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Salvator

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CXII
Wo die Sonne Camille’s zu bleichen beginnt

Ihr erinnert euch vielleicht, liebe Leser – oder wenn ihr euch nicht erinnert, so will ich eure Erinnerung auffrischen – der jungen schönen Creolin von Havannah, die euch freilich nur ein einziges Mal vorgestellt wurde, aber doch unter dem Namen Frau von Rozan vorgestellt wurde, und die die Salons der Frau von Marande an jenem Abende zum ersten Male betrat, als Carmelite die Romanze von der Weide sang.

Dieses Auftreten der Creolin hatte, wie wir gesagt und wiederholen auf alle Eingeladenen die außerordentlichste Wirkung hervorgebracht.«

Unter den Auspizien von Frau von Marande in die große Welt eingeführt, jener Frau, die zu den anmuthigsten Herrscherinnen zählte, war die schöne Creolin in wenigen Tagen die »Beaute à la mode« geworden und man riß sich in allen Salons Paris um sie.

Braun wie die Nacht, rosig wie der Orient, mit Augen voll Feuer, Lippen voll Verlangen, zog Frau von Rozan mit einem Blick, einem Lächeln, nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen an sich; und sie glich inmitten eines Salons einem von Sternen umgebenen Planeten.

Man schrieb ihr tausend Siege, und nicht eine Niederlage zu. Das war die volle Wahrheit: lebhaft, feurig, leidenschaftlich, vielleicht ohne es zu wissen, herausfordernd, lag zwar in ihrem Wesen eine ziemlich ausgesprochene Coquetterie, aber nichts weiter, und wenn sie, wie Camille, mehr bezeichnend, als taktvoll sagte, die Leute sich mit den Kleinigkeiten des Vorzimmers amüsieren ließ, so wußte sie sie dort zu bannen, ehe sie noch die Schwelle berührten. Das Geheimniß ihrer Tugend lag in ihrer Liebe zu Camille, und wir möchten es im Vorübergehen sagen, da sich eine so gute Gelegenheit bietet, das Geheimnis aller weiblichen Tugend ist: ein liebendes Herz, ein tugendhafter Leib.

Frau von Rozan war dies in vollem Sinne; – sie liebte ihren Mann, ja, sie betete ihn an: eine schlecht angebrachte Anbetung, wir geben das zu, namentlich wenn wir an das denken, was wir im vorhergehenden Capitel erzählt, aber vollkommen begreiflich für diejenigen, welche jenen äußerlichen Glanz, jene zauberhafte Anziehungskraft, mit der die Natur Camille beschenkt, nicht vergessen.

Und wir haben es im Verlauf unserer Geschichte gesehen, Camille, jung, schön, launenhaft mehr als distinguiert, mehr unterhaltend als geistreich, mit dem Pariser Esprit hinlänglich gefirnißt, der leichtfertige, frivole, phantastische, ausgelassen heitere Camille mußte allen Frauen gefallen und besonders einem jungen Mädchen, das indolent und leidenschaftlich zugleich, vergnügungssüchtig im höchsten Grade war und nur an Unterhaltung dachte.

Die Triumphe von Frau von Rozan waren, wie wir sahen, nur äußerliche, oberflächliche. Sie ließ den Glanz derselben ganz auf ihren Mann fallen, und doch wird man sogleich sehen, weßhalb diese verliebte und triumphierende Creolin, trotz ihrer glänzenden Erfolge, so tief melancholisch war, daß man hätte glauben sollen, sie leide unter irgendeinem geheimen geistigen oder körperlichen Uebel. Man hatte in mehreren Salons diese Bemerkung gemacht, als man die Blässe ihrer Wangen und die dunkeln Ringe um ihre Augen sah: eine eifersüchtige Wittwe behauptete, sie seie brustleidend; eine verschmähte Liebende, sie habe einen Liebhaber; eine andere mitleidigere Seele hatte entdeckt, daß ihr Mann sie schlage; ein materialistischer Arzt beschuldigte oder vielmehr beklagte sie, daß sie zu streng ihren ehelichen Pflichten nachkomme; kurz, alle Welt sprach ihr Urtheil aus, aber niemand das richtige.

Und wenn uns der Leser jetzt in das Schlafzimmer der jungen schönen Frau folgen will, wird er in wenigen Augenblicken, wenn er es nicht bereits geahnt, das Geheimniß dieses Kummers erfahren, das ganz Paris zu beunruhigen begann.

Am Abende des Begräbnisses von Herrn Lorédan von Valgeneuse, das heißt vierundzwanzig Stunden nach der Scene, die wir im vorhergehenden Capitel erzählten, war Frau Camille von Rozan, welche in einer rosasammtnen Bergère lag, für eine hübsche Frau in einem Schlafzimmer, um ein Uhr Morgens, einer Stunde, wo jede Frau von dem Alter und dem Aussehen der schönen Dolores, die Stirne voll Träume und den Mund voll Versprechungen, in ihrem Bette liegen sollte, auf wunderlichste Weise beschäftigt.

Vor einem kleinen Laquedechinetische saß sie und lud ein prachtvolles Paar Pistolen mit Ebenholzschaft und mit Gold damasziertem Laufe, die sich von ihren marmorweißen Händen wunderbar abhoben.

Nachdem sie die Pistolen mit einer Pünktlichkeit und Sorgfalt geladen, die einem Schützen Ehre gemacht, untersuchte Frau von Rozan auf’s genaueste die Hahnen und ließ sie einen nach dem andern spielen; nach dieser Untersuchung legte sie die Pistolen neben sich zur Rechten und nahm einem kleinen Dolch, der auf ihrer linken Seite lag.

Zu den Händen dieser hübschen Creolin dürfte dieser Dolch nicht in Erstaunen setzen; die Kette war von mit Gold niellirtem Silber; der Knopf war von wunderbar getriebenem, mit Stein eingelegtem Stahl und das Meisterstück der Goldschmiedekunst schien mehr ein Frauenbijou als eine Mordwaffe; und doch, wenn man die Blitze sah, die aus ihren Augen leuchteten, wenn sie auf die Klinge sah, hätte man sich fürchten mögen und wäre in Verlegenheit gewesen zu sagen, wer die unheimlichsten Strahlen ausströmt, der Dolch oder die Augen.

Nachdem sie den Dolch mit derselben Sorgfalt untersucht, wie die Pistolen, legte sie ihn wieder auf den Tisch, zog die Brauen zusammen und legte, sich, die Arme kreuzend und in tiefes Nachdenken versanken, in ihre Bergère zurück.

Zehn Minuten ungefähr waren auf diese Weise verflossen, als sie einen ihr wohlbekannten Schritt in dem Corridore hörte, der zu ihrem Schlafzimmer führte.

»Das ist er,« sagte sie.

Und mit der Schnelligkeit des Gedankens die Schieblade an sieh ziehend, legte sie die Pistolen und den Dolch hinein, warf die Schieblade wieder zu, zog den Schlüssel ab und barg ihn in ihren Schlafreck.

Sie stand lebhaft auf. Camille trat ein.

»Ich bin es,« sagte er: »wie, Du liegst zu dieser Stunde nach nicht zu Bette, liebes Kind?«

»Nein,« antwortete Frau von Rozan kalt.

»Aber es ist ein Uhr, meine Liebe,« sagte Camille und küßte sie auf die Stirne.

»Ich weiß es,« antwortete diese in demselben Tone und mit demselben eisigen Accente.

»Du warst also aus,« fragte Camille, indem er seinen Mantel auf eine Causeuse warf.

»Ich war nicht aus,« antwortete Frau von Rozan lakonisch.

»So war Besuch bei Dir.«

»Niemand.«

»Und Du hast bis jetzt gewacht?«

»Wie Du siehst.«

»Was thatest Da?«

»Ich wartete auf Dich.«

»Das ist nicht Deine Gewohnheit.«

»Wenn die Gewohnheiten schlecht sind, muß man sie ändern.«

»O! in welch’ tragischen Tone Du das sagst!« machte Camille, indem er sich auszukleiden begann.

Frau von Rozan setzte sich, ohne zu antworten, wieder in ihre Bergère.

»Nun gut,« fragte Camille, »legst Du Dich nicht zu Bette?«

»Nein, ich habe mit Ihnen zu sprechen,« sagte die Creolin in düsterem Tone.

»Zum Teufel! was Du mir zu sagen hast, muß sehr traurig sein, das Du es mir in solchem Tone ankündigst.«

»Seht traurig.«

»Was ist es denn, meine Liebe?« fragte Camille, indem er näher trat; bist Du krank? Hast Du eine schlimme Nachricht erhalten? was ist denn in den letzten Stunden geschehen?«

»Es ist nichts in den letzten Stunden geschehen.« antwortete die Creolin, »was nicht alle Tage geschähe; ich habe keine Nachricht erhalten, ich bin nicht krank, wenigstens nicht, wie Sie es meinen.«

»Warum dann diese düstere Miene?« fragte Camille lächelnd. »Oder,« setzte er hinzu, indem er sie küssen wollte, »denkst Du etwa an unsern armen Freund Lorédan?«

»Herr Lorédan war nicht unser Freund; Herr Lorédan war Ihr Freund; es kann deßhalb das nicht sein.«

»Dann weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll,« versetzte Camille, indem er seinen Frack auf ein Fauteuil legte, des langen Gespräches über eine so unerklärliche Sache müde.

»Camille,« fragte Frau von Rozan, »haben Sie seit einigen Wochen keine Veränderung bei mir wahrgenommen?«

»Nein, wahrhaftig nicht.« antwortete Camille, »Du bist immer reizend.«

»Sie haben meine Blässe nicht bemerkt?«

»Das Clima von Paris ist so verrätherisch. Aber ich will Dir etwas sagen: diese Blässe steht Dir entzückend; und wenn ich etwas bemerkte, so war es das, daß Du alle Tages schöner wurdest.«

»Der Ring um meine Augen, hat er Dir nicht von meinen schlaflosen Nächten gezeugt?«

»Wahrhaftig nein! Ich glaubte, Du legtest Kohol an, wie es jetzt Mode ist.«

»Camille, Sie sind entweder sehr egoistisch oder sehr frivol, mein armer Freund,« machte die junge Frau kopfschüttelnd.

Und zwei Thränen rollten über ihre Wangen,.

»Du weinst, meine Liebe?« fragte Camille bestürzt.

»Aber sieh mich doch an,« sagte sie und ging mit gekreuzten Armen auf ihn zu; »ich sterbe!«

»O,« machte Camille betroffen von der Blässe und dem düsteren Ausdruck des Gesichts seiner Frau wahrhaftig, meine arme Dolores, Du scheinst mir leidend.«

Und indem er sie um die Hüfte faßte, setzte er sich und suchte sie auf seine Kniee zu ziehen.

Aber die junge Frau machte sich aus seiner Umarmung los, stieß ihn ungestüm von sich, und warf ihm einen Blick voll Zorn zu.

»Genug solcher Lügen!»sagte sie energisch, »ich bin meines Schweigens müde und dürste nach einer Erklärung.«

»Und welche Erklärung willst Du, daß ich Dir gebe?« fragte Camille in einem so natürlichen Tone, daß man hätte glauben sollen, die Frage überrasche ihn wirklich.

»Aber das ist sehr einfach: die Erklärung Deines Benehmens seit dem Tage, wo Du zum ersten Mal den Fuß in das Hotel Valgeneuse gesetzt.«

»Immer wieder Deine Zweifel,« sagte Camilla mit Ungeduld; »ich glaubte Dich in dieser Beziehung beruhigt zu haben.«

 

»Camille, mein Vertrauen auf Dich war so groß als meine Liebe. Als ich Dich über Deine Beziehungen zu Fräulein Susanne von Valgeneuse befragte, und Du mich versichertest, daß sie für Dich und Du für sie nur die Gefühle der Freundschaft oder höchstens geschwisterliche Gefühle hegst, da liebte ich Dich und glaubte Dir.«

»Nun also?« sagte der Amerikaner.

»Warte, Camille, diesen Schwur, den Du mir vor vier Monaten thatest, konntest Du ihn heute wiederholen?«

»Gewiß.«

»So liebst Du mich also heute wie vor einem Jahr, das heißt am Tage unserer Hochzeit?«

»Etwas mehr als vor einem Jahr,« antwortete Camille mit einem Tone der Galanterie, der seltsam mit der düsteren Miene seiner Frau contrastirte.

»Reisen wir ab.«

»Wie – reisen?« rief Camille erstaunt. »Und weßhalb reisen?«

»Weil es nicht ehrenhaft ist, Fräulein von Valgeneuse so irre zu führen; sie liebt Dich, sagst Du, also hofft sie, Du liebst sie nicht, also leidet sie Hoffnung und Leiden, es gibt ein Mittel, Beiden ein Ende zu machen. Laß uns gehen.«

Camilla suchte zu scherzen.

»Ich gebe zu, daß eine Abreise eine Lösung des Knotens wäre,« sagte er. »Wir sehen das Beispiel daran in einer Menge von Komödien. Aber man muß wissen, wohin man geht.«

»Man geht dahin, wo man geliebt wird. Der Ort, wo man geliebt wird, ist unsere wahre Heimath. Wohin Du willst,,werde ich gehen, hundert Meilen von Frankreich, tausend Meilen von Frankreich, aber laß uns diesen Ort meiden.«

»Gewiß,« antwortete Camille, »und ich hätte Dir selbst seit lange eine Reise nach Italien oder Spanien vorgeschlagen, wenn ich nicht Deine Vorwürfe gefürchtet.«

»Meine Vorwürfe?«

»Ja, höre meine Gründe. Ich, der ich seit Jahren in Paris lebe, sagte ich mir, habe nichts Besonderes mehr zu sehen, aber Sie, meine arme Dolores, die wie alle jungen Mädchen unserer Heimath seit lange diesen süßen Traum gehegt – Paris sehen und sterben, Sie soll ich ungestüm aus dem Schlafe reißen, ehe Sie diesen Traum-zu Ende geträumt?«

»Wenn diese zarte Aufmerksamkeit Dich allein noch zurückhält, Camille, dann laß uns nicht länger unsere Abreise verschieben. Ich habe von Paris gesehen, was ich sehen wollte.«

»Nun denn, meine Lieb,« sagte Camille, »wir wollen abreisen.«

»Wann das?«

»Wann Du willst.«

»Gut, also morgen.«

»Oh! machte der Amerikaner bestürzt.. »Morgen.«

»Gewiß, da Dich nichts in Paris zurückhält, als die Furcht, mich aus meinem Traume aufzuwecken.«

»Nichts, nichts,« sagte Camille, »das ist bald gesagt: und hätte man auch nur seine Koffer zu packen, so würde das schon mehr als einen Tag ausmachen. Morgen,« wiederholte Camille, »und unsere Besuche! unsere Einkäufe! unsere Rechnungen.«

»Meine Koffer sind gepackt, meine Einkäufe sind gemacht, meine Rechnungen sind bezahlt; und ich habe gestern, um Abschied zu nehmen, nach allen Häusern, wo wir empfangen wurden, Karten geschickt.«

»Aber man bedarf doch immer noch einige Tage um seinen Freunden die Hand zum Abschied zudrücken.«

»Mit Deinem Charakter, Camille hat man keine Freunde; man hat nur Bekanntschaften. Dein intimster Bekannter war Lorédan. Lorédan wurde gestern getödtet, heute begraben. Du hast keine einzige mehr in Paris zu drücken; laß uns deßhalb morgen gehen

»Es ist unmöglich.«

»Bedenke wohl, was Du mir antwortest, Camille.«

»Gewiß, und meine Lieferanten, was würden sie sagen, wenn ich auf solche Weise ginge? Es hätte das Aussehen eines Bankerotts. Ich reise ab, aber ich gehe nicht durch.

»Wie viel Zeit verlangst Du, damit Deine Abreise nicht das Aussehen einer Flucht habe? Antworte.«

»Ich weiß nicht . . . «

»Sind drei Tage genügend?«

»Wahrhaftig, ein solches Verlangen ist unvernünftig, meine Liebe.«

»Vier Tage, fünf Tage, sechs Tage,« wiederholte die junge Frau, deren Zorn den höchsten Grad erreicht hatte, in heftigem Tone. »Ist das genug?«

»Du bestehst darauf?« fragte Camille, den das Gereizt sein seiner Frau zu beunruhigen begann. »Nun denn, acht Tage.«

»Acht Tage, gut,« sagte Frau von Rozan entschlossen. »Aber so wahr,« fügte sie hinzu, indem sie auf die Schieblade sah, in der der Dolch und die Pistolen eingeschlossen waren, »so wahr mein Entschluß vor Deinem Eintreten in dieses Zimmer gefaßt war, wenn wir heute in acht Tagen nicht abgereist sind, so stehst Du, sie und ich am neunten Tage vor Gott, um ihm Rechenschaft über unser Thun abzulegen.«

Die junge Frau sprach diese Worte mit solcher Energie, daß Camille unwillkürlich schauerte.

»Es ist gut,« sagte er und faltete die Stirne wie von einem doppelten Gedanken beherrscht, ist gut; in acht Tagen gehen wir. Nun gebe ich Dir mein Ehrenwort darauf.«

Und seinen Frack nehmend den er, wie wir gesagt, auf einen Fauteuil geworfen, zog er sich in sein Zimmer zurück, das an das seiner Frau stieß, und ohne sich Rechenschaft von dem zu geben, was er that, schloß er die Thüre und schob den Riegel vor.

Achter Band

CXIII
Wo Camille von Rozan erkennt, daß es ihm schwierig sein würde, Salvator zu töten, wie er es Susanne von Valgeneuse versprochen

Man erinnert sich, daß unser Freund Camille, als er am Schlusse des vorletzten Kapitels Susanne von Valgeneuse verließ, ein sehr einfaches Mittel zu finden geglaubt hatte, sich Salvator’s, oder wenn man lieber will, Conrad’s, das heißt des rechtmäßigen Erben der Valgeneuse zu entledigen.

Aber es genügt in dieser Welt von Widersprüchen nicht, ein Mittel zu finden, sich dessen entledigen zu wollen, was uns im Wege ist: zwischen dem Mittel und der Ausführung ist oft ein großer Abgrund.

In Folge des gefaßten Entschlusses hatte Camille von Rozan bei Salvator vorgesprochen, und da er ihn nicht zu Hause traf, seine Karte abgegeben.

Am Tage nach der häuslichen Szene, die wir so eben erzählt, ließ sich Salvator – unter seinem wahren Namen Conrad von Valgeneuse – bei dem amerikanischen Gentleman melden.

Dieser, leicht bewegt, wie es im entscheidenden Augenblicke alle Menschen sind, welche rasche Entschlüsse fassen, und mehr ihrem Temperamente, als ihrer Vernunft folgen, dieser, sagen wir, befahl seinem Diener, den Fremden in den Salon zu führen und trat kurz darauf selbst dort ein.

Damit man jedoch verstehe, was folgt, wollen wir sagen, woher Salvator kam, als er sich bei Camille melden ließ.

Er kam von seiner Cousine Fräulein Susanne von Valgeneuse.

Auf sein erstes Verlangen, bei dem jungen Mädchen vorsprechen zu dürfen, hatte man ihm geantwortet, Fräulein von Valgeneuse empfange nicht.

Er hatte darauf bestanden, und war abermals abgewiesen worden.

Aber er war geduldig, unser Freund Salvator, und was er wollte, das wollte er fest.

Er hatte deßhalb eine zweite Karte genommen und unter seinen Namen Conrad von Valgeneuse mit Blei geschrieben:

»Kommt sich wegen der Erbschaft zu verständigen.«

Nie hatte ein Zauberwort, nie ein Wundertalisman die Thore eines Feenschlosses rascher geöffnet. Man ließ ihn in den Salon eintreten, wo Fräulein von Valgeneuse nach einigen Augenblicken ebenfalls erschien.

Die Verzweiflung, in die sie der Verlust ihres Vermögens gestürzt, hatte sie außerordentlich verändert: ihre Stirne war blaß, ihre Wange hager, ihr Auge glanzlos. Sie glich jenen schönen, aber fieberverzehrten Mädchen in den pontinischen Sümpfen, deren schwimmender Blick in einer uns fremden Welt zu weilen scheint. Die Schauer der Melodie, die sie zu durchzittern schienen, theilten sich auch Salvator mit, denn als er eintrat, schauerte er unwillkürlich.

Salvator hatte sich, um bei seiner Cousine zu erscheinen, als Mann von Welt nicht blos, sondern, sogar als Elegant nach der strengsten Etikette gekleidet.

Als sie ihn in so seiner und geschmackvoller Toilette erblickte, leuchteten die Augen des jungen Mädchens wieder auf und Haß und Zorn blitzten daraus hervor.

»Sie haben mit mir zu sprechen, mein Herr?« sagte sie trocken und mit verächtlichem Stolze.

»Ja, Cousine,« antwortete Salvator.

Fräulein von Valgeneuse zuckte zornig mit den Lippen, als sie das Wort Cousine hörte, das ihr wie eine beleidigende Vertraulichkeit klang.

»Und was können Sie von mir wollen?« antwortete sie in demselben Tone.

»Ich wollte Ihnen sagen,« fuhr Salvator fort, den die stolze Miene des Fräuleins von Valgeneuse nicht im Geringsten kümmerte, »in welche Lage Sie durch den Tod Ihres Bruders versetzt sind.«

»Es ist also die Erbschaftsfrage, von der Sie mit mir sprechen wollen?«

»Sie begreifen die Wichtigkeit derselben, nicht wahr?«

»Sie behaupten, glaube ich, daß diese Erbschaft Ihnen gehört?«

»Ich behaupte nicht blos, ich weiß es zu begründen.«

»Das kostet wenig, wir werden prozessieren.«

»Jenes kostet allerdings nichts,« sagte Salvator, »aber prozessieren kostet viel; Sie werden nicht prozessieren, meine Cousine.«

»Und wer wird mich hindern? Sie?«

»Gott behüte mich!«

»Wer denn?«

»Ihre Vernunft, und vor Allem Ihr Notar.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß Sie gestern Ihren Notar kommen ließen, der zugleich auch der meine ist, Herrn Baratteau, einen sehr braven Mann! daß Sie ihm sagten, er solle Sie über den Stand Ihrer Angelegenheiten in’s Reine setzen, und daß Sie ihn, als Sie erfuhren, Sie haben nichts mehr, ihn um seinen Rath baten; er hat Ihnen gerathen, nicht zu prozessieren, weil das Testament, das ich besitze, einem Prozesse nicht die geringste Chance lasse.«

»Ich werde meinen Advocaten zu Rathe ziehen.«

»Die Scylla wird Ihnen keinen bessern Rath geben, als die Charybdis.«

»Was wollen Sie aber denn von mir, mein Herr? Ich begreife den Zweck Ihres Besuches nicht, wenn Sie nicht etwa die Absicht hätten, sich an einer Frau für den Haß zu rächen, den Sie gegen ihren Bruder hegten.«

Salvator schüttelte mit sanfter Melancholie den Kopf.

»Ich hasse Niemanden,« sagte er, »nicht mal Lorédan habe ich gehaßt; wie wäre es deßhalb möglich, daß ich Sie haßte? Es hätte ein Wort hingereicht, uns einander zu nähern, Ihren Bruder und mich. Es war ein unbedeutendes Wort, das Wort Gewissen, und er durfte es niemals aussprechen. Ich komme indeß nicht, um Sie zu beleidigen, weit entfernt: wenn Sie mich anhören wollen, so werden Sie erfahren, daß das Herz, das Sie von Haß erfüllt glauben, nur von den respectvollsten Gefühlen für Sie erfüllt ist.«

»Ich danke Ihnen herzlich für Ihr liebenswürdiges Mitleid, mein lieber Herr; aber Frauen meiner Art erniedrigen sich nicht zum Almosen, sie erheben sich zum Tode.«

»Wollen Sie mich anhören, mein Fräulein?« sagte Salvator respectvoll.

»Ja, ich begreife, Sie wollen mir eine lebenslängliche Pension aussetzen, damit man in der Welt nicht sage, Sie hätten eine Verwandte im Spital sterben lassen.«

»Ich biete Ihnen nichts an,« antwortete Salvator, ohne weiter auf die Vermuthungen des jungen Mädchens zu achten; »ich bin mit der Absicht zu Ihnen gekommen, mich von Ihren Bedürfnissen zu unterrichten, und mit dem Wunsch und der Hoffnung, sie zu befriedigen.«

»Dann sprechen Sie sich deutlicher aus,« sagte Susanne erstaunt, »denn ich weiß nicht, wo hinaus Sie damit wollen.«

»Es ist jedoch sehr einfach: Wie viel brauchen Sie jährlich? mit andern Worten, welche Summe geben Sie durchschnittlich im Jahre aus? oder mit andern Worten, welcher Summe bedürfen Sie jährlich, um Ihr Haus auf dem Fuße fortzuführen, auf dem es jetzt ist?«

»Ich weiß es durchaus nicht,« sagte Fräulein von Valgeneuse, »ich habe mich niemals um dergleichen bekümmert.«

»Nun gut, so will ich es Ihnen sagen,« versetzte Salvator; »so lange Ihr Bruder lebte, brauchten Sie beide hundert tausend Franken jährlich.«

»Hundert tausend Franken!« rief das junge Mädchen bestürzt.

»Ich nehme nun an, meine Cousine, daß Sie ungefähr für ein Drittel bei dieser Summe betheiligt waren; Sie brauchten also dreißig bis fünfunddreißig tausend Franken jährlich.«

»Aber, mein Herr,« unterbrach ihn Susanne noch einmal befremdet, und diesmal aus einer andern Ursache, denn es kam ihr der Gedanke, daß ihr Vetter aus dem einen oder andern Grunde sie bereichern wolle und daß sie dann auf dem großen Fuße wie Camille fortleben konnte, »aber, mein Herr, ich brauche kaum diese Summe.«

»Wohl,« dachte Salvator, »aber es gibt schlechte Jahre. Ich setze Ihnen deßhalb in der Voraussicht solcher schlimmen Zeiten fünfzigtausend Franken jährlich aus; das Kapital bleibt in den Händen des Herrn Baratteau und Sie nehmen die Revenue monatlich oder vierteljährlich, ganz wie es Ihnen beliebt, in Empfang. Scheint Ihnen meine Präposition annehmbar?«

 

»Aber, mein Herr!« versetzte Susanne, deren Gesicht sich vor Freude röthete, »vorausgesetzt, daß ich annehme, sollte ich doch wissen, welches Recht ich habe, ein solches Geschenk anzunehmen.«

»Was Ihre Rechte betrifft, mein Fräulein,« sagte Salvator lächelnd, »so ist es, wie ich Ihnen bereits zu sagen die Ehre hatte, Sie besitzen durchaus gar keines.«

»So will ich sagen, in welcher Eigenschaft?« versetzte das Mädchen.

»Als die Nichte meines Vaters, mein Fräulein,« versetzte Salvator feierlich. »Nehmen Sie an.«

Eine ganze Welt von Gedanken durchkreuzte den Kopf des jungen Mädchens bei dem so unumwunden gemachten Vorschlag: es war ihr, als ob sie es mit Menschen höherer Art, als alle, die sie bis dahin gekannt, zu thun hätte; als ob diese Geschöpfe, welche ohne Zweifel unmittelbar von Gott ausgehen und vom Himmel die belebende Kraft des Guten erhalten, auf diese Erde gesandt wären, um das Uebel der niedrigeren Geschöpfe zu verbessern. Sie sah hier wie durch einen Sturmnebel die rosigen Wolken, die sich über dem Himmel wölbten: Ihr bis zum Tode ihres Bruders verschwommenes, unklares Leben, das seit drei Tagen von einem finsteren, schwarzen Sturme überzogen war, leuchtete plötzlich in den Farben des Regenbogens; lausend liebkosende Gedanken und Aussichten, die wie linde Sommerlüfte ihre Stirne kühlten; nur mit diesem vom Rausche der Hoffnungen erfüllten Herzen hob sie den Blick, auf dem die lebhafteste Dankbarkeit strahlte, zu Salvator auf.

Sie hatte ihn bis dahin mit dem angestammten Hasse betrachtet; jetzt aber, da sie ihn mit dankbaren Blicken ansah, konnte sie ein Gefühl der Bewunderung nicht unterdrücken, und sie zögerte nicht, ihm diese Bewunderung durch den Blick, wenn auch nicht mit Worten auszudrücken.

Salvator schien den Eindruck nicht zu bemerken, den sein Anblick auf das junge Mädchen machte; er fragte sie zum zweiten Male und ebenso feierlich, wie das erste Mal:

»Nehmen Sie an, Cousine?«

»Mit großem Danke,« antwortete Fräulein von Valgeneuse mit tiefbewegter Stimmung, indem sie dem jungen Manne ihre beiden Hände bot.

Dieser verbeugte sich jedoch und trat einen Schritt zurück.

»Ich gehe, mein Fräulein,« sagte er, »um sogleich bei Herrn Baratteau die Acte aussetzen zu lassen, welche Sie als Erbin von einer Million bestätigt; von morgen können sie auf die halbjährliche Rente Anspruch machen.«

»Mein Vetter,« rief sie mit ihrem süßesten Tone, »Conrad, ist es möglich, daß Sie mich hassen?«

»Ich wiederhole Ihnen, mein Fräulein,« sagte Salvator lächelnd, aber kalt, »ich hasse Niemand.«

»Ist es möglich,« fuhr Susanne fort, indem sie ihrer Stimme und ihrem Gesichte den liebevollsten Ausdruck gab; »ist es möglich, daß wir es vergessen haben, einen Theil unsres Lebens, Kindheit und Jugend in heiterem Zusammensein verlebt und eine gemeinsame Vergangenheit gehabt zu haben; daß wir denselben Namen führen, und daß endlich dasselbe Blut in unseren Adern rollt?«

»Ich habe nichts vergessen, Susanne,« sagte Salvator traurig, »nicht mal die Pläne, die unsere Väter mit uns hatten, und gerade weil ich mich alles dessen erinnerte, sehen Sie mich heute bei Ihnen.«

»Sprechen Sie wahr, Conrad?«

»Ich lüge nie.«

»Aber glauben Sie genug für die Nichte Ihres Vaters gethan zu haben, indem Sie, selbst auf so wohlwollende Weise wie Sie es thun, das materielle Wohl derselben sichern? Ich stehe allein auf der Welt, Conrad; allein von diesem Tage an. Ich habe weder Verwandte, noch Freunde, noch sonst eine Stütze.«

»Gott ist’s, der Sie straft, Susanne,« sagte der junge Mann ernst.

»O Sie sind streng, zu hart.«

»Haben Sie sich nichts vorzuwerfen, Susanne?«

»Kein schweres Vergehen, Conrad, wenn Sie nicht etwa die Coquetterien eines jungen Mädchens oder die Launen einer Frau so nennen sollten.«

»Nennen Sie das Coquetterie oder Laune,« versetzte Conrad feierlich, »daß Sie die Hand zu einer abscheulichen Machination boten, deren Resultat der Raub eines jungen Mädchens aus Ihrem Pensionat war, ein Raub, der vor Ihren Augen und mit Ihrer Beihilfe vollzogen wurde? Glauben Sie, daß Gott nicht eines Tages eine solche Laune bestraft? Nun gut, Susanne, dieser Tag ist gekommen und Gott bestraft Sie durch die Verlassenheit, Einsamkeit, durch die Zerreißung aller Familienbande, eine strenge, wohlverdiente und darum gerechte Strafe.«

Fräulein von Valgeneuse senkte den Kopf, eine Röthe, die sie nicht bemeistern konnte, überflog ihr Gesicht.

Einen Augenblick später hob sie die Stirne leicht wieder, und als ob sie die Worte suchte, sagte sie:

»So verweigern Sie also, mein nächster und einziger Verwandter, nicht nur Ihre Freundschaft, sondern auch Ihre Stütze. Ich bin keine verhärtete Sünderin, Conrad. Der Grund meines Herzens ist gut, glauben Sie mir, und ich könnte vielleicht mit Ihrer Hilfe ein allerdings verabscheuungswürdiges Vergehen, das seine Entschuldigung in den Ursachen hat, wieder gut machen. Meine schwesterliche Zärtlichkeit ließ mich diese abscheuliche Handlung begehen. Wo ist dieses junge Mädchen? Ich werde mich ihr zu Füßen werfen, sie um Vergebung anstehen. Sie war verwaist und ohne Vermögen; ich werde sie zu mir nehmen, sie zu meiner Freundin, meiner Schwester machen; ich werde sie aussteuern, sie verheirathen, kurz, die wenigen unheilvollen Jahre vergessen zu machen, werde ich mein Leben dem Wohle Anderer widmen. Aber deßhalb bitte ich Sie um Ihre Güte, Ihre Ermuthigung, Ihre Unterstützung!«

»Es ist zu spät,« sagte Salvator.

»Conrad,« drängte das Mädchen, »seien Sie nicht der Strafengel. Ich habe häufig den Namen Salvator’s als den eines rechtschaffenen Mannes nennen hören. Seien Sie nicht so streng wie Gott, Sie, der Sie nur eines seiner Geschöpfe sind. Bieten Sie der die Hand, die Sie bittet, sie nicht weiter in den Abgrund hinabzustoßen. Wenn Sie auch keine Freundschaft fühlen, so haben sie doch wenigstens Mitleid, Conrad; wir sind beide noch jung, man darf deßhalb nicht an Allem verzweifeln. Studieren Sie mich, setzen Sie mich auf die Probe, suchen Sie mich auszuholen, und wenn ich im Guten denselben Eifer an den Tag lege, den ich im Bösen gezeigt, so werden Sie sehen, Conrad, welcher Aufopferung und aufrichtigen Liebe ein im Outen noch jungfräuliches Herz fähig ist.«

»Es ist zu spät!« wiederholte Salvator melancholisch. Ich bin eine Art von Geist in der moralischen Welt, Susanne, ich habe das Amt übernommen, alle, welche die Gesellschaft stündlich verwundet und verletzt, zu verbinden und zu heilen. Die Zeit, welche ich bei Ihnen zubrachte, ist meinen Kranken gestohlen. Lassen Sie mich deßhalb zu ihnen zurückkehren, vergessen Sie, daß Sie mich gesehen.«

»Nein,« rief das junge Mädchen ungestüm, »es soll nicht gesagt werden, daß ich nicht Alles versuchte . . . Ich bitte Sie fußfällig, Conrad, versuchen Sie es, mein Freund zu werden.«

»Nie!« antwortete der junge Mann bitter.

»Gut,« murmelte Susanne, indem Sie eine Bewegung der Verachtung unterdrückte: »aber wenn es Ihnen gefallen, mich auf so edle Weise zu verbinden, so weiß ich nicht, warum Sie mich überhaupt verbinden wollten?« .

»Die Ursache ist die, die ich Ihnen sagte, Susanne,« versetzte Salvator streng; »ich schwöre es Ihnen vor Gott. Ich wünsche Sie aus keinem andern Grunde zu verbinden; aber erklären Sie sich, ich verstehe Sie nicht. Haben Sie die Vorausbezahlung einer Jahresrente nöthig?«

»Ich will Paris verlassen,« antwortete Susanne, »aber nicht blos Paris, sondern Europa. Ich will mich in eine Einöde zurückziehen, sei es in Amerika oder in Asien; ich habe einen Abscheu vor der Welt; ich brauche deßhalb das ganze Vermögen, das Sie mir auszuwerfen die Gnade haben.«

»Wo Sie auch sein mögen wird Ihnen die Revenue zukommen, Susanne, seien Sie darob ganz unbesorgt.«

»Nein,« jagte Susanne, welche zu zögern schien, »ich muß mein ganzes Vermögen m Händen haben und man darf hier den Ort nicht wissen, wohin ich mich zurückgezogen.«

»Wenn ich Sie recht verstehe, Susanne, so heißt das Ihr ganzes Capital, das ist eine Million, die Sie von mir verlangen.«

»Haben Sie nicht so eben gesagt, daß diese Million bei Herrn Baratteau deponiert sei?«

»Ich wiederhole es Ihnen, Susanne; wann wollen Sie sie?«

»So bald als möglich.«

»Wann gedenken Sie abzureisen?«

»Heute, wenn ich kann.«

»Heute ist es zu spät, diese Summe zu realisieren.«

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