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»Sie wollen von der Prinzessin Rina sprechen, Monseigneur.«

»Allerdings, von der Frau Marschallin Lamothe-Houdan möchte ich mit Ihnen reden. Ich habe sie seit zwei Tagen nicht gesehen; aber vor zwei Tagen fand ich sie so blaß, so schwach, so matt, daß, wenn ich mich nicht sehr täusche, eine tödtliche Krankheit an ihrem Herzen nagt, und sie, ehe ein paar Tage vergehen, vor Gott stehen wird.«

»Die Prinzessin ist sehr gefährlich krank, wie Sie sagen, Monseigneur, sie will keinen Arzt empfangen.«

»Ich weiß es; auch kann ich Ihnen, ohne befürchten zu müssen, mich zu täuschen, sagen, daß die Prinzessin in Kurzem ihre sterbliche Hülle abstreifen wird. Aber es ist ihr Seelenzustand, der mich beunruhigt! Wem soll ich sie in diesen letzten Augenblicken anvertrauen? Außer Ihnen, Frau Marquise, vernichtet Alles, was sie umgibt, das wieder, was wir für ihr Seelenheil gethan. Da sie ohne Widerstandskraft, ohne Willen, ohne Festigkeit ist, wird man sie bedrängen und wer weiß, was diese Abscheulichen mit dieser armen Creatur beginnen?«

»Niemand hat Macht über die Prinzessin,« versetzte Frau von la Tournelle; »ihre Indolenz und ihre Schwäche sind eine Garantie ihres Seelenheils. Man kann sie Alles sagen und thun lassen, was man will.«

»Still, Frau Marquise, das ist möglich. Ich hätte es vielleicht auch gekonnt; aber gerade, weil sie Alles thut und sagt, was man sie thun und sagen lassen will, wird sie auch das Schlechte thun, wenn man es ihr anräth.«

»Wer würde diese Kühnheit, oder vielmehr diese Frechheit besitzen?« fragte die Frau Marquise.

»Der, welcher die größte Macht über ihren Geist hat, weil sich vor ihm ihr Gewissen am meisten beunruhigt fühlt: ihr Gemahl, mit einem Worte, der Marschall de Lamothe-Houdan.«

»Aber mein Bruder hat nie daran gedacht, auf die Stimmungen der Marschallin Einfluß üben zu wollen.«

»Sie täuschen sich, Frau Marquise, er quält sie, er verletzt sie, er wirft den Keim seiner Gottlosigkeit in ihr Herz. Die arme Frau hat tausend Wunden empfangen. Glauben Sie mir, wenn wir nicht Vorkehrungen treffen, wird er sie noch morden.«

»Das dürfen nur Sie aussprechen, Monseigneur, sonst würde ich diesen Worten keinen Glauben schenken.«

»Das durfte nur er aussprechen, sonst hätte ich der Sache auch keinen Glauben geschenkt . . . Ich komme so eben von ihm, und aus einem stürmischen Gespräche, in welchem er mir sein Glaubensbekenntnis; ablegte, habe ich seine Grausamkeit erkannt; aber das war nur der Anfang des Gesprächs. Wissen Sie, was das Resultat war? Der Marschall hat mir nach einigen nicht näher zu bezeichnenden und wirklich auch für ihn ganz unbegreiflichen Worten, ganz entschieden, es ist kaum zu glauben, erklärt, daß ich in’s Künftige mich nichts mehr um das Seelenheil der Prinzessin zu kümmern habe.«

»Großer Gott!« rief die Frau Marquise im höchsten Staunen und Schrecken.

»Das macht Sie schauern, Frau Marquise?«

»Das erfüllt mich mit Schmerz,« antwortete die fromme Frau.

»Nun,« fuhr der Bischof fort, »da gilt es eine schöne Mission zu erfüllen, liebe Marquise: es handelt sich darum, diese Seele ihrem Joch zu entreißen! es handelt sich darum, ein tiefbekümmertes Geschöpf um jeden Preis, mit Aufopferung Ihrer selbst sogar zu retten. Ich habe auf Sie gezählt, meine liebe Büßerin, und ich wage zu glauben, daß ich mich nicht getäuscht.«

»Monseigneur,« rief die Marquise, in der heftigsten Exaltation, »es dauert keine Viertelstunde, so bin ich bei dem Marschall, und so wahr ich an Gott glaube, ehe eine Stunde vergeht, werde ich den Marschall zur Fassung gebracht haben und zu Ihren Füßen sehen als demüthigen Sünder.«

»Sie verstehen mich nicht, Marquise,« versetzte der Bischof etwas ungeduldig; es handelt sich nicht um den Marschall, und unter uns gesagt, ich bitte Sie, ihn von Allem dem nicht das Mindeste merken zu lassen, nicht die geringste Anspielung zu machen. Ich brauche die Entschuldigungen des Marschalls nicht. Ich weiß aus langer Erfahrung, wie eitel der Zorn der Menschen ist; ich scheide, und scheidend vergebe ich ihm.«

»Heiliger Mann!« murmelte die Marquise mit bewegter Stimme und finsteren Augen.

»Was ich Sie bitte,« fuhr Monseigneur Coletti fort, »ist, daß Sie mir vor meinem Scheiden die Gewißheit geben, daß diese arme Seele in guten Händen ist; mit andern Worten, ich ersuche Sie, ohne einen Moment zu verlieren, zur Marschallin zu gehen und ihr an meiner Statt den ehrwürdigen Bouquemont als Beichtiger zu empfehlen. Ich werde die Ehre haben, ihn diesen Abend zu sehen und ihm in dieser Richtung meine vertraulichen Instructionen zu geben.«

»Ehe eine Stunde vergeht, Monseigneur,« sagte die Marquise, »wird der Bouquemont von der Prinzessin Rina als Beichtiger willkommen geheißen sein und ich würde eine Viertelstunde sagen, wenn ich nicht gerade in diesem Augenblick den Besuch des würdigen erwartete.«

Sie hatte kaum diese Worte ausgesprochen, als eine Kammerfrau in das Boudoir trat und den Bouquemont meldete.

»Lassen Sie den Herrn eintreten!« sagte die Marquise mit triumphierender Stimme.

Die Kammerfrau ging und kam einen Augenblick später gefolgt von dem Bouquemont wieder.

Man setzte ihn sogleich von der Sachlage in Kenntniß: nämlich daß Monseigneur das Land verlasse und die Frau Marschallin de Lamothe-Houdan sich dadurch ohne Beichtiger sehe.

Der Abbé Bouquemont, der nicht zu hoffen wagte, daß man ihn dazu bestimme, verrieth laut seine Freude, als er erfuhr, daß die Wahl auf ihn gefallen sei. So mit beiden Füßen in diese vornehme Familie und in das reiche Hotel der Lamothe-Houdan versetzt zu werden! dieses glänzende Haus leiten zu dürfen, welch’ schöner Traum! Niemals, hatte der würdige Abbé gewagt einen solchen Wunsch zu hegen, und er war wie aus den Wolken gefallen, als man ihm sein Glück ankündigte.

Die Marquise de la Tournelle bat die beiden Geistlichen, sich einen Augenblick in ihr Toilettenzimmer zurückziehen zu dürfen und ließ sie allein.

»Herr Abbé,« sagte der Bischof, »ich habe Ihnen versprochen, Ihnen bei erster Gelegenheit das Mittel an die Hand zu geben, sich nach Ihrem Verdienste zu lanciren; – diese Gelegenheit bietet sich jetzt und Sie haben das Mittel nun in Händen.«

»Monseigneur,« rief der Abbé, »glauben Sie an die ewige Dankbarkeit Ihres ergebensten Dieners.«

»Ihrer Ergebenheit bedarf ich allerdings in diesem Falle, Herr, nicht für mich, sondern für unsere heilige Religion. Ich mache Sie an meiner Statt zum unumschränkten Herrn eines Schicksals und ich wage zu glauben, daß Sie handeln werden, wie ich gehandelt hätte.«

Diese Worte, welche ein wenig feierlich gesprochen waren, warfen ein wahres Mißtrauen in das Gemüth des Abbé Bouquemont, der von Hause aus schon mißtrauisch war.

Er betrachtete den Bischof mit einem Blicke, welcher deutlich den Gedanken aussprach: »Wo zum Teufel will er mich denn hinführen? Wir müssen uns festhalten.«

Der Bischof, zum mindesten eben so mißtrauisch, als sein Partner, ahnte seine Zweifel, und um sie zu zerstreuen, bedurfte es nur einiger Worte.

»Sie sind ein großer Sünder, Herr Abbé,« sagte er, »und indem ich Ihnen diesen glänzenden Posten biete, gebe ich Ihnen das Mittel, Ihre größten Sünden zu tilgen. Die Leitung des Gewissens der Marschallin de Lamothe-Houdan ist für die Religion eines der nützlichsten und fruchtbringendsten Werke. Was Sie deßhalb für sie thun, ist auch für Sie selbst gethan. In drei Tagen werde ich reisen. Für alle Welt gehe ich nach China; für Sie allein bin ich in Rom. Dorthin werden Sie Ihre Briefe an mich richten, in denen Sie mir auf’s Genaueste Ihre Einwirkung auf das Herz der Marschallin und auf die Lage der Dinge schildern.«

»Aber, Monseigneur,« warf der ein, »wie soll,ich auf das Herz der Frau Marschallin einwirken? Ich habe nur die Ehre, sie vom Hörensagen zu kennen und werde sehr in Verlegenheit sein, in dem Sinne zu handeln, wie Sie es wünschen.«

»Herr Abbé, sehen Sie mir in’s Gesicht,« sagte der Bischof.

Der Abbé erhob den Kopf, er hatte jedoch große Mühe, den Bischof anders, als mit schielem Blicke anzusehen.

»Ob Sie mir ergeben sind, oder nicht, Herr,« sagte Monseigneur Coletti streng, »das ist gleichgültig. Ich habe mich seit langer Zeit an die Undankbarkeit der Menschen gewohnt. Was mir aber wichtig, ist, daß Sie wenigstens den Schein der Ergebenheit annehmen, das heißt stumm und blind sind, daß Sie meinem Willen Folge leisten, das Werkzeug meiner Plane sind. Fühlen Sie den Muth in sich, wie groß auch Ihr Ehrgeiz ist (und er ist groß), mir unbedingt zu gehorchen? Bemerken Sie wohl, daß Ihr Interesse im Spiele ist, daß Ihre Sünden Ihnen nur unter dieser Bedingung erlassen werden können.«

Der Abbé wollte antworten.

Der Bischof hielt ihn zurück.

»Ueberlegen Sie, ehe Sie antworten,« sagte er zu ihm, »bedenken Sie einfach, zu was Sie sich verpflichten, und antworten Sie mir nur, wenn, Sie die Kraft in sich fühlen, Ihr Versprechen zu halten.«

»Wohin Sie mir zu gehen befehlen, ich werde folgen, Monseigneur; wie Sie mir zu handeln befehlen, werde ich handeln,« antwortete Abbé Bouquemont mit zuversichtlichem Tone, nachdem er einen Augenblick nachgedacht.

»Gut!« sagte der Bischof, indem er aufstand. »Wenn Sie von der Marschallin von Lamothe-Houdan kommen, so besuchen Sie mich, ich werde Ihnen die weiteren Instructionen geben.«

»Und ich schwöre Ihnen, sie zu Ihrer vollständigen Zufriedenheit zu erfüllen, Monseigneur,« sagte der, indem er sich verbeugte.

In diesem Momente kehrte die Marquise zurück und nachdem sie von dem Bischof ehrfurchtsvollen Abschied genommen, führte Sie den Abbé zu der Marschallin de Lamothe-Houdan.

CXV
In welchem man die Prinzessin Rina wieder findet, wie man,sie verlassen

Ihr erinnert euch, oder wir bitten euch wenigstens, liebe Leser, jener anbetungswürdigen Circassierin euch zu erinnern, welche wir nur flüchtig skizziert und die ihr noch flüchtiger kennen gelernt, der Prinzessin Tschuwadiesky, Marschallin von Lamothe-Houdan, die im Halbschimmer nachlässig auf den üppigen Kissen ihrer Ottomane ausgestreckt, ihr Leben mit Träumen verbrachte, halb wie die Periis Rosenconserven naschend, halb die süß duftenden Körner ihres Tschotky mechanisch durch die Hände gleiten lassend.

 

An dem blauen Himmel von Paris, an welchem ihr Gemahl, der Marschall de Lamothe-Houdan einer der glänzendsten Planeten war, hatte man die Prinzessin Tschuwadiesky kaum wie einen stillen, halbverschleierten und beinahe beständig für die Pariser unsichtbaren Stern erscheinen sehen.

Man hatte viel von ihr in der Welt gesprochen, seit sie am Pariser Horizonte erschienen, aber wie von den Bewohnern der phantastischen Länder, von Willis oder Elfen, von Tschins oder Kobolden.

Man mochte sie suchen, wo man wollte, man fand sie nirgends. Nirgends war sie zu sehen: kaum eine flüchtige Begegnung; oder richtiger gesagt, man sah sie nicht, man ahnte nur ihr Dasein.

Tausend seltsame Erzählungen hatten ohne Zweifel über sie circulirt, über die wirkliche Ursache ihres zurückgezogenen Lebens, aber Erzählungen, die aller Vernunft und Begründung entbehrten, lügnerische Berichte, erfunden von den neidischen Coterien der Salons.

Sagen wir es gleich, daß nicht mal das Echo dieses abscheulichen Gemurmels die Schwelle des stillen Palastes der Prinzessin erreicht hatte, die auf ihr Boudoir sich einschränkte oder vielmehr in ihr Boudoir eingesargt, die Schwelle desselben nicht verließ, weder um die freie Luft zu athmen, noch den Tag zu sehen.

Da sie nichts gethan und gesagt, was von Andern hätte bemerkt werden können, so hatte sie auch nichts von dem gehört, was Andere von ihr sagten.

Sie empfing nur wenig Besuche: ihren Gemahl, ihre Tochter, die Marquise de la Tournelle, Monseigneur Coletti, ihren Beichtiger, und Herrn Rappt; und die Besuche des Letzteren waren überdies immer seltener geworden.

Sie lebte, abgesehen von diesen Besuchen, in beinahe vollständiger Einsamkeit, wie eine isolierte Pflanze zwischen vier bis fünf entfernt stehenden Gewächsen, von ihnen weder wohlthätigen Licht, noch erfrischenden Duft, noch belebenden Hauch empfangend, aber solchen auch nicht zurückgebend. Man hätte sagen können, sie sehe nie unter sich, noch um sich, sondern nur über sich.

Ihre leiblichen Augen, wie ihre seelischen Blicke, das heißt ihre Gedanken schienen durch unendliche Räume in höhere Sphären zu tauchen. Wohin sie ihren Blick heftete, so entfernt das Ziel für Andere auch war, sie schien doch Alles zu sehen. Sie vergaß in ihrer Berechnung die Erde, sie breitete die Flügel aus und flog, Gott weiß wohin! hoher als der Himmel, über die bekannte Welt hinaus!

Es war mit einem Worte die Frau gewordene Indolenz, Weichlichkeit, Träumerei, Beschaulichkeit. Sie lebte in ihren Träumereien bis sie stürbe, und sie erwartete von Stunde zu Stunde darin zu sterben. Nichts hielt sie zurück und Alles rief sie fort; Gott hätte sie jeden Augenblick zu sich rufen und sie hätte diesem Rufe jeden Augenblick folgen können, denn sie war seit lange bereit, wie der Trapper in den Mohicanern Cooper’s im Augenblick seines Todes, zu sagen: »Hier bin ich, Herr! was willst Du von mir?«

Wenn sich außerdem unsere Leser erinnern wollen, daß diese junge, edle, schöne Fürstin, welche von den alten Khans, das heißt von der ältesten Linie, abstammte, den Marschall de Lamothe-Houdan beinahe ohne ihr Wissen, ohne daß man sie auch nur im Mindesten befragt, nur auf den Willen des Kaisers von Rußland und des Kaisers von Frankreich geheirathet, so werden sie begreifen, daß der Marschall de Lamothe-Houdan, in der glühenden Sonne des Schlachtfeldes frühzeitig alt geworden, nicht gerade gemacht war, den fußen Traum eines jungen Mädchens von glühendem Geist und Körper zu verwirklichen.

Aber die Götter des Augenblicks wollten es so.

Wir kommen übrigens auf alle diese Details nur deßhalb zurück, weil die Dimensionen unsres Buches die Personen, welche darin eine Rolle spielen, bisweilen aus den Augen und damit aus dem Geiste unserer Leser rücken, und diese Personen, wenn sie wieder auftreten, in ihrem Gedächtnisse etwas verwischt sein können.

Das war also die Prinzessin Rina, als Graf Rappt bei ihr erschien.

Graf Rappt, jung, schön, mit einem Blick voll Kühnheit, welche in den Augen einer Frau für Leidenschaft gelten konnte, Graf Rappt hatte das Mittel gefunden, dieses vertrocknete Herz wieder aufzufrischen und die Hoffnung in ihm wieder keimen zu machen.

Die Prinzessin glaubte einen Augenblick die Liebe gefunden zu haben, dieses gelobte Land der Frauen, und sie unternahm freudig die Pilgerschaft dahin. Auf der Hälfte des Weges, der bergan ging, erkannte sie jedoch, mit welchem Reisegefährten sie es zu thun hatte. Der Stolz, der Ehrgeiz, die Kälte, der Egoismus des Grafen enthüllten sich ihr rasch. Der Graf war für sie ein zweiter Gemahl, nur weniger gut, weniger edel, weniger nachsichtig oder vielmehr tyrannischer, als der erste.

Die Geburt Regina’s hatte einen Augenblick einen Funken aus der Asche dieses erloschenen Herzens hervorgelockt. Aber dieser Augenblick hatte die Dauer eines Blitzes. Der erste Kuß, den der Marschall de Lamothe-Houdan auf die Stirne des Kindes drückte, hatte sie bis in ihr Innerstes erbeben machen. Ihre ganze Seele hatte sich empört und von diesem Augenblicke war die arme Regina ihr nicht verhaßt, aber gleichgültig geworden.

Die Geburt der kleinen Abeille einige Jahre später hatte auf sie keinen andern Eindruck gemacht. Ihr Herz war für immer verschlossen.

Das war die Ursache ihres Alleinstehens: es war ein langer Act voll stummen tiefen Herzenskummers, ohne Murren und Jammern.

Der einzige Vertraute dieser leidenden Seele war Monseigneur Coletti. Ihm allein hatte sie ihre Seele anvertraut, und er allein hatte ihren stummen Schmerz verstanden.

Um zu sagen, bis zu welchem Punkte sie an den letzten Grenzen der Gefühllosigkeit gekommen, müssen wir unsern Lesern nun gestehen, daß sie bei der Nachricht, ihre Tochter heirathe den Grafen Rappt, nur innerlich gezittert, ohne die Gründe zu bekämpfen, mit denen der Graf sein ungeheures Verbrechen zu entschuldigen suchte.

Es lag m dieser Resignation etwas von moslemitischem Fatalismus.

Seit diesem Augenblicke brach, ohne daß eine Klage über ihre Lippen kam, ihr Körper in gleichem Schritte mit ihrer Seele. Sie fühlte, daß sie dem Tode nahe sei und der Gedanke an diesen machte seinen andern Eindruck auf sie, als die Erinnerung an das Leben.

Auf diesem Punkte war sie angekommen, als der Marschall de Lamothe-Houdan Monseigneur Coletti verabschiedete. Obgleich noch jung, waren ihre schwarzen Haare bereits gebleicht; ihre Stirne, ihre Wangen, ihr Kinn, ihr ganzes Gesicht war von derselben Weiße, wie ihre Haare, daß man hätte glauben sollen, man habe die Todtenmaske einer dem Tode Zuvorgekommenen vor sich.

Da man sie nicht klagen hörte, beunruhigte sich Niemand darüber, als Regina, die ihr zweimal ihren Arzt geschickt, aber die Prinzessin hatte entschieden sich geweigert, ihn zu empfangen. Worin bestand ihre Krankheit? Niemand hatte es je gesagt, weil Niemand es je gewußt. Sie untergrub sich selbst. Es war ein Gebäude, das in seinen Grundfesten verrottet war, ohne daß Jemand einen Grund seines Ruins wußte; einer jener Palmbäume Africa’s, die nach und nach verdorren, wenn es ihnen an Wasser fehlt, das sie erfrischte, oder an Luft, die sie belebte.

In dieser Geistesverfassung schien die Prinzessin Regina der Erde bereits nicht mehr anzugehören und verlangte nichts, als die letzten Tage ihres Lebens in Ruhe zuzubringen oder vielmehr in Ruhe zu sterben.

Aber die Marquise von la Tournelle oder vielmehr Monseigneur Coletti hatte anders beschlossen.

Als in Folge der Verabschiedung des Prälaten aus dem Hotel de Lamothe-Houdan, und der Stellvertretung, die Monseigneur Coletti angeordnet, indem er wie die Parther fliehend seinen Pfeil abschoß, die Marquise, gefolgt von dem Abbé Bouquemont bei der Prinzessin erschien, weigerte diese sich dreimal, sie zu empfangen, indem sie sagte, sie wolle im Beten nicht gestört sein. Aber die Marquise war nicht die Frau, die sich auf solche Weise schlagen ließ; sie antwortete der Kammerfrau, indem sie dem Abbé auf einen Fauteuil deutete, und sich selbst setzte:

»Nun, so werde ich warten, bis die Prinzessin ihre Gebete beendigt hat.«

Die arme Marschallin sah sich genöthigt, die Marquise und ihren Begleiter, so schwer sie es ankam, zu empfangen.

»Ich komme, Ihnen eine traurige Neuigkeit zu bringen,« sagte die Marquise, indem sie den lamentabelsten Ton anschlug.

Die Prinzessin, welche auf ihrer Chaise longue lag, wandte nicht mal den Kopf um.

Die Marquise fuhr fort:

»Eine Neuigkeit, die Sie mit Kummer erfüllen wird, meine liebe Schwester.«

Die Prinzessin rührte sich nicht.

»Monseigneur Coletti verläßt Frankreich,« fuhr die Frömmlerin im Tone der Verzweiflung fort. »Er geht nach China.«

Die Prinzessin hatte, als sie diese traurige Nachricht empfing, eine Empfindung, ähnlich der, als wenn sie im Vorbeigehen an Jemand sagen hörte: »Das Wetter wird sich ändern.«

»Ich hoffe, daß Sie den Schmerz theilen, der alle wahren Gläubigen ergreifen wird, wenn sie erfahren, daß dieser fromme Mann uns vielleicht für immer verläßt; denn in den wilden Ländern China’s wird das Leben dieses Märtyrers den größten Gefahren ausgesetzt sein.«

Die Prinzessin antwortete nichts. Sie begnügte sich, den Kopf langsam und auf die gleichgültigste Weise zu bewegen.

»In seiner wahrhaft väterlichen Besorgtheit für das Wohl der ihm anvertrauten Seelen,« fuhr die Marquise fort, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, »hat Monseigneur Coletti daran gedacht, daß Sie mehr als je einer Stütze bedürften und daß seine Stütze Ihnen fehlen werde.«

Bei diesen Worten begann die Prinzessin ihr Tschotky mit einer Art von Fieber zu drehen. Sie schien die Ungeduld, in die diese Unterhaltung sie versetzte, an dem ersten besten Gegenstand auslassen zu wollen.

»Monseigneur Coletti,« fuhr Frau von la Tournelle unerschrocken fort, »hat den selbst gewählt, der sein Nachfolger sein soll. Ich habe deßhalb die Ehre, Ihnen den Herrn Abbé Bouquemont vorzustellen, der ein in jeder Hinsicht würdiger Ersatz für den heiligen Mann ist, der uns verläßt.«

Der Abbé erhob sich und verbeugte sich vor der Prinzessin so servil, als möglich, ebenso servil, als unnöthig, denn die indolente Circassierin begnügte sich damit, zum zweiten Male den Kopf zu bewegen, ohne daß diese Begwegung irgend ein Gefühl ausdrückte.

Die Marquise sah ihren Begleiter mit einem Winke auf die Prinzessin an, während ihre Miene zu sagen schien: »was für eine Idiotin.«

Der Abbé hob die Blicke mit heuchlerischem Vertrauen zum Himmel empor, als wollte er sagen: »Gott möge ihr gnädig sein.«

Nach dieser religiösen Bitte setzte er sich wieder, indem er fand, daß es sehr albern wäre, da ihn die Prinzessin doch nicht sah, stehen zu bleiben, während er sitzen konnte.

Die Röthe und das Fieber der Unschuld stiegen der Marquise endlich doch zu Gesichte; sie machte einen Schritt nach der Ottomane hin und sich auf die Seite stellend, wo die Füße der Prinzessin herabhingen, befand sie sich ihr gerade gegenüber.

Sie rief den Abbé Bouquemont mit dem Finger herbei, der sich erhob und neben sie stellte.

»Hier,« sagte Madame de la Tournelle, indem sie den Abbé Bouquemont nach der Ottomane drängte; »wollen Sie mir sagen, ob Sie ihn für würdig halten und die Wahl billigen?«

Die Circassierin öffnete langsam die Augen und gewahrte kaum zwei Schritte von ihrem Gesichte, statt des weißen Engels ihrer Träume, einen in Schwarz gekleideten Mann, der ihr den Eindruck machte, als wäre er der Todtengräber, der sie suchte.

Sie schauerte Anfangs; dann aber einen längeren Blick auf ihn heftend, lächelte sie, statt zu schauern. Aber welch ein Lächeln bitterer Trauer! »Der Tod ist nicht so häßlich,« schien dieses Lächeln sagen zu wollen.

Aber sie antwortete nicht.

»Ja oder nein, Prinzessin,« rief die Marquise auf’s Höchste gereizt, »nehmen Sie den Herrn als Beichtvater und Stellvertreter des Monseigneur Coletti an?«

»Ja,« murmelte die Prinzessin mit halb erstickter Stimme, und als wollte sie sagen: »Ich nehme Alles an, was Sie wollen, vorausgesetzt, daß Sie beide gehen und mich in Frieden sterben lassen.«

Die Marquise strahlte. Der Abbé Bouquemont glaubte, der Augenblick sei gekommen, durch ein Wort die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, welche die Prinzessin seiner Pantomime versagte. Er begann deßhalb eine salbungsvolle Homilie, der die Prinzessin geduldig von Anfang bis zu Ende zuhörte, wahrscheinlich, weil sie, horchend, ihn nicht hörte, da sie, wie gewöhnlich, nur für den Leichengesang, den sie im Innern sang, Ohr hatte. Die Marquise de la Tournelle bekreuzte sich demüthig, nachdem sie Amen gesagt und einen Schritt näher trat, während der Abbé Bouquemont sich zurückzog.

 

»Ihr Schicksal,« sagte sie, die Sterbende mit einem schiefen Blicke ansehend, »ist von nun an in den Händen des Herrn . Wenn ich sage, Ihr Schicksal, so verstehe ich darunter auch das Ihrer Familie. Sie tragen den Namen eines Geschlechtes, das seit Jahrhunderten ein Gegenstand der Verehrung für jeden wahren Christen war. Es handelt sich deßhalb darum – wir sind alle Sterbliche! – mit religiösem Sinne zu untersuchen, ob ein solcher Act unseres Lebens nicht, wenn wir einst nicht mehr sind, einen bösen Schatten auf den leuchtenden Schild unsrer Ahnen werfen kann. Der Herr Abbé Bouquemont ist der tugendhafte Mann, dem in Ihnen aller fleckenlose Ruhm der Familie übergeben ist; wollen Sie deßhalb, Prinzessin, vor Ihrem Weggang, dem Herrn Abbé Bouquemont für die Aufopferung danken, von der er einen Beweis gibt, indem er sich einer so schweren Aufgabe unterzieht?«

»Ich danke!« murmelte die Prinzessin laconisch, ohne den Kopf umzuwenden.

»Und ihm einen Tag zu bestimmen,« fuhr die Marquise entrüstet fort.

»Morgen!« antwortete die Marschallin de Lamothe-Houdan mit derselben Gleichgültigkeit.

»Kommen Sie, Herr,« sagte Madame de la Tournelle, indem ihr das Roth auf die Stirne stieg; »und bis die Frau Prinzessin Ihnen den Dank weiht, der Ihnen gebührt, empfangen Sie an ihrer Statt meinen glühendsten Dank.«

Damit gab sie dem einen Wink und führte ihn mit dem kalten und trockenen Worte weg:

»Leben Sie wohl, Prinzessin.«

»Adieu,« antwortete diese in einem Tone, in welchem man schwer auch nur die geringste Ungehaltenheit entdecken konnte.

Dann zog sie ein Crystallglas an sich, in das sie einen Löffel von vergoldetem Silber tauchte und begann wieder von ihren Rosenconserven zu essen.

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