich erwartete, ich hoffte, ich betete! Sie sind nun da: Sie sind der Freund von Justin, Sie werden entscheiden; in jedem Falle aber sagen Sie ihm . . . «

»Ich werde ihm sagen, Mina, Sie seien ein Engel!« sprach Salvator, indem er vor dem Mädchen niederkniete und ihm ehrfurchtsvoll die Hand küßte.

»Oh! mein Gott!« rief Mina, »wie danke ich Dir, daß Du mir eine solche Hilfe geschickt hast!«

»Ja, Mina, danken Sie Gott, denn es ist die Vorsehung, die mich hierher geführt!«

»Sie hatten aber doch einen Verdacht?«

»Nein, keinen in Beziehung aus Sie: ich wußte nicht, wo Sie waren, an welchem Orte Sie wohnten; ich glaubte am Ende, Sie seien außerhalb Frankreich.«

 

»Was suchten Sie denn hier?«

»Oh! ich verfolgte ein anderes Verbrechen, das ich Ihnen nicht sagen kann, und dessen Aufsuchung ich für den Augenblick zu unterbrechen genötigt bin . . . Beschäftigen wir uns mit dem Dringendsten, das heißt mit Ihnen. Jedes Ding zu seiner Zeit und wenn die Reihe an ihm ist.«

»Nun, was beschließen Sie für mich?«

»Vor Allem ist es wichtig, daß der arme Justin Nachrichten von Ihnen erhält, daß er erfährt, Sie befinden sich wohl, Sie lieben ihn immer.«

»Sie übernehmen es, ihm dies zu sagen, nicht wahr?«

»Seien Sie unbesorgt.«

»Doch mir, mir, wer wird mir Nachricht von ihm geben?« fragte Mina.

»Morgen, zur selben Stunde, werden Sie im Sande, unter dieser Bank, solche finden, und könnte ich Ihnen morgen keine zukommen lassen, so wäre es übermorgen an demselben Platze.«

»Dank, tausend Dank, mein Herr! . . . Doch entfernen Sie sich, oder verbergen Sie sich wenigstens: ich höre Geräusch von Tritten aus dem Sande, und Ihr Hund scheint unruhig zu sein.«

»Schön, ganz schön, Brasil!« sagte leise Salvator zu dem Hunde, indem er aus das Dickicht deutete.

Brasil kehrte in den Wald zurück.

Salvator folgte ihm dahin, und er war schon mit dem halben Leibe innen, als das Mädchen sich nach seiner Seite neigte, ihm die Stirne darbot und zu ihm sagte:

»Küssen Sie ihn für mich, wie Sie mich für ihn küssen.«

Salvator legte auf die Stirne des Mädchens einen Kuß so keusch als der Mondstrahl, der ihn beleuchtete; dann kehrte er rasch ins Dickicht zurück.

Das Mädchen wartete nicht, bis die Tritte noch näher kamen: es lief rasch nach dem Hause.

Nach ein paar Sekunden hörte Salvator eine Weiberstimme rufen:

»Ah! da sind Sie, Mademoiselle! Der Herr Graf hat mir bei seinem Abgange befohlen, Ihnen zu lagen, die Nachtlust sei kalt, und es könnte Ihnen schlecht bekommen, wenn Sie sich ihr länger aussetzen würden.«

»Hier bin ich!« erwiderte Mina.

Und die zwei Frauen entfernten sich.

Salvator hörte das Geräusch der Tritte, das immer schwächer wurde und am Ende ganz erlosch.

Dann bückte er sich und suchte aufs Neue das von Roland gemachte Loch, während dieser wieder den seltsamen Gegenstand, der eine so entsetzliche Wirkung aus Salvator hervorgebracht hatte, zu lecken anfing.

»Das sind die Haare eines Kindes!« murmelte Salvator. »Ich muß mich erkundigen, ob Rose-de-Noël einen Bruder hatte.«

Und er schob Roland auf die Seite, rückte die Erde mit seinem Fuße hinzu, füllte das Loch und trat darauf umher, um die Dinge wieder in den Stand zu setzen, in welchem sie vor der Entdeckung, die er gemacht, gewesen waren.

Als diese Operation beendigt war, sagte er:

»Auf, Roland, laß uns gehen! Sei aber ruhig, mein guter Hund, wir werden wieder hierher kommen . . . eines Tages . . . oder in einer Nacht!«

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