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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Ja, Sire: man machte auch eine Promotion von Feldmarschällen, wobei der Minister Chamillard sich wohl hütete, den Namen des Marquis auf die Beförderungsliste zu setzen.«

»Und wie endigte dieser Held, der mir der Condé vom Geschlechte der Riquetti zu sein scheint?« fragte lachend der König.

»Sire, aus ein schönes Leben folgt ein schöner Tod,« erwiederte Gilbert mit ernstem Tone. »In der Schlacht von Cossano beauftragt, eine von den Kaiserlichen angegriffene Brücke zu vertheidigen, ließ er nach seiner Gewohnheit seine Soldaten mit dem Bauche aus die Erde liegen, und er, ein Riese, blieb aufrecht stehen und bot sich als Zielpunkt dem Feuer des Feindes. Eine Folge hiervon war, daß die Kugeln wie Hagel um ihn zu pfeifen ansingen; aber er rührte sich ebenso wenig als ein Wegweiser. Eine von diesen Kugeln zerschmetterte vor Allem seinen rechten Arm; doch Sie begreifen, Sire, das war nichts. Er nahm sein Taschentuch, machte sich damit für seinen rechten Arm eine Binde und ergriff mit seiner linken Hand eine Art, seine gewöhnliche Waffe, denn er verachtete den Säbel und den Degen als zu unbedeutend in ihrer Anwendung; doch kaum hatte er dieses Manoeuvre vollführt, als ihn ein zweiter Schuß an den Hals traf und die Kehlader, sowie die Nerven des Halses abschnitt. Diesmal war es ernster. Trotz der gräßlichen Wunde blieb der Koloß noch einen Augenblick stehen; dann aber stürzte er wie ein Baum, den man entwurzelt, auf die Brücke nieder. Bei diesem Anblick wurde das Regiment entmuthigt und floh; mit seinem Chef hatte es seine Seele verloren. Ein alter Sergent, welcher hoffte, er sei nicht ganz todt, wirft ihm im Vorbeilaufen einen Fleischhafen aus den Kopf, und seinem Regimente nachsetzend, passirt das ganze Heer des Prinzen Eugen, Cavalerie und Infanterie, über seinen Leib. Als die Schlacht beendigt war, hatte man die Leichen zu begraben. Der prächtige Rock des Marquis machte, daß man ihn bemerkte. Einer von seinen Soldaten, den man gefangen genommen, erkannte ihn. Der Prinz Eugen, da er sah, daß er athmete oder vielmehr noch röchelte, befahl, ihn in das Lager des Herzogs von Vendome zurückzutragen. Der Befehl wird vollzogen. Man bringt den Körper des Marquis in das Zelt des Herzogs, wo sich zufälliger Weise der berühmte Wundarzt Dumoulin befindet. Das war ein Mann voll Phantasie: es erfaßt ihn die Idee diesen Leichnam in’s Leben zurückzurufen; die Cux reizt ihn um so mehr, als sie unmöglich scheint. Außer dieser Blessur, die ihm, abgesehen vom Rückgrath und einigen Fetzen Fleisch, den Kopf fast von der Schulter trennte, war sein ganzer Körper, über welchen dreitausend Pferde und sechstausend Fußgänger gezogen, nur eine Wunde. Drei Tage bezweifelte man, ob er zum Bewußtsein kommen werde. Nach drei Tagen öffnet er ein Auge; zwei Tage nachher rührt er einen Arm; kurz, er unterstützt die Hartnäckigkeit von Dumoulin mit einer gleichen Hartnäckigkeit, und nach drei Monaten sieht man den Marquis Jean Antoine mit einem gebrochenen, von einer schwarzen Binde getragenen Arm, mit sieben und zwanzig auf seinem ganzen Leibe zerstreuten Wunden, – vier mehr, als Cäsar, – und den Kopf gestützt durch ein silbernes Halsband, wieder erscheinen. Sein erster Besuch galt Versailles, wohin ihn der Herr Herzog von Vendome führte, und wo er dem König vorgestellt wurde, der ihn fragte, warum er, da er die Probe von einer solchen Tapferkeit abgelegt, noch nicht Feldmarschall sei. »»Sire,«« antwortete der Marquis Antoine, »»wenn ich, statt auf der Brücke von Cassano zu ihrer Vertheidigung zu bleiben, an den Hof gekommen wäre, um ein leichtfertiges Weib zu bestechen, so hätte ich mein Avancement und weniger Wunden bekommen.«« Ludwig XIV. liebte es nicht, daß man ihm so antwortete; er wandte auch dem Marquis den Rücken zu. »»Jean Antoine, mein Freund,«« sagte zu diesem, als sie weggingen, Herr von Vendome, »»fortan werde ich Dich dem Feinde, aber nie dem König vorstellen.«« Einige Monate nachher heirathete der Marquis mit seinen sieben und zwanzig Wunden, mit seinem gebrochenen Arme und seinem silbernen Halsband Fräulein von Castellane Norante, mit welcher er zwischen sieben Feldzügen sieben Kinder zeugte. Zuweilen, aber selten, wie die wahren Braven, sprach er von der Affaire von Cassano, und wenn er davon sprach, so pflegte er zu sagen: »»Das ist die Schlacht, wo ich getödtet wurde.««

»Sie sagen mir wohl,« sprach Ludwig XVI. der sich sichtbar an dieser Aufzählung der Vorfahren von Mirabeau ergötzte, »Sie sagen mir wohl, mein lieber Doctor, wie der Marquis getödtet wurde, aber Sie sagen mir nicht, wie er gestorben ist.«

»Er ist gestorben im Schlosse Mirabeau, einem auf einem abschüssigen Felsen liegenden, einen doppelten, beständig vom Nordwinde gepeitschten, Paß versperrenden, herben, harten Aufenthaltsorte; er ist gestorben mit jener gebieterischen, rauhen Rinde, die sich auf der Haut der Riquetti, je mehr sie alt werden, bildet, seine Kinder in der Unterwürfigkeit und in der Ehrfurcht erziehend und sie in einer solchen Entfernung haltend, daß der älteste von seinen Söhnen sagte: »»Ich habe nie die Ehre gehabt, die Hand, die Lippen oder das Fleisch dieses ausgezeichneten Mannes zu berühren.«« Dieser älteste Sohn, Sire, war der Vater des gegenwärtigen Mirabeau, ein wilder Vogel, dessen Nest zwischen vier Thürmchen gemacht war, der sich nie, wie er sagte, enversailliren wollte, weshalb ihm ohne Zweifel Eure Majestät, die ihn nicht kennt, keine Gerechtigkeit widerfahren läßt.«

»Doch, mein Herr,« entgegnete der König, »doch, ich kenne ihn; im Gegentheil, er ist einer der Cheff der ökonomischen Schule. Er hatte Theil an der Revolution, welche in Erfüllung geht, indem er das Signal zu socialen Reformen gab und viele Irrthümer und einige Wahrheiten popularisirte, was um so strafbarer von ihm, als er die Lage vorhersah, er, der sagte: »»Es gibt heute keinen Frauenleib, der nicht einen Artevelle oder einen Masaniello trägt.««

»Sire, es ist in Mirabeau etwas, was Eurer Majestät widerstrebt oder sie erschreckt; lassen Sie mich ihr sagen, daß es der väterliche Despotismus und der königliche Despotismus sind, die Alles dies gethan haben.«

»Der königliche Despotismus!« rief Ludwig XVI.

»Allerdings, Sire; ohne den König vermochte der Vater nichts; denn welches Verbrechen hatte am Ende der Abkömmling dieses großen Geschlechtes begangen, daß ihn sein Vater mit vierzehn Jahren in eine Correctionsschule schickte, wo man ihn, um ihn zu demüthigen, nicht unter dem Namen Riquetti von Mirabeau, sondern unter dem Namen Bussières einschrieb? Was hatte er gethan, daß mit achtzehn Jahren sein Vater einen Geheimbrief gegen ihn erhielt und ihn aus der Insel Ré einsperrte? Was hatte er gethan, daß ihn sein Vater mit zwanzig Jahren in die Reihen eines Disciplinar-Bataillon schickte, um den Krieg in Corsica mitzumachen, mit der Weissagung seines Vaters: »»Er wird sich am 16. April auf der Ebene einschiffen, die sich ganz allein durchfurcht; Gott gebe, daß er dort nicht einen Tag rudere.«« Was hatte er gethan, daß nach einer einjährigen Ehe sein Vater ihn nach Manosque verbannte? Was hatte er gethan, daß nach einer Verbannung von sechs Monaten nach Manosque sein Vater ihn nach dem Fort Joux bringen ließ? Was hatte er endlich gethan, um nach seiner Entweichung in Amsterdam verhaftet und in den Thurm von Vincennes eingesperrt zu werden, wo als ganzer Raum ihm, der in der Welt erstickt, die väterliche Milde in Verbindung mit der königlichen Milde einen Kerker von zehn Quadratfuß gibt, wo fünf Jahre seine Jugend sich heftig bewegt, seine Leidenschaft brüllt, zu gleicher Zeit aber sein Geist wächst und sich erhöht und sein Herz sich stärkt?  . . .Was er gethan hatte, will ich Eurer Majestät sagen. Er hatte seinen Professor Poisson durch seine Leichtigkeit, Alles zu lernen und Alles zu begreifen, verführt; er hatte tüchtig an der ökonomischen Wissenschaft angebissen; er hatte, da er die militärische Laufbahn ergriffen, sie fortzusetzen gewünscht; er hatte, aus sechstausend Livres Einkommen mit seiner Frau und einem Kinde beschränkt, ungefähr dreißig tausend Franken Schulden gemacht; er hatte seine Verbannung in Manosque gebrochen, um einen unverschämten Edelmann, der seine Schwester beschimpft, zu prügeln; er hatte endlich, – und das ist sein größtes Verbrechen, Sire, – den Verlockungen einer jungen und hübschen Frau nachgebend, diese Frau ihrem alten, hinfälligen, mürrischen, eifersüchtigen Manne entführt.«

»Ja, mein Herr, und zwar, um sie nachher zu verlassen.« sagte der König; »so daß die unglückliche Frau von Monnier, als sie mit ihrem Verbrechen allein geblieben war, sich den Tod gab.«

Gilbert schlug die Augen zum Himmel aus und stieß einen Seufzer aus.

»Sprechen Sie, was haben Sie hierauf zu antworten, mein Herr, und wie vertheidigen Sie Ihren Mirabeau?«

»Durch die Wahrheit, Sire, durch die Wahrheit, welche so schwer bis zu den Königen dringt, daß Sie, der Sie sie suchen, der Sie sie verlangen, der Sie sie herbeirufen, dieselbe beinahe nie kennen. Nein, Sire, Frau von Monnier ist nicht gestorben, weil Mirabeau sie verlassen, denn als er aus Vincennes herauskam, galt sein erster Besuch ihr. Er tritt als Hausirer verkleidet in das Kloster von Gien, wo sie ein Asyl gefordert hatte, ein; er findet Sophie kalt, gezwungen. Eine Erklärung findet statt; Mirabeau bemerkt, daß Frau von Monnier ihn nicht nur nicht mehr liebt, sondern daß sie sogar einen Andern liebt: den Chevalier von Raucourt. Diesen Andern ist sie, durch den Tod ihres Gatten frei geworden, zu heirathen im Begriffe. Mirabeau ist zu frühe aus dem Gefängniß gekommen; man zählte aus seine Gefangenschaft, man wird sich damit begnügen müssen, daß man seine Ehre tödtet. Mirabeau tritt den Platz seinem glücklichen Nebenbuhler ab, Mirabeau zieht sich zurück; Frau von Monnier ist, wie gesagt, im Begriffe, Herrn von Raucourt zu heirathen: Herr von Raucourt stirbt plötzlich! Die arme Frau hatte ihr ganzes Herz und ihr ganzes Leben in diese letzte Liebe gelegt. Vor einem Monat, am 9. September, schließt sie sich in ihr Cabinet ein und erstickt sich. Dann schrieen die Feinde von Mirabeau, sie sterbe, weil ihr erster Liebhaber sie verlassen, während sie aus Liebe für einen zweiten stirbt . . .. Oh! die Geschichte, die Geschichte, so schreibt man sie!«

 

»Ah!« sagte der König, »darum hat er also diese Nachricht mit so großer Gleichgültigkeit aufgenommen?«

»Wie er sie ausgenommen, kann ich Eurer Majestät auch sagen, Sire, denn ich kenne denjenigen, welcher sie ihm mitgetheilt hat: es ist eines der Miglieder der Nationalversammlung. Fragen Sie ihn selbst, er wird es nicht wagen zu lügen, denn es ist ein Priester; es ist der Pfarrer von Gien, der Abbé, Vallet; er sitzt auf den Bänken, welche denen entgegengesetzt, wo Mirabeau seinen Platz einnimmt. Er durchschritt den Saal und setzte sich zum großen Erstaunen des Grafen zu diesem. »«Was Teufels wollen Sie hier«« fragte ihn Mirabeau. Ohne zu antworten, übergab ihm der Abbé Vallet einen Brief, der die unselige Kunde in allen ihren Einzelheiten mittheilte. Der Graf öffnete ihn und las lange, denn ohne Zweifel konnte er nicht an das Geschehene glauben. Dann las er ihn zum zweiten Mal, und während dieses zweiten Males entfärbte sich von Zeit zu Zeit sein Gesicht; er fuhr mit seinen Händen über seine Stirne, wischte sich zugleich die Augen ab, hustete, spuckte aus und versuchte es, wieder Herr über sich zu werden. Endlich mußte er nachgeben. Er stand aus, ging hastig hinaus und erschien drei Tage nicht mehr in der Versammlung. . . Oh! Sire, Sire, verzeihen Sie mir, daß ich in alle diese Einzelheiten eingehe; es genügt, ein Mann von gewöhnlichem Genie zu sein, um in allen Punkten und über jede Sache verleumdet zu werden; um so viel mehr, wenn der Mann von Genie ein Riese ist!«

»Warum ist es denn so, Doctor? und welches Interesse hat man, bei mir Herrn von Mirabeau zu verleumden?«

»Welches Interesse man habe, Sire? das Interesse, das jede Mittelmäßigkeit hat, ihren Platz beim Throne zu behalten, Mirabeau ist keiner von den Menschen, die in den Tempel eintreten können, ohne alle Verkäufer daraus zu verjagen. Mirabeau bei Ihnen, Sire, ist der Tod der kleinen Intriguen, die Verbannung der kleinen Intriganten. Mirabeau bei Ihnen ist das Genie, welches der Redlichkeit den Weg vorzeichnet. Was liegt Ihnen daran, daß Mirabeau schlecht mit seiner Frau gelebt hat? Was liegt Ihnen daran, daß Mirabeau Frau von Monnier verführt hat? Was liegt Ihnen daran daß Mirabeau eine halbe Million Schulden hat? Bezahlen Sie diese halbe Million Schulden, Sire; dann fügen Sie diesen fünfmal hundert tausend Franken eine Million, zwei Millionen, zehn Millionen bei, wenn es sein muß! Mirabeau ist frei, lassen Sie Mirabeau nicht entschlüpfen; nehmen Sie ihn, machen Sie einen Rath, einen Minister aus ihm; hören Sie, was seine mächtige Stimme Ihnen sagen wird, und was sie Ihnen gesagt hat, wiederholen Sie Ihrem Volke, Europa, der Welt!«

»Herr von Mirabeau, der Tuchhändler in Aix, geworden ist, um vom Volke ernannt zu werden, Herr von Mirabeau kann seinen Comittenten nicht dadurch lügen, daß er die Partei des Volkes verläßt, um zu der des Hofes überzutreten.«

»Sire, Sire, ich wiederhole Ihnen, Sie kennen Mirabeau nicht: Mirabeau ist ein Aristokrat, ein Adeliger, ein Royalist vor Allem. Er hat sich vom Volke erwählen lassen, weil ihn der Adel verachtete, weil in Mirabeau das erhabene Bedürfniß war, welches die Männer von Genie quält, das Bedürfniß, durch irgend ein Mittel zum Ziele zu gelangen. Er werde die Volkspartei nicht der Hofpartei zu Liebe verlassen, sagen Sie? Ei! Sire, warum gibt es eine Volkspartei und eine Hofpartei? Warum bilden diese zwei Parteien nicht eine? Nun, das wird Mirabeau machen  . . .Nehmen Sie Mirabeau, Sire! Durch Ihre Verachtung zurückgestoßen, wird sich Mirabeau morgen vielleicht gegen Sie wenden, und dann, Sire, dann, – ich sage Ihnen das, und dieses Bild von Karl I. wird es Ihnen nach mir sagen, wie dasselbe es Ihnen vor mir gesagt hat, – dann wird Alles verloren sein!«

»Mirabeau werde sich gegen mich wenden, sagen Sie? ist das nicht schon geschehen, mein Herr?«

»Ja, scheinbar vielleicht; doch im Grunde gehört Mirabeau Ihnen. Fragen Sie den Grafen von der Mark, was er ihm gesagt hat nach der Sitzung vom 21. Juni, denn Mirabeau allein liest mit erschrecklichem Scharfsinn in der Zukunft.«

»Nun, was sagt er?«

»Er ringt vor Schmerz die Hände und ruft aus: »»So führt man die Könige zum Schaffot!«« und drei Tage nachher fügt er bei: »»Diese Leute sehen die Abgründe nicht, die sie unter den Schritten der Monarchie graben! Der König und die Königin werden dadurch um das Leben kommen, und das Volk wird über ihren Leichen in die Hände klatschen.««

Der König schauerte, erbleichte, schaute das Portrait von Karl l. An, und schien einen Augenblick bereit, sich zu entschließen, plötzlich aber sagte er:

»Ich werde hierüber mit der Königin reden, vielleicht entschließt sie sich, mit Herrn von Mirabeau zu sprechen; aber ich, ich werde nicht mit ihm sprechen. Ich mag gern den Leuten, mit denen ich rede, die Hand drücken, wie ich die Ihrige in diesem Augenblick drücke, und ich möchte nicht um den Preis meines Thrones, meiner Freiheit, meines Lebens Herrn von Mirabeau die Hand drücken.«

Gilbert wollte etwas erwiedern; vielleicht wollte er weiter in den König dringen, doch in diesem Augenblick trat ein Huissier ein und meldete:

»Sire, die Person, welche Eure Majestät diesen Morgen empfangen soll, ist angekommen und wartet im Vorzimmer.«

Ludwig XVI, machte eine Bewegung der Unruhe, während er Gilbert anschaute.

»Sire.« sagte dieser, »wenn ich die Person, welche Eure Majestät erwartet, nicht sehen soll, so werde ich durch eine andere Thür gehen.«

»Nein, mein Herr,« erwiederte Ludwig XVI., »gehen Sie durch diese; Sie wissen, daß ich Sie für meinen Freund halte und kein Geheimniß für Sie habe; überdies ist die Person, welche ich erwarte, ein einfacher Edelmann, der früher im Hause meines Bruders angestellt war und von diesem mir empfohlen wurde. Er ist ein treuer Diener, und ich will sehen, ob es möglich ist, etwas, wenn nicht für ihn, doch wenigstens für seine Frau und seine Kinder zu thun. – Gehen Sie, Herr Gilbert, Sie wissen, daß Sie stets willkommen sind, so oft Sie mich besuchen wollen, selbst wenn Sie kämen, um von Herrn Riquetti von Mirabeau zu sprechen.«

»Sire,« fragte Gilbert, »muß ich mich also für völlig geschlagen betrachten?«

»Ich habe Ihnen gesagt, mein Herr, ich werde mit der Königin sprechen, ich werde es überlegen; später wollen wir sehen.«

»Später, Sire! von jetzt bis zu diesem Augenblick werde ich zu Gott beten, daß es frühe genug sein möge.«

»Ho! Ho! glauben Sie denn, die Gefahr sei so drohend?«

»Sire,« sprach Gilbert, »lassen Sie nie aus Ihrem Zimmer das Portrait von Karl Stuart wegnehmen, es ist ein guter Rathgeber.«

Und, sich verbeugend, ging er gerade in dem Augenblick weg, wo die vom König erwartete Person bei der Thüre erschien.

Gilbert konnte einen Schrei des Erstaunens nicht zurückhalten, – Dieser Edelmann war der Marquis von Favras, den er acht oder zehn Tage früher bei Cagliostro getroffen, und von welchem dieser ihm einen so erschrecklichen, nahe bevorstehenden Tod verkündigt hatte.

XX
Favras

Während sich Gilbert entfernte, erfaßt von einem unbekannten Schrecken, den ihm nicht die wirkliche Seite, sondern die unsichtbare und geheimnißvolle Seile der Ereignisse einflößte, wurde der Marquis von Favras, wie wir im vorhergehenden Kapitel gesagt haben, bei Ludwig XVI. eingeführt.

Wie es der Doctor gemacht, blieb er bei der Thüre stehen, aber der König, der ihn schon bei seinem Eintritt gesehen, winkte ihm, näher zu kommen.

Favras trat vor, verbeugte sich und wartete ehrfurchtsvoll, daß der König ihn anrede.

Ludwig XVI. heftete auf ihn den forschenden Blick, der einen Theil der Erziehung der Könige zu bilden scheint und mehr oder minder oberflächlich, mehr oder minder tief ist, je nach dem Geiste desjenigen, welcher ihn anwendet.

Thomas Mahi, Marquis von Favras, war ein Edelmann von vornehmer Miene, fünf und vierzig Jahre alt, von eleganter und zugleich fester Tournure, mit einer offenen Physiognomie.

Die prüfende Betrachtung war also günstig für ihn, und etwas wie ein Lächeln schwebte über die Lippen des Königs, die sich schon öffneten, um ihn zu befragen.

»Sie sind der Marquis von Favras, mein Herr?« fragte der König.

»Ja, Sire,« antwortete der Marquis.

»Sie haben mir vorgestellt zu werden gewünscht?«

»Ich habe gegen Seine Königliche Hoheit den Herrn Grafen von Provence den lebhaften Wunsch, meine Huldigung zu den Füßen des Königs niederlegen zu dürfen, ausgedrückt.«

»Mein Bruder hat großes Vertrauen zu Ihnen.«

»Ich glaube es, Sire, und ich gestehe, daß es mein glühender Ehrgeiz ist, Eure Majestät möge dieses Vertrauen theilen.«

»Mein Bruder kennt Sie seit langer Zeit, Herr von Favras  . . .«

»Während Eure Majestät mich nicht kennt, ich begreife; aber Eure Majestät wolle mich gnädigst befragen, und in zehn Minuten wird sie mich so gut kennen, als mich ihr erhabener Bruder kennt,«

»Sprechen Sie, Marquis,« sagte Ludwig XVI., während er einen Seitenblick aus das Portrait von Karl Stuart warf, das weder ganz aus seinem Geiste kommen, noch sich ganz aus dem Rayon seines Auges entfernen konnte; »sprechen Sie, ich höre Sie.«

»Eure Majestät wünscht zu wissen?  . . .«

»Wer Sie sind und was Sie gethan haben,«

»Wer ich bin, Sire? Die Meldung meines Namens hat es Ihnen gesagt: ich bin Thomas Mahi. Marquis von Favras; geboren in Blois; im Jahre 1745 bin ich mit fünfzehn Jahren bei den Musketieren eingetreten und habe in diesem Corps den Feldzug von 1761 mitgemacht; ich wurde sodann ’Kapitän und Regimentsadjutant im Regimente Belzunce, später Lieutenant der Schweizer der Garde des Herrn Grafen von Provence.«

»Und in dieser Eigenschaft haben Sie meinen Bruder kennen lernen?«

»Sire, ich habe die Ehre gehabt, ihm ein Jahr früher vorgestellt zu werden, so daß er mich schon kannte.«

»Und Sie haben seinen Dienst verlassen?«

»Im Jahre 1775, Sire, um mich nach Wien zu begeben, wo ich meine Frau als einzige und legitime Tochter des Prinzen von Anhalt Schaumburg anerkennen ließ.«

»Ihre Frau ist nie vorgestellt worden, mein Herr?«

»Nein, aber sie hat die Ehre, in diesem Augenblick mit meinem ältesten Sohne bei der Königin zu sein.«

Der König machte eine Bewegung der Unruhe, welche zu besagen schien: »Ah! die Königin ist hierbei.«

Dann, nach einem Augenblick des Stillschweigens, den er dazu anwandte, daß er im Zimmer auf und abging und verstohlen einen Blick aus das Portrait von Karl I. warf, fragte Ludwig XVI.:

»Und sodann?«

»Vor drei Jahren, Sire, bei dem Aufstande gegen den Statthouder, befehligte ich eine Legion und trug für meinen Theil zur Wiederherstellung der Autorität bei; dann warf ich meine Blicke auf Frankreich, und da ich den schlechten Geist sah, der hier Alles zu desorganisieren anfing, so kehrte ich nach Paris zurück, um mein Schwert und mein Leben in den Dienst des Königs zu stellen.«

»Nun, mein Herr, Sie haben in der That traurige Dinge gesehen, nicht wahr?«

»Sire, ich habe die Tage des 5. und 6. October gesehen.«

Der König schien dem Gespräche eine andere Wendung geben zu wollen.

»Und Sie sagen also, Herr Marquis,« fuhr er fort, »mein Bruder der Herr Graf von Provence habe so großes Vertrauen zu Ihnen, daß er Sie mit einem beträchtlichen Anlehen beauftragt?«

Bei dieser Frage hätte derjenige, welcher als Dritter da gewesen wäre, von einer nervösen Erschütterung den Vorhang, der halb den Alcoven schloß, als ob Jemand dahinter verborgen, können zittern und zugleich, Herrn von Favras beben sehen, wie es ein Mensch thut, der auf eine Frage vorbereitet ist, und an den man plötzlich eine andere richtet.

»Ja, Sire, in der That,« erwiederte er, »wenn es ein Zeichen des Vertrauens ist, daß man einem Edelmann Geldinteressen überträgt, so hat mir Seine Königliche Hoheit die Ehre erwiesen, mir dieses Zeichen zu geben.«

Der König wartete aus die Fortsetzung und schaute den Marquis an, als ob die Richtung, die er die Unterredung hatte nehmen lassen, seiner Neugierde viel mehr Interesse böte, als die, welche sie Anfangs gehabt.

Der Marquis fuhr also fort, jedoch als ein in seinen Erwartungen getäuschter Mann:

»Da Seine Königliche Hoheit, die ihrer Einkünfte in Folge der verschiedenen Operationen der Nationalversammlung beraubt war, dachte, der Augenblick sei gekommen, wo es für die Sache ihrer eigenen Sicherheit gut wäre, wenn die Prinzen eine starke Summe zu ihrer Verfügung hätten, so übergab mir Seine Hoheit Verträge.«

 

»Auf welche Sie Anlehen gefunden haben, mein Herr?«

»Ja, Sire.«

»Eine beträchtliche Summe, wie Sie sagten?«

»Zwei Millionen.«

»Und bei wem?«

Favras zögerte beinahe, dem König zu antworten, so sehr schien ihm das Gespräch aus dem Geleise zu treten und von den großen allgemeinen Interessen zu der Kenntnis, der Privatinteressen überzugehen, von der Politik zur Polizei hinabzusteigen.«

»Ich frage Sie, bei wem Sie entlehnt haben,« wiederholte der König.

»Sire, ich wandte mich Anfangs an die Banquiers Schaumel und Sartorius; weil aber das Negoz scheiterte, so nahm ich meine Zuflucht zu einem fremden Banquier, der, da er Kenntniß vom Wunsche Seiner Königlichen Hoheit bekommen, mir zuerst in seiner Liebe für unsere Prinzen und in seiner Achtung für den König Dienstanerbietungen machen ließ.«

»Ah!  . . .Und dieser Banquier heißt?«

»Sire!« sagte zögernd Favras.

»Sie begreifen, mein Herr.« sprach der König, »es ist gut, einen solchen Mann zu kennen, und wäre es nur, um ihm für seine Ergebenheit zu danken, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.«

»Sire,« antwortete Favras, »er heißt Baron Zannone.«

»Ah!« sagte Ludwig XVI., »es ist ein Italiener!«

»Ein Genueser, Sire.«

»Er wohnt?«

»Sire, er wohnt in Sèvres, gerade gegenüber dem Orte,« fuhr Favras fort, der durch diesen Spornstreich dem rehen Pferde ein wenig Feuer geben wollte, »gerade gegenüber dem Orte, wo der Wagen Eurer Majestäten am 6. October bei der Rückkehr von Versailles anhielt, als die Mörder unter der Anführung von Marat, Verrières und dem Herzog von Aiguillon in der kleinen Schenke beim Pont de Sèvres durch den Coiffeur der Königin die zwei abgeschnittenen Köpfe von Baricourt und Deshuttes frisiren ließen,«

Der König erbleichte, und wenn er in diesem Moment die Augen gegen den Alcoven gedreht hätte, so würde er den Vorhang noch nervöser dieses zweite Mal, als das erste Mal sich haben bewegen sehen.

Dieses Gespräch lastete offenbar aus ihm, und er hätte viel gegeben, wenn er es nicht angeknüpft.

Er beschloß auch, demselben so rasch als möglich ein Ende zu machen,

»Es ist gut, mein Herr,« sagte er, »ich sehe, daß Sie ein treuer Diener des Königthums sind, und ich verspreche Ihnen, Sie bei Gelegenheit nicht zu vergessen.«

Dann machte er eine Geberde mit dem Kopf, welche bei den Fürsten bedeutet: »Ich erweise Ihnen lange genug die Ehre, Sie anzuhören und Ihnen zu antworten, Sie sind ermächtigt, Abschied zu nehmen.«

Favras begriff vollkommen.

»Ich bitte um Verzeihung, Sire,« sprach er, »ich glaubte, Eure Majestät habe mich noch etwas Anderes zu fragen.«

»Nein,« erwiederte der König, den Kopf schüttelnd, als suchte er in der That in seinem Geiste, welche Frage er zu machen habe; »nein, Marquis, das ist Alles, was ich zu wissen wünschte.«

»Sie täuschen sich, mein Herr,« sagte eine Stimme, bei der der König und der Marquis sich nach dem Alcoven umwandten, »Sie wünschten zu wissen, wie der Vorfahre des Herrn Marquis von Favras sich benommen habe, um die Flucht des Königs Stanislaus aus Danzig zu bewerkstelligen und ihn unversehrt bis zur preußischen Grenze zu führen.«

Beide gaben einen Ausruf des Erstaunens von sich: die dritte Person, welche plötzlich, sich in das Gespräch mischend, erschien, war die Königin; die Königin bleich, mit zusammengepreßten, zitternden Lippen; die Königin, welche sich nicht mit den von Favras gegebenen Erläuterungen begnügte und vermuthete, sich selbst überlassen, werde der König es nicht wagen, bis zum Ende zu gehen, war aus der Geheimtreppe und durch den geheimen Gang herbeigekommen, um die Unterredung in dem Augenblick aufzunehmen, wo der König die Schwäche hätte, sie fallen zu lassen.

Dieser Dazwischentritt der Königin und die Art, wie sie das Gespräch wieder aufnahm, indem sie es an die Flucht des Königs Stanislaus anknüpfte, erlaubten übrigens Ludwig XVI. unter dem durchsichtigen Schleier der Allegorie Alles zu hören, selbst die Anerbietungen, welche ihm Favras über seine, des Königs, eigene Flucht machen würde.

Favras seinerseits begriff aus der Stelle, welches Mittel ihm geboten war, seinen Plan zu enthüllen, und obgleich keiner von seinen Ahnen oder von seinen Verwandten zu der Flucht des Königs von Polen beigetragen hatte, beeilte er sich doch, indem er sich verbeugte, zu erwiedern:

»Eure Majestät spricht ohne Zweifel von meinem Vetter, dem General Steinflicht, welcher die Berühmtheit seines Namens dem ungeheuren seinem König geleisteten Dienste verdankt, – ein Dienst, der den glücklichen Einfluß auf das Schicksal von Stanislaus hatte, daß er ihn vor Allen den Händen seiner Feinde entriß und ihn sodann durch eine providentielle Mitwirkung zum Ahnherrn Eurer Majestät machte.«

»So ist es! so ist es! mein Herr,« sagte lebhaft die Königin, während Ludwig XVI., einen Seuszer ausstoßend, das Portrait von Karl Stuart anschaute.

»Wohl denn,« sprach Favras, »Eure Majestät weiß  . . . verzeihen Sie, Sire, Eure Majestäten wissen, daß der König Stanislaus, in Danzig frei, aber auf allen Seiten von der moskowitischen Armee eingeschlossen, beinahe verloren war, wenn er sich nicht zu einer raschen Flucht entschloß.«

»Oh! ganz verloren!« unterbrach ihn die Königin, »Sie können sagen, ganz verloren, Herr von Favras.«

»Madame,« sprach Ludwig XVI. mit einer gewissen Strenge, »die Vorsehung, welche über den Königen wacht, bewirkt, daß sie nie ganz verloren sind.«

»Ei! mein Herr,« erwiederte die Königin, »mich dünkt, daß ich ebenso religiös und ebenso gläubig an die Vorsehung bin, als Sie, aber dennoch ist es meine Meinung, daß man sie ein wenig unterstützen muß.«

»Das war auch die Ansicht des Königs von Polen, Sire,« fügte Favras bei, »denn er erklärte seinen Freunden entschieden, da er seine Lage nicht mehr als haltbar erachte und sein Leben in Gefahr glaube, so wünsche er, daß man ihm mehrere Fluchtpläne entwerfe und vorlege. Trotz der Schwierigkeit, wurden drei Pläne angeboten; ich sage, trotz der Schwierigkeit, Sire, weil Eure Majestät bemerken wird, daß es viel schwieriger für den König Stanislaus war, aus Danzig zu entkommen, als es für Sie, zum Beispiel, wäre, wenn es Eurer Majestät in den Sinn käme, aus Paris wegzugehen. Mit einer Postchaise, – wenn Eure Majestät geräuschlos und ohne Aufsehen zu erregen abreisen wollte, – mit einer Postchaise könnte Eure Majestät in einem Tag und in einer Nacht die Grenze erreichen; – oder wenn sie Paris als König verlassen wollte, könnte sie einem Edelmann, den sie mit ihrem Vertrauen beehrte, Befehle geben, dreißigtausend Mann zu sammeln und sie aus dem Palaste der Tuilerien abzuholen. In dem einen oder dem andern Fall wäre das Gelingen sicher, das Unternehmen gewiß.«

»Sire,« sprach die Königin, »was Herr von Favras da sagt, Eure Majestät weiß, daß es die strenge Wahrheit ist.«

»Ja,« erwiederte der König, »aber meine Lage ist entfernt nicht so verzweifelt, als es die des Königs Stanislaus war. Danzig war umgeben von Moskowiten, wie der Marquis sagte; die Festung Weichselmünde, sein letztes Vollwerk, hatte capitulirt, während ich  . . .«

»Während Sie,« unterbrach ihn ungeduldig die Königin, »Sie sind mitten unter den Parisern, welche am 14. Juli die Bastille genommen haben, welche in der Nacht vom 5. auf den 6. October Sie ermorden wollten und am Tage des 6. Sie mit Gewalt nach Paris zurückführten, wobei diese Menschen während der ganzen Zeit, welche die Fahrt dauerte, Sie und Ihre Familie beleidigten und beschimpften  . . .Ah! es ist wahr, die Lage ist schön und verdient, daß man sie der von König Stanislaus vorzieht!«

»Aber, Madame . . .«

»König Stanislaus risquirte nur das Gefängniß, den Tod vielleicht, indeß wir  . . .«

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