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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Während Cagliostro sprach, schaute ihn Gilbert starr an und war bemüht, zu errathen, was im Grunde der Gedanke dieses Mannes sei.

Doch das war vergeblich. Kein menschlicher Blick hatte die Macht, jenseits dieser spöttischen Maske zu sehen, mit der der Schüler von Althotas sein Gesicht zu bedecken pflegte.

Gilbert faßte also den Entschluß, die Frage offenherzig in Angriff zu nehmen.

»Graf,« sprach er, »Alles, was Sie so eben gesagt haben, ist, ich wiederhole es, wahr. In welcher Absicht haben Sie es mir nun gesagt? Unter welchem Titel erscheinen Sie bei mir? Kommen Sie als ein redlicher Feind, der daraus aufmerksam macht, daß er kämpfen werde? Kommen Sie als ein Freund, der sich zur Hilfe anbietet?«

»Mein theurer Gilbert,« erwiderte Cagliostro liebevoll,«ich komme vor Allem, wie der Meister zum Schüler kommt, um ihm zu sagen: »»Freund, Du schlägst einen falschen Weg ein, indem Du Dich an diese Ruine bindest, welche fällt, an dieses Gebäude, welches einstürzt, an dieses Princip, welches stirbt und das man die Monarchie nennt. Die Menschen wie Du sind nicht die Menschen der Vergangenheit, sind nicht einmal die Menschen der Gegenwart, es sind die Menschen der Zukunft. Verlasse die Sache, an die Du nicht glaubst, und tritt zu der Sache über, an die wir glauben; entferne Dich nicht von der Wirklichkeit, um dem Schatten zu folgen, und wenn Du Dich nicht zum selbstthätigen Soldaten der Revolution machst, so schaue ihr zu, wie sie vorüberzieht, und versuche es nicht, sie auf ihrem Wege aufzuhalten; Mirabeau war ein riefe, und Mirabeau ist der Arbeit unterlegen.««

»Graf,« erwiderte Gilbert, »ich werde hierauf an dem Tage antworten, wo der König, der sich mir anvertraut hat, in Sicherheit ist. Ludwig XVI. hat mich zum Vertrauten, zum Beistand, zum Mitschuldigen, wenn Sie wollen, bei dem Werke gewählt, das er unternimmt. Ich habe diese Sendung angenommen und werde sie mit offenem Herzen und geschlossenen Augen bis zum Ende erfüllen. Ich bin Arzt, mein lieber Graf, das materielle Wohl meines Kranken vor Allem! Antworten Sie mir nun auch. Ist es für Sie bei Ihren geheimnißvollen Projecten, bei Ihren finsteren Combinationen nöthig, daß diese Flucht gelinge oder daß sie scheitere? Wollen Sie, daß sie scheitere, so ist es unnütz, zu kämpfen, sprechen Sie: »»Reiset nicht!«« und wir werden bleiben, und das Haupt beugen und den Schlag erwarten.«

»Bruder!« sprach Cagliostro, »wenn ich, angetrieben durch den Gott, der mir meinen Weg vorgezeichnet hat, entweder diejenigen, welche Dein Herz liebt, oder diejenigen, welche Dein Geist beschützt, schlagen müßte, so würde ich im Dunkeln bleiben und von der übermenschlichen Macht, der ich gehorche, nur Eines verlangen: daß sie Dich nicht wissen lasse, von welcher Hand der Schlag ausgegangen ist. Nein, ich komme nicht als Freund, ich kann nicht der Freund der Könige sein, ich, der ich ihr Opfer gewesen bin: ich komme auch nicht als Feind; ich komme mit einer Wage in der Hand und sage zu Dir: »»Ich habe die Geschicke dieses letzten Bourbon abgewogen, und ich glaube nicht, daß sein Tod von Gewicht für das Heil der Sache ist. Gott behüte aber mich, der ich mir wie Pythagoras kaum das Recht zuerkenne, über das Leben des letzten Insekts der Schöpfung zu verfügen, daß ich unvorsichtig das des Menschen, des Königs der Schöpfung, anrühre!«« Mehr noch; ich komme nicht nur, um Dir zu sagen: »»Ich werde neutral bleiben,«« sondern ich füge noch bei: »»Bedarfst Du meiner Hilfe? Ich biete sie Dir an.««

Gilbert versuchte es zum zweiten Mal, in der Tiefe des Herzens von Cagliostro zu lesen.

»Gut,« sagte dieser, indem er seine spöttische Miene wieder annahm, »nun zweifelst Du. Höre, gelehrter Mann, kennst Du nicht die Geschichte von der Lanze des Achilles, welche verwundete und heilte? Diese Lanze besitze ich. Die Frau, welche für die Königin in den Gebüschen von Versailles gegolten hat, kann sie nicht auch für die Königin in den Gemächern der Tuilerien oder aus irgend einer Landstraße der entgegengesetzt gelten, welcher die wahre Flüchtige folgen wird? Was ich Ihnen da anbiete, ist nicht zu verachten, mein lieber Gilbert.«

»Seien Sie also bis zum Ende offenherzig, Graf, und sagen Sie mir, in welcher Absicht Sie mir dieses Anerbieten machen?«

»Mein lieber Doctor, das ist ganz einfach: in der Absicht, daß der König gehe, in der Absicht, daß der König Frankreich verlasse, in der Absicht, daß er uns die Republik proclamiren lasse.«

»Die Republik?« versetzte Gilbert erstaunt.

»Warum nicht?«

»Mein lieber Graf ich schaue in Frankreich umher vom Süden nach dem Norden, vom Osten nach dem Westen, und ich sehe nicht einen einzigen Republikaner.«

»Vor Allem täuschen Sie sich, ich sehe drei: Pétion, Camille Desmoulin und Ihren Diener; jene können Sie sehen wie mich; ferner sehe ich noch diejenigen, welche Sie nicht sehen, die Sie aber sehen werden, wenn es Zeit ist, daß sie erscheinen. Dann verlassen Sie sich auf mich, daß ich einen Theatercoup mache, der Sie in Erstaunen setzen wird; nur, Sie begreifen, wünsche ich, daß bei der Veränderung sich nicht zu viel ernste Unfälle ereignen. Die Unfälle werden immer dem Maschinisten zur Last gelegt.«

Gilbert sann einen Augenblick nach; dann reichte er Cagliostro die Hand und sprach:

»Graf, beträfe es nur mich, beträfe es nur meine Ehre, meinen Ruf, mein Andenken, so würde ich auf der Stelle annehmen; doch es betrifft ein Königreich, einen König, eine Königin, eine Monarchie, und ich kann es nicht auf mich nehmen, für sie zu unterhandeln. Bleiben Sie neutral, mein lieber Graf, das ist Alles, was ich von Ihnen verlange.«

Cagliostro lächelte.

»Ja, ich begreife,« sagte er, »der Mann des Halsbands! . . .  Nun wohl, mein lieber Gilbert, der Mann des Halsbands wird Ihnen einen Rath geben.«

»Stille,« sprach Gilbert, »man klingelt.«

»Was ist daran gelegen! Sie wissen wohl, daß derjenige, welcher klingelt, der Herr Gras von Charny ist. Den Rath, den ich Ihnen zu geben habe, kann er aber auch hören und benützen. Treten Sie ein, Herr Gras, treten Sie ein!«

Charny war in der That bei der Thüre erschienen. Als er einen Fremden sah, wo er nur Gilbert zu treffen glaubte, blieb er unruhig und zögerte.

»Dieser Rath ist,« fuhr Cagliostro fort: »Mißtrauen Sie den zu reichen Necessaires, den zu schweren Wagen, den zu ähnlichen Portraits. Leben Sie wohl, Gilbert; leben Sie wohl, Herr Graf, und um die Formel von denjenigen anzuwenden, welchen ich wie Ihnen eine glückliche Reise wünsche: Gott halte Sie in seiner heiligen und gnädigen Obhut.«

Hiernach grüßte der Prophet freundschaftlich Gilbert und höflich Charny, und entfernte sich, gefolgt von dem unruhigen Blicke des Einen und von dem fragenden Blicke des Andern.

»Wer ist dieser Mensch, Doctor?« fragte Charny, als das Geräusch seiner Tritte aus der Treppe erloschen war.

»Einer meiner Freunde,« erwiderte Gilbert, »ein Mann, der Alles weiß, der mir aber sein Wort gegeben hat, daß er nichts verrathen werde.«

»Und er heißt?«

Gilbert zögerte einen Augenblick und antwortete dann:

»Der Baron Zannone.«

»Das ist seltsam,« versetzte Charny, »ich kenne diesen Namen nicht, und es scheint mir doch, daß ich dieses Gesicht kenne. Haben Sie den Paß, Doktor?«

»Hier ist er, Graf.«

Charny nahm den Paß, entfaltete ihn rasch, und ganz von der Aufmerksamkeit, die er diesem wichtigen Stücke weihte, in Anspruch genommen, vergaß er, für den Augenblick wenigstens, Alles bis auf den Baron Zannone.

LXXXIII
Der Abend des 20. Juni

Wir werden nun sehen, was am 20. Juni von neun Uhr Abends bis um Mitternacht auf den verschiedenen Punkten der Hauptstadt vorging.

Nicht ohne Grund hatte man Frau von Rochereul mißtraut; obgleich ihr Dienst am 11. aufgehört, hatte sie doch, da sie Verdacht geschöpft, Mittel gefunden, in das Schloß zurückzukehren, und sie hatte wahrgenommen, daß, wenn auch die Etuis immer noch an ihrem Platze waren, die Diamanten sich nicht mehr hier befanden; sie waren in der Thal von Marie Antoinette ihrem Friseur Leonard anvertraut worden, der am Abend des 20. ein paar Stunden vor seiner erhabenen Gebieterin, mit Herrn von Choiseul abreisen sollte; dieser befehligte die Soldaten des in Pont-de-Sommevelle aufgestellten ersten Detachement; er war überdies mit dem Relais in Varennes, das aus sechs guten Pferden bestehen sollte, beauftragt und wartete in seinem Hause in der Rue d’Artois auf die letzten Befehle des Königs und der Königin. Es war vielleicht ein wenig indiscret, Herr von Choiseul mit Meister Leonard zu belästigen, und ein wenig unvorsichtig, seinen Friseur mitzunehmen; doch welcher Künstler hätte es in der Fremde unternommen, die bewunderungswürdigen Coiffuren zu machen, welche Leonard spielend ausführte? Was wollen Sie? Wenn man einen Friseur hat, der ein Mann von Genie ist, so verzichtet man nicht gern auf ihn!

Eine Folge hiervon war, daß die Kammerfrau des Herrn Dauphin, welche vermuthete, die Abreise sei ans Montag den 20. Abends um elf Uhr festgesetzt, nicht nur ihrem Liebhaber Herrn von Gouvion, sondern auch Herrn von Bailly Nachricht hiervon gab.

Herr von Lafayette suchte den König auf, um sich mit ihm über diese Anzeige offenherzig zu erklären, doch der König zuckte die Achseln und antwortete ausweichend.

Herr von Bailly that etwas Besseres; während Lafayette blind wurde wie ein Astronom, wurde er, Bailly, höflich wie ein Chevalier: er schickte der Königin den Brief der Frau von Rochereul.

Herr von Gouvion, auf den mehr ein unmittelbarer Einfluß geübt wurde, behielt allein einen tieferen Verdacht; von seiner Geliebten in Kenntniß gesetzt, versammelte er unter dem Vorwande einer kleinen militärischen Gesellschaft ein Dutzend Officiere der Nationalgarde; er stellte fünf bis sechs derselben als Vedetten an verschiedenen Thüren auf, und er selbst übernahm es, mit fünf Bataillonchefs die Thüren der Wohnung von Herrn Villequier, der speciell seiner Aufmerksamkeit bezeichnet worden war, zu bewachen.

 

Es war ungefähr um dieselbe Stunde, als in der Rue Coq-Héron, Numero 9. in einem uns bekannten Salon auf einer Causeuse, auf der sie uns schon erschienen ist, eine junge Frau, schön, scheinbar ruhig, aber im Grunde des Herzens tief bewegt, mit einem jungen Manne von dreiundzwanzig bis vierundzwanzig Jahren sprach, der, bekleidet mit einer gemsfarbigen Courierjacke und einer anliegenden ledernen Hose, ein Paar Stulpstiefeln an den Beinen und mit einem Hirschsänger bewaffnet, vor ihr stand.

Er hielt in der Hand einen runden Hut mit einer Borte.

Die junge Frau schien dringlich zu reden, der junge Mann schien sich zu vertheidigen.

»Ich frage Sie noch einmal, Vicomte, warum ist in den dritthalb Monaten, seitdem er nach Paris zurückgekehrt, nicht selbst gekommen?«

»Madame, mein Bruder hat mich seit seiner Rückkehr mehrere Male beauftragt, die Ehre zu haben, Ihnen Nachricht von ihm zu geben.«

»Ich weiß es, und ich bin ihm, wie Ihnen, Vicomte, sehr dankbar hierfür; aber mir scheint, in dem Augenblick seiner Abreise hätte er selbst kommen können, um von mir Abschied zu nehmen.«

»Allerdings, Madame, doch das wird ihm unmöglich gewesen sein, denn er hat mich mit dieser Sorge betraut.«

»Und wird die Reise, die Sie unternehmen, lange dauern?«

»Ich weiß es nicht, Madame.«

»Ich sage Sie, weil ich nach Ihrer Tracht denken muß, daß Sie auch in der Abreise begriffen sind.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich Paris heute um Mitternacht verlassen haben.«

»Begleiten Sie Ihren Bruder oder folgen Sie einer der seinigen entgegengesetzten Richtung?«

»Ich glaube, Madame, daß wir denselben Weg verfolgen.«

»Werden Sie ihm sagen, Sie haben mich gesehen?«

»Ja, Madame, denn bei der Sorgsamkeit, mit der er mich zu Ihnen geschickt hat, bei seinen wiederholten Ermahnungen, nicht wieder mit ihm zusammenzutreffen, ohne Sie gesehen zu haben, würde er es mir nicht verzeihen, wenn ich eine solche Sendung vergessen hätte.«

Die junge Frau strich mit der Hand über die Augen, gab einen Seufzer von sich und sagte, nachdem sie einen Augenblick überlegt hatte:

»Vicomte, sie sind ein Edelmann, Sie müssen das ganze Gewicht der Frage, die ich an Sie mache, begreifen. Antworten Sie mir, wie Sie mir antworten würden, wenn ich wirklich Ihre Schwester wäre, wie Sie Gott antworten würden. Läuft Herr von Charny auf der Reise, die er unternimmt, eine ernste Gefahr?«

»Wer kann sagen, Madame,« erwiderte Isidor, der die Frage zu umgehen suchte, »wer kann sagen, wo zu der Zeit, in der wir leben, die Gefahr ist oder nicht ist? Am Morgen des 5. October befragt, ob er eine Gefahr zu laufen befürchte, würde unser armer Bruder Georges sicherlich geantwortet haben: nein; am andern Tage lag er bleich und entseelt quer vor der Thüre der Königin. Die Gefahr, Madame, steigt in unserer Zeit aus der Erde empor, und man befindet sich zuweilen von Angesicht zu Angesicht dem Tode gegenüber, ohne zu wissen, woher er kommt, noch wer ihn gerufen hat.«

Andrée erblaßte.

»Es ist also Todesgefahr vorhanden, nicht wahr, Vicomte?« fragte sie.

»Ich habe das nicht gesagt, Madame.«

»Doch Sie denken es.«

»Ich denke, Madame, daß, wenn Sie meinem Bruder etwas Wichtiges mitzutheilen haben, das Unternehmen, in welches er sich, wie ich, einläßt, wichtig genug ist, daß Sie mich mündlich oder schriftlich beauftragen, Ihren Gedanken, Ihren Wunsch oder Ihre Ermahnung ihm zu überbringen.«

»Es ist gut, Vicomte,« sprach Andrée, während sie aufstand. »Ich bitte Sie nur fünf Minuten.«

Und mit dem ihr eigenthümlichen kalten, langsamen Schritt trat die Gräfin in ihr Zimmer ein, dessen Thüre sie hinter sich schloß.

Als die Gräfin weggegangen war, schaute der junge Mann mit einer gewissen Unruhe auf seine Uhr.

»Ein Viertel nach neun Uhr,« murmelte er, »der König erwartet uns um halb zehn Uhr  . . .  Zum Glück ist es nur ein Schritt von hier nach den Tuilerien.«

Doch die Gräfin brauchte nicht einmal die Summe der Zeit, die sie verlangt hatte.

Nach ein paar Secunden kehrte sie, einen versiegelten Brief in der Hand haltend, zurück.

»Vicomte,« sprach sie mit feierlichem Tone, »Ihrer Ehre vertraue ich dies.«

Isidor streckte die Hand aus, um den Brief zu nehmen.

»Warten Sie,« fuhr Andrée fort, »und verstehen Sie wohl, was ich Ihnen sagen werde: vollbringt Ihr Bruder, der Herr Graf von Charny, ohne Unfall das Unternehmen, das er verfolgt, so ist ihm nichts Anderes zu sagen, als das, was ich Ihnen gesagt habe: Gleichgefühl für seine Loyalität, Achtung für seine aufopfernde Ergebenheit, Bewunderung für seinen Charakter  . . .  Wird er verwundet . . . « die Stimme von Andrée bebte leicht . . .  »wird er schwer verwundet, so werden Sie ihn bitten, er möge mir die Gnade bewilligen, zu ihm kommen zu dürfen, und bewilligt er diese Gnade, so schicken Sie mir einen Boten, der mir mit Sicherheit angibt, wo er sich befindet, denn ich werde aus der Stelle abreisen; ist er auf den Tod verwundet . . .  die Erschütterung war nahe daran, die Stimme von Andrée zu ersticken  . . .  »so übergeben Sie ihm diesen Brief; kann er nicht mehr selbst lesen, so werden Sie ihm denselben vorlesen, denn ehe er stirbt, soll er wissen, was dieser Brief enthält. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, als Edelmann, daß Sie thun werden, was ich wünsche, Vicomte?«

Ebenso bewegt als die Gräfin, streckte Isidor die Hand aus und sprach:

»Bei meiner Ehre, Madame!«

»So nehmen Sie diesen Brief und gehen Sie, Vicomte.«

Isidor nahm den Brief, küßte der Gräfin die Hand und ging hinaus.

»Oh!« rief Andrée, indem sie wieder auf ihr Canapé zurückfiel, »wenn er stirbt, soll er wenigstens sterbend erfahren, daß ich ihn liebe.«

Gerade in dem Augenblick, wo Isidor die Gräfin verließ und den Brief in seine Brusttasche steckte, neben einen andern Brief, dessen Adresse er beim Scheine einer an der Ecke der Rue Coquillière angezündeten Laterne gelesen hatte, gingen zwei Männer, durchaus in derselben Tracht wie er, nach einem gemeinschaftlichen Versammlungsorte, nämlich nach jenem Boudoir der Königin, in das wir schon unsere Leser auf zwei verschiedenen Wegen eingeführt haben: der Eine folgte der Galerie des Louvre, die sich längs dem Quai hinzieht und heute das Gemälde-Museum ist, und an deren Ende ihn Weber erwartete; der Andere stieg die kleine Treppe hinauf, die man Charny bei seiner Ankunft von Montmédy hat wählen sehen. Oben auf dieser Treppe, wie sein Gefährte am Ende der Galerie des Louvre von Weber, dem Kammerdiener der Königin, erwartet wurde, wurde dieser von François Hue, dem Kammerdiener des Königs, erwartet. Man führte Beide, und zwar beinahe zu gleicher Zeit, durch verschiedene Thüren ein; der zuerst Eingeführte war Herr von Valory.

Ein paar Secunden nachher öffnete sich, wie gesagt, eine zweite Thüre, und mit einem gewissen Erstaunen sah Herr von Valory ein anderes Er-selbst eintreten.

Die zwei Officiere kannten sich nicht, doch in der Voraussetzung, sie seien Beide für eine und dieselbe Sache berufen, gingen sie aufeinander zu und grüßten sich.

In diesem Augenblick wurde eine dritte Thüre geöffnet, und der Vicomte von Charny erschien.

Das war der dritte Courier, ebenso unbekannt den zwei ersten, als die zwei ersten ihm unbekannt waren.

Isidor allein wußte, in welcher Absicht sie sich versammelt hatten, und welches gemeinschaftliche Werk sie vollbringen sollten.

Ohne Zweifel schickte er sich an, auf die Fragen zu antworten, welche seine zwei zukünftigen Gefährten an ihn richteten, als die Thüre sich abermals öffnete und der König erschien.

»Meine Herren,« sprach Ludwig XVI., indem er sich an die Herren von Malden und von Valory wandte, »entschuldigen Sie mich, daß ich ohne Ihre Erlaubniß über Sie verfügt habe, doch ich hielt Sie für treue Diener des Königthums: Sie gehörten zu meinen Garden. Ich habe Sie eingeladen, zu einem Schneider, dessen Adresse ich Ihnen zusandte, zu gehen, sich Jeder ein Courierkleid machen zu lassen und sich heute Abend um halb zehn Uhr in den Tuilerien einzufinden; Ihre Gegenwart beweist mir, daß Sie die Güte haben wollen, die Sendung anzunehmen, mit der ich Sie zu beauftragen beabsichtige.«

Die zwei ehemaligen Gardes du corps verbeugten sich.

»Sire,« erwiderte Herr von Valory, »Eure Majestät weiß, daß sie nicht nöthig hat, ihre Edelleute zu fragen, um über ihre Ergebenheit, ihren Muth und ihr Leben zu verfügen.«

»Sire,« sprach Herr von Malden, »für sich selbst antwortend, hat mein Standesgenosse auch für mich geantwortet, und, ich denke, wohl ebenso für unsern dritten Gefährten.«

Ihr dritter Gefährte, meine Herren, mit welchem Bekanntschaft zu machen ich Sie auffordere, ist der Herr Vicomte Isidor von Charny, dessen Bruder in Versailles die Thüre der Königin vertheidigend getödtet wurde; wir sind nun so an die aufopfernde Ergebenheit der Leute seiner Familie gewöhnt, und diese Opferwilligkeit ist uns so bekannt, daß wir ihnen nicht einmal mehr dafür danken.«

»Nach dem, was der König sagt,« sprach Herr von Valory, »weiß der Vicomte von Charny ohne Zweifel den Beweggrund, der uns versammelt, während wir ihn nicht wissen, Sire, aber sogleich zu erfahren wünschen.«

»Meine Herren,« antwortete der König, »es ist Ihnen bekannt, daß ich Gefangener bin, Gefangener des Commandanten der Nationalgarde, Gefangener des Präsidenten der Nationalversammlung, Gefangener des Maire von Paris, Gefangener des Volks, Gefangener von aller Welt. Nun wohl! meine Herren, ich habe auf Sie gezählt, daß Sie mir diese Demüthigung abschütteln und meine Freiheit wiedererlangen helfen. Mein Loos, das der Königin, das meiner Kinder, liegt in Ihren Händen; Alles ist bereit, daß wir heute Abend fliehen können; übernehmen Sie es nur, uns von hier wegzubringen.«

»Sire, befehlen Sie,« sagten die drei jungen Leute.

»Sie begreifen wohl, meine Herren, wir können nicht mit einander weggehen. Unser gemeinschaftliches Rendezvous ist an der Ecke der Rue Saint-Nicaise, wo uns der Herr Graf von Charny mit einem Miethwagen erwarten wird; Sie, Vicomte, übernehmen die Königin und antworten auf den Namen Melchior, Sie, Herr von Malden, übernehmen Madame Elisabeth und Madame Royale und heißen Jean; Sie, Herr von Valory, übernehmen Frau von Tourzel und den Dauphin und heißen François. Vergessen Sie Ihre neue Namen nicht, meine Herren, und erwarten Sie hier weitere Instructionen.«

Der König reichte nach und nach seine Hand den drei jungen Leuten und entfernte sich dann, in diesem Zimmer drei Männer zurücklassend, welche geneigt waren, für ihn zu sterben.

Herr von Choiseul, der dem König am Tage vorher im Namen von Herrn von Bouillé erklärt, es sei unmöglich, länger als bis zum 20. um Mitternacht zu warten, und zugleich angekündigt hatte, am 21. um vier Uhr Morgens, wenn er keine Nachrichten habe, werde er aufbrechen und mit sich alle Detachements nach Dun, Stenay und Montmédy zurückfuhren, Herr von Choiseul war, wie gesagt, in seinem Hause in der Rue d’Artois, wo ihn die letzten Befehle des Hofes aufsuchen sollten, und da es neun Uhr schlug, fing er an zu verzweifeln, als der einzige von seinen Leuten, den er behalten hatte, und der glaubte, er sei auf dem Punkte, nach Metz abzureisen, ihm meldete, ein Unbekannter verlange ihn im Namen der Königin zu sprechen.

Er befahl, ihn herauskommen zu lassen.

Es trat ein Mann mit einem runden Hute, den er tief in die Augen gedrückt, und in einen ungeheuren Ueberrock gehüllt, ein.

»Sie sind es, Leonard,« sagte Herr von Choiseul, »ich erwartete Sie mit Ungeduld.«

»Wenn ich Sie habe warten lassen, Herr Herzog, so ist es nicht meine Schuld, sondern die der Königin, die mich erst vor zehn Minuten davon in Kenntniß gesetzt hat, daß ich zu Ihnen gehen sollte.«

»Sie hat Ihnen nichts Anderes gesagt?«

»Doch, Herr Herzog, sie hat mich beauftragt, alle ihre Diamanten mitzunehmen und Ihnen diesen Brief zu bringen.«

»Geben Sie,« rief der Herzog mit einer leichten Ungeduld, welche das ungeheure Ansehen, das die wichtige Person, die ihm die königliche Depeche übergab, genoß, nicht ganz bewältigen konnte.

Der Brief war lang, voll von Aufträgen und Ermahnungen; er theilte dem Herzog mit, man werde um Mitternacht abreisen, er ersuchte den Herzog, sogleich aufzubrechen, und richtete auf’s Neue die Bitte an ihn, Leonard mitzunehmen, welcher, fügte die Königin bei, Befehl erhalten habe, ihm zu gehorchen wie ihr selbst.

Und sie unterstrich folgende sieben Worte:

»Ich wiederhole ihm hier abermals diesen Befehl.«

Der Herzog schlug die Augen zu Leonard auf, der mit einer sichtbaren Unruhe wartete; der Friseur war grotesk unter seinem furchtbaren Hute und in seinem ungeheuren Ueberrocke.

 

»Sammeln Sie alle Ihre Erinnerungen,« sprach der Herzog, »Was hat Ihnen die Königin gesagt?«

»Ich will es Wort für Wort dem Herrn Herzog wiederholen.«

»Ich höre.«

»Sie ließ mich also vor ungefähr drei Viertelstunden rufen, Herr Herzog.«

»Gut.«

»Sie sagte mit leiser Stimme zu mir  . . . «

»Ihre Majestät war also nicht allein?«

»Nein, Herr Herzog, der König sprach eben in einer Fenstervertiefung mit Madame Elisabeth. Der Herr Dauphin und Madame Royale spielten mit einander; was die Königin betrifft, sie war an einen Kamin angelehnt.«

»Fahren Sie fort, Leonard, fahren Sie fort.«

»Die Königin sagte also mit leiser Stimme zu mir! »»Leonard, ich kann aus Sie zählen?«« Ah! Madame, antwortete ich, verfügen Sie über mich; Eure Majestät weiß, daß ich Ihr mit Leib und Seele ergeben bin  . . .  »Nehmen Sie diese Diamanten und schieben Sie dieselben in Ihre Taschen; nehmen Sie diesen Brief und tragen Sie ihn in die Rue d’Artois zum Herzog von Choiseul, übergeben Sie ihn aber nur dem Herzog selbst; ist er nicht nach Hause gekommen, so werden Sie ihn bei der Herzogin von Grammont finden.«« Dann, als ich mich schon entfernte, um den Befehlen der Königin zu gehorchen, rief mich Ihre Majestät zurück und fügte bei: »»Setzen Sie einen breitkrämpigen Hut auf und ziehen Sie einen weiten Ueberrock an, um nicht erkannt zu werden. Mein lieber Leonard, gehorchen Sie besonders Herrn von Choiseul wie mir selbst.«« Da ging ich in meine Wohnung hinauf, nahm den Hut und den Ueberrock meines Bruders, und hier bin ich.«

»Also.

« sagte Herr von Choiseul, »die Königin hat Ihnen also empfohlen, mir zu gehorchen wie ihr selbst?«

»Das sind die erhabenen Worte Ihrer Majestät, Herr Herzog.«

»Es freut mich sehr, daß Sie sich so gut dieser mündlichen Ermahnung erinnern; in jedem Fall steht diese Ermahnung auch hier geschrieben, und da ich den Brief verbrennen muß, so lesen Sie.«

Hierbei hielt Herr von Choiseul den Untertheil des Briefes, den er so eben empfangen, Leonard vor das Gesicht, und dieser las laut:

»Ich habe meinem Friseur Leonard den Befehl gegeben, Ihnen zu gehorchen wie mir; ich wiederhole diesen Befehl hier abermals

»Sie begreifen, nicht wahr?« fragte Herr von Choiseul.

»Oh! Herr Herzog,« erwiderte Leonard, »glauben Sie mir, der mündliche Befehl Ihrer Majestät genügte.«

»Gleichviel,« rief Herr von Choiseul.

Und er verbrannte den Brief.

In diesem Augenblick kehrte der Bediente zurück und meldete, der Wagen sei bereit,

»Kommen Sie, mein lieber Leonard,« sagte der Herzog.

»Wie, ich soll kommen! Und die Diamanten?«

»Sie nehmen dieselben mit.«

»Wohin?«

»Wohin ich Sie führe.«

»Aber wohin fuhren Sie mich?«

»Ein paar Meilen von hier, wo Sie einen besonderen Auftrag zu vollziehen haben.«

»Herr Herzog, unmöglich!«

»Wie, unmöglich! Hat Ihnen nicht die Königin gesagt, Sie sollen mir gehorchen wie ihr selbst?«

»Das ist wahr, doch wie ist das zu machen? Ich habe, den Schlüssel in der Thüre unserer Wohnung stecken lassen. Wenn mein Bruder nach Hause kommt, wird er weder seinen Ueberrock, noch seinen Hut finden. Sieht er mich nicht zurückkehren, so wird er nicht wissen, wo ich bin. Und dann Frau von der Aage, der ich versprochen habe, sie zu frisiren, und die aus mich wartet; zum Beweise dient, Herr Herzog, daß mein Cabriolet und mein Bedienter im Hofe der Tuilerien sind.«

»Nun, mein lieber Leonard,« sagte Herr von Choiseul lachend, »was wollen Sie? Ihr Bruder wird einen andern Ueberrock kaufen; Sie werden Frau von der Aage an einem andern Tage frisiren, und Ihr Bedienter, wenn er Sie nicht zurückkommen sieht, wird Ihr Pferd ausspannen und wieder in den Stall führen; doch das unsere ist angespannt, und so wollen wir gehen.«

Und ohne den Wehklagen von Leonard weiter irgend eine Aufmerksamkeit zu schenken, ließ der Herr Herzog von Choiseul den verzweifelten Friseur in sein Cabriolet steigen und trieb sein Pferd zum scharfen Trabe nach der Barrière de la petite Villette an.

Der Herzog von Choiseul hatte noch nicht die letzten Häuser der Villette hinter sich, als eine Gruppe von fünf Personen, welche vom Club der Jacobiner zurückkamen, in die Rue Saint Honoré mündete und sich, wie es schien, nach dem Palais Royal wandte.

Diese fünf Personen waren: Camille Desmoulins, der diese Thatsache selbst erzählt, Danton, Fréron, Chénier und Legendre.

Als er bei der Höhe der Rue de l’Echelle angelangt war, warf Camille Desmoulins einen Blick auf die Tuilerien, und da er die tiefe Stille des Abends wahrnahm, sagte er:

»Ei! scheint Euch Paris heute Abend nicht mehr als ruhig, kommt Euch Paris nicht völlig verlassen vor? Auf dem ganzen Wege, den wir gemacht haben, sind wir nicht einer einzigen Patrouille begegnet.«

»Das ist so,« erwiderte Fréron, »weil Maßregeln getroffen sind, um dem König den Weg frei zu lassen.«

»Wie, dem König den Weg frei?« fragte Danton.

»Allerdings,« erwiderte Fréron, »er reist heute Nacht ab.«

»Ah! das ist Scherz!« rief Legendre.

»Es ist vielleicht ein Scherz,« versetzte Fréron, »doch man benachrichtigt mich hiervon in einem Briefe.«

»Du hast einen Brief erhalten, der Dich von der Flucht des Königs benachrichtigt?« sagte Camille Desmoulins, »einen unterzeichneten Brief?«

»Nein, einen anonymen Brief; übrigens habe ich ihn bei mir  . . .  da ist er, leset.«

Die fünf Patrioten traten an eine Laterne und lasen:

»Der Bürger Fréron wird davon in Kenntniß gesetzt, daß heute Abend Herr Capet, die Oesterreicherin und ihre zwei jungen Wölfe Paris verlassen, um mit Herrn von Bouillé, dem Schlächter von Nancy, zusammenzutreffen, der sie an der Grenze erwartet.«

»Ah! Herr Capet,« sagte Camille Desmoulins, »der Name ist gut, ich werde fortan Ludwig XVI. Herr Capet nennen.»

»Und man wird Dir nur Eines vorzuwerfen haben,« versetzte Chénier: »daß Ludwig XVI. nicht Capet, sondern Bourbon ist.»

»Bah! wer weiß das?« rief Camille Desmoulins, »ein paar Pedanten wie Du! Nicht wahr, Legendre, Capet ist ein guter Name?«

»Mittlerweile,« bemerkte Danton, »wenn der Brief die Wahrheit spräche, und wenn sich wirklich heute Abend der ganze königliche Troß aus dem Staube machen würde?«

»Da wir bei den Tuilerien sind, so wollen wir sehen,« sagte Camille.

Und die fünf Patrioten machten zu ihrer Belustigung die Runde um die Tuilerien: als sie gegen die Rue Saint Nicaise zurückkamen, erblickten sie Lafayette, der sich mit seinem ganzen Generalstabe in die Tuilerien begab.

»Ei! seht doch,« rief Danton, »Blondinet will dem Schlafengehen der königlichen Familie beiwohnen; unser Dienst ist beendigt, der seinige beginnt. Gute Nacht, meine Herren; wer geht mit mir nach der Rue du Paon?«

»Ich,« erwiderte Legendre.

Und die Gruppe trennte sich in zwei Theile und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

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