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Gabriele

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»Was ist Dir denn, Elénore?« rief die dreiste Brünette; und indem sie die schüchterne, unbeweglich dastehende Freundin in ihre Arme nahm, trug sie dieselbe mitten in eine Gruppe von Pensionairinnen zurück, deren etwa dreißig erschreckt und aufmerksam in der Nähe der Thür stehen geblieben waren, die eine von ihnen hinter den beiden Wettläuferinnen geschlossen hatte.

Dieses Alles war so schnell, so unerwartet geschehen, daß die Ueberraschung dem jungen Manne den Ausruf entrissen hatte; die Anderen, zu beschäftigt mit dem, was sie sahen, hatten denselben nicht einmal vernommen und konnten ihn folglich nicht um die Veranlassung und Bedeutung desselben befragen.

»Das sind sehr lärmende und unbesonnene Mädchen,« bemerkte die Marquise.

»Ja – aber schön sind sie – alle Beide,««widerte der Graf.

Niemals übten Nebenumstände Einfluß auf sein Urtheil aus – er sah die Sachen immer genau so, wie sie waren, und fügte daher hinzu: »Die Brünette scheint mir von einer bewunderungswürdigen Schönheit und ich erinnere mich kaum, so frische, rosige Wangen bei einer Haut von so reinem Weiß gesehen zu haben, und welche Heiterkeit und Lebhaftigkeit in diesen strahlenden Augen!«

»Ei!« entgegnete die Marquise lachend, »erinnere ich mich doch kaum, Sie, mein lieber Graf, so entschieden einen Gegenstand bewundern gesehen zu haben; mir hingegen gefällt die Blondine besser: sie ist furchtsam und schüchtern, und wurde wider ihren Willen von der Andern mit fortgerissen; übrigens hat sie die zarten und feinen Formen und den Anstand der höheren Stände. – Was sagt Yves dazu? er muß über solche Sachen besser urtheilen können als wir, mein alter Freund.«

Das Gesicht des jungen Mannes war vollkommen kalt und ruhig, obgleich ein wenig bleicher als vor dem Eintritt des jungen Mädchens.

Aber er behielt keine Zeit zu antworten, denn die Priorin des Klosters trat ein und sagte:

»Verzeihen Sie, Frau Marquise, daß ich nicht hier war, um die Ehre zu haben, Sie bei Ihrem Eintritt zu empfangen; verzeihen Sie auch die Unschicklichkeit zweier Pensionairinnen, die Sie gestört und sich auf die lächerlichste Weise hier eingeführt haben; ich habe sie aus einem Fenster des oberen Stockwerkes, wo ich durch den Besuch einer unserer Schülerinnen, welche wiederzusehen ich sehr erfreut war, zurückgehalten wurde, gesehen und fürchte, daß diese beiden jungen Mädchen in Ihnen eine sehr unvorteilhafte Vorstellung von der Erziehung, die man in diesem Hause erhält, erweckt haben werden – doch bin ich es der Wahrheit schuldig, dieses Vorurtheil zu widerlegen. Nur eine von diesen beiden jungen Damen ist bei uns erzogen worden und auch diese – Fräulein Elénore hat schon seit drei Monaten uns verlassen.«

Bei dem Namen Elénore machte Yves eine leichte Bewegung und horchte mit erhöhter Aufmerksamkeit der Erzählung der Priorin.

»Ihre Erziehung war vollendet, und sie verließ, siebzehn Jahre alt, unser Haus, in welches sie erst vor einigen Wochen zum Besuch zurückkehrte; übrigens Werden Sie, meine Herrschaften, bemerkt haben, daß sie wider ihren Willen zu dieser Unbesonnenheit gezwungen wurde. Wir Alle lieben dieses sehr sanfte, junge Mädchen und haben uns Alle gefreut, und sie mit offenen Armen empfangen, als sie für einige Zeit um ein Zimmer in unserem Hause bat. Ihr etwas trauriger, aber sehr friedlicher Charakter hat wenig Ähnlichkeit mit der lärmenden Fröhlichkeit der Andern – aber die Andere. . .«

Die Marquise, wahrscheinlich fürchtend, daß die Wichtigkeit und Umständlichkeit, mit der man in der Zurückgezogenheit auch die unbedeutendsten Begebenheiten behandelt, die Erzählung der Priorin zur Unendlichkeit ausdehnen würde – unterbrach sie – sagend:

»O Madame! wer würde nicht mit Nachsicht solche unschuldige, jugendliche Unbesonnenheiten beurtheilen? Bitte! reden wir nicht mehr davon!«

»Die Andere,« wiederholte die Priorin, als habe sie die Marquise nicht verstanden, »ist – nicht unser»Schülerin – sie ist erst vor drei Monaten zu uns gekommen.«

Eine Bewegung der Marquise schien sagen zu sollen: Genug hiervon! —

Indessen die Priorin fuhr nach einem verlegenen Schweigen fort: »Dennoch muß ich Ihnen, Madame, sagen, die Andere ist – Fräulein . . .«

Die Priorin hielt inne, als wagte sie nicht den Namen des jungen Mädchens auszusprechen. Die Marquise zeigte sehr deutlich Neugierde, und der seit einigen Minuten zerstreut gewesene junge Mann hörte von Neuem mit Aufmerksamkeit und Bangigkeit zu.

»Kurz,« fuhr die Priorin lächelnd fort, »dieses junge Fräulein ist weder in unserm Hause, noch in irgend einem andern erzogen worden, sie hat gar keine Erziehung erhalten – sie ist wirklich beinahe eine junge Wilde.«

»Wie so?« sagte die Marquise mit zunehmender Theilnahme.

»Ja, ich halte es für meine Pflicht,« fuhr die Priorin ernst und mit fast strengem Tone fort, »Ihnen ganz die Wahrheit zu sagen. Auf dem Lande allein herangewachsen, erhielt sie weder gute, noch böse Eindrücke – sie ist eine schöne, aber unausgebildete Natur. Es würde zu weitläufig sein, Ihnen, Frau Marquise, zu erzählen, durch welche wenig vernünftigen Gründe ihre Mutter diese sonderbare Erziehung zu rechtfertigen sucht; aber vor drei Monaten wurde dieses junge Mädchen uns zugeführt, um hier zum heiligen Abendmahle vorbereitet zu werden; sie war in Beziehung auf diesen wichtigen Schritt, dem unmittelbar ihre Verheirathung folgen soll, gänzlich vernachlässigt. Wir zögerten, diesen wichtigen, und bedenklichen Auftrag zu übernehmen, und ohne die inständigen, Bitten eines sehr rechtschaffenen, frommen Mannes, Der jeden seiner Lebestage mit guten Werken bezeichnete, würden wir diese Pensionairin, die übrigens in ihrem Zimmer bleiben und nicht mit unsern andern Schülerinnen verkehren sollte, zurückgewiesen haben.

»Aber von dem zweiten Tage ihres Hierseins an, war sie nicht zu verhindern, sich während der Erholungsstunden mit ihnen zu vereinigen.

»Die Kinder versuchten ihre Kräfte in den gymnastischen Uebungen, die jetzt in allen Erziehungsanstalten eingeführt sind; die Neuangekommene, allein mit ihrer Mutter, die sie zu besuchen gekommen war, beobachtete sie lange mit einem verächtlichen und spöttischen Blicke, darauf flog sie, ohne ein Wort zu sagen, mitten unter sie, theilte mit immer wachsendem Eifer ihre Uebungen und übertraf sie alle in einem so hohen Grade von Kraft und Gewandtheit, daß sie einstimmig den Beifall und die Bewunderung aller erstaunten jungen Pensionärinnen erhielt.

»Sie erhöhte das allgemeine Vergnügen, erfand neue Spiele, neue Uebungen und ihre Heiterkeit theilte sich so sehr Allen mit, daß sie Lehrerinnen und Schülerinnen ohne Ausnahme entzückte. Unterdessen erbat und erhielt ihre Mutter für sie Erlaubniß, an den Spielen, wie an dem Unterrichte, so oft sie es wünschte, Theil nehmen zu dürfen, und ich, Frau Marquise, ich widersetzte mich diesem Wunsche nicht, denn ich hatte erkannt, daß diesem ungestümen, sonderbaren Kinde alles Böse gänzlich fremd war, daß ihre Sitten mehr ungewöhnlich, als gemein waren und ihr Charakter zwar anscheinend heftig, aber dennoch gut und sanft ist. Die Sorgfalt, die ihre erste Abendmahlsfeier, welche sie vor vierzehn Tagen begangen hat, veranlaßte, raubte überdem so viel Zeit, daß wir uns außerdem wenig mit ihrer Ausbildung beschäftigen konnten, die noch sehr viel zu wünschen übrig läßt. Bei ihrer Jugend, denn sie ist kaum sechzehn Jahre alt, obgleich man sie ihrer Erscheinung nach für älter halten möchte, würde das Versäumte wohl nachzuholen sein; – aber – es scheint – daß sie – uns verlassen wird —«

Bei diesen –Worten warf die Priorin einen Blick auf den jungen Mann, der in tiefe Träumereien versunken blieb. »Und ich habe geglaubt, Madame,« fügte sie hinzu, »daß ich es Ihnen und der Ehre Ihres Hauses schuldig sei, Ihnen mitzutheilen, was ich so eben die Ehre hatte, Ihnen zu sagen. Die hier erzogenen jungen Damen gleichen in keiner Hinsicht der, die Sie jetzt gleich wiedersehen werden, weshalb ich vorher Mit Ihnen zu reden wünschte. . . Jetzt, nachdem Sie Diejenige, um welcher willen Sie hierher gekommen sind, so heftig gesehen haben, erlauben Sie mir, Sie um Nachsicht für dieselbe zu bitten und lassen Sie mich selbst zu Gabriele Rémond gehen, um sie vorzubereiten und zu Ihnen zu führen. Ihre Mutter ist zu dieser feierlichen Zusammenkunft hierher gekommen und erwartet dieselbe mit Ungeduld.«

Ein seines Lächeln begleitete diese Worte, mit denen die Priorin das Zimmer verließ.

Der junge Mann, der, wahrend die Priorin sprach, immer bleicher werdend, unbeweglich stehen geblieben war, ging, sobald dieselbe das Zimmer verlassen hatte, langsam nach der zum Hofe führenden Thür, legte die Hand auf den Griff derselben und sagte:

»Leben Sie wohl, meine Mutter!«

»Ist es möglich!« rief die Marquise, schnell zu ihm eilend; »was ist Dir?«

Er blieb einige Augenblicke ungewiß, eine leichte Unzufriedenheit zeigte sich in seinen Mienen; er schien einen geheimen Gedanken aussprechen zu wollen, aber die Folgen eines Geständnisses zu fürchten.

»Rede doch!« sagte seine Großmutter.

Nach einigem Zögern und mit veränderter Miene sagte er sanft und gleichgültig: »Diese Klosterfrau, meine Mutter, hat ganz gewiß einen Theil des Bösen verschwiegen und das Gute übertrieben, um alle Verantwortlichkeit von sich, abzuwälzen. – Dennoch hat sie Ihnen zu verstehen gegeben, daß diese Heirath lächerlich ist und ich – ich will nicht – ich will nicht etwas thun, was lächerlich ist!«

»O Himmel!« sagte die Marquis», ergriffen und entmuthigt auf ihren Stuhl zurücksinkend; »Du willst nicht?«

»Es ist ein sehr schönes Mädchen! – bewunderungswürdig, schön,« sagte der Graf von Rhinville, bemüht, dem jungen Manne Ideen zu erwecken, die auf einen Mann, von seinem Alter Einfluß haben mußten.

Die Marquise war ganz vernichtet und in schmerzliches Erstaunen aufgelöst; ihr Gesicht war sich nicht mehr ähnlich, ihre Hände zitterten, ihre Gestalt sank zusammen . . . ihr Gedanke bei Tage, ihr Traum bei Nacht – die leidenschaftlich genährte einzige Hoffnung ihres Lebens wurde durch die Worte ihres Enkels mit Vernichtung bedroht.

 

»Mein Freund!« rief sie, sich zum Grafen wendend, »verstehen Sie, was er sagt? – es ist nicht möglich! – Du willst nicht, mein Sohn? – Du willst nicht? – Wer würde ehemals das zu sagen gewagt haben? Wer würde gewagt haben, sich dem, was das Wohl der Familie erheischte, zu widersetzen?

»O mein Gott! welche Zeit habe ich erleben müssen! denn in meiner Kindheit war gehorchen eine Verpflichtung, welcher die Jugend nie sich zu entziehen wagte; und während ich alt geworden hin, haben die Sitten sich so geändert, daß die Kinder den Gehorsam gegen ihre Eltern kaum noch kennen! Und dennoch, mein Sohn! wünsche ich für mich etwas? Störte, hinderte ich jemals Deine Freuden? War ich es nicht, die Deine Thorheiten enschuldigte. Deine Fehler beschönigte, die es unbemerkbar zu machen suchte, wenn Du die Gesellschaft deiner Großmutter und die edlen Häuser, die Dir offen standen, flohest, um am Ende von Paris Freunde aufzusuchen und gefährliche Verbindungen zu unterhalten, die Deinem Stande wenig angemessen sind? – Und soll ich jetzt Dich, Deinen berühmten Namen in Elend und Schande – versenken sehen?«

Hören Sie auf, meine Mutter!« rief Yves lebhaft, »selbst Sie dürfen solche Worte nicht in meiner Gegenwart aussprechen, ich ertrage es nicht.«

Die ganze nicht achtende und leidenschaftliche Hoheit des Ausdrucks zeigte sich bei diesen Worten auf dem Gesichte des jungen Mannes.

Nachdem Alle einige Minuten geschwiegen hatten, sagte er, wieder sanft und ruhig: »Wenn ich thue, was Sie wünschen, habe ich nichts von der Zukunft zu erwarten.« – Dann nahm er einen Stuhl, setzte sich und sagte mit festem Tone: »Ich bleibe.«

Unter den wohlwollenden Gewohnheiten, die vorzugsweise der seinen Gesellschaft eigen sind, ist auch das Bestreben, den Frieden um sich her zu erhalten, um denselben selbst zu genießen; – so suchte auch der Graf von Rhinville die Unterhaltung jetzt so zu leiten, daß sie die schmerzlichen Eindrücke, welche das Gemüth des jungen Mannes erlitten hatte, verwischen möge.

»Es ist jetzt in Frankreich nichts mehr lächerlich, als die Armuth,« sagte er. »Hörten Sie in den Zirkeln, wo Sie lebten, Herr von Mauléon, nicht, wenn man sich nach Jemand erkundigt«, immer zuerst die Frage:

»Was hat er?«

»In den Zirkeln, wo wein Enkel hätte leben müssen,« sagte die Marquise, bedurfte es, um Jemand aufzunehmen, nur einer befriedigenden Antwort der Frage:

»Wer ist er?«

»Es gibt vielleicht auch Zirkel,« sagte der junge Mann mit nachdenkender Miene, langsam, wie zu sich selbst, »wo, ehe man einen Unbekannten aufnimmt, man erst fragt:

Was hat er gethan? wo man nach dem Verdienst classificirt wird, wo das Talent den Vorrang hat. Diese Gesellschaft, wenn sie besteht, ist die einzige, wo das Leben einigen Werth haben kann, wo ohne Zweifel das Glück gefunden wird, welches weder durch Eitelkeiten noch durch Lustbarkeiten zu erringen ist!«

Der junge Mann sagt, diese Worte mit einer gewissen Traurigkeit, zum größtem Erstaunen der beiden Andern, die bedenkend, wie er sein Geld und seine Zeit bis dahin angewendet hatte, sich eines Lächelns nicht enthalten konnten.

Yves machte es eben so, und heftig aufspringend, nachlässig gähnend und ein kindisches, leichtfertiges Wesen annehmend, sagte er: – »Wo habe ich auch nur meinen Verstand diesen Morgen? – Ich bin zu früh aufgestanden, das macht krank – versenkt in sonderbare Betrachtungen! Nachdenken ist ein widernatürlicher Zustand und Grübeln eine Krankheit.«

Dann fügte er mit immer zunehmender Heiterkeit, die der Marquise eben so sonderbar, als die vorhergegangene Traurigkeit, vorkam, hinzu:

»Die ernsthaften Gedanken sind gut für die Thoren – sich amüsiren – das ist Alles und Nichts in der ganzen Welt, kann für eine Stunde Langweile entschädigen.«

Der Graf bemerkte verwundert die Bewegung und da« Unzusammenhängende in den Reden des Herrn von Mauléon, der gewöhnlich, ungeachtet seiner thörigten Handlungsweise, in allen seinen Gesprächen und Manieren viel Ruhe und Würde an den Tag legte; und nicht wissend, was er dem so überreizten jungen Manne antworten sollte, schwieg er lieber ganz.

Die Marquise, eine neue Caprice ihres Enkels fürchtend, beobachtete ebenfalls ein ungeduldiges und angstvolles Schweigen.

Yves versuchte noch einige scherzhafte Redensarten, aber die Worte fehlten ihm, und wohl bemerkend, daß seine künstliche Lustigkeit ihren Zweck gänzlich verfehlte, versank er wieder in tiefe Träumereien.

So schwiegen sie denn alle Drei, aber in den Zügen des jungen Mannes sprach sich, Spott und Verachtung aus, als wollte er sich an dem Geschicke rächen, oder es herausforden, indem er dem beschiedenen Loose nur noch Verachtung entgegensetzte, obgleich dasselbe tiefe und lebhafte Bewegung in seiner Seele zu wecken schien.

Zweites Kapitel
Eine reich gewordene Frau aus dem Volke

»Nun, was ist Dir denn, Gabriele? Du bist roth wie eine Kirsche und zitterst wie Espenlaub,« sagte Madame Rémond zu ihrer Tochter etwas rauh, aber voll Liebe und Herzlichkeit. Das junge Mädchen konnte, außer Athem und zugleich lachend und weinend, nur einzelne Sylben stammeln, statt zu antworten.

»Wenn Du wüßtest. . . Mütterchen . .. ich habe eine Wette gewonnen . . . aber ich bin recht erschrocken, als ich in den Salon kam, und die gute Elénore, die ich mit fortgerissen hatte, ihr wurde unwohl! . . . Du ließest mich rufen und sie ist noch ohne Bewußtsein! Sie leidet an solchen Anfällen, das ist wahr. . . aber dies Mal bin ich vielleicht daran Schuld! Ich bin trostlos.« Und nachdem sie diese Worte gesagt hatte, lachte das junge Mädchen unwillkürlich.

»Warum gingst Du in den Salon – und weshalb fürchtest Du Dich?^ fragt, Madame Rémond, während sie Haar und Halstuch des wilden Mädchens in Ordnung brachte, wobei sie jedoch mit Entzücken die Jugendfrische ihres schönen Kindes betrachtete.

»Ist schon jemand Fremdes da?« fragte sie.

»Ja, . . . eine Dame und zwei Herren, glaube ich; aber ich habe nicht Zeit gehabt, sie genau zu betrachten,« erwiderte Gabriele, noch ganz erhitzt.

,Sie werden es wahrscheinlich sein,« sagte Madame Rémond mit einem so bemerkbaren ungewöhnlichen, etwas listigen Ausdrucke, daß ihre Tochter sie neugierig ansah.

»Sei nur nicht gleich so furchtsam,« fuhr die Mutter fort; »Du brauchst Dich vor Niemand zu fürchten. . . Niemand hat Dir Etwas zu befehlen; und wer hat Dir denn auch jemals Etwas gesagt, oder Etwas abgeschlagen? Wer hat Dich jemals gezwungen, Etwas zu lernen?

Das junge Mädchen sah die Mutter, ohne sie zu unterbrechen, aufmerksam an. Diese fuhr also fort, wobei sie sich zwar immer mehr ereiferte, aber doch immer, so laut sie ihre Stimme auch erhob, ihren guten und zärtlichen Ton beibehielt:

»Hast Du je arbeiten müssen? Gott sei Dank, Du, mein liebes Kind, kannst, wenn Du willst, den ganzen Tag die Hände in den Schooß legen.«.

Gabriele, immer erstaunter, suchte zu errathen, wo das hinaus sollte.

»Und erröthe und zittre nur nicht, wie eine arme Näherin, die einer vornehmen Dame ihre Arbeit bringt; dazu hast Du keine Veranlassung! Wenn ich in vornehmer Gesellschaft etwas verlegen wäre, so wäre es kein Wunder . . . ich wurde ja erzogen, (unter uns gesagt, denn Niemand ahnet es), ich wurde erzogen in einem Laden, wo kaum vier Mal jährlich ein Sonnenstrahl eindrang und wo niemals feine Manieren gesehen wurden; wenn ich also verlegen wäre, das wäre natürlich, und dennoch bin ich es nicht; ich habe die Sicherheit einer Herzogin und betrage mich gegen diese Herrschaften so, daß sie mich für ihres Gleichen halten müssen.«

Gabriele hörte aufmerksam zu, ohne die Mutter zu begreifen; diese fuhr fort:

»Es ist nicht um meinetwillen, aber sieh, Kind, die Menschen sind wunderlich; in den Augen der Welt ist es ehrenvoller, wenn man immer nur Geld verthan zu haben scheint, als wenn man sich merken läßt, daß man es sich hat sauer werden lassen, um welches zu gewinnen; und je weniger Du thust und je weniger Du nützest, je mehr giltst Du in der Welt. . . Auch lasse ich sie Alles glauben, was sie wollen . . . und übrigens, was Dich betrifft, ist es ja wahr . . . niemals in Deinem Leben bist Du in einen Laden eingetreten, als um Einkäufe zu machen . . . und jetzt, wo Du bald sechzehn Jahre alt sein wirst, sollst Du eine schöne vornehme Dame werden . . . Das wars, was ich Dir eben sagen wollte; ich will Dich verheirathen!«

»Ah! sagte das junge Mädchen, ohne daß es schien, als erwecke Das, was ihre Mutter ihr so eben gesagt hatte, irgend eine frohe oder traurige Vorstellung bei ihr, und als habe das Wort »Heirath« gar keine Bedeutung für sie.«

»Ich habe die beste Wahl für Dich getroffen,« fuhr Madame Rémond fort.

»Wie gut Du bist!« sagte Gabriele, ihre frischen Wangen an die Mutter schmiegend, um ihr durch einen Kuß zu Danken, wie sie gewöhnlich that, wenn sie irgend ein neues Putzstück oder Geschmeide bekam.

»Ja, gut bin ich, wenn auch ein wenig heftig; das kommt aber daher, daß nicht wie eine Prinzessin erzogen worden bin . . . Mein Vater war ein Handwerker . . . ein Schlosser, der durch Fleiß, Einsicht und Rechtlichkeit sein Glück gemacht hat . . . aber bei uns mußte auch jeder arbeiten; so ist das Geld ins Haus gekommen. Zuletzt hatte mein Vater eine Menge Eisenhämmer und Schmiedewerkstätten, die ihm unermeßliches Geld einbrachten, und einen so vorzüglichen Ruf, daß der reiche Eisenhändler Rémond mich zur Frau begehrte. Auch er war durch Arbeit reich geworden und hatte die Gewohnheiten eines Handwerkers beibehalten, aber ein braver Mann war er, der Niemand auch nur um einen Sou hätte betrügen mögen; und das hat Gott gesegnet. Alles gelang ihm! »Frau,« sagte er zuweilen zu mir, »ich glaube, wir werden noch Millionairs!« und dann lachte er, daß es eine Lust war, es zu sehen, und arbeiten darum nicht weniger; ja so arbeitete er, daß ihn eines Tages eine Brustentzündung befiel, an der er starb, der arme Mann.«

Die Frau Witwe Rémond nahm hierbei eine ernste Miene an, deren trauriger Widerschein das lachende Gesicht Gabrielens verdüsterte.

Aber plötzlich und ohne Uebergang, wahrscheinlich weil sie dem Schmerze dieser schon alten Erinnerung nun ihr Recht angethan hatte, sagte die betrübte Witwe lachend: »Und ich war Witwe mit mehreren Millionen und einer einzigen Tochter, meiner lieben Gabriele, um derentwillen ich mich nicht wieder habe verheirathen wollen, wofür ihr Glück mich hoffentlich entschädigen wird.«

Und die Mutter nahm den niedlichen Kopf ihres schönen Kindes zwischen ihre beiden Hände, und küsste ihre reine, weiße Stirn mit lebhafter, kräftiger Zärtlichkeit.

Madame Rémond war groß und in Folge ihrer in großer Thätigkeit verlebten Jugend beinahe männlich kräftig, doch gab eine bedeutsame Corpulenz ihr ungeachtet ihrer fünfzig Jahre ein fast jugendlich frisches Ansehen. Sie hatte sich zu dieser ersten Zusammenkunft mit einem goldfarbenen und mit Blumen von allen Farben durchwirkten Kleide von prachtvollem Lyoner Stoffe geschmückt, und also um den Wohlstands der ihr das Kostbarste zu tragen erlaubte, zu zeigen, ein Staatskleid für Winterabende zu einem Sommer-Negligee gemacht. Ein unermeßlicher Cashemir-Shawl breitete über ihre Schultern die Schönheit und Pracht der köstlichsten Gewebes, Die, welche ihn an einem der heißesten Sommertage trug, fast erstickend. Ein von unzähligen weißen Federn beschatteter Rosahhut umschloß ein Gesicht, dessen lebhafte Farben ins Carmolsin überzugehen anfingen, und eine Menge schlecht geordneter schwarzer Locken wetteiferten mit Goldkette, Armbändern, Schmucknadeln, Broche, Ohrgehängen und Ringen, welches Alles vom höchsten Werth und enormer Größe war, um den Putz dieser sonderbaren Erscheinung zu vervollständigen. Madame Rémond hatte an ihrer einzigen Person so viel Schmuck zusammengehäuft, daß alle Bräute des zwölften Stadtviertels daran genug gehabt haben würden.

Der schnelle Wechsel des Glückes hatte eine unbegreifliche Verwirrung in ihrem von Natur klugen und vernünftigen Geiste hervorgebracht. Arbeit und eine kleinliche Sparsamkeit hatten vierzig Jahre ihres Lebens ausgefüllt; plötzlich im Alleinbesitze eines unermeßlichen Vermögens, hielt sie es für das höchste Glück, recht viel Geld auszugeben und beständig müßig sein zu können; aber seit den zehn Jahren, daß sie Wittwe und reich war, langweilte der Müßiggang sie, und sie gab nie Geld aus, ohne sich Vorwürfe darüber zu machen.

Ihr ganzes Leben war ein Gemisch von kleinlicher Knickerei und übel angebrachter Verschwendung, von Eitelkeit, welche ihren Wohlstand zu zeigen bemüht war, und von Furcht, um die geringste Summe betrogen zu werden.

 

Ohne richtig beurtheilen zu können, was ihrer Bildung eigentlich fehle, fühlte Madame Rémond, daß ihr vergangenes Leben sie unfähig mache, und wünschte deshalb ihrer Tochter in Verhältnisse zu versetzen, denen die angestrengte Arbeit, der sie sich hatte unterziehen müssen, so fremd und fern als möglich war.

Vor seinem Tode hatte ihr Mann ein dreißig Meilen von Paris gelegenes altes Schloß mit bedeutenden Forsten und Ländereien gekauft. Dorthin brachte Madame Rémond ihre damals noch ganz kleine Tochter mit einer alten Erzieherin, welche gebeten wurde, sie nur lesen und schreiben zu lehren, und diese hütete sich wohl, ein Meheres zu thun.

Madame Rémond brachte einen Theil des Sommers auf diesem Gute zu, wo sie sich hauptsächlich mit der Bestellung eines großen Küchengartens und der Aufsicht über einen beträchtlichen Hühnerhof beschäftigte und ihrer Tochter die Anwendung, ihrer Zeit allein überließ, ohne sich auch nur Ein Mal zu erkundigen, wie sie dieselbe ausfüllte, überzeugt, daß sie ihr Kind ganz wie das einer großen Dame erzöge, wenn sie es von aller Arbeit und allem Widerspruch befreite. Was die Gegenstände betraf, die im Bereiche von Madame Rémonds Beurtheilungskraft lagen, so war ihre Beurtheilung derselben einfach, aber wahr, und voll Vernunft und Billigkeit; aber die Ansichten, die sie sich über die Verhältnisse der großen Welt gebildet hatte, entbehrten gänzlich des gesunden Menschenverstandes.

Die Leute aus den unteren Klassen glauben von den Verhältnissen der großen Welt lieber das Tollste und Ungereimteste, als daß sie die Einfachheit und Wahrheit derselben begreifen; über einige Punkte halte ihr natürlicher Verstand Madame Rémond durchaus nicht aufzuklären vermocht, und in der Ungewißheit, wie sie dieselbe erziehen müsse, hatte sie ihre Tochter einer gänzlichen Unwissenheit überlassen. Das Kind hatte, keinen Begriff von der Welt; die Gesellschaft und die Sitten, sowie die Gebräuche unserer Zeit, waren ihr durchaus unbekannt.

Während Gabriele so, sich selbst überlassen, heranwuchs, hielt ihre Mutter sich oft längere Zeit in Paris auf, wo sie am äußersten Ende der Straße Vivienne, da, wo sie an die Boulevards stößt, die erste Etage eines großen Hauses bewohnte, welches sie selbst hatte bauen lassen. Die Emporkömmlinge lieben besonders neue Straßen und neue Häuser; der Lärm der Boulevards, die Menschenmenge und deren außerordentliches Geräusch gefallen ihnen, und Madame Rémond fühlte sich sehr glücklich mitten in dem Gewühle von Handel treibenden Menschen, wo sie sich dem behaglichen Gefühle überließ, daß sie errungen hatte und besaß, was diese noch so eifrig erstrebten. Sie hatte sich mehrmals Wagen und Pferde angeschafft, aber aus einer ihr zur andern Natur gewordenen Gewohnheit machte sie alle Geschäftswege zu Fuß ab und glaubte sich der Equipage nur zu Spazierfahrten bedienen zu dürfen; Spazierenfahren langweilte aber Madame Rémond im höchsten Grade. Mit einigen alten Bekanntinnen zu plaudern, war ihr größtes Vergnügen; diese Bekanntinnen würden aber durch diese Equipage ihrer Freundin, die sie sich nicht anschaffen konnten, gedemüthigt sein, oder darüber gespottet haben. Madame Rémond ging also zu ihnen zu Fuße, und da sie immer noch die Sparsamkeit ihrer Kindheit und Jugend nicht abgelegt hatte, so verkaufte sie lieber die Pferde, die sie erhalten mußte, ohne Nutzen von denselben zu haben, bis ihre Eitelkeit sie einmal wieder bewog, Pferde anzuschaffen, indem sie sich überzeugte, daß es sich für eine Frau von ihrem Vermögen nicht schicke, ohne Equipage zu sein. Eben so war es mit ihrer Dienerschaft; bald vermochte ihre Eitelkeit sie, deren eine zahlreiche Menge anzuschaffen; dann wieder ärgerte sie sich über diese überflüssige Ausgabe, schickte alle ihre Leute fort und begnügte sich mit einer einzigen Frau, der sie selbst half, bei den häuslichen Verrichtungen und bei der Erhaltung und Reinigung eines weitläufigen Quartiers, in welchem sie eine Menge der kostbarsten Meublen angehäuft hatte.

So lebte die Marquise von Fontenoy-Mareuil, alles und jedes Vermögens entblößt, nach ihren alten. Gewohnheiten und Verhältnissen noch immer wie eine reiche Frau, und Madame Rémond, die vier Millionen besaß, quälte sich mit den gemeinsten Arbeiten und befleißigte sich der ängstlichen Sparsamkeit, zu der die Armuth zwingt.

Aber in diesem Augenblicke glänzte das Gesicht der Madame Rémond von mütterlicher Zärtlichkeit und Stolz auf ihren Reichthum, indem sie zu ihrer Tochter sagte:

»Jetzt also, Gabriele, werde ich Dir einen sehr großen Theil meines Vermögens geben.«

»Mir!« sagte da« junge Mädchen, »und wozu das? Habe ich denn irgend Etwas nöthig?«

»Es ist wegen Deines Mannes und für ihn,« antwortete Madame Rémond.

»Ach ja! ein Mann.« sagte Gabriele, lachend wie ein Kind. »Ich werde also einen Mann haben! Aber worum ihm Dein Geld geben, Mütterchen? Behalte es für Dich! . . . Er wird mich schon ohne das heirathen.«

»Glaubst Du?« sagte die Mutter mit zweifelndem Lächeln.

»Er wird arbeiten,« erwiderte das junge Mädchen, ohne jedoch an Dem, was sie sagte, großen Antheil zu zeigen.

»Er!« rief Madame Nemond überrascht.

»Er ist ein herzensguter Mensch, klug und verständig,« fügte Gabriele hinzu.

»Und woher kennst Du ihn denn?« fragte die Mutter mit zunehmendem Erstaunen.

»Woher ich meinen Vetter Georg kenne?« erwiderte Gabriele lachend, »ich kenne ja nur ihn!«

»Georg? Deinen Vetter Georg Nemond!« rief die Mutter mit Schrecken und Bestürzung. »Du glaubst, daß ich, Deine Mutter, ich, die ich Geld habe, so viel Geld, daß dieses Zimmer es nicht faßt, Dich eine solche Heirath schließen lassen würde! Eine solche Mißheirat! Deinen Vetter heirathen! Du! einen Bürgerlichen, der weder Geld noch Titel hat! Ich hätte vierzig Jahre lang gesammelt und mir Alles versagt; mein Vater, mein Mann und Ich, wir hatten unser ganzes Leben lang gearbeitet, damit unser einziges Kind, unser Aller Erbin, kurzweg Madame Rémond hieße? . . . Das wäre hübsch! Ein schöner Einfall! Vier Millionen, um Madame Rémond zu sein! Bist Du denn toll?«

»Aber es ist ja der Name meines Vaters und der Deinige,« sagte die überraschte Gabriele sanft.

»Dein Vater war ein braver Mann, der sich gut auf Geschäfte verstand; ich schmähe ihn nicht,« erwiderte die Mutter, durch den Vorwurf der Tochter etwas beschämt; »Georg ist auch ein braver Junge, aber er wird kein Glück machen. Er ist Schriftsteller, er soll Genie haben; aber was ist er? Was hat er für eine Stellung in der Welt? Wenn seine Mutter ihm nicht ein kleines Haus hinterlassen hätte, welches ihm etwa tausend Livres jährliche Renten einbringt, so könnte er Hungers sterben, wie die Dichter gewöhnlich.«

Dann nahm sie eine ernste Miene an und setzte hinzu:

»Aber davon ist nicht die Rede, Gabriele; es fragt sich, was Du sagen wolltest, und ob Du Neigung hast. . . für. . .«

»Für Niemand,« sagte das junge Mädchen aufstehend und mit gleichen Füßen in die Mitte des Zimmers springend, mit einer Leichtigkeit und einer Unbefangenheit, die die Wahrheit ihrer Worte bestätigte; »ich nannte meinen Netter, weil nie jemand Anderes hierher gekommen ist seit den drei Monaten, die ich hier bin, und weil er mehrmals, wenn er mich ansah, wiederholte: »Ihr Mann wird sehr glücklich sein, meine Cousine!«

»Ach! das hat er gesagt?«

»Aber mir,« fuhr Gabriele hüpfend fort, »mir ist das sehr gleichgültig! Er oder ein Anderer, ein Anderer oder er!. . .« Und sich ihrer Mutter nähernd und dieselbe umarmend, sagte sie: »Was Du willst, Mütterchen, ich thue es immer! Du bist eine gute Mutter; Du sollst auch von mir sagen können: Du bist eine gute Tochter.«

Dann fing sie wieder an zu tanzen, als ob die Heirath, von der die Rede war, nicht nur keinen ernsten Gedanken in ihr erweckte, sondern ihr auch nicht einmal die leiseste Bewegung von Antheil oder Neugierde einflößte, und Madame Rémond überließ das sorglose Kind ihren Launen, die sie immer ungehindert hatte befriedigen können.

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