Erfolg ist ein Mannschaftssport

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Erfolg ist ein Mannschaftssport
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STEPHANIE BORGERT

Erfolg ist ein Mannschaftssport

Das Playbook für mehr Selbstorganisation im Unternehmen


Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

© 2021 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2021 erschienenen Buchtitel »Erfolg ist ein Mannschaftssport« von Stephanie Borgert © 2021 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-032-2

ISBN epub: 978-3-96740-039-7

Lektorat: Anke Schild, Hamburg

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfoto: Jan Hillnhütter, Schifferstadt

Illustrationen: Sandra Schulze, Heidelberg | www.sandraschulze.com

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

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»Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es,

der uns produktiv macht.«

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Inhalt

Vorwort

1. Eine Frage der Perspektive

2. Gemeinsam sind wir …

3. Wie aus einer Geschichte Wirklichkeit wurde: Ein Interview mit Martina Kornthaler von der Saubermacher AG

4. Organisieren

5. Ohne Konflikt keine Entscheidung

6. »Wir liefern nicht einfach Pflegeleistungen, wir lösen Probleme«: Ein Interview mit Jos de Blok von Buurtzorg

7. Führung ist Teamsache

8. Nachhaltig selbstorganisiert

9. Von hier nach morgen – den Übergang gestalten

10. »Von der Hierarchie zur Dezentralisierung«: Ein Interview mit Axel Kummer, Jana Schlecht und Michael Fleischmann von der metafinanz GmbH

Literaturempfehlungen

Über die Autorin

Vorwort

Ist nicht längst alles gesagt zu Agilität, Selbstorganisation und New Work? Die unzähligen Veröffentlichungen an jedem einzelnen Tag geben Tipps wie »So gelingt die Transformation wirklich« und »Selbstorganisation braucht Reife«. Nicht zu vergessen die vielen Methoden für Retrospektiven und Brainstormings. Es scheint doch alles da zu sein für ein gelingendes »Mehr an Selbstorganisation«. Viele Unternehmen schreiben Bücher über ihre Wandlung vom Command-and-Control-Saulus zum agilen Paulus. Und all die zertifizierten SCRUM-Master und Agile Coaches können doch nicht irren. Oder doch? Ist wirklich alles auf einem guten Weg?

Meine Beobachtung ist eine andere und dabei spreche ich den Menschen ihren guten Willen und ihr Engagement nicht ab. In Workshops mit agilen Teams oder auf Strategietagungen mit Führungsteams erlebe ich eine große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Methoden sind verstanden, aber in der Tiefe ist Grundlegendes über die Zusammenarbeit in sozialen Systemen unklar und nicht durchdacht. Eine »neue Welt« zu schaffen gelingt nur, wenn die alte losgelassen wird. Dazu braucht es Beobachtung und Reflexion der individuellen und kollektiven Denkmuster, und zwar auf verschiedenen Ebenen.

Wenn Organisation betrachtet wird, gerät der Mensch aus dem Blick. Wird der Mensch fokussiert, bleiben Struktur und Bedingungen der Organisation außen vor. Im Team kommen beide Perspektiven zusammen. Team und damit Teamarbeit lassen sich nicht ohne Organisation und nicht ohne Menschen denken.

Bücher zu konkreten Organisationsmodellen und ihrem »Ausrollen«, Methoden und Checklisten für agiles Arbeiten und Ratgeber für Selbstorganisation gibt es ausreichend. Davon braucht es gerade nicht noch mehr, zumal ihre Inhalte nur auf einem bereiteten Boden Früchte tragen können. Deshalb entschied ich mich, ein grundlegendes Buch zu schreiben. Es enthält die wichtigsten Grundkenntnisse, die in jeder Organisation bekannt und eingeatmet sein sollten, bevor über mehr Selbstorganisation nachgedacht wird.

Was also erwartet Sie auf den folgenden Seiten? – Sichtweisen, Gedanken, Anregungen, Einladungen zur Reflexion, Irritation, Denken über das Denken.

Was Sie in diesem Buch nicht erwarten können: Rezepte, schnelle Erklärungen, Best Practice, Ratschläge und (vermeintlicher) Feenstaub.

Einige Wegweiser werden Ihnen auf der Reise durch die Kapitel immer wieder begegnen:


Einzelreflexion: Hier können Sie für sich persönlich reflektieren, »wie Sie ticken« – in Bezug auf Menschen, Teams, Organisation und Zusammenarbeit.


Teamreflexion / Teamübung: Auch als Team sollten Sie sich Ihrer Grundannahmen und mentalen Modelle bewusst sein. Einladungen zur gemeinsamen Reflexion finden Sie zu allen wichtigen Aspekten.


Philosophischer Impuls: Denken ist wichtig für lebhafte und erfolgreiche Zusammenarbeit. Dabei spielt das Wie des Denkens eine mindestens ebenso große Rolle wie das, was wir denken. Mögen diese Impulse Sie irritieren.

Genug der Vorrede, jetzt sind Sie dran. Ihnen wünsche ich viel Vergnügen, Anregung und Irritation bei der Lektüre.


1
Eine Frage der Perspektive

Jeder Mensch entscheidet für sich, wie er oder sie die Welt sieht. Es mag noch immer Menschen geben, die in der Illusion verfangen sind, sie sähen die Welt so, wie die Welt ist. Den meisten ist jedoch klar, dass wir alle die Welt sehen, wie wir sie in unserem Kopf konstruieren. Nur bewusst ist uns diese Tatsache trotzdem nicht ständig. Und wenn es dann im Arbeitsalltag turbulent wird, Probleme oder Konflikte auftauchen, navigieren wir per Autopilot durch die Situation. Unsere Weltsicht hat entscheidenden Einfluss auf unser Denken, Handeln, Reagieren und Entscheiden. Sich seiner individuellen Lieblingsansicht bewusst zu werden, ist ein wichtiger Schritt in Richtung konstruktiver Zusammenarbeit mit anderen. Ein weiterer ist die Fähigkeit, zusätzliche Perspektiven einzunehmen. Dazu lade ich Sie im folgenden Kapitel ein. Denn wir alle sind auch Pippi Langstrumpf und machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

Was sehen Sie?


Schauen Sie sich die nachfolgende Grafik an, und halten Sie fest, was Sie dazu denken. Beachten Sie dabei Ihre genaue Formulierung. Die meisten Menschen sagen etwas wie »Es ist eine Ente« oder »Es ist ein Kaninchen«. Erst wenn die Dualität auffällt, kommt es zu Aussagen wie »Ich sehe es als …«. Das ist der Unterschied zwischen Wahrnehmung und Interpretation.


Die Grundhaltung, mit der ich dieses Buch schreibe und die ich Sie bitte einzunehmen, während Sie es lesen und durcharbeiten: Wir haben keinen direkten Zugriff auf die Realität, wir konstruieren sie. Objektive Betrachtung ist eine Illusion. Es ist vielmehr so, als existiere eine Art Linse zwischen uns (als Individuum) und der Realität. Diese Linse besteht aus unseren mentalen Modellen, also unseren Überzeugungen, Vorurteilen, Stereotypen und Erfahrungen. Und eben weil es diese Linse gibt, ist alles Interpretation und nicht »mein objektiver, klarer Blick aufs Geschehen«. So entstehen bei Begriffen wie »Selbstorganisation«, »Agilität«, »Führung« oder jedem beliebigen anderen verschiedenste Bilder in den Köpfen der Menschen. Und in keinem der beteiligten Köpfe existiert das einzig wahre Bild.

 

Unsere mentalen Modelle sind ebenso verschieden wie die entstehenden Bilder. Sie sind unsere Weltanschauung und sorgen dafür, dass wir bestimmte Aspekte fokussieren, andere ignorieren und Situationen in einer bestimmten Weise interpretieren. Wann immer wir an einen Punkt gelangen, an dem unsere Überzeugungen nicht zur (vermeintlichen) Realität passen, haben wir die Chance, zu lernen und unsere mentalen Modelle anzupassen. In dem großen Themenkomplex Zusammenarbeit, Selbstorganisation, Führung, Organisation erlebe ich, dass die alten, im Industriezeitalter geprägten Modelle noch immer quicklebendig sind und ihre Wirkung entfalten. An vielen Stellen ist es längst an der Zeit für ein Update. Der erste Schritt dabei ist es, sich die eigenen Überzeugungen, die eigene Linse also, bewusst zu machen.

MEHR SELBSTORGANISATION FÜHRT ZU …

Die IT-Verantwortlichen zweier großer Konzerne aus verschiedenen Branchen treffen sich zu einem Erfahrungsaustausch über ihre agile Transformation, die sie sehr unterschiedlich motiviert vor einiger Zeit begonnen haben. Mit dabei ist auch jeweils ein Vertreter des Betriebsrates. In der Diskussion wird schnell deutlich, dass in den Köpfen der beiden Herren völlig diverse Bilder über die Auswirkung von mehr Selbstorganisation existieren. Während der eine Betriebsrat sieht, dass mehr Mitbestimmung und stringente Prozesse zu einer guten Balance in der Arbeitsauslastung führen, liegt für den anderen darin eine sehr große Gefahr der Ausbeutung von Mitarbeitenden und hoher Krankenstände. So ist es nicht verwunderlich, dass in dem einen Fall der Betriebsrat die Transformation mitträgt und gestaltet, während er im anderen Fall als Bedenkenträger eher für Verlangsamung sorgt. Worüber reden diese beiden Herren dabei? Über ihre Erfahrungen nur bedingt, denn in beiden Fällen gibt es noch keine »verlässliche Wahrheit« über die jeweilige Wirkung von mehr Selbstorganisation und Mitbestimmung. Sie sprechen über ihre mentalen Modelle, ihre Sicht auf Arbeit, Menschen, Organisation, Mitbestimmung, Eigenverantwortung und all die anderen Aspekte, die hineinspielen. Es sind nicht Fakten und Objektivität, die ausgesprochen werden, sondern Perspektiven.

Der zweite wesentliche Schritt besteht darin, passende mentale Modelle zu gestalten. Dazu ist es notwendig, zu verstehen, wie wir Menschen aus den Informationen, die von der Realität als Feedback zu uns kommen, unsere Sichtweisen und Überzeugungen konstruieren. »DSRP« nennen das Derek und Laura Cabrera (Cabrera 2016). Es ist der kognitive Code, die Basis für den Vorgang der Modellbildung.

Distinctions: Wir unterscheiden Dinge, Informationen, Aspekte und so weiter voneinander.

Systems: Wir organisieren Informationen in Systemen und betrachten sie im Detail und im Ganzen.

Relationships: Die Beziehungen und Wechselwirkungen werden uns deutlich.

Perspectives: Wir betrachten Informationen aus unseren bevorzugten Blickwinkeln.

Auf diese Weise strukturieren wir das Feedback aus der Realität und geben der Information eine Bedeutung. Das geschieht unabhängig davon, ob es uns bewusst ist oder nicht. Beziehen wir DSRP in unsere Reflexion mit ein, dann denken wir über unser Denken nach. Metakognition ist für alle Menschen trainierbar (das Können steht außer Frage) und hilft uns, differenzierter zu denken, besser zu kommunizieren, passendere Entscheidungen zu treffen und in Teams erfolgreicher und stressfreier zu agieren. Sich des eigenen Denkens und der Konstruktion der subjektiven Realität bewusst zu sein, ist die Grundzutat für Systemdenken.

Wenn die Lösung das Problem verschlimmert

»Wir brauchen mehr Selbstorganisation!« So oder so ähnlich lautet die Formulierung vieler Verantwortlicher, wenn eine Auftragsanfrage bei mir eintrifft. »Was genau meinen Sie damit?«, hake ich nach. Dann bekomme ich häufig Antworten wie »Die Mitarbeitenden sollen mehr Eigenverantwortung zeigen, das große Ganze sehen«. – »Spannend, für was genau wäre das gut?« – »Na ja, wir verlieren Marktanteile, unsere Time-to-Market ist zu lang, unsere Projekte laufen immer wieder aus dem Budget …« Oder, oder, oder. Diese Dialoge wiederholen sich stetig mit wechselnden Schwerpunkten. Was sie gemeinsam haben, ist die Vermischung von Ursache, Problem, Diagnose und Lösung. Und, ganz wichtig, die Psychologisierung der Zusammenarbeit. Aber der Reihe nach:

1. Die (vermeintliche) Lösung

Unabhängig davon, dass der Begriff »Selbstorganisation« zunächst erläutert und abgegrenzt werden muss, handelt es sich bei der obigen Aussage um eine für die Eigendiagnose als tauglich befundene Lösung. Die Sache hat aber mehrere Haken. Zum einen ist mehr Selbstorganisation für nichts eine Lösung. Sie ist ein Aspekt komplexer Systeme (Kapitel 4, Unterkapitel »Selbstorganisation«) und kann nicht »gemacht« werden. Zum anderen setzen viele Menschen sie mit Selbstmanagement gleich. Dürfen sich die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit selbst einteilen, so arbeiten sie selbstorganisiert? Mitnichten. Zudem ist die Aussage selbst so blasig, dass dahinter immer noch Weiteres steht. »Eigentlich wollen wir, dass …«

2. Die (vermeintliche) Diagnose

»Wir brauchen mehr Selbstorganisation, weil die Mitarbeitenden zu wenig Eigenverantwortung zeigen, ihre Ideen nicht einbringen, nur Dienst nach Vorschrift machen etc. pp.« Die Schwierigkeit an vielen solcher Diagnosen ist, dass sie selten das tatsächliche Problem adressieren und die Problematik auf die Menschen verschieben. Es entsteht leicht eine Psychologisierung ganzer Unternehmen, in denen immer alles konkreten Menschen zugeschrieben wird. Ja, Menschen handeln. Die meisten Probleme, vor allem die Dauerbrenner, sind jedoch strukturell bedingt und nicht durch die Persönlichkeit der Handelnden. Die so gestellten Diagnosen bringen dabei ein Denkmodell an die Oberfläche, das weithin verbreitet ist, nämlich, dass die Menschen (im Schwerpunkt die Mitarbeitenden) irgendwie verkehrt seien, repariert, vervollständigt, entwickelt oder umerzogen werden müssten.

3. Das (vermeintliche) Problem

Der Mensch im Allgemeinen und im Besonderen wird immer wieder in den Problemfokus gestellt. »Mit unseren Mitarbeitenden geht das nicht. Die wollen sich nicht verändern. Die können nicht ›agil‹.« So hat man stets lineare Kausalketten zur Verfügung und kann viel Zeit für das »Korrigieren« der Mitarbeitenden verwenden. Bei schneller, oberflächlicher Betrachtung der Vorgänge wird leicht ein Symptom zum Problem erklärt. Das hilft nur leider nicht bei der Problemlösung, denn ein echtes Problem kommt wieder, wenn es nicht ursächlich bearbeitet wird.

4. Die Ursache

In der Komplexität unserer Organisationen ist es nicht immer leicht, eine Problemursache auszumachen. Oft kommen wir angesichts multikausaler Zusammenhänge nicht über die Arbeit mit Hypothesen hinaus. Und dann liegen Ursache und Wirkung zeitlich wie örtlich eher selten nah beieinander. Üblicherweise sind wir aber darauf gedrillt, schnell und eindeutig Ross und Reiter zu benennen, weshalb so oft das Postulat zu hören ist: »Wir brauchen mehr Selbstorganisation.«

Spinnen wir die Idee »Wir brauchen mehr …« weiter, dann wird also ein Unternehmen einige seiner Bereiche »selbstorganisiert aufstellen«. In der Praxis bedeutet das häufig, dass agile Methoden wie SCRUM eingeführt werden. Sonst ändert sich meist nichts. Der Appell lautet: Liebe Mitarbeitende, arbeitet jetzt agil, damit wir unsere Time-to-Market verbessern und wieder Marktanteile gewinnen. Die zweite Satzhälfte wird selten mitgeliefert, also verkürzt: Seid selbstorganisierter. Diese Erwartung stürzt alle Beteiligten in ein Dilemma.

Unsere Diagnosen


Reflektieren Sie als Team gemeinsam kürzlich diskutierte Probleme, Projekte, Entscheidungen. Machen Sie sich Notizen dazu, was Sie als Problem benannt haben, welche Ursache Sie identifizierten und mit welcher Lösung Sie Abhilfe schaffen wollten. Notieren Sie Stichpunkte dazu auf Post-its. Hinterfragen Sie nun noch einmal Ihre Diagnose, indem Sie die aufgeschriebenen Aspekte in die Kategorien Symptom, Problem, Ursache, Lösung und Diagnose einteilen. Dieser Schritt sollte im Diskurs stattfinden, er sorgt oftmals für Erkenntnisse über die jeweiligen mentalen Modelle. Es gibt in dieser Reflexion kein Richtig oder Falsch. Es geht vielmehr darum, sich der schnellen und häufig unterkomplexen Betrachtung von Situationen bewusst zu werden und für die Zukunft ein genaueres Hinschauen zu trainieren.

Strukturen, Vorgaben, Prozesse, Regeln, die Art der Zusammenarbeit bleiben gleich; ändern soll sich das Verhalten der Mitarbeitenden – gegen das bestehende System. Wie wird das ausgehen? Meist werden die Menschen verunsichert und trauen sich schlichtweg nicht, ernsthaft agil zu arbeiten. Es entsteht Unruhe, und man beschäftigt sich mit sich selbst, was kaum der Time-to-Market zugutekommt. Zur Absicherung werden eventuell weitere Prozessschritte etabliert, neue Abstimmungsrunden festgelegt oder sonst wie ein Ausgleich zwischen nicht erfüllbarer Erwartung und Arbeitserfüllung geschaffen. Nach einer Weile folgt womöglich die nächste Diagnose: »Unsere Mitarbeitenden können ›agil‹ nicht!«

Tragisch, denn die Mitarbeitenden werden diffamiert und das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Im Gegenteil, es kann sich sogar verstärken, indem die Unsicherheit der Menschen zu noch mehr Absicherung, Vorsicht und damit Verlangsamung führt. Ich persönlich mag an dieser Stelle die Frage: »Wie haben Sie das den Mitarbeitenden beigebracht?« Warum ist Dienst nach Vorschrift so beliebt? Weil es so stressfreier ist oder sicherer oder bequemer. Dann sind wir wieder an dem Punkt, die Struktur zu hinterfragen. Wenn es für die Menschen besser ist, sich so als anders zu verhalten, liegt der Grund in der Art, wie Zusammenarbeit verabredet ist. Das ist der Hebelpunkt, er liegt nicht in den Menschen selbst.

5. Die Psychologisierung der Zusammenarbeit

»Frau Müller kommt dauernd zu spät zum Daily. Ihr sind wir doch total egal. Sie ist halt ein Ego-Shooter.« »Unser Chef macht nie klare Ansagen. Er ist eben ein introvertierter, harmoniebedürftiger Mensch.« Diese Zitate aus der Rubrik Hobbypsychologie sind nur zwei Beispiele für das, was minütlich in unseren Organisationen geschieht. Ein Mensch verhält sich, ihm oder ihr wird ein Motiv und die entsprechende Persönlichkeit zugeschrieben. Und es ist in der Tat recht schwer, sich dem zu entziehen. Werden wir doch damit groß und üben die Psychologisierung in der Kaffeeküche ebenso wie am Stammtisch. »Dein Kollege hat heute unkonzentriert Tennis gespielt? Bestimmt belastet ihn Ärger mit dem Boss.« Jedes Team hat meist so viele Hobbypsychologen wie Mitglieder. Und das Spiel »Lass uns psychologisieren« macht ja mitunter auch Spaß, aber es verstellt uns den Blick auf Wesentliches. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die einzelnen Menschen, weshalb Dynamiken, Wechselwirkungen und Strukturen weitgehend unbeachtet bleiben. Das ist nicht nur einfach schade, es ist ein Problem, denn die ewigen Versuche, die Menschen zu entwickeln, zu coachen, zu bilden, an Bord zu holen, einzunorden, zu motivieren und zurechtzustutzen, führen nicht zum Erfolg, wenn es darum geht, wie Zusammenarbeit stattfindet.

Die Psychologisierung verstellt uns den systemischen Blick. Fokussieren wir Individuen, schauen wir nicht auf das System. Somit entgehen uns weitere Lösungsmöglichkeiten, Ideen und Erkenntnisse. Deshalb ist es mein Anliegen, auch mit diesem Buch, den systemischen Blick auf Teams und Organisationen zu trainieren. Es geht um eine Sichtweise, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Hand aufs Herz


Denken Sie an ein markantes Ereignis, beispielsweise einen Konflikt, zurück. Lassen Sie die Situation noch einmal vor Ihrem inneren Auge entstehen, und erinnern Sie sich, welche Gedanken Sie hatten. Wie haben Sie über die handelnden Personen gedacht? Welche Motive haben Sie ihnen zugeschrieben? Wie kamen Sie darauf? Auf Basis welcher Annahmen haben Sie die Situation und die Beteiligten beurteilt? Inwieweit haben Sie die Umstände berücksichtigt? Welche Glaubenssätze lagen Ihren Gedanken zugrunde?

Die stete Psychologisierung halte ich für eine der »Lösungen«, die das Problem verschlimmern, weshalb mir auch in diesem Buch das Denken in Systemen so wichtig ist. In den folgenden Kapiteln gilt durchgängig der Grundsatz: Wir betrachten Teams, Gruppen, Abteilungen, Bereiche, Organisationen als komplexe, soziale Systeme.

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