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Gabriele

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»Und der König, wo ist er?« rief der junge Officier.

»Er entfernt sich, weil ihm Gefahr droht,« erwiderte Simon.

»Mein Platz ist bei ihm,« sagte Yves ruhig; »also leben Sie wohl; wein Wohlthäter wird mir vielleicht unbekannt bleiben, aber so lange ein Herz in meiner Brust schlägt, wird Ihr Name, Herr Simon, in dasselbe eingegraben sein.«

Herr Simon drückte die ihm dargebotene Hand des jungen Mannes, zögerte ein wenig und sagte dann verlegen: »Sie wollen fort? wer weiß, ob es Ihnen möglich sein wird, wieder Eintritt in Paris zu erhalten? Jetzt können Sie nicht mehr nach Hause gehen, morgen werden Sie vielleicht verfolgt . . . Nehmen Sie!«

Und ohne seine Rede zu vollenden, ohne den Gang seiner Gedanken zu erklären, gab er d«m jungen Manne eine kleine Brieftasche und entheilte seinen Fragen so schnell, daß er ihm nicht ein Wort mehr sagen konnte»Er öffnete die Brieftasche, hoffend, in derselben einige Erklärung zu finden; sie enthielt aber nichts, als einen Tausendfranken – Schein.

Der Tag begann zu sinken; einige Officiere kamen durch die Straße Rivoli, um Paris zu verlassen, und nahmen ihren jungen Kameraden mit, den seine Geistesgegenwart ganz verlassen hatte.

Den folgenden Tag machten sie sich zusammen auf den Weg nach Rambouillet, und gingen von da nach Cherbourg, wo der König sich einschiffte.

Dort wartete Yves Nachrichten von Paris ab, er hatte an seine Großmutter geschrieben, und auch gebeten, Herrn Simon die tausend Franken zurück zu zahlen. Nachdem er Geld und die Einwilligung seiner Großmutter zu der von ihm beabsichtigten Reise erhalten hatte, ging er nach London.

So verschwanden in Zeit von drei Tagen die glänzenden Hoffnungen, die zu hegen er die gegründetsten Ursachen gehabt hatte, und sein Eintritt in's praktische Leben war also rauh und sonderbar genug, und entsprach nicht den Träumen, mit denen er die Schule verlassen hatte. Yves wurde dadurch verwirrt, aber nicht entmuthigt; die großen Ereignisse, selbst die traurigsten, haben das Gute, daß sie dem Geiste, indem sie ihn an das Außerordentliche gewöhnen, die Hoffnungen aller möglichen Umgestaltungen darbieten. Wenn die Schläge des Schicksals so plötzlich zerstören, wie sollte man da nicht auch eine eben so plötzlich»Wiederherstellung für möglich halten? Yves fühlte, ohne sich Rechenschaft davon zu geben, daß das Leben ihm das weite Feld darbot, welches die Revolutionen jedem Ehrgeizigen öffnen, und daß, wenn die vortheithaften Verhältnisse, in die der Zufall ihn gesetzt hatte, zerrüttet oder gar zerstört würden, derselbe Zufall ihm auch zu andern verhelfen könne, die er nur ihm zu danken haben würde.

Indessen hatten die wichtigen Begebenheiten, indem sie die tollen Freuden des jungen Mannes durch ernste Betrachtungen verdrängten, ihm keineswegs alle Neigung zu den Genüssen und Zerstreuungen geraubt, nach denen er sich so sehr gesehnt halte.

Der junge Herzog kam nach London mit einem, alten berühmten Namen, der Glorie der Verbannung, dem Verdienste der Treue, achtzehn Jahren und einer schönen sehr edlen Persönlichkeit; er wurde von der Londoner Aristokratie, die man mit Recht die große Welt nennen kann, weil sie alle Arten Größen, den Rang, das Vermögen, die Macht und das Genie in sich vereinigt, ausgezeichnet aufgenommen.

Yves bewunderte zuerst die Christliche ätherische Schönheit der jungen Engländerinnen, dann die ausgezeichnete Würde vieler Männer und ihre hohen Fähigkeiten. Er empfand ein Gefühl von Verehrung für das Land, wo man noch groß in's Leben eintreten sich darin erhalten kann, wo der Eine mit zwei und zwanzig Jahren Minister werden und der Andere diese Würde bis zum achtzigsten Jahre behaupten kann. Er empfand auch einen peinlichen Eindruck bei dem Rückblick auf sein Vaterland, Frankreich, wo seit fünfzig Jahren die Helden nur so kurze Zeit gelten; wo die Anerkennung sich eben so schnell abnutzt als die Personen; wo Jeder zerstört, um auch zerstört zu werden; wo alle Berühmtheiten, eine nach der andern, verschwinden, und nicht« beständig ist, als der Wechsel.

Ohne die schnell entstandene Revolution, von der Yves Zeuge gewesen war, würde er in England vielleicht nur die geselligen Interessen und die Sitten beachtet haben; wichtige Ereignisse hatten seine Augen für politische Wahrnehmungen geschärft, und er hatte für die politische Einrichtung des Landes, das ihn gastlich aufgenommen hatte, mehr Aufmerksamkeit als für seine Sitten und Gebräuche. Er sah also dieses Land in seinem schönsten Lichte, und da er weder Zeit noch Gelegenheit hatte, gründliche Betrachtungen anzustellen, blieb er befangen von dem ersten Eindrucke und behielt seine hohe Bewunderung; vielleicht auch, weil er fühlte, daß da, in dem Range, in dem er geboren war, er dem Glanze desselben den des Talentes hätte hinzufügen und Beides in Ehren genießen können.

Yves suchte die Vergessenheit seiner getäuschten Hoffnung in den Vergnügungen seines Alters, und sein Leben verfloß drei Monate in den Salons und den übrigen Theil des Jahres in den Schlössern angenehm genug, als es sich die Laufbahn der Gefahren und des Ruhmes in den Feldern der Vendeé, öffnete. Er glaubte die Theilnahme an diesen Kämpfen seiner Ehre schuldig zu sein und reiste ab.

Frankreich, hatte man ihm gesagt, erwartete nur ein Signal, um die, welche es unter fernem Himmel betrauerten, zurückzurufen: in Paris war Verwirrung, in der Armee Unmuth, in der Bretagne Gefahr. Dahin begab er sich. Unterweges träumte seine jugendliche Phantasie von Aufopferung und Ruhm; als er ankam, war schon keins von beiden mehr möglich.

Seine alte Großmutter, die Marquise von Fontenoy-Mareuil, wünschte ihn wieder zu sehen; sie wollte, sagte sie, ihn noch einmal sehen, ehe sie stürbe, Er kehrte nach Paris zurück.

Was er dort fand, warf Unruhe im seine Gedanken und Unsicherheit in seine Seele. Welche Pläne für die Zukunft sollte er entwerfen? an welche Hoffnung sich halten? und die erste Folge der Unsicherheit ist innere Leere und Langeweile! Heinrich von Martinay war da, mit seiner spöttischen Sorglosigkeit und seinen kleinlichen, immer zufriedenen, aber niemals befriedigten Eitelkeiten. Er bemächtigte sich des aus London Zurückgekehrten. Es war eine Gelegenheit, seine Kunstgriffe auszuüben, theils in der Wirkung, die er auf die Seele des jungen Mannes, theils in der, die er durch ihn bei Andern hervorbrachte.

Herrn Simon suchte Yves umsonst, er konnte ihn nicht wiederfinden; desto besser gelang es ihm mit Frau von Savigny, die er sehr oft sah und zuletzt so oft zu ihr ging, daß die Welt darüber sprach; seiner Langeweile wurde auch hierdurch nicht abgeholfen.

Eines Tages, als er mit Heinrich spazieren ging, erblickte er endlich Herrn Simon, und verließ stürmisch seinen Freund, um zu ihm zu eilen. Die Freude des Einen bei dieser unerwarteten Begegnung war eben so sichtbar, als die Verlegenheit des Anderen. Herr Simon kündigte Yves sogleich an, daß er im Begriff stehe, denselben Abend eine Reise anzutreten, damit Yves durchaus keine Versuche, ihn wieder aufzusuchen, machen sollte; aber bei der Annäherung Heinrichs, der sie eingeholt hatte, stammelte Herr Simon eine Art Entschuldigung, und verließ sie eiligst.

»Wirklich, mein Freund,« sagte Heinrich, »dies ist eine sonderbare Bekanntschaft für den Herzog von Mauléon!«

»Wissen Sie, wer dieser Mann ist,« rief Yves, Heinrich beim Arm nehmend und so ganz von Neugierde erfüllt und beschäftigt, daß er nicht einmal den höhnischen Ton, in dem Heinrich geredet, bemerkt hatte.

»Dieser Mann!« antwortete Heinrich verächtlich, »Jedermann kennt ihn und Niemand will ihn zu kennen scheinen; man weicht ihm gewöhnlich mit derselben Sorgfalt aus, die Sie anwenden, um ihn aufzusuchen.«

»Was hat man denn gegen ihn?« fragte Yves beunruhigt.

»Meiner Treu, ich weiß nicht einmal recht,« antwortete Heinrich mit gleichgültiger Nichtachtung; »man sagt, daß er in die blutigen Scenen der Revolution von siebzehnhundert und drei und neunzig auf eine schreckliche Weise verwickelt gewesen sein soll . . . ich weiß weder die näheren Umstände, noch überhaupt etwas Genaueres darüber . . . aber gewiß ist, daß man ihn wie einen verhaßten Menschen flieht.«

»Wirklich, Heinrich,« sagte Yves ernsthaft, »in Ihrer Nichtachtung und Ihren Worten scheint mir etwas Widersinniges zu liegen.«

»Hat man immer Zeit, Alles, was in der Welt geredet wird, zu beglaubigen? Dieser Mann sieht so beschämt, so verlegen aus, daß er dadurch alles Böse, was man von ihm denkt, bestätigt. Woher kennen Sie ihn denn?«

»Er hat mir einen großen Dienst erzeigt.«

»Das wundert mich gar nicht, er sucht Gelegenheiten, sich nützlich zu machen . . . er ist einer von Denen, die sich durch edle Thaten bemerkbar zu machen suchen. Aber sehen Sie, wenn er, statt sein Geld den Armen zu geben, es anwendete, um die Reichen zu amüsieren, würde ihm Niemand einen Vorwurf machen.«

Yves wollte Heinrich unterbrechen, dieser aber fügte mit bitterer Lustigkeit hinzu:

»Man muß den ganzen Muth seiner Lage haben; wenn man sich seines Schicksals, seiner Armuth, seiner Persönlichkeit schämt, wird man verachtet; wirklich ein tüchtiges Laster, mit dem man sich brüstet, ist vortheilhafter, als eine Tugend, über die man erröthet.«

»Sie scherzen,« sagte der junge Mann mit vorwurfsvollem Tone.

»Ich will Ihnen dafür tausend Beispiele anführen: ein großer Fehler, ein Laster, »in Verbrechen sogar, wenn es nur nicht vor den Richterstuhl der Assisen kommt, deren Bänke nach dem Volke riechen und mit schlechter Gesellschaft besetzt sind, alles Dieses, mein Freund, unverschämt zur Schau getragen, hält Niemanden in seiner Carriere auf, und verschließt ihm nicht dm Eintritt in die Salons.«

»Die öffentliche Meinung,« erwiderte Yves verdrießlich, »ist also keine entscheidende Macht?«

Heinrich antwortete mit ernsterem Ton«:

»Die öffentliche Meinung ist in der Zeit der Revolutionen so oft durch Leidenschaften irre geleitet, daß sie ihre Stärke, wie alle ihre Macht, die man mißbrauchte, verloren hat. Die Geschickten leiten, die Gleichgültigen verspotten sie und Jeder richtet sich in jetziger Zeit so ein, daß er sich um Andere nicht zu bekümmern braucht. Nehmen Sie Ihre Partei, mein Freund, amüsiren Sie sich; lassen Sie die Sachen wie sie sind; betrüben Sie sich nicht, wie Sie bis jetzt es thaten, über die Thorheiten und Irrthümer der Menschen; benutzen Sie dieselben zu Ihrem Vortheil; vermeiden Sie die langweiligen Grämler wie Simon; machen Sie keine moralischen Betrachtungen, das ist schlechter Geschmack, und vorzüglich machen Sie nicht, wie Manche, den Versuch, die Gesellschaft zu verbessern; wenn man mit seinen Heldenthaten zur unrechten Zeit kommt, wird man, wie Don Quichotte, verlacht.«

 

Auf solche Weise machte sich Heinrich für Yves zu einer Art Organ alles Dessen, was die Welt Entmuthigendes, Kleinliches und Armseliges hat. Die Lage des jungen Herzogs war an sich schon traurig genug; keine Zukunft bot sich ihm dar! Die Gesellschaft, die ihn umgab, galt gar nichts mehr, und da sein Vermögen sehr unbedeutend war, mußte er zurückgezogen und unthätig leben, ohne einen Wirkungskreis, um seinen Geist zu üben, ohne den Luxus, der durch seinen Glanz Ehre verleiht. Alles erschien ihm abgeschmackt; er versank in einen tiefen Lebensüberdruß, so daß seine Gesundheit darunter litt. Heinrich, der sich darüber beunruhigte, wollte ihn zerstreuen; in der Jugend, mit einem so glühenden Charakter, wie ihn Yves hatte, muß man große Thaten thun, um nicht große Thorheiten zu begehen: er mußte also, da ihm die Ersteren unmöglich waren, sich zu den Letzteren entschließen.

Unter den zahlreichen Zerstreuungen, die Heinrich für ihn aufzusuchen bemüht war, befand sich auch der Vorschlag, ihn im Jockey-Clubb aufnehmen zu lassen.

Der Jockey-Clubb ist eine neue Schöpfung oder vielmehr Einfuhr aus England, Frucht des Müßigganges und der Langeweile, und das Asyl der tollsten Eitelkeit, der der Geburt, des Geldes und der Thorheit.

Vor seiner Aufnahme bestimmte Yves über sein Vermögen, wie wir es durch dm Grafen von Rhinville schon erfahren haben: der Verkauf seiner Besitzungen hatte ihm vierhundert-tausend Franken eingebracht, die er in vier Jahren zu vergeuden beschloß; auch wurde der Herzog von Mauléon, jung, schön, lebensmüde, ausschweifend um der Langeweile zu entfliehen, wie ein Eingeborener im Jockey-Clubb aufgenommen.

Mitten in Paris, im Mittelpunkte der Thätigkeit, der Bewegung und des Lebens, an dem Orte, wo tausend Interessen und tausend Leidenschaften sich regen, auf einem der Boulevards, wo die unruhige Menge zu jeder Stunde zwischen dem Opernhause, der Börse und den Tuilerieen fluthet, gibt es elegante und reiche Salons, wo völlig unbeschäftigt, im entschiedensten Müßiggange und der größten Gleichgültigkeit gegen alles Nützliche, der jüngste, lebendigste, thatkräftigste Theil der Pariser so lebhaften und regsamen Bevölkerung lebt. Es gibt dort Männer, deren Geist von frühester Kindheit an sorgfältig gebildet wurde, denen das Geschick durch Vermögen Unabhängigkeit sicherte, und die ihre Tage hier verleben, den Geschäften und Angelegenheiten des Landes, dem sie angehören, so wie ihrer Familie und deren Freuden fremd . . . Sie rauchen, spielen, kleiden sich an und schwatzen, sind also ein Theil der menschlichen Gesellschaft; aber sie sind stolz darauf, Allem entsagt zu haben, was Menschen von Verstand oder Gefühl bezeichnet.

Wenn es unter dieser Gesellschaft einige ausgezeichnete Männer gibt, die aus Neugierde sich ihr anschlossen, einige Jagd- und Pferde-Liebhaber, die dieser Erholung beschäftigter Leute und Beschäftigung der Müßiggänger fröhnen; wenn ferner in demselben jene Glücksritter sich finden, die davon leben, die reichen Verschwender auszubeuten; wenn auch einige junge Leute aus dem reichen Mittelstande, die sich auf diese Weise zu Aristokraten zu machen hoffen, und andere weniger Begüterte, die in ihrem scheinbaren Luxus die sparsamen kaufmännischen Gewohnheiten beibehalten, um große Herren und schlechte Subjecte auf die wohlfeilste Weise zu repräsentiren: so sind doch die Mehrzahl derer, die diese tolle Gesellschaft bilden, dem höchsten Adel entsprossen, große Reichthümer besitzen und haben eine glänzende Erziehung erhalten. Indessen vergessen sie dieses Alles, um sich ausschließlich mit dem zu beschäftigen, was zu der lächerlichsten Sache von der Welt zu machen, sie sich bemühen, nämlich mit ihrer eigenen Person; sie rühmen sich, jedes Vergnügen zurückzustoßen, welches auf irgend eine Weise geistreich wäre, bringen höchst ernsthaft ganze Stunden damit hin, die Form einer Weste, das Knüpfen einer Cravatte, den Schnitt eines Rockes zu besprechen; von einem Jockei, einem Pferde zu reden, und ein Mittel ausfindig zu machen, ihre alten historischen Namen an irgend eine wunderliche Abgeschmacktheit (Gegenstand der Berühmtheit, den ihre Ahnen verachteten) zu heften. Einige von ihnen wagen ihr ganzes Vermögen auf Karten, ohne das Spiel zu lieben, Andere richten sich um einer Tänzerin willen zu Grunde, die ihnen nicht einmal gefällt; Einige setzen ihr Leben bei einem Wettrennen, Andere in einem Duell, ohne ihren Gegner zu hassen, auf's Spiel; Alle rühmen sie sich, allen Geschmack an den Vergnügungen verloren zu haben, gleichgültig gegen alle edle Empfindungen und unempfindlich gegen Leidenschaften zu sein; aber sie trinken, bis sie die Vernunft verlieren, würdigen sich bis zu den Thieren herab, und versichern, sich im dreißigsten Jahre tödten zu wollen. Ach! sie werden nicht einmal die zu dieser letzten Tollheit nöthige Energie in diesem tollen Treiben sich erhalten, und ihr Verstand wird alsdann nicht fassen können, daß sie Alles verschleudert haben, was in sie gelegt war, für die ernsten und großen Jahre der Bestimmung des Mannes.

Fehlt es diesen so nichtigen, sorglosen, leichtsinnigen, abgeschmackten Männern etwa an Vernunft, Geist, Willen oder Kraft? – Nein. Was ihnen fehlt, ist nur die Stellung, in der sie das Alles anwenden könnten.

Denn, wenn es möglich wäre, daß nach einem dieser, in Allem, was der schlechte Geschmack nur Unsinniges erfinden kann, verlebten Tage, nachdem das Spiel aufgehört hat, Opfer zu fordern, die sich nicht betrüben, und Glückliche zu machen, die sich nicht freuen, nachdem die Freude der Ermattung und dem Ueberdruß gewichen ist und die letzten Strahlen der Vernunft in der Betrunkenheit, dem letzten Grade der Völlerei, erloschen sind; wenn es möglich wäre, daß nach einem solchen Tag« ein Mann, wie Napoleon, auf dem Gipfel feines Ruhmes, oder ein anderer Held, dessen Ruhm sein« Macht begründet hätte, plötzlich in der Mitte dieser jungen Thoren erschiene und ihnen sagte: »An der äußersten, von Paris und noch mehr von seinen Freuden und Sitten entferntesten Grenze Frankreichs liegt eine langweilige kleine Stadt, in der man nicht einmal weiß, daß es eine Oper gibt, und wo nichts an das glänzende Leben, dessen Ihr gewohnt seid, erinnert; da ist ein gefährlicher Posten, wo man vor Anbruch des Tages wachen muß, um nicht überfallen zu werden, nachdem man in der Nacht wenig schlafen konnte, weil man für die Sicherheit sorgen mußte; da hat man jede Stunde, jeden Augenblick den Tod zu erwarten; aber wenn man Muth, Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart mitbringt, kann man Frankreich retten und kehrt man zurück, hat man das Recht, in den ersten Reihen der Armee sein Leben edlen Gefahren zu weihen.« Nicht Einer würde unter ihnen sein, unter diesen jungen Unsinnigen, der sich nicht zu einer, mit so vielen Gefahren zu erkaufenden Ehre drängte, und der nicht für dieses mühselige aber ruhmvolle Leben mit Entzücken sein bisheriges träges, zerstreutes aufgeben würde.

Denn sie Alle waren durch ähnliche Ursachen, als die, welche Yves von Mauléon dahin brachten, dahin geführt worden, oder sie gaben weder sich selbst, noch irgend Jemand Rechenschaft davon, und Yves von Maulion machte es wie sie.

So brachte er vier Jahre damit hin, durch Thorheiten seine Langeweile zu verjagen, seine Fähigkeiten in Ausschweifungen zu vergeuden; am Ende dieser Zeit hatte er etwas von seinem Geiste, etwas von seiner Zartheit, etwas von sein« Energie verloren; aber er fand, daß er alles Dieses guten Kaufs, um den Preis von vierhundert tausend Franken, los geworden war.

Die Marquise von Fontenoy-Mareuil hatte alle seine Gedanken errathen und alle seine Handlungen erfahren; ihre Ermahnungen in den Tagen der Thorheit waren nicht gehört worden; ihr Schmerz machte mehr Eindruck in den Tagen der Reue. Auch fügte sich Yves jetzt, wo er einen Theil seiner Charakterstärke verloren hatte, williger als früher, dem Willen seiner Großmutter.

Es blieb ihm nur die Wahl zwischen einer Heirath und dem Pistol. Er hatte zu dem Einen so wenig Neigung als zu dem Anderen, aber die alte Mutter lag zu seinen Füßen, er sah ihre Thränen und ließ sie sein Schicksal entscheiden.

Kurz vor diesem Zeitpunkte war der Vater der Familie eines Tages zu der Marquise gekommen und hatte ihr gesagt: »Ihr Enkel, der Herr Herzog Yves von Mauléon, ist vollständig banquerott; wollen Sie ihn mit einer Erbin von vier Millionen verheirathen? Einer meiner Freunde, Herr Simon, steht mit der Mutter dieses jungen Mädchens in Verbindung, und will es übernehmen, die Parthie zu Stande zu bringen.«

So war es gekommen, daß der Herzog Yves von Mauléon sich entschlossen hatte, sich zu verheirathen, und daß er in's Kloster gekommen war, um seine Zukünftige, Fräulein Gabriele Rémond, zu sehen.

Viertes Kapitel
Herzensergießungen junger Mädchen

Sobald an dem Tage der Zusammenkunft die Marquise von Fontenoy-Mareuil mit Ihrem Enkel und dem Grafen von Rhinville den Salon verlassen hatte, stieß Madame Rémond einen tiefen Seufzer der Befriedigung aus, der ungefähr sagte: Ich hoffe eine schwielige Aufgabe gelöst zu haben, und daß sie Alle eben so zufrieden mit der künftigen Schwiegermutter, als mit der Braut und der Mitgift sein werden . . . und wahrscheinlich, um durch Gabrielens Beistimmung ihre Freude erhöht zu sehen, sagte sie zu ihr:

»Nun, mein Kind!« Sie schien hierauf ein Lob zu erwarten, – aber dieses Lob blieb aus.

Aas junge Mädchen war gedankenvoll und antwortete mechanisch: »Nun, Mütterchen?« dann schwieg sie wieder. Ihre Aufmerksamkeit erwachte endlich über diese, ihrer Mutter so wichtige und ihr bis jetzt so gleichgültige Heirath.

»Da wäre denn eine Heirath zu Stande gebracht!« fuhr Madame Rémond sehr heiter fort, »ich habe wohl gesehen, daß die Sache abgemacht war: ich zweifelte ohnehin nicht daran,« sagte sie, ihre Tochter und dann sich selbst betrachtend. . . »sobald die Zusammenkunft beschlossen war!« . . . und in dem befriedigten, sichern und stolzen Lächeln der reichen Madame Rémond sprach sich Alles aus, was die selbstgenügsamste Eitelkeit nur sagen kann.

»Dennoch, mein Kind.« fuhr sie fort, »mußt Du gegen Niemand davon reden, denn so lange bis der Prediger und der Notar nicht dabei waren, wie man sagt, kann eine Heirath zurückgehen, und Diejenigen, welche uns um eine so glänzende Verbindung beneideten, würden nur zu bereit sein, unserer Hoffnungen zu spotten, wenn sie sich nicht verwirklichten. Du mußt also verschwiegen gegen Deine kleinen Freundinnen sein . . . und keine von ihnen ahnen lassen, daß Du im Begriff bist, Herzogin zu werden.«

Madame Rémond würde ihrer Tochter diese Ermahnung nicht gemacht haben, wenn sie nicht von der bis dahin so offenen, unbesonnenen, vertrauensvollen Gabriele hätte erwarten können, daß dieselbe die Gefährtinnen ihrer lärmenden Kinderspiele in die ernsten Träumereien, die sich plötzlich ihrer Gedanken bemächtigt hatten, einweihen würde.

Indessen erweckten die neuen Eindrücke in der Seele des jungen Mädchens eine unwillkürliche Neugierde: sie suchte Elénore, die nachdenkendste der jungen Mädchen, auf, die, deren Aufenthalt in der Welt schon mehrere Ansichten hatte bei ihr entwickeln müssen, und zum ersten Male suchte sie sie auf, nicht um sie durch einige Possen ihren ernsten Träumereien, zu entreißen, sondern um von ihr zu erfahren, wodurch diese Träumereien entstehen möchten und vielleicht, um sich dadurch die unbekannten und unbestimmten Empfindungen, die sie überwältigten, erklären zu können.

Sobald Madame Rémond also ihre Tochter noch zärtlicher als gewöhnlich umarmt und an Herrn Simons Arm das Kloster verlassen hatte, eilte Gabriele, Elénore aufzusuchen; sie hatte den durch ihre Unbesonnenheit veranlaßten Zufall vergessen, und hörte mit eben so viel Erstaunen als Betrübniß, daß Elénore lange in bewußtlosem Zustande zugebracht hatte, und daß sie noch immer leidend sei. Sie lief augenblicklich nach ihrem Zimmer, und fand sie zu ihrer großen Verwunderung in Thränen; aber dieses bewog Gabriele um so mehr, die Ursache des Besuches, den sie gehabt hatte, geheim zu halten. Elénore ahnte nicht, daß die Personen, die sie im Salon gefunden hatte, später von ihrer Freundin wieder gesehen waren, und sprach also mit derselben nicht von ihnen, und Gabriele, Vorwürfe oder Fragen fürchtend, freute sich dieses Schweigens; ihr Wunsch, bei Elénore zu bleiben, wurde durch dasselbe erhöht; die lärmenden Spiele reizten sie nicht und sie richtete sich neben ihrer Freundin ein, die sie nachgiebig gewähren ließ. Gewöhnlich suchte das lebhafte Kind das schwermüthige junge Mädchen nur auf, um deren sanfter Traurigkeit ihre lebhafte Munterkeit entgegen zu setzen, und die Andere ließ sie ihre Possen machen, dieselben weder wünschend, noch zurückweisend. Es war eine beinah mütterliche Nachsicht, die die kindischen Spiele mehr aus Gefälligkeit als aus Neigung zu gestatten schien. Sie behielt also Gabrielen, die nicht nach Gesellschaft verlangte, bei sich. Uebrigens war für Elénore ziemlich Alles gleich; von diesem heitern, fröhlichen Kinderkreise, ihren Freuden und ihren kindlichen Leiden umgeben, nahm sie weder an den einen, noch an den andern Theil. Das Geräusch zerstreute sie kaum; die tollste Lustigkeit rief kaum ein leichtes Lächeln ihres bleichen Gesichtes hervor, welches so schnell verschwand, daß man leicht sah, daß dieser Anschein von Heiterkeit nur äußerlich war und keinen Zugang zu ihrem Herzen fand; auch widersprach sieden tollsten Schelmereien, deren Anstifterin Gabriele zu sein pflegte, nur, ohne ungeduldig oder verdrießlich darüber zu werden.

 

Es war eine vollständige Gleichgültigkeit gegen Alles, aber frei von Bitterkeit oder Eigensinn. Vielleicht hatte diese gleichgültige Gefälligkeit die Hinneigung der launenhaftesten dieser jungen Mädchen veranlaßt. Gabriele hatte die Ungeduld der Andern oft gereizt und liebte Elénore wegen der sanften Duldung ihrer Einfälle.

Aber jetzt, wo tausend neue Vorstellungen in dem jungen Kopfe des wilden Mädchens keimten, hatte ein unbegreiflicher Instinkt sie auf die Vermuthung geführt, daß diese große Gleichgültigkeit Elénorens gegen Alles, was sie umgab, vielleicht von einem ausschließlichen Interesse komme, das sie mit Gedanken erfülle, die den friedlichen Bewohnerinnen der Zurückgezogenheit,.in der sie lebten, fremd waren, und dies war ein noch stärkerer Zug, der sie an das träumerische junge Mädchen fesselte.

»Elénore, komm mit mir!« sagte sie, die Hand ihrer Freundin ergreifend; diese ließ sie anfangs gehen und folgte ihr aus Gewohnheit, aber plötzlich blieb sie stehen, sich ohne Zweifel der letzten Folgen ihrer Nachgiebigkeit erinnernd.

Gabriele lächelte.

»O! fürchte nichts,« sagte sie, »wir gehen nur in den Garten. Die Pensionairinnen sind hineingegangen, der Besuch ist fort, wir werben allein sein; es wird Abend, die Luft hat sich abgekühlt und es ist schrecklich, so eingeschlossen zu sein. Komm, laß uns am Ende der dunkeln Allee, die Du so liebst, niedersetzen.«

Und ohne Antwort abzuwarten, ging sie zur Thür und Elénore folgte ihr. Sie waren alle Beide den Gesetzen des Hauses, nach welchen die Schülerinnen jetzt in den Zimmern sein mußten, nicht unterworfen. Das Alter Elénorens, die zwanzig Jahre zählte, und ihr nur vorübergehender Aufenthalt im Kloster, wie das große Vermögen und der originelle Charakter Gabrielens, hatten beiden eine Freiheit verschafft, von der sie Überbern so leicht keinen nachtheiligen Gebrauch machen konnten, weil sie sich darauf beschränkte, daß sie Haus und Gärten zu der Stunde, wo Niemand von außen hineinkommen konnte, allein durchliefen.

Sie kamen also zusammen am Ende einer Allee an und setzten sich, diesmal alle Beide nachdenkend, auf eine Rasenbank. So nahe bei einander, war Gabriele einen halben Kopf größer; ihr schwarzes Haar und ihre lebhaften Farben standen im auffallendsten Contrast zu dem blonden Haar und dem bleichen Gesicht ihrer jungen Freundin, die sie sanft umfaßt und an ihr Herz gezogen hatte.

»Befindest Du Dich nicht wohl hier, Elénore?« sagte Gabriele, die durch ihre physische Kraft die Schwäche ihrer Freundin zu unterstützen schien; denn das so frei aufgewachsene Mädchen hatte wirklich Formen, die eine frühe Entwickelung ankündigten. Obgleich ihre Taille in der Mitte sehr fein, war doch ihre Brust breit, ihre Schultern gut gebaut, ihre Arme schon ein wenig kräftig; obgleich ihre Hände und Füße außerordentlich zart waren, der Silberton ihrer Stimme, ihre scharf ausgeprägten Augenbrauen, die bis zu den leuchtenden Augen gingen, ihre lebhaften Farben, die bei der leichtesten physischen oder moralischen Aufregung wechselten, alles Dieses kündigte eine jener kräftigen Naturen an, die weder durch die Luft der Salons zu früh gereift, noch durch irgend eins ihrer Gesetze oder Ansichten gequält.und unterdrückt war. Das Feuer ihrer Blicke und die Beweglichkeit ihrer Physiognomie zeigten an, daß dieser so schön und kräftig entwickelte Körper eine sich begabte Seele umschloß.

Auf dem zarten Gesichte der zierlichen Elénore hingegen sah man neben dem Ausdruck von Schwäche schon die Spuren der Leiden und Schmerzen, die die Beziehungen zu der Welt veranlassen; Schmerzen, die durch die Nothwendigkeit, sie zu verbergen, noch bitterer werden > und diese leichten Spuren von ihr fremde»Schmerzen, ihr unbekannten Gedanken, wollte Gabriele, von ihrer Freundin unbemerkt, erforschen. Zum ersten Male wollte sie etwas aus dem Leben in der Welt erfahren, denn zum ersten Male war dem sorglosen Kinde aufgefallen, wie fremd die Welt ihr noch war.

»Elénore,« sagte die kleine Neugierige, »erzähle mir doch, wie Du die Jahre verlebtest, in denen das ganze Kloster und Deine alten Freundinnen Dich so schmerzlich vermißten? sage mir, weshalb Du sie verließest? warum Du in Deinem jetzigen Alter zu dem, kindlichen Leben, das so wenig für Dich paßt, zurückgekehrt bist?«

Elénore sah sie überrascht an.

»Du wunderst Dich über meine Fragen?« fuhr Gabriele fort, »aber mußtest Du Dich nicht eigentlich wundern, daß ich sie Dir jetzt erst vorlege? Elénore, weißt Du nicht, daß Du oft, während Alles Lärm und Freude um Dich her war, gedankenvoll und ohne etwas zu sehen, hier saßest? Wenn ich Dich zur Richterin über unsere Spiele, oder zur Schiedsrichterin unserer Streitigkeiten aufrief, wußtest Du nicht, wovon die Rede war, Du saßest mitten unter uns, sahest nach dem, was um Dich her vorging, hattest aber nichts davon gesehen und gehört. Wo waren denn Deine Gedanken? nach was sehntest Du Dich? und wer erfüllte so ganz Dein Herz, daß es für meine Freundschaft unzugänglich war?«

»Wer?« antwortete Elénore, ihre Gefährtin beunruhigt ansehend, und vielleicht glaubend, Gabriele frage sie so aus, weil sie schon etwas über die Ursache ihre Gleichgültigkeit und Träumerei entdeckt habe; und dieser Gedanke färbte ihr bleiches Gesicht mit einem leichten Anflug von Roth.

»Ja, wer?« sagte Gabriele lachend,; »denn nun sehe ich schon, daß es ein »Er« ist! Aber fürchte nichts, Elénore, ich bin kein Kind mehr; ich bin sechzehn Jahre alt geworden und Mama sagt, daß sie mich bald verheirathen will. Eine verheirathete Frau ist etwas sehr Vernünftiges, wie ich hoffe . . . und Du wirst Respect vor mir haben! . . . aber ich werde Dich dafür lieb haben . . . wenn Du mir jetzt Vertrauen schenkst.«

Elénore sah sie aufmerksam an, und das Komische des wichtigen Ansehens, welches das kindliche Gesicht der baldigen Frau anzunehmen suchte, machte ihre träumerische Freundin lachen. In der Jugend hat selbst die Traurigkeit etwas Anmuthiges; der Sturm knickt zuweilen Blumen ab, aber indem sie fallen, sind sie noch lieblich. Der Kummer Elénorens raubte ihr nicht ganz eine sanfte Heiterkeit, und sie war immer reizend.

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