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Pfarre und Schule. Erster Band.

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»Mitbrüder« sagte er endlich mit leiser, doch leicht verständlicher, klangvoller Stimme – »Ihr seid gegen eine Trennung der Schule von der Kirche, weil Ihr es für das Wohl der Schule besser haltet. Ihr seid für den, vom Pastor Scheidler vorgeschlagenen Schulvorstand, weil Ihr meint, die Geistlichkeit meine es ehrlich mit Euch und wolle wirklich den Fortschritt. Mitbrüder, ich bin ein alter Schulmeister, neun und zwanzig Jahre esse ich das sauere Brod eines Dorflehrers – neun und zwanzig Jahre bin ich der Diener manches bald guten bald schlechten Geistlichen gewesen und neun und zwanzig Jahre hindurch habe ich es erprobt und als eine traurige Wahrheit befunden, daß der Geistliche stets mein Vorgesetzter, nie aber mir das gewesen ist, was uns Verstand und Ueberlegung sagen muß, daß er doch eigentlich sein sollte – der rathende Freund des Lehrers. Er mag noch so gütig gegen den Schulmeister sein, stets wird er es ihn doch merken lassen, daß er ihm sub-, nicht coordinirt ist und dieses Uebergewicht, das er dadurch erhält, ist es gerade, was ich für das Gedeihen der Schule so verderblich halte.«

»Das Kind soll vor seinem Lehrer Respekt haben, das kann aber nicht der Fall sein, wenn es nicht ebenfalls sieht wie der Mann, den es selber achten soll, auch von anderen Menschen, besonders von seinen Eltern und Nachbarn geachtet wird. Geschieht das aber? – Ich sage nein – nein und tausendmal nein. Es geschieht nicht und wäre es auch nur vor allen Dingen des leidigen todten Mammons wegen. Der Schullehrer bekommt 120 bis 200 Thlr. – Sie Alle wissen wie selten mehr; beim Pastor gehört eine Stelle von achthundert Thalern keineswegs zu den bedeutendsten und schon das hebt ihn in den Augen des Bauern, der gewohnt ist, den Werth des Menschen nach Pferden und Schaafen oder Ackern Land zu schätzen, um gerade so viel, als seine Einnahme die des Schullehrers übersteigt. Das hat aber auch Einfluß auf seine ganze Rede und Ausdrucksweise, denn es fehlt ihm das feine Gefühl selber zu bestimmen, wo in einem Wort oder Blick etwas kränkendes für den fein fühlenden Mann liegen könnte. Schon die gewöhnliche Anrede giebt den Beweis: ›Schullehrer‹ heißt's – ›wie geht's Euch‹ – der Pastor wird stets mit einem ehrerbietigen Herr angesprochen. Kommen die Kinder zu Hause und klagen, daß ihnen der Lehrer Unrecht gethan, so droht Vater oder Mutter mit dem Pastor, und nicht selten geschieht es, daß dieser sogar dem schuldigen Theile noch Recht, dem armen schutzlosen Schulmeister gegenüber, giebt. Ich will nur ein Beispiel hier erzählen, und ganze Bände ließen sich mit ähnlichen ausfüllen.«

»Vor ungefähr zwölf Jahren war der jetzige Seminar-Direktor Gehler Pastor in T– und ein Freund von mir wurde Knabenlehrer und Cantor daselbst. In der Zeit gab es in T– eine wahre Brut von Jungen und es war wirklich nöthig, Strenge zu üben, um nur das eingerissene Uebel erst einmal zu dämmen, und bessere Sitte einzuführen. Dem Lehrer blieb denn auch einst, nach der beispiellosesten Geduld kein anderes Mittel, einen der schlimmsten Buben zur raison zu bringen, als körperliche Züchtigung, und er mag ihm die wohl auch freigebig genug zugemessen haben. Das geschah Früh. Nachmittags wird er zum Herrn Pfarrer gerufen und findet dort Niemand Anderes als eben den gestraften Buben und seine Mutter. Der Pfarrer hält nun, in Gegenwart dieser Beiden ein Verhör und tadelt den Schulmeister, daß er den Knaben geschlagen habe. Dieser will sich vertheidigen, der Herr Pfarrer hört aber nicht darauf, sondern holt einen Apfel, giebt diesen mit Liebkosungen dem Knaben, und bittet ihn, es nicht übel zu nehmen – ja der Lehrer mußte sogar noch, wollte er seine Stelle nicht verlieren, versprechen nicht wieder zu prügeln. Und das ist der nämliche Mann, der vor einigen Tagen bei einer Versammlung von Geistlichen auftrat und zu behaupten wagte, die Lehrer seien noch gar nicht reif zur Emancipation.«

»Wie muß dadurch bei den Schulkindern die Achtung vor dem Lehrer sinken und ist es zu verwundern, daß dieser zuletzt selber mismuthig und verdrossen wird, und anfängt zu verzweifeln, das schöne Ziel, nach dem er im ersten Jugendfeuer und Eifer strebte, je zu erreichen?«

»Auch das trägt nicht dazu bei, den Schullehrer in der Achtung der Kinder zu erhöhen, wenn der Pastor manchmal so recht unverhofft in die Schulstube hineintritt, um, wie die Bauern sagen, den Lehrer einmal auf einem faulen Pferde zu erwischen. Ja, nicht selten kommt es sogar vor, daß er draußen erst eine Zeitlang vor der Thüre horcht, vielleicht in der besten Meinung den Lehrer durch sein Erscheinen nicht außer Fassung zu bringen – denn es giebt noch Thoren genug unter uns, die ihn wirklich fürchten – vielleicht auch in schlechtester Meinung irgend einen Haken an dem ihm Untergebenen zu finden, an dem er sein Müthchen einmal kühlen, seine Autorität beweisen könne.«

»Doch das nicht allein, die ganze Stellung, die der Pfarrer hier dem Schulmeister gegenüber einnimmt, muß dazu dienen, diesen in den Augen der Gemeinde herabzuwürdigen, oder doch ihm den Lohn zu schmälern, den er auch manchmal wieder in seinem Amte finden könnte – wenn der Pfarrer nicht wäre.«

3 Man bringt das Kind, den rohen Sohn der Natur, zur Schule; acht volle Jahre hat der Lehrer an ihm sein mühevolles Tagewerk zu treiben; er kann oft kaum sprechen und die einfachsten Begriffe sind ihm fremd. Der Pfarrer nimmt ihn auf. Das Kind macht mehr oder mindere Fortschritte. Der Pfarrer beurtheilt dieselben, und versetzt es nach den Prüfungen, zu Ostern oder Michaelis. Es hat die Klasse durchlaufen: Der Pfarrer versetzt es in eine höhere. Zöge es weg von seinem bisherigen Schulorte, – so schreibt der Lehrer allerdings das Zeugnis, allein es mangelt noch an Legalität: Der Pfarrer unterzeichnet es. Das Kind versäumt die Schule, der Lehrer schreibt die Versäumnißtabelle, der Pfarrer aber unterzeichnet sie. Ostern und Michael nahen heran, und mit ihnen die Prüfungen: Der Pfarrer schreibt die Ordnung der Gegenstände vor. Die Prüfung fällt nun so oder so aus – der Pfarrer lobt oder tadelt, oft nach den momentanen Produktionen; oft das Kind, das der schlechteste Schüler im ganzen Halbjahr war, mit Lob überschüttend, oft den besten fleißigsten Schüler durch herben Tadel zurückschreckend. Der Schulmann ist in seinem Amt – Der Pfarrer inspicirt alle vierzehn Tage – der alte Polizeistaat, der in jedem Menschen einen treulosen erblickt, zeigt sich hier in seiner vollsten Glorie. Der Lehrer will ein neues Schulbuch einführen, er hat's geprüft, es ist ihm von Anderen empfohlen worden. Der Pfarrer muß seine Genehmigung dazu geben, mag er auch noch so wenig davon verstehen. Das Kind verläßt endlich die Schule. Acht Jahre sauren Schweißes hat es dem Lehrer gekostet: Der Pfarrer entläßt es, nachdem der Lehrer noch vorher das Wort väterlichen Ernstes an dasselbe gerichtet. Glücklich der Lehrer, dem man es zugesteht, daß nicht der letzte Confirmanden-Unterricht, sondern sein treuer Fleiß es wesentlich gefördert haben. Gab es ein Schulfest im Lauf des Jahres: Der Pfarrer hatte es zu genehmigen, denn ohne ihn vermag der Lehrer nichts.‹

»›Die Lehrer haben Nichts zu ordnen, zu verfügen, zu bestimmen, sie haben immer ihre Stellung im Auge zu behalten!‹ sagte einst ein Ephorus zum Director eines bedeutenden Lehrervereins und es ist bis jetzt leider Gottes nur zu wahr gewesen. Auch die schmählichen geheimen Inspections- und Revisionsberichte, Schulprotocolle und geheimen Conduitenlisten, die der Pfarrer an das Consistorium einsendet, ohne daß dem Lehrer das Recht zugestanden wird, zu erfahren was gegen ihn gemeldet worden, damit er sich vertheidigen oder rechtfertigen könne, sind ein Fluch unseres jetzigen Zustandes und müssen uns vor allen Dingen die Augen öffnen, wie der Schulmeister zum Pfarrer eigentlich steht, und was wir von einem Vorschlag wie Herr Pastor Scheidler ihn unserem alten Freunde Kleinholz und Hennig gemacht hat, zu erwarten haben. Auch ich bin, wie Herr Hennig, gegen den Vorschlag – die alte Ehrfurcht steckt noch zu viel im Schulmeisterrocke – er sieht in dem Pastor noch immer wirklich etwas Besseres, als er selbst ist, und so rasch ist das auch nicht heraus zu treiben. Bekämen wir also jetzt wirklich eine solche fünfköpfige Schulinspection von drei Schullehrern und zwei Pastoren, wobei sicherlich und mit Recht die ältesten Schullehrer zu solchem Ehrenamt gewählt würden, so wäre es doch sonderbar, wenn unter den dreien sich nicht Einer fände, der von den beiden Pastoren zu ihren Beschlüssen gewonnen werden könnte, und die Majorität wäre dann, aber mit noch weit böseren Folgen als bisher, auf jener Seite, denn bis jetzt duldeten wir nur, weil wir unterdrückt waren und nicht anders konnten; dann würden wir aber gar kein Recht mehr haben uns zu beklagen, denn es wäre unsere freie Wahl gewesen, und ausgelacht würden wir noch über unsere Thorheit.«

»Was dann noch den einen, vorher erwähnten Punkt betrifft, daß der Pastor, wie das Verhältniß jetzt ist, oft vermittelnd zwischen den Eltern der Kinder und dem Schullehrer auftritt, so gebe ich zu, daß dadurch manche Streitigkeiten und für den Lehrer sonst vielleicht unangenehme Folgen gehoben und beseitigt werden. Was aber, lieben Freunde, ist denn die eigentliche Ursache eben dieses erwähnten Uebelstandes? – wahrlich nichts anderes, als auch gerade die gedrückte, untergeordnete Stellung, in welcher der Lehrer in seinem Dienstverhältniß zum Pastor unmittelbar der Gemeinde gegenüber steht. Es würde keinem der Bauern einfallen, wegen wahren Erbärmlichkeiten manchmal ihren Pastor zu verklagen, aber den Schulmeister – ei sapperment, dem soll's der Pastor einmal sagen, daß er gewagt hat zu thun, als ob er der Herr in der Schule wäre. Was ist auch hiervon die Folge? – Die Kinder behalten – wenn sie den wirklich je gehabt, keinen Respect vor dem Schulmeister – ›er darf uns nichts thun, sonst sagt's mein Vater dem Pastor – und da kriegt er's.‹ Das wird der Trotzspruch der Knaben und demüthigend allein ist das schon für den armen, überall zurückgesetzten Lehrer, daß er durch ein solches Verklagen auch von der Gemeinde den Grundsatz ausgeführt sieht – der Schulmeister ist der Untergebene des Geistlichen. Glaubt deshalb nicht, Freunde, daß dadurch in Zukunft ein Zankapfel in den Kreis Eures stillen Wirkens geschleudert würde, wenn der Pastor den Streit nicht mehr mit wenigen Worten schlichten kann, sondern ihn an die Schulinspection verweist – das sind blinde Gespenster die Ihr dort seht, – steht der Schullehrer mit dem Pastor auf gleicher Stufe, d. h. genießt er erst einmal die Achtung, die er verdient, dann wird es auch den Eltern gar nicht mehr einfallen ihn für ein so unmündiges Subject zu halten, als das bis jetzt geschehen, und es wird – eine Lebensfrage für die Selbstständigkeit des Lehrers – auch nicht mehr, wie das bisher bei solchen Gelegenheiten der Fall war, in der Hand des Pastors und von seinen Launen abhängig liegen, den Lehrer durch ein Wort, ja durch einen Blick der Verachtung oder Geringschätzung bei den klagenden Eltern zu verdächtigen. – Der Geistliche wird die Klagenden nicht mehr an die Schulinspection weisen können, weil es eben keine Klagenden mehr geben wird, ausgenommen es wäre wirklich etwas Ernstes vorgefallen, und der Lehrer hätte sich einen Fehler zu Schulden kommen lassen – und dann ist die Schulinspection auch gerade der Gerichtshof, wo die Klage angebracht werden muß, und wohin sie gehört.«

 

»Also stehet fest zusammen, lieben Mitbrüder, und beweist einmal durch festes, vereintes Auftreten, daß Ihr auch wirklich verdienet frei zu sein. Die alten Vorrechte werden jetzt überall den bis dahin bevorzugten Ständen genommen, laßt nicht die schlimmsten von allen, die der Geistlichkeit, nach ihrem Willen den strebenden Geist der Völker zu unterdrücken, auf Euch allein und geduldig lasten, und bedenket, daß Ihr nicht nur für Euch, daß Ihr für Deutschland arbeitet, für Deutschland und seine heranwachsenden Generationen.«

Der Lehrer setzte sich nieder, aber fünfe, sechse traten nach einander gegen ihn auf. Keiner widerlegte das, was er gegen die Geistlichkeit gesagt – Alle stimmten ihm darin bei, daß das Uebelstände seien, denen abgeholfen werden müßte, denen aber auch abgeholfen würde, sobald nur einmal die neue Schulinspection, wie sie der Herr Pastor Scheidler vorgeschlagen, in Wirksamkeit träte; für jetzt aber, meinten sie, sei es zu gewagt, »feindlich gegen die Kirche aufzutreten, wo sie noch unter der Botmäßigkeit derselben ständen –« Pflichten zu verweigern, die sie bis jetzt geleistet, und für die sie Zahlung bekommen hätten, ohne auch gewillt oder in den Verhältnissen zu sein, die mit ihnen genossene Nutznießung mit ihnen aufzugeben. Nein, man vereinigte sich dagegen zu einem Gesuche an die hohe freisinnige Regierung, die Mißbräuche der vor Jahrhunderten gegebenen Gesetze abzuschaffen, man erbitte eine baldige, durchgreifende Reform des Volksschulgesetzes, man beantrage, daß dem Lehrer eine, seinem Stande und seiner Bildung würdigere, mehr coordinirte als subordinirte Stellung angewiesen werde, und sei dann überzeugt, daß die bis jetzt so gehässigen Fatalitäten zwischen Geistlichen und Lehrern von selber wegfallen würden – so lautete das Resultat.

Hennig trat noch einmal mit Kraft für seine Meinung auf, doch vergebens, er wurde überstimmt, und sogar eine Adresse an die übrigen Lehrer des Reichs beschlossen, um diese davon abzuhalten, daß sie einer Trennung der Schule von der Kirche das Wort redeten, dagegen aber aufzufordern, in der nächst zu haltenden großen Lehrerversammlung kampf- und schlagfertig zu erscheinen, und ihre Ueberzeugung dort zu verfechten.

Da stand Kraft auf, griff nach seinem Hut und sagte, während er hinter seinen Stuhl trat:

»Lieben Mitbrüder, Ihr habt Euch entschieden, und ich sehe die Folgen, die dieser Euer Entschluß haben wird. Nicht, daß Ihr die Trennung der Schule von der Kirche werdet aufzuhalten vermögen, nein, die Mehrzahl der Lehrer hat hoffentlich Energie genug, jetzt, wo ihr die Waffe der freien Rede in die Hand gegeben ist, sie auch zu gebrauchen und ihre Rechte damit zu erkämpfen; aber wehe thut es mir, den Geist erkannt zu haben, der in dieser Gegend noch die Herzen der Lehrer beherrscht, ja, bange Zweifel fangen schon an, in mir aufzusteigen, ob selbst die Emancipation im Stande sein wird, den Geist des Selbstgefühls zu erwecken, daß er ein Joch abschüttele, nicht etwa nur weil es ihn drücke oder beschwere, nein, sondern weil es überhaupt ein Joch ist, und ein Joch, das noch dazu anfängt, ihn zu schänden, weil er es freiwillig tragen will. Daß die Pastoren, noch ehe sie dazu gezwungen werden, schon ein selbst so precäres Zugeständniß machen, und uns das Recht zugestehen, unsere Schulinspectoren wenigstens zum Theil aus unserer Mitte zu wählen, das hätte Euch die Augen öffnen können, wie sie das Geringe geben, weil sie damit einem größeren Muß vorzubeugen gedenken. Blinde kurzsichtige Menschen die es sind, daß sie meinen, der einmal entfesselte Geist ließe sich sobald wieder in die alten Banden der Knechtschaft hineinpressen.«

»Lebt wohl, lieben Freunde – berathet Eure Adresse und sendet sie in alle Welt, gebraucht auch, als zu Eurer Conferenz gehörig, meinen Namen, verlangt aber nicht, daß ich selber unterschreiben soll, was mir das Herz in der Brust wenden würde. Ich will nach Bachstetten zurück, und vielleicht kommt die Zeit, wo ich im Stande bin, für Euer, für unser Wohl zu wirken!«

Er verließ das Zimmer, und nur Hennig folgte ihm von all' den Uebrigen.

Elftes Kapitel.
Des Musikanten Tochter

Kraft und Hennig stiegen die Stufen der Treppe hinunter, und befanden sich gleich darauf im wirren Getreibe des Schenklebens, das sie in lauten fröhlichen Massen umtobte.

Sie blieben einen Augenblick neben der Gartenthüre stehen und überschauten die Menge, die hier, der wunderherrlichen Frühlingsluft froh, theils um einzelne Tische saß, theils langsam in den Gängen auf- und niederschlenderte, oder auch kurze Zeit nach dem kleinen Orchester hinüber horchte, das Märsche, Walzer, Rutscher und Galopps spielte, und aus den gewöhnlichen Dorfmusikanten bestand, die auch Abends beim Tanz den lustigen Reigen aufgeigten.

Nur manchmal schien sich die Aufmerksamkeit dem Orchester ganz und fast ungetheilt zuzuwenden, und das war stets, wenn ein einzelner Mann, unser alter Bekannter, mit seiner Tochter auf die Bank trat und auf seiner Violine, nicht Marsch oder Tanz, aber doch so eigenthümliche Weisen und mit für Horneck so unerhörter Geschicklichkeit spielte, daß den Bauern, nach ihrer eigenen Bestätigung, »Maul und Nase« aufstand, und sie manchmal nicht wußten, ob er an der linken Hand fünf oder zehn Finger hätte.

Kraft und Hennig waren aber noch viel zu sehr mit der eben verlassenen Conferenz beschäftigt, um das rege Leben um sich her viel zu beachten; sie schritten dicht an Haus und hinter den Hecken hin, die hier einen schmalen Raum des Gartens von den übrigen offenen Theilen abschied, um in's Freie hinaus den Weg zu gewinnen, an der engen Gartenpforte aber, die hier nach dem Felde hinauslief, fanden sie ein solch' wirres Menschengedränge, daß sie, um dem zu entgehen, wieder rechts einbogen, und endlich gerade unter der Stange anhielten, die hier zum Sternschießen errichtet war, und neben der ein paar noch unbesetzte Bänke standen.

»Mir thut es in der Seele weh,« brach Kraft endlich das Schweigen, »daß gerade hier von Horneck aus ein Schritt geschehen soll, über den die Feinde des freien Lehrerstandes triumphiren werden. ›Seht Ihr,‹ höre ich sie schon rufen, ›sie selber wollen es nicht – sie selber sehen ein, daß durch ein Losreißen von der Kirche die Schule selbst gefährdet sei – sie selber fühlen, daß sie der Aufgabe nicht gewachsen sind‹.«

»Und wo bedürften sie einen besseren Beweis für ihre hochmüthige Behauptung – »die Lehrer seien noch nicht reif zur Emancipation«,« seufzte Hennig – »diese Adresse wird ihnen eine furchtbare Waffe gegen uns in die Hand geben.«

»Das wolle Gott nicht,« rief Kraft – »das wird aber auch nicht geschehn – ja wenn wir hier nur etwas für uns selbst, für die materielle Verbesserung des Schullehrerstandes erringen wollten, wenn hier nicht das Interesse des ganzen Deutschlands mit in's Spiel käme, dann Freund, dann möchten Sie Recht haben, die Uneinigkeit würde dann unser Verderben sein, so aber ist die Sache gewaltiger, als Sie uns Allen jetzt hier vorkommt, und bricht sich endlich schon von selber Bahn. Die Adresse dauert mich auch deshalb nur der Leute wegen, die sie unterzeichnet, nicht um der guten Sache selbst willen, denn um die stände es schlimm, vermöchte eine kleine Conferenz unbedeutender Schulmeisterlein an ihrer Basis zu rütteln, ihre Grundpfeiler zu untergraben.«

»Aber es ist eine Schaufel voll Erde unter dem Fundamente weggenommen,« seufzte Hennig, »wieder und wieder und immer wieder eine, und wer weiß, ob der Bau nicht dennoch endlich schmetternd nachstürzt.«

»Ich glaube nicht,« sagte Kraft, und starrte die gefalteten Hände fest zwischen seine zusammengedrückten Knie gepreßt, gerade vor sich nieder – »ich glaube nicht, denn nach dem, was ich bis jetzt von der ganzen Erregung Deutschlands in den Zeitungen gelesen habe, müßte ich mich sehr irren, wenn nicht gerade die Schule zuletzt das sein wird, wonach sich die liberale Partei gezwungen sieht zu greifen, um ihre Hoffnungen zu realisiren; und daß so etwas dann nicht unter den jetzt zwischen Schule und Kirche bestehenden Verhältnissen geschehen kann, versteht sich, möcht' ich sagen, von selbst.«

»Ich begreife nicht recht, wie Sie das meinen,« sagte Hennig.

»Sehen Sie, lieber Freund,« sagte der alte Schulmeister, leiser noch fast als vorher und in der früheren Stellung verharrend, fort, »ich habe nicht viel mehr in den Funfzigen zu suchen, und Manches in der Welt gesehn und erlebt – denn ich war die neun und zwanzig Jahre keineswegs in einem Striche fort Schulmeister, und meine Lebensbeschreibung gäbe gewiß gar interessanten Stoff zu einem recht starken dickbändigen Romane, wenn – ich als Schullehrer nur damit herausrücken dürfte – doch das ist Nebensache, wie ich meine Erfahrungen gesammelt – es ist das einzige, was ich auf dieser Welt sammeln konnte, die aber sagen mir dafür auch Manches, was andere Leute erst durch bittere Enttäuschung zu lernen haben und – sie lügen selten. Doch zur Sache. Ich war vor drei Tagen in der Residenz und durch frühere Schulkameraden sah ich mich plötzlich in das ganze tolle Gewirr der jetzigen politischen Bewegung hinein versetzt – hörte ihre für Freiheit und Einheit schwärmenden Reden, sah den Jubel, der die jungen Herzen in aller Wonne frisch erkeimender Hoffnungen erfüllte, und kann wohl gestehen, daß ich alter Kerl im ersten Augenblick selbst mit hineingerissen wurde in den wirbelnden Rausch der jungen Ideen und Pläne. Der Sieg, den das Volk auf den Barrikaden Berlins gegen die bis dahin für unbesiegbar gehaltenen Bayonette erkämpft hatte, riß noch kaltblütigere Leute, als ich sonst gewöhnlich bin, in seinem Taumel mit fort; ich fühlte aber endlich wieder Grund, stemmte die Strömung, sah, wohin dies urplötzliche und tolle Durchbrechen aller Banden und Dämme führen müsse und werde – und watete langsam wieder an's stille Ufer zurück, von da aus den Verlauf der Sache besser und unparteiischer betrachten zu können.«

»Republik! ging der Ruf durch die Versammlungen; das Volk ist reif und hat seine Ketten zerbrochen – fort mit der Tyrannei; die Volkssouverainetät allein ist die Macht, die wir anerkennen – einstimmig wurden alle Beschlüsse angenommen, denn wer sich als Einzelner der Masse entgegen gestellt hätte, wäre, wenn er recht gut weg kam, einfach hinausgeworfen – selbst beim Abstimmen wurden die, die sich durch Handaufheben vielleicht als eine sehr geringe Majorität herausstellten, ausgelacht und verhöhnt – das war ein Vorspiel zur Volkssouverainetät. Wenn übrigens die Massen noch keinen parlamentarischen Takt besitzen, so läßt sich das gewiß mit der Neuheit ihrer jetzigen Verhältnisse entschuldigen – was thut es, wenn sie beim Abstimmen manchmal beide Hände in die Höhe heben, in gemäßigteren Vereinen die Galerien füllen und die Redner der Gegenparthei nicht zu Worte kommen lassen, etc., das muß sich erst abschleifen, und eben so, wie unsere junge Preßfreiheit manchmal ausarten und hinten ausschlagen wird, wie ein tolles lebensfrohes Fohlen, so wächst sie doch mit der Zeit zu einem edlen Renner heran, der zwar seinen Reiter, den Geist, in Sturmesflug über die weite Flur dem schönen Ziele entgegenträgt, aber eben keine Seiten- und Bockssprünge mehr macht.«

 

»Nur die Volkssouverainetät, lieber Hennig, die, die kann ich noch nicht anerkennen – das Volk hat seine Ketten gebrochen, ja, wie der entfesselte Leu steht es ingrimmig brüllend da und weist seinen früheren Kerkermeistern die fürchterlichen Fänge, und wäre er jetzt in einer Wildniß, so möchte er in Gottesnamen mit der neugewonnenen Kraft toll und rücksichtslos in die Welt hineinstürmen, das Echo mit dem Laut seiner gewaltigen Stimme erwecken und die gigantischen Stämme erzittern machen, wenn er sich in übermüthiger ausgelassener Lust dagegen wirft, um die eisernen Pranken in das zähe Holz zu schlagen. So aber befinden wir uns gegenwärtig mit eben diesem Leuen mitten in einer civilisirten Stadt, und so lange er eben nur noch ruhig dasteht und seinen Feind anstarrt, mag das gehen, beim ersten Seitensprung aber wird er in irgend einen Porcellan- oder Spiegelladen hineinfahren, eine Menge Leute, ohne sich selber zu nützen, zum Tode erschrecken, kaum glaublichen Schaden anrichten, das Oberste zu Unterst kehren, endlich selbst die um ihre Sicherheit besorgt machen und gegen sich aufbringen, welche sich erst über die Freiheit des schönen stolzen Thieres gefreut haben, und sich doch noch zuletzt in irgend einer Sackgasse oder engen Bahn des ihm fremden Terrains, auf's Neue umstellt, gefangen und – Gott wolle verhüten, daß ich Wahrheit rede – gar besser bewacht finden als früher.«

»Aber die Fürsten,« warf Hennig ein, »werden sich jetzt doch, nach dem Siege in Berlin, gezwungen sehen, überall nachzugeben – was können die kleineren machen, da die Freiheit in den größeren gesiegt hat?«

»Ich bin kein Politiker, lieber Hennig«, erwiederte ihm Kraft, »ich kann auch nicht sagen und vorher bestimmen, welchen Einfluß diese gewaltigen Ereignisse auf das übrige Deutschland haben werden, mir nur ist es so ängstlich zu Sinn, daß ich selbst keine Rettung in dem geängstigten Erfolge finden kann. Sehen Sie sich unsere Bauern hier in Horneck, in Buchstetten, in der ganzen Umgegend an, gehen Sie Dorf für Dorf, Flecken für Flecken durch, und sagen Sie mir dann, wie viele Leute Sie gefunden haben, die im Stande wären, auch nur zu begreifen, was für Freiheiten in ihre Hände gelegt wurden. Es thut mir leid, daß ich's sagen muß, aber unser Bauer, wie er jetzt ist, paßt nur für das Joch, in dem bis dahin sein Nacken steckte – er ist von Herzen gutmüthig, aber dabei störrisch und hartköpfig, mißtrauisch bis zum äußersten Grad – kriechend höflich gegen die, in deren Händen die Gewalt liegt, übermüthig bis zum Ekel gegen die Untergebenen und rücksichtslos unverschämt, wo er sich im Rechte glaubt oder weiß. Der Tagelöhner dagegen, der Knecht und Häusler ist von Jugend auf in einem Zustande heraufgewachsen, der ihn nur nothdürftig an seine körperliche Bildung, an seine geistige fast gar nicht denken ließ. Das Bischen Schreiben und Lesen, was dem Jungen bis ins zwölfte, dreizehnte Jahr eingeprägt wurde, hat der Flegel, wenn er sechszehn alt ist, fast schon wieder vergessen, und wahrlich, es ist ihm auch nicht zu verdenken, wenn man sieht, wie er von Morgens früh bis spät in die Nacht das ganze Jahr hindurch arbeiten und schaffen muß, um nur das Bischen Leben elend genug zu fristen. Abends ist aber der Körper so ermüdet und angegriffen, daß von Lesen, Schreiben oder Denken gar keine Rede mehr sein kann. Ist es da also möglich, hier bei den erwachsenen jungen Burschen und alten Leuten noch einmal mit Schulunterricht, und schlimmer als Schulunterricht mit der Belehrung dessen anzufangen, was sie eigentlich sein sollten, um dem Zwecke freier Männer zu genügen? – Nein, die Zeit ist versäumt, denn was wir den Kindern nicht lehren durften, das können wir jetzt den Alten auch nicht mehr in die Schädel zwingen. Ja früher, da wäre der Augenblick gewesen, uns aber waren die Hände gebunden, das Beispiel hatten wir alle Tage vor Augen – wir sahen, wie die Schwalbe ihren Jungen das Fliegen und ihre Kräfte zu prüfen lehrte, uns aber, den denkenden mit Vernunft und Seele begabten Menschen war das, wenn auch nicht vom, doch durch das hohe Consistorium untersagt – den Fluch dieser Verdummung erndten wir jetzt, und mit bitterer Erfahrung würden wir es bezahlen müssen, wären wir thöricht genug zu glauben, ein Volk könne aus solcher Knechtschaft, wie wir sie eben abgeschüttelt, gleich mit einem kühnen Sprung zu der herrlichsten aber gerade durch ihre Einfachheit auch schwierigsten Regierung, der Selbstregierung gelangen. Unsere Tagelöhner und Häusler, unsere Knechte und Bauern sind eben Menschen, die noch kein eigenes Urtheil haben und sich deshalb so lange von anderen Menschen werden leiten und bei der Nase herumführen lassen, bis die heranwachsende Generation einmal mit frischen lebendigen Geisteskräften und klarem Bewußtsein ersteht, das aber ist jetzt unsere Aufgabe, eben die heranwachsende Generation und mit ihr das ganze künftige, und Gott wolle es fügen, einige Deutschland, ist in unsere Hände gegeben, daß wir den Saamen in das fruchtbare Erdreich streuen und in unseren eigenen Kindern die fröhliche herrliche Erndte aufkeimen und reifen sehen.«

Der Mann hatte sich bei den letzten Worten hoch aufgerichtet und sein über Hennig hinschweifender Blick hing wie begeistert an den blaßrothen Abendwolken, die von der untergehenden Sonne mit zartem Rosenhauch übergossen, wie sehnsüchtig und liebend ihr nachzustreben schienen in das Gluthenmeer ihres leuchtenden Grabes.

»Hallo Schulmeester un keen Ende,« lachte da plötzlich eine derbe aber gutmüthige Stimme, und Meinhardt, ein Bauer aus Horneck, derselbe, der am Sonnabend Nachmittag Klage beim Pastor gegen den alten Lehrer geführt, trat aus einer der nächsten Gruppen auf die beiden Männer zu – »hul mich diasar und jäner, wu mer hiar hintrett, trett mer uff'n Schulmeester, 's kriwwelt und wimmelt urdentlich von em. Aber lieb is mer'sch, daß ich Uech finge, Herr Hennig, Ihr kennt mer en großen Gefallen duhn.«

»Wäre der Herr Pastor das nicht vielleicht eher im Stande?« frug Hennig, der den Auftritt vom vorigen Morgen noch zu frisch im Gedächtniß hatte, nicht ohne Bitterkeit.

»Ach papperlapapp!« brummte der Bauer und kratzte sich unter der Mütze den dicken Schädel, »der Pastor sieht ooch durch en Brät – wenn en Loch drinne is – aber – Ihr hatt recht – ich han's gestern dumm angefangt, aber main verwetterter Junge hatte de Schuld – Jimine, wie han ich en ooch gekeilt – na, der lügt mer nich mehr de Hucke vull – doch – was ich nuch sagen wolle, Schulmeester – mein Junge war en Strick geweest – der Alte hatte'n gar nich so gehaun, Müllers Gottlieb warsch gewäsen, bei dem meine Krete dreuge Aeppel gemaust hatte – nu, Recht iss'n geschähn – ich wülle, se hatten em de Hingerpastete so waich gekluppt wie en Bingel Flachs – un nu han ich dem Schulmeester Unrecht gethan, un ich han em en ganzen Kurb vull Wirschte un Speck un Eier nuff geschickt – un den Jungen ooch; an den soll er sich nu noch en ganz besonderes Plaisir machen, un wenn er en halwes Dutzend Schtecken uff'm verschlaiht, ich han nischt derwidder.«

»Aber was kann ich dabei thun?« sagte Hennig kopfschüttelnd, denn mit innerem Weh durchzuckte ihn der Gedanke, wie Unrecht nun dem armen alten Lehrer gestern in Gegenwart dieses Mannes, in Gegenwart seines eigenen Schülers, und wie sich nun herausstellte, so ganz grundlos und unschuldig geschehen sei – »gekränkt habt Ihr den alten Mann durch Worte und That – glaubt Ihr das jetzt wieder durch Geschenke ungeschehen machen zu können?«

»Ne –« sagte der Bauer und kratzte sich immer bedenklicher den blonden struppigen Kopf – »ne, un desserwägen sullt Ihr mer en Bischen mit uf's Rad steigen, daß mer nich umkippen. – Ihr hatt's Maulwerk uff der richt'gen Ställe, un da megt ich uech bitten, den Schulmeester en Bischen ummen Bart rim zu gehn, bis er widder gut is – den Jungen sill er prügeln bis er blau un schwarz sicht, un wenn sich meine Ole das Maul noch e Mol värbrennt, dann kreiht se eens druff – nich wahr Schulmeester, Ihr sidd so gut?«

3Sächsische Schulzeitung.
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