Бесплатно

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Capitel 5
Literarische Bekanntschaften

In New-Orleans, in der – Straße, an der untern Ecke des Marktes stand ein schmales hohes, aus rothen, unbeworfenen Backsteinen errichtetes Haus, das über seine ganze Breite hin ein mächtiges, weißlackirtes Schild und auf diesem die Worte:

»Expedition der New-Orleans Biene«

trug. An der Thüre unten war noch ein kleines deutsches Schild angebracht, das die »Office« des »Editors« oder Redakteurs als eine Treppe hoch liegend, und die Stunden von zehn bis zwölf Vormittags, wie von drei bis fünf Uhr Nachmittags als die passendsten bezeichnete, ihn zu sprechen.

Es war etwa halb vier Uhr Nachmittags Anfangs November jenes Jahres, als ein junger Mann, sehr anständig gekleidet, in schwarzem Frack, dunklen Beinkleidern und Handschuhen, seinen Hut vielleicht der Wärme wegen in der Hand, das Haus erreichte, das kleine Schild unten durchlas, sein Haar dabei etwas ordnete, und dann die ziemlich steile, noch ganz neue Treppe langsam hinanstieg. Er trug ein fest eingeschlagenes Packet, das möglicher Weise Manuscript enthielt, unter dem linken Arm, und klopfte leise an die mit einem entsprechenden Schild bezeichnete Thür.

»Walk in!«12

»Habe ich das Vergnügen mit Herrn Doktor Rosengarten zu sprechen?«

»Bitte – ich bin kein Doktor – aber mein Name ist Rosengarten; mit wem habe ich die Ehre?«

»Theobald – Fridolin Theobald – Lyrischer Dichter und Schriftsteller im Allgemeinen, aus Deutschland« stellte sich unser Freund dem kleinen, etwas schwärzlich aussehenden Manne selber vor, indem er ihm eine, gewissenhaft an der Ecke eingedrückte Visitenkarte überreichte.

»Und womit kann ich Ihnen dienen?« sagte Herr Rosengarten, einen etwas mistrauischen Blick nach dem Packet werfend, das jener unter dem Arme trug – »wohl erst ganz kürzlich von Deutschland gekommen, wenn man fragen darf?«

»Seit etwa drei Wochen« sagte Herr Theobald, indem er anfing sein Packet aus einem großen Bogen Makulatur herauszuwickeln, »und wollte mir nur die Freiheit nehmen, Ihnen hier Einiges für Ihr sehr geschätztes Blatt anzubieten.«

»Ah, Sie sind sehr freundlich« sagte Herr Rosengarten etwas verlegen, indem er nach seiner Brille auf dem neben ihm stehenden Schreibtisch herumfühlte, die gefundene aufsetzte und beide Hände dann, als ob er nicht voreilig damit zu sein wünschte, in seine Rocktaschen schob.

»Ich habe hier zweierlei,« sagte Herr Theobald mit einer leichten Verbeugung, »was Beides, wie ich kaum zweifle und wovon Sie sich auch wohl bald überzeugen werden, nicht geringes Furore beim Publicum machen wird. Ich will und möchte nicht gern unbescheiden sein, aber ich weiß, daß der Erfolg nicht fehlen kann. Sie haben doch vollständige Preßfreiheit hier in Amerika?«

»Vollständige« versicherte Herr Rosengarten, mit einem sehr entschiedenen Kopfnicken.

»Ihre Constitution garantirt es Ihnen wenigstens – .«

»Ah, und wir wissen es aufrecht zu erhalten« betheuerte Herr Rosengarten »der Präsident in seinem Weißen Hause ist nicht sicher angegriffen und seiner verborgensten Fehler wegen öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.«

»Schön – sehr schön« rief Herr Theobald – »Gott sei ewig gedankt, daß ich endlich einmal diesen Engelsgruß, wenn ich mich so ausdrücken darf, von geweihten Lippen aussprechen hören kann. – Sie sind auch Schriftsteller, nicht wahr? – «

»Hm – ja« sagte Herr Rosengarten mit einem bescheidenen Blick nach dem breiten, halbgeöffneten Glasfenster, das ihn von der Druckerei trennte – »eigentlich Buchdrucker – die Ausstattung unserer Sachen läßt Nichts zu wünschen übrig, aber die leichten Sachen, die Leitartikel vorn im Blatt, und die Angriffe auf die Gegenparthei, schreib ich gewöhnlich selber.«

»Ihr Blatt ist rein demokratisch?«

»Diamant« sagte Herr Rosengarten, »das heißt« setzte er rasch hinzu – »Sie werden mich wohl verstehn, was man damit sagen will – Demokrat den Grundsätzen, aber nicht immer den Principien nach.«

»Das verstehe ich allerdings nicht« sagte Theobald erstaunt.

»Nun ich meine« versicherte der Editor der New-Orleans Biene, »daß wir grundsätzlich reine Demokraten sind, und die demokratischen Principien auch in unserem Blatt, gerade im demokratischen Sinne aber auch die allgemeinen Menschenrechte vertreten, zu denen die Whigs als unsere Brüder eben so gut gehören, und solcher Art denn eine Verschmelzung der beiden Partheien zu vermitteln suchen. Wissen Sie« fuhr er fort, als ihn der Fremde immer noch nicht zu begreifen schien, »die Demokraten sind gewöhnlich ungemein enthusiasmirt für ihre Sache, aber – nur ein sehr geringer Theil von ihnen befindet sich in hinlänglich günstigen pecuniären Verhältnissen, nicht allein eine Zeitung zu lesen, sondern auch zu halten und – was die Hauptsache ist, auch zu bezahlen, während die Whigs besonders zeitweise, auf höchst liberale Weise auch die kleinste Vergünstigung anerkennen – ich weiß nicht ob ich mich deutlich genug ausgedrückt habe.«

»Ich muß allerdings gestehn, daß ich das noch nicht ganz vollkommen begreife« sagte Herr Theobald.

»Es ist unser Princip, im ächt demokratischen Sinne« sagte Herr Rosengarten, »beiden Theilen gerecht zu werden; wir stehen, um ihnen gewissermaßen durch ein Beispiel unser Ziel anschaulich zu machen, in Fechterstellung, bei zurückgeworfenem Körper mit dem linken Fuß auf der Demokratie, mit dem rechten den Whiggismus nur allerdings leicht berührend, nur danach fühlend, aber jeden Augenblick bereit uns im Angriff momentan ganz darauf zu werfen, und dann nur wieder zum Schutz auf den linken Fuß zurückzufallen.«

»Aber gegen wen kämpfen Sie dann?« sagte Herr Theobald, wirklich selber confus gemacht durch diese Erklärung, in sehr natürlicher Frage.

»Gegen Jeden der uns angreift,« sagte Herr Rosengarten schnell – »die Biene kann auch stechen, mein verehrter Herr« – er warf einen raschen Blick auf die vor ihm liegende Karte – »mein verehrter Herr Theobald; die Biene kann auch stechen, trotz ihrem Fleiß mit dem sie Wachs für ihre Zellen, Honig für ihre Leser einträgt. Wir haben uns dabei mit den besten Kräften Amerikas verbunden,« setzte er mit innigem Selbstgefühl hinzu, »und wissen, daß wir dem Publikum etwas Gediegenes, Solides bieten können.«

»Sie bringen aber, wie ich gesehen habe, außer der Politik auch Erzählungen, Novellen und Lyrik« sagte Herr Theobald.

»Gewiß, oh sicher« betheuerte Herr Rosengarten, »nur durch Mannichfaltigkeit kann sich ein Blatt in Amerika halten.«

»Und verschmähen dabei gewiß nicht Artikel, welche auf die Verbesserung der Cultur, der Zustände hinarbeiten, und diese, wo sie unzweckmäßig oder faul sind, rügen?«

»Gewiß nicht« sagte Herr Rosengarten rasch und erfreut, »wir suchen sogar etwas darin, mit sämmtlichen Zuständen unzufrieden zu sein, und indem wir Viel, sehr viel verlangen, wenigstens etwas dadurch zu erreichen. Wenn sie Amerika näher kennen lernen, werden Sie uns ganz recht geben.«

»Ich habe schon jetzt einige Erfahrungen gemacht« versicherte ihm Herr Theobald, »die mich veranlassen Ihnen in mancher Hinsicht beizustimmen, und die Zeit die ich in Amerika zubringe, nicht allein benutzt frische Eindrücke zu sammeln und Beobachtungen und Vergleiche anzustellen, sondern auch diese Beobachtungen und Resultate niederzuschreiben. Nun muß ich Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich bis jetzt der Tagespresse nicht solche Macht zutraute, auf die öffentliche Meinung zu wirken, indem ein Journal, ob es nun täglich oder wöchentlich erscheint, mit der nächsten Nummer schon gewissermaßen bei Seite geschoben wird und veraltet ist; der Buchhandel dagegen auf einer, von jedem anderen Lande unerreichten Stufe steht, und die Exemplare populär gewordener, oder in die Zeitumstände eingreifender Werke, in einer enormen Masse in das Volk geworfen und verbreitet werden. Ich habe in diesen letzten Tagen deshalb auch versucht meine Beobachtungen, in Verbindung mit einigen anderen literarischen – und wie ich mir schmeicheln will nicht ganz werthlosen Artikeln, als Band vereinigt, hier bei einem der ziemlich zahlreich vertretenen Buchhändler herauszugeben, aber eine solche grenzenlose Apathie bei ihnen gefunden, daß ich wirklich erstaunt bin.«

»Sie haben es nicht drucken wollen?« sagte Herr Rosengarten, etwas derb der Sache gleich auf den Grund gehend.

»Nun das will ich gerade nicht sagen,« parirte Theobald den Stoß auf seine Eitelkeit, »aber sie machten mir so viele Umstände und Schwierigkeiten, daß ich es in Widerwillen aufgab mit ihnen in irgend eine Geschäftsverbindung zu treten. Die Sache selber aber ist zu wichtig, im speciellen Fall für Louisiana, in seinem ganzen Umfang aber auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, sie aufzugeben, und ich bin es als Schriftsteller der Welt schuldig dem Ungethüm, das seine Fittige drohend über das wunderschöne Land breitet, wenn ich ihm nicht gleich einen Stoß in's Herz versetzen kann, eine so gefährliche Wunde als möglich beizubringen, damit es unter den nach und nach auf es geführten Streichen endlich verblutet.«

»Und welches Ungeheuer meinen Sie?« frug Herr Rosengarten gespannt.

»Welches Ungeheuer? – die Sclaverei!«

»Ja mein lieber Herr Theobald,« sagte da der kleine Redakteur, sich wie verlegen die Hände reibend, und die Schultern hinaufziehend, »da sind Sie allerdings gleich auf den wundesten Fleck gekommen.«

»Nicht wahr?« rief der Dichter erfreut.

»Ja wohl, ja wohl, aber – «

»Aber?« —

»Das ist eine Geschichte,« setzte Herr Rosengarten hinzu, »an der wir uns nicht die Finger verbrennen dürfen.«

 

»Die Finger verbrennen? – ich verstehe Sie nicht – haben Sie mir nicht selbst gesagt daß Sie hier vollständig freie Presse – «

»Ja, vom Staat aus,« unterbrach ihn der Redakteur, »aber was will ich machen, wenn mir ein Haufen zügellosen Gesindels hier in meine Officin bricht, meine Pressen zerstört, meine Buchstaben aus dem Fenster wirft, und mich selber mishandelt oder gar todt schlägt?«

»Aber ich bitte Sie um Gotteswillen, so etwas kann doch in einem gesetzlich organisirten Staat nicht vorkommen?«

»Kann nicht vorkommen,« wiederholte Herr Rosengarten achselzuckend, » ist aber vorgekommen, und zwar schon diverse Male in den civilisirtesten Staaten, in Philadelphia und New-York, in Cincinnati und hier selbst in New-Orleans. Lassen Sie hier Jemanden leichtsinnig, oder ich möchte fast sagen wahnsinnig genug sein den Beinamen Abolitionist zu verdienen, und er wird finden daß es etwa denselben Erfolg hat, als ob man irgend einem ausreißenden Köter das Wort »toller Hund« nachruft; wer irgend etwas Werfbares in der Geschwindigkeit aufraffen kann, wirft es nach ihm, und haben sie ihn dann todt geschlagen, geben sie sich vielleicht die Mühe sich zu erkundigen ob er auch wirklich toll, oder was hier dasselbe sagen will, ein Abolitionist gewesen.«

»Aber das können sie ja dann doch keine freie Presse nennen?« rief der Dichter in Verzweiflung aus.

»Warum nicht?« sagte Herr Rosengarten achselzuckend, »wir dürfen über Alles schimpfen was vorkommt. Lesen Sie die verschiedenen Zeitungen der Gegenparthei bei einer Präsidentenwahl, und sein Sie versichert daß Sie glauben würden der Candidat für diese erste Würde der Vereinigten Staaten verdiene eher lebenslängliche Zuchthausstrafe, als den Ehrensitz im weißen Hause zu Washington, so wird über ihn los gezogen. Alle unsere Institutionen dürfen Sie angreifen, jede Magistratsperson nach Herzenslust, natürlich vorausgesetzt daß Sie sich außer dem Bereich einer Privat-Injurienklage halten, und Sie werden durch Niemanden darin beschränkt werden.«

»Nur nicht die Sclaverei darf man bei ihrem Namen nennen?« rief Theobald in gereizter Bitterkeit.

»Beileibe nicht,« sagte der Redakteur, »das ist der wunde Punkt der südlichen Staaten, die recht gut wissen welchen Makel sie dadurch auf sich haften haben, aber auch nicht Aufopferung genug besitzen ihn mit einem Schlage von sich abzuschütteln, und nun ängstlich wachen daß Niemand an die schon so oft berührte und allerdings etwas schadhaft gewordene Geschichte stößt, sie nicht am Ende doch einmal über den Haufen zu werfen. Aber lassen Sie das gut sein, damit werden Sie, nur erst einmal ein halbes Jahr bei uns, schon noch vertrauter werden, und dann wohl einsehn wie recht ich heute habe Ihnen das zu sagen. Für jetzt zeigen Sie mir einmal was Sie sonst noch – das heißt nicht die Sclavenfrage, selbst nicht im Gedicht berührend – bei sich haben, und wir wollen dann sehn was wir davon gebrauchen können. Ich weiß schon, junge Schriftsteller wünschen ihre Sachen gern gedruckt zu haben, und man muß sie darin unterstützen.«

»Sie sind unendlich freundlich, bester Herr Doktor, Herr Rosengarten wollte ich sagen – aber sollte es denn gar nicht möglich sein auf irgend eine Weise gerade dieser Frage beizukommen?«

»Thun Sie mir den einzigen Gefallen und bleiben Sie mir mit allen solchen Sachen vom Leibe,« rief aber der Redakteur ganz entschieden, indem er seine Hand in Erwartung des Manuscripts dem jungen Mann entgegenstreckte; »lassen Sie uns sehn was sie sonst haben, und Alles was sich auf Sclaverei etc. bezieht schließen Sie, wenn Sie meinem Rath folgen wollen, so lange Sie sich in irgend einem Sclavenstaat aufhalten, in Ihren Koffer, oder noch besser, stecken es in das erste beste Kamin das Sie erreichen können; da sind Sie sicher daß es Ihnen weiter keine Unannehmlichkeiten über den Hals bringt. Also was haben wir denn hier?« fuhr er, die überreichten Papiere durchblätternd, fort, »ein kleines Bändchen Gedichte.«

 
»Werden wir in des Lebens Wirren
Manchmal fehlen, manchmal irren,
Oder giebt unsres Sternes Sichtung
Unserem Dasein andere Richtung,
Blüht uns doch in des Herzens Tiefen,
Wo die Gedanken ruhend schliefen,
Neues Gebären, neues Entstehn —
Neues Erwachen – neues Vergehn!«
 

»Sehr brav – vortrefflich – wirklich neue Gedanken und ganz originell ausgedrückt; hm – da sind ja eine ganze Menge; auch an Amerika —

 
»Ein Fels im Meere – und doch so warm,
Den Fremden, Bedrückten, politisch Todten
Die helfende Hand und den starken Arm
Gastfrei zu ehrlichem Schutz geboten,
so entsteigst Du dem Meere, so liegst Du da,
Gegrüßt und gesegnet – Amerika!«
 

sehr brav, ganz vortrefflich – ungemein viel Gefühl – wird meinem Blatt alle Ehre machen. – Und das Andere?«

»Sind kleine Erzählungen, die mir in Deutschland die Censur gestrichen – Dorfgeschichten aus dem Jammerleben der Proletarier – Hofgeschichten aus vorzüglichen Quellen, überall mit den wirklichen Namen, für deren Wahrheit ich Ihnen garantire.«

»Vortrefflich – ganz vortrefflich – etwas derartiges können wir brauchen, apropos Herr Theobald – wo logiren Sie denn eigentlich, daß wir Ihnen ein Exemplar unserer Biene regelmäßig zusenden können?«

»Oh Sie sind zu freundlich,« sagte Herr Theobald, »ich habe die ersten vierzehn Tage im »deutschen Vaterland« gewohnt, bin aber da so furchtbar und auf so raffinirte Weise geprellt worden, daß ich, selbst mit Aufopferung eines Theils meiner Wäsche, die mir abgeleugnet wurde, auszog, und jetzt in einem anderen deutschen, etwas besseren Kosthaus, bei Herrn Weiß, logire.«

»Ah ich weiß schon – nicht weit vom unteren Markt; werde mir Ihre Adresse notiren, und wenn ich Ihnen sonst mit etwas dienen kann, bin ich mit Vergnügen dazu bereit.«

Herr Rosengarten war aufgestanden und Theobald fühlte daß der Redakteur der Biene mehr zu thun hatte, als sich den halben Tag mit ihm zu beschäftigen. Nichts destoweniger lag ihm noch eine schwere und jedenfalls unangenehme, aber auch nicht zu umgehende Frage auf den Lippen, die er lieber von der anderen Seite hätte angeregt gehabt. Da das aber nicht geschah mußte er es selber thun.

»Und wie halten Sie es mit dem Honorar, wenn ich fragen darf, verehrter Herr Rosengarten?« sagte er schüchtern.

»Mit dem Honorar?« wiederholte Herr Rosengarten ungemein überrascht.

»Für diese Sachen hier mein ich – honoriren Sie Gedichte und Prosa in einem Verhältniß, oder machen Sie einen Unterschied darin?«

»Honoriren? – ja so, Sie verlangen Honorar für Ihr Manuscript?« sagte Herr Rosengarten, allem Anschein nach ungemein überrascht.

»Ja mein bester Herr« bemerkte Theobald, sich verlegen lächelnd die Hände reibend – »wenn wir kein Honorar bekämen, wovon sollten wir Schriftsteller denn da eigentlich leben?«

»Ah? – leben Sie wirklich nur vom Schreiben?« frug der Redakteur mit unverstellter Überraschung.

»Allerdings – Sie doch auch.«

»Ich? – doch nicht so ganz« bemerkte der Redakteur, wieder mit einem Seitenblick auf die im Nebenzimmer befindliche Druckerei »ich habe auch durch jene meine Beschäftigung und – meinen Verdienst – mit Schreiben allein wird sich wohl kaum Jemand hier in Amerika ernähren und über Wasser halten können.«

»Aber es giebt doch eine Menge Amerikanischer Schriftsteller und Dichter. – «

»Ja Amerikaner, die haben auch ein großes Publicum, aber wir Deutschen, mein guter Herr Theobald, sind wiederan gerade nur auf die Deutschen angewiesen, und wenn Sie die erst einmal hier in Amerika näher kennen, werden Sie mir vollkommen recht geben wenn ich Ihnen sage, daß man die eigentlich gar nicht für deutsche Literatur in Anschlag bringen kann. Die Englisch verstehn, oder sich wenigstens den Anschein geben wollen als ob sie es verstünden, lesen kein Deutsch mehr, und buchstabiren sich lieber ihre Englische Nachrichten sylbenweis zusammen, und die, die eben erst angekommen sind und von Englisch noch gar keine Idee haben, lesen auch gewöhnlich gar Nichts, oder kaufen sich noch weniger ein Buch oder eine Zeitung.«

»Wer aber, um Gotteswillen hält da die deutschen Blätter?« frug Theobald erstaunt.

»Ja lieber Herr Theobald« versicherte Herr Rosengarten »ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß mir das manchmal selber ein Räthsel ist. Kaffeehäuser, selbst Amerikanische, halten allerdings dann und wann deutsche Zeitungen, und die deutschen Kosthäuser müssen sie haben; einzelne gehen auch in das innere Land und nach den kleinen Städtchen am Mississippi hinauf, die mit New-Orleans in lebhafter Verbindung stehn und in denen Deutsche wohnen, wie Natchez, Vicksburg, Bayou-Sarah, St. Franzisville, Baton-Rouge etc., der Hauptabsatz geschieht aber auf oft räthselhafte, jedenfalls sehr geschickte Weise durch die Colporteurs oder Zeitungsjungen, Individuen von zehn bis dreißig Jahren, die bei unseren Blättern interessirt sind, d.h. gewisse Procente für jedes Exemplar bekommen, das sie absetzen. Jemehr die also unterbringen, desto größer ist ihr eigener Nutzen, und es ist mir gesagt – selber darum bekümmern thun wir uns natürlich nicht – daß sie manchmal zu den wunderlichsten Listen ihre Zuflucht nähmen, und sei es auch nur halbjährige Abonnenten zu bekommen; das nächste Semester muß ihnen dann, wenn ein Theil von diesen abfällt, andere bringen.«

»Nun ich will glauben« sagte Theobald, der auf Kohlen stand, »daß Sie bei so unsicheren Einkünften nicht gerade im Stande sind ein, wenigstens nach hiesigen Begriffen, sehr bedeutendes Honorar zu zahlen; wie viel könnten Sie mir also versprechen, wenn ich mich zugleich dabei verpflichtete, regelmäßiger Mitarbeiter der Biene zu werden. Meinen Namen werden Sie sicher schon von Deutschland aus gelesen haben; ich kann mit aller Bescheidenheit sagen, daß er dort einen guten Klang hat.«

»O gewiß Herr Theobald, gewiß« versicherte Herr Rosengarten, und fuhr dann, in's Blaue hinein rathend, rasch fort: »Sie haben glaub' ich vor ganz kurzer Zeit wieder ein paar Bände Novellen herausgegeben.«

»Allerdings.«

»Ich habe sie gesehn – vortrefflich – ganz vortrefflich – doch – so leid es mir thut, aber – ich bin in der That nicht im Stande Ihnen irgend welches Honorar für Ihre literarischen Beiträge zuzusagen. Ja wenn wir jetzt nur etwas bessere Zeiten hätten, aber die ältesten Leute in New-Orleans erinnern sich wirklich nicht eine so gedrückte, schwierige Stimmung in New-Orleans je erlebt zu haben. – Wenn Sie übrigens noch ein oder selbst zwei Exemplare der Biene wünschten – ich möchte gern Alles thun was in meinen Kräften steht Sie zufrieden zu stellen. – «

»Aber wo bekommen Sie Manuscript her Ihre Spalten zu füllen« rief Theobald erstaunt aus, »wenn Sie kein Honorar dafür bezahlen – Sie können doch nicht Alles selber schreiben?«

»Um Gottes Willen – nein!« rief Herr Rosengarten, »das wäre ich allerdings nicht im Stande, schon des Zeitverlustes wegen; aber wir helfen uns da vortrefflich mit, vor längerer Zeit in Europa gedruckten Sachen. So hat mir im vorigen Frühjahr ein Freund von dort vier oder fünf alte Jahrgänge der Didaskalia geschickt, in denen allerliebste kleine Erzählungen und Gedichte stehn – unsere Leser sind ordentlich versessen darauf. Die drucken wir so eine nach der anderen ab, und füllen damit aus, was die politischen Nachrichten der Grenzboten, der Kölnischen Allgemeinen und Weserzeitung, die wir nun leider einmal halten müssen, an Raum gelassen haben.«

»Aber bester Herr Rosengarten!« rief Theobald, der bei so bewandten Umständen doch einsah daß er hier auf keine Einnahme rechnen konnte, und in einer Art von Verzweiflung sich das letzte Bret unter den Füßen fortgehen fühlte – »Sie nehmen mir das nicht übel, aber das ist ja doch eigentlich, nach unseren deutschen Begriffen wenigstens, ein reines Plünderungssystem, das Sie hier befolgen, ein reiner Nachdruck, eine mechanische Vervielfältigung schon vorhandener Sachen, worauf Sie ja von den respectiven Zeitungen verklagt werden könnten.«

»Hier in Amerika? nein« lächelte Herr Rosengarten gutmüthig »das nicht – nicht einmal verklagt, einen ungünstigen Ausfall eines solchen Processes ganz abgerechnet, denn für deutsches literarisches Eigenthum besteht hier nicht der geringste Schutz, und kein Amerikanischer Gerichtshof würde selbst nur eine solche Klage annehmen.«

»Das ist allerdings eine Freiheit« flüsterte Theobald, »auf die ich nicht ganz vorbereitet war; aber – nicht wahr es ist noch eine deutsche Zeitung in New-Orleans.«

»Allerdings« sagte Herr Rosengarten mit einem eigenen Lächeln, das allerlei bedeuten konnte – »allerdings existirt hier noch ein Blatt das mit deutschem Druck herauskommt, nach einem nur oberflächlichen Vergleich würden Sie aber bald finden, daß es sich mit der Biene nicht messen kann.«

 

»Und seine Expedition? – können Sie mir die vielleicht angeben?«

»O warum nicht« sagte Rosengarten, nach dieser Bemerkung jedenfalls fest entschlossen das Gespräch sobald als möglich abzubrechen – »Sie können nicht fehlen – Ecke von Fulton und Renaissance-Straße – großes Schild über der Thür wie für eine Wirthschaft – hier Ihr Manuscript Herr Theobald – war mir ungemein angenehm Ihre werthe Bekanntschaft gemacht zu haben.«

Theobald drückte sein Manuscript unter den Arm, machte eine stumme Verbeugung, und befand sich wenige Augenblicke später wieder vor der Thür der Officin auf der Straße. Diese sah er eben unschlüssig hinauf und hinunter, welchen Weg er von hier aus einzuschlagen hätte, als ein Fremder, in einem blauen Überrock, und mit einer eben solchen Tuchmütze auf, mit einem vollen, aber etwas krankhaften fleckigen Bart, die Straße herunterkommend an ihm vorbeiging, stehn blieb, ihn ansah, und dann wieder zurück und auf ihn zukam.

»Sie sind ein Deutscher« redete er den jungen Mann, der ihn etwas verblüfft betrachtete, an, »nicht wahr ich habe recht?«

»Allerdings bin ich ein Deutscher.«

»Und eben erst angekommen?«

»Wenigstens erst vor einigen Wochen.«

»Bleibt sich gleich, ist dasselbe« lachte der Fremde – »ich bin der Advocat Heindel, jetzt etwa drei Viertel Jahr hier, und eben im Begriff wieder zurück nach Deutschland zu gehn – und Sie? – «

»Theobald ist mein Name.«

»Und Beschäftigung? – Schullehrer?«

»Literat« sagte Herr Theobald. —

»Ah so – brodlose Kunst hier, lieber Herr« bemerkte ziemlich ungenirt, Herr Heindel »na werden das auch noch selber hier ausfinden; waren wohl gar da oben um Manuscript zu verkaufen?«

»Ich? – o nein« sagte Theobald, und fühlte daß er bis weit hinter die Ohren roth wurde. Herr Handel sah das aber nicht; er hatte beim ersten Begegnen zwar zu seiner neuen Bekanntschaft aufgeschaut, war dann aber an dessen Blick immer wieder wie scheu heruntergefahren, und ließ den eigenen bald auf Theobalds Westenknöpfen, bald auf dessen Halstuchschleife oder Hemdkragen haften, was bei diesem aber auch zuletzt ein unangenehmes, fast nervöses Gefühl erzeugte, und ihn selber wünschen ließ einen Blick auf die so scharf aufs Korn genommenen Gegenstände zu thun, ob der Fremde irgend etwas außergewöhnliches – Fleck oder Riß daran entdecke.

Herr Heindel hatte übrigens andere Sachen im Kopf, als Herrn Theobalds Vatermörder oder Westenknöpfe, und nur einen derselben, nach dem der junge Mann rasch hinunterschielte, fassend und festhaltend, sagte er, indem er die Augenbrauen in die Höhe zog und bedenklich mit dem Kopfe nickte:

»Würde Ihnen auch wenig helfen, verehrter Herr, würde Ihnen verdammt wenig helfen – ich habe selber darin verwünscht bittere Erfahrungen gemacht. Ja stehlen – stehlen thun sie; diese nichtswürdigen Hallunken von Zeitungsredakteuren, wo sie die Hand an irgend etwas Gedrucktes legen können, aber Manuscript bezahlen, irgend etwas selbstständig Vernünftiges mit baarem Gelde kaufen? – Gott bewahre!«

»Es sind das eigenthümliche Verhältnisse« stammelte Theobald, der nicht mit Unrecht um seinen Westenknopf besorgt war, und mit Schrecken daran dachte daß er hier in Amerika nicht einmal wieder einen passenden zu dem ausgesucht schönen halben Dutzend bekommen würde. Aber trotzdem hatte er nicht den Muth sich von der arbeitenden Hand des wunderlichen Fremden zu befreien, der ihm wieder unverwandt auf den Rockkragen sah – er mußte da irgend einen Fettfleck, oder wenigstens eine Spinne sitzen haben.

»Eigenthümliche Verhältnisse?« rief aber Herr Heindel entrüstet, und stieg mit seinen Augen bis zu Theobalds Halsbinde auf – »Spitzbübereien sind's, nichtswürdige erbärmliche Gaunereien, unter denen ordentliche, anständige Menschen aus ihrer Heimath fort nach dem vermaledeiten Amerika gelockt werden, bis sie hier sind, in der Falle drin sitzen und nicht wieder hinaus können. Hol der Teufel das ganze Amerika, so viel sag ich, und alle die Canaillen dazu, die dicke Bücher zu dessen Lobe schreiben – ich wünsche ihnen weiter Nichts als daß sie wieder herüber müßten.«

»Aber sollte es denn wirklich so schlecht hier sein?«

»Schlecht? – erbärmlich, hundsföttisch sag ich Ihnen« rief der Mann, ganz eifrig über das Thema werdend, »arbeiten, immer nur arbeiten ist die Losung, und zwar arbeiten mit den Fäusten, als ob alle Menschen als geborene Holzhacker auf die Welt gekommen wären – Kopfarbeit wird hier gar nicht gerechnet, Gott bewahre, und die Deutschen hier, sind nun gar die erbärmlichste Nation die sich ein Mensch auf der Welt denken kann. Glauben Sie daß das Volk in irgend einer Proceßsache einen deutschen Advocaten anstellt, so lange sie einen Amerikanischen Lumpen bekommen können? – Gott bewahre, nicht d'ran zu denken, und dabei quälen sie sich mit ihrem nichtswürdigen Englisch ab, radebrechen, daß man glaubt die Kinnladen gehen ihnen dabei entzwei, und lassen sich nachher anschmieren nach Noten.«

»Ja, das hab' ich auch gehört« seufzte Theobald, durch seine bisherigen regelmäßig verunglückten Versuche seine Manuscripte in Geld zu verwandeln, doch nach und nach ängstlich gemacht, »daß man unvernünftig arbeiten müsse um hier ehrlich in Amerika durchzukommen.«

»Ja und was für Arbeit« rief Herr Heindel, »draußen im Wald Büsche ausroden und Bäume umschlagen, an denen ein einzelner unverheiratheter Mann eine halbe Woche hacken kann, und hier in der Stadt Straßen fegen, hinter der Bar stehn und Schnaps ausschenken, Zeitungen herumtragen, Zettel ankleben, bei irgend einem schmierigen Handwerker als Handlanger in Dienst gehn, oder gar unten an der Levée Fracht mit helfen aus- und einladen, Porkfässer heraufrollen und Kaffee- und Reissäcke wieder hinunterschleppen bei 32 Grad Hitze; das sind so die verschiedenen Beschäftigungen, denen die Holzköpfe den Namen ehrliche Arbeit geben. Arbeit schändet nicht sagen sie dabei; das dank' ihnen der Teufel; auch noch schänden – wenn sie nicht schändet ruinirt sie aber die Knochen, und unter Arbeit verstehen gebildete Leute nicht bloß mit der Mistgabel und der Schaufel wirthschaften, sondern eher noch sein Gehirn zum Besten der Menschheit anstrengen, und für das Volk, jenes tollpatschige Ungeheuer das nun einmal seine halbe Lebenszeit an den Tatzen leckt, zu denken, zu überlegen. Glauben Sie daß neulich so ein erbärmlicher Schuft von Amerikanischem Advocaten, dem ich ein Compagniegeschäft anbot und ihm meine deutsche Praxis dafür einzubringen versprach – ich habe sie auch bis jetzt nur erst versprochen bekommen – mir die Compagnieschaft vor der Nase abschlug, aber die Frechheit hatte mir eine quasi Schreiberstelle bei sich anzutragen?«

»Es ist doch kaum denkbar« sagte Theobald, dessen Gedanken übrigens mehr bei seinem bedrohten Knopfe, als bei der dem deutschen Advocaten gemachten schändlichen Zumuthung geweilt hatten.

»Allerdings« rief Herr Heindel – »aber« fuhr er dann in allem Eifer und jetzt jedenfalls auf seinem Steckenpferde reitend fort – »was ist denn auch Amerika für ein Land, für wen ist es und zu was? für unsere tölpischen Bauerjungen von daheim, die sich nicht anders glücklich fühlen, als wenn sie mit aufgestreiften Ärmeln den ganzen Tag in Schmutz und Arbeit wühlen können, und es nicht besser haben wollen und dürfen. Wenn die Canaillen nur ein oder zwei Mal Fleisch den Tag und keine Schläge kriegen, sind sie oben auf, und lassen sich mit Vergnügen politisch knechten und unter die Füße treten. Das Gesindel ist zu Allem zu gebrauchen, und glauben Sie daß da ein Deutsches oder Amerikanisches Blatt ein Einsehn hätte, und ein paar hundert Dollar daran wenden möchte dieses Volk einmal aufzuklären über ihre Pflichten als Staatsbürger, wenn sie nun doch einmal in einer solchen leidigen Republik leben wollen und müssen? fällt ihnen nicht ein – besser wissen wollen sie, was man ihnen sagen könnte – besser wissen und gescheuter sein wie Leute, die ihre Lebenszeit darauf verwandt haben ein staatliches Leben zu übersehen und in die Speichen mit kundiger Hand einzugreifen. Arbeiten – arbeiten – es thäte bei Gott Noth daß man sich noch zwischen den Irländern als Straßenkehrer anstellen ließe, und mit dem Besen in der Hand umherliefe, sein »tägliches Brod« auf den Trottoirs zusammenzukehren. Na lassen Sie mich nur erst wieder einmal nach Deutschland zurückkommen, das Amerika werde ich ihnen anstreichen; eine Lebenszeit verwende ich darauf es schlecht zu machen. Aber kommen Sie Freund« brach er plötzlich kurz ab, und faßte Theobald unter den Arm, »wir wollen uns nicht über diese Amerikanischen Jämmerlichkeiten und Lumpereien unnützer und thörichter Weise ärgern; ändern können wir's doch nicht, und bessern wollen sich die Lumpe ja nicht lassen. So gehn Sie da drüben mit in das Kaffeehaus hinein, daß wir ein Glas auf bessere Bekanntschaft und bessere Zeiten trinken.«

12»Herein!«
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»