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Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band.

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Er hatte Recht; mit vorgestrecktem Kopf und schnaubenden Nüstern folgte der Schimmel den vorangeeilten Kameraden, und mit flatternden Haaren, das Antlitz marmorbleich, aber keine Spur von Furcht verrathend, saß Helene auf seinem Rücken, und klammerte sich an dem Sattel fest, während das eine Ende des zerrissenen Zügels den Hals des Pferdes peitschte.

»Hab' Acht, Felix,« schrie Günther, der mit Besorgniß sah, wie sich der Freund dem wild heranbrausenden Thiere entgegenwarf – »Du kannst es nicht halten!«

Aber Felix hörte ihn nicht. Der Weg war hier eng, denn das Dickicht an beiden Seiten mit ein paar aus der Bahn geschobenen umgestürzten Bäumen hemmte ihn ein; das durchgehende Pferd konnte nicht ausweichen. Als es aber die mitten im Wege wartende Gestalt des Menschen erblickte, parirte es plötzlich und bäumte in die Höhe. In demselben Moment griff des Unerschrockenen linke Hand in sein Gebiß, und während es zur Seite schreckte, verlor Helene das Gleichgewicht und stürzte in Felix' linken Arm. Allerdings konnte er ihren Fall nicht hindern, denn das Pferd, welches er nicht losließ, riß ihn zur Seite, aber er brach doch die Schwere des Sturzes, so daß das junge Mädchen mehr zu Boden glitt als fiel, und Felix jetzt nur den Schimmel von ihr zurückdrängte, damit sie nicht durch dessen Hufe beschädigt würde.

Aber die Aufregung war zu viel für sie gewesen. So stark und besonnen sie sich bis dahin, trotz des zerrissenen Zügels, im Sattel gehalten hatte, vergingen ihr jetzt die Sinne, und als der ebenfalls abgestiegene Günther hinzusprang, um wo möglich noch Hülfe zu leisten, lag sie ohnmächtig vor ihm im Wege.

Das Ganze war natürlich das Werk nur weniger Secunden gewesen, und noch war Felix mit dem nicht so leicht beruhigten Schimmel beschäftigt, um ihn aus dem Wege zu halten, als Günther schon die ohnmächtige Jungfrau aufgehoben hatte und sie in seinen Armen hielt.

»Und was nun?« rief er halb verlegen, halb lachend; »das ist eine vortreffliche Situation für ein paar Junggesellen! Was fangen wir mit der Ohnmächtigen an? – Hier können wir sie doch nicht liegen lassen!«

Der Schimmel stand endlich; er schnaubte zwar noch und warf den Kopf herüber und hinüber, aber die Gefahr war vorbei, und er wußte, daß er sich wieder in der Gewalt seiner Herren befand. Felix führte ihn ruhig heran und sagte:

»Meier's Haus ist ja, wie Du sagst, dicht bei – da drüben kann ich sogar die Pinie erkennen, die in der Ecke seiner Umzäunung steht – trage die junge Dame dorthin, indessen ich hier den Zügel des Pferdes wieder in Ordnung bringe. In dem Hause findet sie auch weibliche Hülfe und kann später, wenn sie sich erholt hat, in die Colonie zurückkehren.«

»Aber sie werden mich nicht einlassen.«

»Klopf' nur an die Thür; einem solchen Unfall kann der alte Misanthrop sein Haus nicht verschließen!« – Und ohne sich weiter um die Bewußtlose zu kümmern, ja, ohne sie anzusehen, schritt er, den Schimmel noch immer am Gebiß haltend, zu Günther's Pferd, dessen Zaum sein Reiter über einen Ast geworfen hatte, löste den Lasso, der um dessen Hals befestigt war, mit der rechten Hand, und sicherte sich dann den Schimmel, indem er das andere Ende durch den Ring seines unter dem Zaum sitzenden Halfters zog.

Günther war indessen, weil er selber keinen besseren Rath wußte, mit seiner schönen Bürde Meier's Chagra zugeschritten. An der Gartenthür angelangt, hörte er Stimmen im Garten, und mit dem Fuße gegen das Holzwerk tretend, bat er, ihm zu öffnen, da er eine ohnmächtige Dame trage, die Hülfe verlange. Zuerst antwortete Niemand; dann aber auf seine wiederholte Bitte rief eine weibliche Stimme von innen: »Gleich, gleich!« – Der Riegel wurde zurückgeschoben, die Thür ging auf, und Günther sah sich im nächsten Augenblick Könnern und Elisen gegenüber.

Graf Felix indessen, ohne sich weiter darum zu kümmern was aus der jungen Dame wurde, befestigte den Schimmel mit dem Lasso an eine der jungen Palmen, knüpfte den Zügel wieder fest, daß er wenigstens den Ritt hinunter hielt, und schritt dann, da ihm sein eigenes Pferd ebenfalls davon und den anderen nachgelaufen war, zu Fuß in die Colonie hinab.

Eine Viertelstunde mochte er wohl den Platz verlassen haben, als eine klägliche Gestalt denselben Weg herabgehinkt kam, den vorher die Pferde genommen hatten. Es war Herr von Pulteleben, sein Gesicht blutig und mit einigen Rissen, die Dorn oder Stein darauf zurückgelassen, seinen Rock beschmutzt und zerfetzt, und das Gewicht seines Körpers einzig und allein seinem rechten Beine vertrauend.

Er hielt einen Augenblick, als er zu der Stelle kam wo der Schimmel angebunden stand, und schüttelte den Kopf. Er mochte sich wohl nicht recht erklären können, wie der hierher gekommen, und wo die Reiterin geblieben; aber er schien auch nicht in der Stimmung, sich lange bei Vermuthungen aufzuhalten, denn in diesem Zustande konnte er doch Niemandem seine Hülfe anbieten – er sah zu unanständig aus, und mit einem Seufzer seine unteren Kleidungsstücke betrachtend, setzte er sehr betrübt seinen Weg nach der Colonie fort.

8
Ein Vielliebchen

Könnern verbrachte eine unruhige Nacht. Nicht etwa, daß Sarno's Warnung irgend einen Zweifel in seiner Brust wachgerufen oder seinen Entschluß erschüttert hätte, aber die Aufregung, daß sich mit dem morgenden Tage sein Schicksal entscheiden sollte, ließ ihn nicht schlafen, und erst gegen Morgen fielen ihm die müden Augen zu, nur um einer Masse von tollen und abenteuerlichen Traumbildern Raum zu geben. Mit Sonnenaufgang war er auch schon wieder munter und konnte die Zeit jetzt nicht erwarten, wo er Elise endlich sehen und sprechen würde; denn heute, das hatte er sich fest vorgenommen, ließ er sich von dem Alten nicht abweisen, mochte daraus werden was da wollte.

Vor zehn Uhr durfte er aber keinesfalls hinüber; selbst das schien ihm noch eine etwas frühe Stunde, aber seine Ungeduld ertrug eben nicht mehr, und mit dem Schlage Zehn sprang er auf das schon fertig gesattelte Pferd und trabte lustig der Richtung nach Meier's Chagra zu.

Dicht vor der Colonie überholte ihn eine kleine Cavalcade von Reitern, die mit ihm denselben Weg ritten, und an der jungen, reizenden Dame, die den Zug führte, erkannte er bald die Gesellschaft. Er war aber heute Morgen nicht dazu aufgelegt, irgend eine neue Bekanntschaft anzuknüpfen, hielt deshalb sein Pferd an, grüßte und ließ die Drei an sich vorbei passiren, die dann auch bald in den Büschen verschwanden, welche bis zum Fuße der nächsten Hügel herabliefen.

Da die drei Reiter übrigens mit ihm einen und denselben Weg verfolgten, beeilte er sich nicht mehr so sehr; er wollte gern vermeiden, mit ihnen wieder zusammenzutreffen, und ließ sein Pferd erst wieder austraben, als er sich der Chagra näherte. Dort führte er es seitwärts auf einem schmalen Kuhpfade in den Wald, band es fest und setzte nun von hier ab seinen Weg zu Fuß fort.

Und wie ihm das Herz schlug! Als ob er ein Verbrechen begangen hätte und jeden Augenblick Entdeckung fürchtete, so schlich er auf dem Wege dahin und sah scheu hinauf und hinab, ob Niemand käme, der ihn stören könnte. Und mit dieser Angst auf dem Herzen sollte er dem alten Mann entgegentreten und ihn um die Hand seiner Tochter bitten? Er wagte es nicht, und zweimal war er an der Thür und hob den Arm, und zweimal schlich er zurück in den dichten Busch hinein, um sich erst wieder zu sammeln und das zu überdenken, was er Elisens Vater sagen wollte.

Das zweite Mal war er der Hecke nahe gekommen, welche den Garten umschloß, unfern von da, wo er an jenem Morgen Elisens Citherspiel gelauscht und ihr zuletzt die beiden Waldhühner hinüber geworfen; und überdachte er sich jetzt, daß er das Mädchen seit der ganzen langen Zeit nicht ein einziges Mal wieder gesehen, ja, daß er eigentlich nicht einmal einen einzigen bestimmten Grund für sich anzugeben vermochte, nach dem er sicher schließen konnte, sie sei ihm gut, so kam ihm seine ganze Werbung eigentlich wie halber Wahnsinn vor, und er stand sogar auf dem Punkte, sie vollständig aufzugeben.

Was wußte sie denn von ihm? Was konnte sie von ihm wissen, das ihm ein Recht gab, sie für sich zu fordern? Wenn sie ihm nun geradezu in's Gesicht lachte, wenn sie ihm sagte – da drangen wieder die weichen Töne der Cither heraus an sein Ohr, und ihre Stimme war es, welche sie begleitete. Was sie sang oder spielte, er hörte es nicht mehr; die Leidenschaft der ersten heißen Liebe hatte ihn übermannt, und kaum sich dessen klar was er selber that, kletterte er im nächsten Augenblicke schon an einer der dünnen, schlanken Palmen nächst der Hecke empor, schwang sich dort hinauf, ergriff den überhängenden Zweig eines im inneren Garten stehenden größeren Baumes, welcher sich unter seinem Gewichte bog und langsam brach, und stand nur wenige Secunden später im Garten selber, und kaum fünfzig Schritte von der Stelle entfernt, an der Elise mit ihrem Instrumente im Schatten eines breitästigen Mandelbaumes saß.

Das junge Mädchen hatte aber ebenfalls das Brechen und Rauschen in den Zweigen gehört und den Kopf dorthin gewandt, und sprang erschreckt empor, als sie die Gestalt eines Fremden bemerkte, welcher also gewaltsam in ihr Heiligthum brach. Aber es war nur ein Augenblick; bald erkannte sie den Eindringling, und zitternd stand sie neben ihrem kleinen Tische, als Könnern rasch auf sie zuging und wenige Schritte vor ihr mit achtungsvollem Gruße stehen blieb.

»Mein Fräulein,« sagte er, noch immer halb verlegen, aber doch jetzt schon mit dem festen Entschluß, das nun Begonnene auch wacker durchzuführen – »vor allen Dingen muß ich tausendmal um Entschuldigung bitten, mich auf solche rauhe Weise in Ihre Nähe gedrängt zu haben, aber ich – konnte mir nicht mehr helfen; ich mußte Sie sprechen, und da mir Ihr Vater, Gott weiß aus welchem Grunde, hartnäckig den Zutritt zu Ihnen weigerte, nahm ich endlich meine Zuflucht zu einem verzweifelten Mittel und – hier bin ich jetzt.«

 

»Ich weiß nicht,« stammelte Elise in schüchterner Verlegenheit, während sich der purpurne Strom über ihre Wangen und ihren Nacken ergoß und ihren Zügen einen noch viel höheren Liebreiz gab – »ich weiß in der That nicht, weshalb Vater – Sie müssen ihn entschuldigen – er – er ist kränklich, und in der – in der letzten Zeit besonders so leidend gewesen, daß er sich scheu vor allen, selbst den ihm liebsten Menschen zurückgezogen hat.«

»Ich zürne ihm nicht, liebes Fräulein,« sagte Könnern herzlich – »welches Recht hätte ich auch, Etwas von ihm zu verlangen, was er allen übrigen Menschen eben so gut verweigert: den Zutritt zu seinem Hause – und dennoch bin ich hier« – setzte er leise und zögernd hinzu, während auch seine Züge jetzt ein leichtes Roth färbte – »dennoch habe ich den Bann gebrochen, der auf dem Platze liegt, und – vielleicht Unrecht damit gethan, aber ich konnte mir nicht helfen, Elise,« fuhr er leidenschaftlich fort – »ich mußte Sie sprechen, ich mußte Ihnen sagen, daß, seit ich Sie zum ersten Male gesehen und gesprochen, nur der Eine Gedanke mich erfüllt hat, Tag und Nacht – Sie – mußte Ihnen sagen, daß ich mir kein Leben länger denken kann fern von Ihnen, und mir die Entscheidung meines künftigen Schicksals von Ihren eigenen Lippen holen.«

»Herr Könnern!« sagte Elise erschreckt, und jeder Blutstropfen verließ in dem Augenblick ihre Züge.

»Sie haben Recht,« sagte Könnern abwehrend – »es war ein tollkühner Schritt – ein Schritt, der in dieser Weise kaum auf Erfolg rechnen konnte, und erst jetzt, wo ich vor Ihnen stehe, wo es zu spät ist ihn zurück zu thun, fühle ich das Ungehörige desselben in seiner ganzen Schwere. Aber sein Sie auch versichert, Elise, daß ich ihn nicht ganz leichtsinnig gethan, daß ich mir vorher erst ganz klar geworden, ob ich, was mich selber betraf, die Verantwortung übernehmen konnte, Sie aus Ihrem elterlichen Hause zu führen. Meine gesellschaftliche Stellung im Leben ist eine ehrenvolle; ich besitze Vermögen genug, der Zukunft sorgenfrei in's Auge zu schauen, selbst wenn ich nicht mehr die Kraft in mir fühlte, mich durch meine Kunst zu erhalten. – Aber das Alles sind Eigenschaften, welche nur die Existenz selber – nicht das Herz berühren, und ich hatte nicht bedacht, daß Sie mich ja noch gar nicht kennen, daß Sie also auch kein Vertrauen zu mir haben können, ob ich es wirklich so ehrlich und treu meine, wie meine Worte sagen.«

Elise athmete kaum. Der Blick, den sie im Anfange schüchtern zu ihm aufgehoben, hatte schon lange den Boden wieder gesucht, und wenn sich auch ihre Lippen ein paar Mal theilten, als ob sie irgend Etwas erwiedern wollte, wurde doch keine Silbe laut. Auch Könnern schwieg jetzt und Beide standen einander stumm, in peinlicher Pause gegenüber. Da nahm Könnern das Wort wieder auf und sagte leise:

»Sie haben Recht, Elise – die tolle Frage bedarf keiner Antwort. Lassen Sie mich gehen und als einzige Erinnerung Ihr liebes Bild im Herzen mit forttragen für die weite, öde Welt. Nur um das Eine bitte ich Sie, recht aus Grund meiner tiefsten Seele, zürnen Sie mir nicht. Vergessen Sie, daß ich leichtsinnig und unüberlegt gehandelt, und denken Sie, daß ich fortan nur ein einsamer, armer Wandersmann sein werde, der – so fortfahren wird die Welt zu durchziehen, wie er begonnen, weil er eben – nirgends Ruhe finden kann. Leben Sie wohl, Elise – ich werde Ihnen nie wieder störend in den Weg treten und – Gottes reichster Segen über Sie!«

Mit den Worten nahm er ihre Hand, welche sie ihm willenlos überließ, drückte einen innigen Kuß darauf, ließ sie los und wandte sich rasch ab, um den Garten wieder zu verlassen.

»Könnern,« rief da Elise mit leiser, zitternder Stimme – »gehen Sie nicht so!«

»Elise – darf ich glauben, daß Sie mir nicht zürnen?« bat der junge Mann, welcher sich ihr bei dem Laute rasch wieder zudrehte.

»Zürnen?« flüsterte das junge Mädchen, den Kopf traurig zu Boden gesenkt – »zürnen? wiederholte sie, »wo es das erste Freundeswort ist, das ich seit langen, langen Jahren gehört? Gehen Sie, Könnern, gehen Sie in Ihre Welt hinein, welche ich nicht kenne – welche ich nie kennen soll, aber nehmen Sie die Versicherung mit, daß Sie einer Unglücklichen einen lieben, lieben Trost gebracht, daß Sie ihr einen Augenblick des Glückes geschaffen haben, an dem sie, mag er so kurz gewesen sein wie er will, noch lange Jahre freudig zehren wird. Gehen Sie, Könnern, mein Vater wird mir nie erlauben, mich von ihm zu trennen – er könnte auch nicht ohne mich leben, aber denken auch Sie manchmal freundlich eines armen Mädchens, das…«

Könnern hielt sich nicht länger. Mit frohlockendem Herzen hatte er den Worten des lieben Kindes gelauscht – die Hindernisse, welche sie ihm in den Weg warf, er achtete ihrer nicht, er hörte sie kaum, und jetzt rasch zu ihr zurückkehrend, rief er jubelnd aus:

»Elise – meine Elise – Du bist mir gut? Du zürnest nicht dem kecken Fremden, der es wagte, an Dein Herz zu pochen, Du läßt mich hoffen, daß ich Dich gewinnen kann? O, nun ist Alles gut, Alles gewonnen, denn der Vater wird und muß Dich mir geben. O, wenn ich Dir jetzt nur mit Worten sagen könnte, wie herzlich ich Dich liebe; wie all mein Sehnen und Trachten, all' meine Gedanken die ganze lange Zeit, in der wir uns nicht gesehen, gesprochen, nur Dir gehört, nur Dein gedacht! Sieh mich an, Elise, o, laß mich in Deinen lieben treuen Augen das Glück auch lesen, das Du mir mit Deinen herzlichen Worten gegeben, laß mich darin die Bestätigung finden, daß ich nicht mehr allein stehe auf der Welt und ein Herz gefunden habe, das mein sein will in Lust und Leid, in Sorge und in Glück.«

Elise schlug das thränengefüllte Auge zu ihm auf und lehnte ihr Haupt dann schwer und seufzend an seine Brust.

»Es kann nicht sein,« flüsterte sie – »ich darf nicht glücklich werden – werd' es nicht!«

»Du wirst es – mit diesem Kusse gewinn' ich Dich zur Braut, und wie mich Gott verlassen soll in meiner letzten Stunde, wenn ich je von Dir lasse, so vertraue auch mir! Leg' Dein Geschick getrost in meine Hände, und steht uns auch noch eine Prüfung bevor, sollten uns auch noch Hindernisse in den Weg treten, laß Dich nicht entmuthigen. Was es auch sei, wir werden's überwinden, und wie ich jetzt mein ganzes Leben Dir zu eigen gebe, so sei versichert, daß Dein künftiges Glück in guten und treuen Händen ist.«

»Und wenn uns der Vater trennt?«

»Er kann, er darf es nicht, Herz,« sagte Könnern, wieder und wieder ihre Stirn küssend, denn sie hielt das Antlitz noch fest an seiner Brust geborgen – »er wird auch in der Kinder Glück das eigene wieder finden, wieder vergessen lernen, was ihm die Welt vielleicht zu Leid gethan, und so nur können wir auch ihn dem Leben wieder gewinnen, dem er jetzt ja fast vollständig entsagt. Fürchtest Du Dich noch?«

»In Deiner Nähe nicht,« flüsterte die Jungfrau – »hier an Deiner Brust ist mir wohl – o, so möcht' ich sterben. Wenn ich aber weiter denke – wenn ich glauben muß, daß uns ein böses Geschick je wieder trennt – o, gehe nicht von mir,« bat sie, ihn leidenschaftlich umschlingend – »laß mich nicht wieder allein, denn jetzt erst, in diesem Augenblicke erst fühl' ich, was ich mein ganzes Leben lang entbehrt – Liebe! – Liebe! – Liebe!«

Ein lindernder Thränenstrom machte ihrem Herzen Luft, und zitternd, weinend lag sie lange in Könnern's Armen. Endlich rang sie sich gewaltsam von ihm los, und ihre Thränen trocknend, sagte sie, mit einem gar so lieben wehmüthigen Lächeln zu ihm aufschauend:

»Bin ich nicht ein Kind, daß ich dem ersten Glück entgegenweine – und doch – der Allwissende dort oben sieht es – trage ich es mit bitter schwerem Herzen – o, Bernard, willst Du mich nie vergessen, wenn uns auch – das Schicksal wieder auseinander reißt?«

»Nie, nie soll das Eine noch das Andere geschehen!« rief leidenschaftlich der junge Mann – »und jetzt banne die trüben Gedanken aus Deiner Seele, Du süßes Lieb – oder« – fuhr er leise flüsternd und lächelnd fort – »soll ich Dich daran erinnern, daß Du – Dein Vielliebchen gefunden hast? Wie hieß doch der letzte Vers, Schelm?«

Elise barg das erröthende Antlitz wieder an seine Brust und sagte:

»Wie Du mich damals erschreckt hast!«

»Und Du wußtest, von wem es kam?«

Sie antwortete nicht, aber er fühlte, wie sie leise mit dem Kopfe nickte und sich dem Versuche hartnäckig widersetzte, ihr Antlitz zu dem seinen emporzuheben.

»Du wußtest, was es bedeutete?« flüsterte er so leise, daß sie die Worte kaum verstand, und wieder nickte sie und schmiegte sich fester an ihn – und, o der Seligkeit dieser Stunde, in der sich zwei Herzen fanden und verstanden und des reinen Glückes inne wurden, nur in sich selber Eins zu sein! Was kümmerte sie auch jetzt die Außenwelt, was Sorge und Gefahr der nächsten Stunde? Könnern's muthiges Herz setzte sich leicht darüber weg und Elise selbst war zu selig, um nicht dem Augenblicke auch sein Recht zu gönnen.

Könnern führte die Geliebte jetzt zu der kleinen Bank unter dem Mandelbaume, vor welchem ihr Cithertisch stand, und Hand in Hand, Auge in Auge saßen die jungen Leute und plauderten und fanden des Himmels Seligkeit in der Liebe Glück.

Da tönte vom Hause her ein kleines Horn, und erschreckt fuhr Elise empor. Das war das Zeichen zum Frühstück, und sie mußte fort aus dem Garten.

»Die Mutter ruft,« sagte sie ängstlich – »ich darf nicht länger säumen, und – großer Gott, es ist so spät geworden und der Vater jetzt auch schon im Garten – wenn er Dich sieht…«

»Fürchtest Du Dich, Elise? Fürchtest Du Dich an meiner Seite,« sagte Könnern herzlich – »und haben wir denn etwas Böses gethan, daß wir den Blick der Eltern zu scheuen hätten? Offen will ich vor sie treten – jetzt, in diesem Augenblick, nicht im Geheimen mag ich zu ihrem Kinde schleichen und mir dessen Liebe stehlen, wie ein unrecht Gut! Nein, ich habe sie mir ehrlich gewonnen und will sie ehrlich wahren, als meinen höchsten und theuersten Schatz.«

»Aber der Vater…«

»Früher oder später müßte er doch wissen, daß wir einander angehören wollen für das ganze Leben; weshalb dann eine Zeit in Angst und Sorge verleben, die nur dem reinsten Glück gehören sollte? Glaube mir, mein süßes Herz, Dein Vater ist lange nicht so schlimm, wie Du zu denken scheinst. Auch er hat einst mit treuer Liebe um Deine Mutter geworben, und der Zeit mag er gedenken, wenn ich vor ihn trete. Außerdem stehe ich selbstständig in der Welt, und der Director Sarno, welcher meine Familie genau kennt, mag ihm bezeugen, daß er um die Zukunft seiner Tochter nicht besorgt zu sein braucht. Fürchtest Du noch, daß er Dich mir verweigern wird?«

»Ja,« hauchte Elise, während ihre Züge wieder erbleichten – »trotz alle dem; Du kennst den Vater nicht.«

»Und Deine Mutter?«

Elise stand unschlüssig vor ihm, den Blick zu Boden gesenkt. Endlich schlug sie die treuen Augen zu ihm auf und sagte mit einem gar so rührenden Blick voll Vertrauen und Liebe:

»So geh' zu ihm, Bernard – sprich mit ihm – ich vertraue Dir ganz! Wie Dir mein Herz von jetzt allein gehört, will ich mich auch von Deinem Herzen leiten lassen. Ich fühle Du hast Recht; wir dürfen kein Geheimniß vor den Eltern haben – ich wenigstens nicht, nach Allem, was sie schon für mich gethan. Gehe zu ihnen und Gott möge des Vaters Sinn lenken, daß er das Glück des Kindes, zum ersten Mal wo es in seine Hand gelegt, nicht selbst zerstört. Aber noch Eins, Bernard,« fuhr sie fort, als er sie mit sich dem Hause zu ziehen wollte – »was auch der Vater beschließt – wie auch sein Urtheil lautet – und wenn mein eigen Herz darüber brechen müßte – ich kann und darf nicht ungehorsam sein.«

»Elise!«

»Ich bleibe Dir treu,« bat die Jungfrau – »nie wird sich diese Hand in eines andern Mannes Rechte legen, aber wenn mich des Vaters Gebot an seine Seite zwingt, so werd' ich bleiben, was auch mit mir geschehe.«

»Es sei,« sagte Könnern nach einer kurzen, peinlichen Pause – »wie leicht ich aber auch vorher, als ich mich Deiner Liebe versichert wußte, dem entscheidenden Schritt entgegen ging, so schwer gehe ich jetzt, wo ich fürchten muß Dich wieder zu verlieren, in demselben Augenblick, wo ich Dich mein auf immer geglaubt. Aber die erste Bitte kann und will ich Dir nicht abschlagen – ich fühle, daß ich Dich nicht zwingen darf, wenn ich damit nicht Deinen Frieden für spätere Zeiten zerstören sollte. Ich will allein Dein Glück – und daß ich nur das will, kann ich Dir jetzt beweisen.«

»Ach, Bernard,« sagte das junge Mädchen traurig – »nur an Deiner Seite find' ich das, und gehst Du von mir, ist es doch vorbei – aber trotzdem danke ich Dir – danke ich Dir recht von Herzen für Deine Liebe, welche Du mir jetzt stärker als vorher gezeigt – und nun zum Vater, daß wir unsere Bitten dort vereinen.«

Schon vor einiger Zeit hatten sie draußen vor dem Garten wildes Pferdegestampfe und Stimmen gehört, aber, zu sehr mit sich selber beschäftigt, nicht weiter darauf geachtet. Jetzt eben hatte sich das wiederholt, und sie blieben horchend stehen. Könnern dachte an sein eigenes Pferd, ob sich das vielleicht losgerissen haben könnte, aber das war fest und sicher angebunden – vielleicht waren es trunkene Colonisten, die hier dem Städtchen zujagten – was kümmerte es sie – Seite an Seite, Könnern seinen rechten Arm um der Geliebtem Schulter geschlagen, schritten sie langsam den Kiesweg an der Hecke entlang hin, welcher dem Hause zuführte. Kaum aber waren sie in der Nähe der Thür angelangt, die hinaus in's Freie führte und stets sorgfältig verriegelt gehalten wurde, als ein paar heftige Stöße dagegen erfolgten und eine Stimme draußen, welche Könnern bekannt schien, um Einlaß bat.

 

»Was ist das?« sagte Elise, ängstlich seinen Arm ergreifend – »wir dürfen nicht öffnen.«

»Es ist ein Unglück geschehen!« rief Könnern »sollen wir nicht nachsehen?«

»Ein Unglück?« wiederholte das junge Mädchen erschreckt.

»Ich halte eine Ohnmächtige hier im Arme!« rief da Günther's Stimme wieder – »wollt Ihr sie hier im Wege sterben lassen?«

»Eine Ohnmächtige?! Gleich, gleich!« rief Elise, jede weitere Furcht bei Seite setzend – »der dürfen wir ja doch unsere Hülfe nicht versagen« – und zu der Thür springend, schob sie die beiden großen Riegel zurück. Könnern drückte zugleich das breite Schloß auf, das nach außen keine Klinke hatte, und sah erstaunt den Freund mit seiner Bürde.

»Günther!« rief er überrascht aus – »Sie hier und mit einer Dame im Arm?«

»Ich könnte, glaub' ich, so ziemlich dieselbe Frage an Sie richten, Könnern,« lachte der Freund, »wenn wir jetzt Zeit zur Unterhaltung hätten, aber die Arme sind mir schon erlahmt – mein Fräulein, dürft' ich Sie bitten, sich der armen Dame anzunehmen?«

»O, das Haus ist nur wenige Schritte von hier entfernt,« rief Elise, welche mit gefalteten Händen vor der bleichen Fremden stand – »ach, das bildschöne, unglückliche Kind – kommen Sie rasch mit mir, dort ist Alles was ihr Hülfe bringen kann« – und mit flüchtigen Schritten flog sie ihnen voran, den Gang hinauf. Könnern hatte indessen, dem Freunde die Last zu erleichtern, den Oberkörper der Bewußtlosen in seinen Arm genommen, so daß sie rasch der Jungfrau folgen konnten, und unterwegs erzählte ihm Günther mit kurzen Worten, was draußen vor dem Garten geschehen.

Jetzt hatten sie das Haus erreicht, und stiegen die wenigen Stufen zu dem untern Gartensaale hinauf – die Mutter war schon durch ein paar flüchtige Worte Elisens von dem Unfall unterrichtet und in ihr Zimmer gegangen, englisches Salz zu holen – nur Elise erwartete sie am Eingang, und die beiden Freunde legten die Ohnmächtige jetzt auf das an der entgegengesetzten Wand stehende Sopha.

Günther hatte ihre Kleider etwas geordnet, und richtete sich eben auf, als die Thür links geöffnet wurde, und Meier eilig hereintrat.

»Was geht denn hier vor?« rief er bestürzt – »was ist geschehen? Das ist ja ein Lärm« – sein Auge begegnete Günther's fest und erstaunt auf ihm haftenden Blick, und Könnern, welcher sich eben bei ihm entschuldigen wollte, bemerkte zu seinem Erstaunen, daß der alte Mann zurückschrak, als ob er einen Geist gesehen hätte.

Noch standen sie sich so gegenüber, während Elise mit der Bewußtlosen beschäftigt war und ihr das Kleid zu öffnen suchte, als die andere Thür aufging, und Elisens Mutter mit dem herbeigeholten Fläschchen eintrat – nur Einen Blick aber warf sie auf die Gruppe der beiden Männer, als auch das Flacon ihrer zitternden Hand entfiel.

»Mutter, liebe, beste Mutter!« rief Elise, zu dieser springend – »es ist Nichts – nur eine Ohnmacht – sie schlägt die Augen schon wieder auf.«

»Herr Sellbach!« sagte Günther mit ruhiger, kalter Stimme – »ich hatte allerdings keine Ahnung, daß wir so lange schon nahe Nachbarn gewesen waren, und kann dem Zufall nicht genug danken, der uns hier zusammenführt.«

Der alte Mann stand wie zu Stein erstarrt – seine Lippen hatten sich getheilt, aber er sprach kein Wort; seine Augen, vor denen er heute nicht die blaue Brille trug, schienen aus ihren Höhlen drängen zu wollen, und die beiden Arme hielt er wie abwehrend vorgestreckt.

»Sie kommt zu sich!« rief Elise, welche das ihr entgegengerollte Flacon aufgehoben und der Kranken vorgehalten hatte – »Gott sei Dank! Beruhige Dich, liebe Mutter, und Vater« – sie wandte sich, während sie sprach, dem Vater zu und stieß einen Angstschrei aus, als sie den Zustand sah, in welchem er dem Fremden gegenüber stand.

»Vater!« rief sie – »lieber, bester Vater – um des barmherzigen Gottes willen, was ist geschehen?« und in Windeseile war sie an seiner Seite und umschlang ihn mit ihren Armen. Erst die Berührung schien den Zauber zu lösen, von dem er befangen war. – »O, mein Gott!« stöhnte er – »endlich! endlich!« und wäre jetzt zu Boden gesunken, hätte ihn die Tochter nicht in ihren Armen gehalten und zu dem nächsten Stuhl geführt, in den er, in einander gebrochen, zusammensank.

»Um Gottes willen, was geht hier vor?« rief Könnern, des Freundes Arm ergreifend – »welch' Geheimniß lagert zwischen Euch?«

»Hier ist jetzt weder Platz noch Zeit, das zu erklären,« drängte Günther – »das Fräulein richtet sich auf und – braucht eben nicht zur Mitwisserin gemacht zu werden. Bitten Sie die junge Dame, daß sie die Fremde in ihr Zimmer führt, bis sie sich vollständig erholt hat und das Haus verlassen kann. Wir werden draußen auf sie warten, um sie sicher nach Hause zu geleiten.«

»Aber ich begreife gar nicht!«

»Thun Sie, wie ich Ihnen sage. Alles Andere nachher.«

»Aber wir können die Familie doch nicht jetzt, nicht in diesem Zustande verlassen?«

»Wir können ihr keinen größeren Gefallen thun. Folgen Sie mir nur dieses Mal, Könnern – des jungen Mädchens wegen, wenn Sie sonst nicht wollen!«

Helenens starke Natur hatte indessen vollständig die augenblickliche Schwäche abgeschüttelt. Möglich, daß sie beim Sturze doch vielleicht mit dem Kopf auf einen Stein getroffen und davon nur betäubt gewesen war; aber sie richtete sich empor und sah erstaunt auf ihre Umgebung. Günther, der in diesem Augenblick für Alle zu denken schien, benutzte den günstigen Augenblick, und auf sie zutretend, bot er ihr seinen Arm.

»Ich sehe zu meiner Freude, daß Sie sich erholt haben, Comtesse; erlauben Sie mir, Sie an die frische Luft zu führen, die wird Ihnen wohler thun, als alle Medicamente der Welt.« Leise setzte er dann hinzu: »Die alten Leute sind außer sich über Ihre Ohnmacht, die sie für weit gefährlicher hielten als sie war. Zeigen Sie sich kräftig, daß wir sie beruhigen.«

»Ich bin kräftig,« sagte das junge Mädchen, aber ich begreife nur nicht wo ich bin, wie ich hierher gekommen.«

»Ich erzähle Ihnen die Geschichte unterwegs,« lachte Günther, ihren Arm ohne weitere Umstände in den seinen ziehend. »Könnern, thun Sie mir den Gefallen, und sehen Sie draußen nach dem Pferd, daß kein weiteres Unglück geschieht – Sie können ja dann zurückkehren, wenn Sie wollen,« flüsterte er ihm zu.

Könnern war wie betäubt. Er sah wohl, daß etwas Außergewöhnliches – etwas Furchtbares hier vorgegangen sei, aber er begriff nicht was; Elise war dazu, ohne auch nur weiter seiner zu achten, mit dem Vater beschäftigt, und ehe er selber zu einem recht klaren Bewußtsein gekommen war, hatte Günther, während er an dem rechten Arme Helenen führte, mit der Linken ihn ergriffen, und zog den keinen Widerstand mehr Versuchenden mit sich hinaus in's Freie, durch den Garten und auf die Straße, wo er ohne Weiteres die Thür hinter sich in's Schloß warf, und ihnen dadurch Allen den Rückzug vollkommen abschnitt.

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