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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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XCIX
Der Abgang

Man weiß, daß der König abgegangen war.

Es bleiben uns aber ein paar Worte über diesen Abgang und über diese Reise zu sagen, wobei wir die verschiedenen Geschicke der treuen Diener und der letzten Freunde, welche das Verhängniß, der Zufall oder die Ergebenheit um die sterbende Monarchie gruppirt hatten, werden in Erfüllung gehen sehen.

Kehren wir in das Haus von Herrn Sausse zurück.

Charny hatte, wie gesagt, kaum den Boden berührt, als sich die Thüre geöffnet und Billot wieder aus der Schwelle erschienen war.

Sein Gesicht war düster; sein Auge, auf das der Gedanke die Braue niedersenkte, war forschend und tief: er schaute eine nach der andern alle Personen des Drama an, doch in dem Kreise, den er durchlief, schien sein Blick nur zwei Bemerkungen zu machen.

Die Flucht von Charny: sie war offenbar; der Graf war nicht mehr da, und Herr von Damas schloß wieder das Fenster hinter ihm; würde er sich vorwärts geneigt haben, so hätte Billot den Grafen können über die Gartenmauer klettern sehen.

Dann eine Art von Vertrag, der so eben zwischen der Königin und Herrn von Romeuf geschlossen worden, ein Vertrag, bei dem Alles, was Herr von Romeuf hatte versprechen können, gewesen war, er wolle neutral bleiben.

Hinter Billot hatte sich das erste Zimmer mit denselben Leuten aus dem Volke, bewaffnet mit Flinten, Säbeln oder Sensen gefüllt, welche eine Geberde des Pächters hinausgetrieben.

Diese Leute schienen übrigens instinctartig, durch einen magnetischen Einfluß hingezogen, diesem Anführer zu gehorchen, der Plebejer wie sie, und in dem sie einen dem ihrigen gleichen Patriotismus, besser gesagt, einen dem ihrigen gleichen Haß erkannten.

Billot warf einen letzten Blick zurück; dieser Blick, der sich mit dem der bewaffneten Leute kreuzte, belehrte ihn, daß er auf sie zählen könne, selbst in dem Fall, daß man Gewalt gebrauchen müßte.

»Nun!« fragte er Herrn von Romeuf, »sind sie entschlossen, abzugehen?«

Die Königin warf auf Billot einen von jenen schiefen Blicken, welche die Unklugen, an die sie dieselben richtete, vernichtet haben würden, hätte sie die Macht des Blitzes darein legen können.

Dann setzte sie sich und faßte den Arm ihres Lehnstuhles, als hätte sie sich daran anklammern wollen.

»Der König verlangt noch ein paar Augenblicke,« antwortete Herr von Romeuf; »Niemand hat heute Nacht geschlafen, und Ihre Majestäten sind von Müdigkeit niedergedrückt.«

»Herr von Romeuf,« sprach Billot, »Sie wissen wohl, daß Ihre Majestäten, nicht weil sie müde sind, ein paar Augenblicke verlangen, sondern weil sie hoffen, während dieser paar Augenblicke werde Herr von Bouillé ankommen. Nur,« fügte Billot mit absichtlichem Nachdruck bei, »nur mögen sich Ihre Majestäten in Acht nehmen, denn wenn sie sich weigern, gutwillig zu kommen, so wird man sie an den Füßen in ihren Wagen schleppen.«

»Elender!« rief Herr von Damas, mit dem Säbel in der Hand auf Billot losstürzend.

Doch Billot wandte sich um und kreuzte die Arme.

Er hatte in der That nicht nöthig, sich selbst zu vertheidigen; acht bis zehn Leute brachen vom ersten Zimmer in das zweite ein, und Herr von Damas, fand sich zugleich von zehn Waffen bedroht.

Der König sah, es bedürfe nur eines Wortes oder einer Geberde, daß die zwei Gardes du corps, Herr von Choiseul, Herr von Damas und die paar Officiere oder Unterofficiere, welche bei ihm waren, ermordet werden.

»Es ist gut,« sagte er, »lassen Sie die Pferde anspannen. Wir gehen ab.«

Madame Brunier, eine von den Frauen der Königin, stieß einen Schrei aus und fiel in Ohnmacht.

Dieser Schrei weckte die zwei Kinder auf.

Der junge Dauphin fing an zu weinen.

»Ah! mein Herr,« sagte die Königin zu Billot, Sie haben also kein Kind, daß Sie in einem solchen Grade grausam gegen eine Mutter sind?«

Billot bebte: alsbald aber erwiderte er mit einem bittern Lächeln:

»Nein, Madame, ich habe keines.«

Dann zum König:

»Man braucht die Pferde nicht anzuspannen, sie sind angespannt.«

»So lassen Sie den Wagen vorfahren.«

»Er ist vor der Thüre.«

Der König trat an das Fenster, das auf die Straße ging, und sah wirklich den Wagen angespannt; unter dem ungeheuren Lärmen, der auf der Straße stattfand, hatte er ihn nicht kommen hören.

Das Volk erblickte den König durch die Scheiben.

Da erhob sich ein furchtbares Geschrei oder vielmehr eine furchtbare Drohung aus der Menge. Der König erbleichte.

Herr von Choiseul näherte sich der Königin und sagte:

»Was befiehlt Eure Majestät? Ich und meine Kameraden wollen lieber sterben, als sehen, was hier vorgeht,«

»Glauben Sie, daß Herr von Charny gerettet ist?« fragte leise und lebhaft die Königin.

»Oh! was das betrifft, ja.« erwiderte Herr von Choiseul, »dafür würde ich stehen.«

»Nun, so wollen wir aufbrechen; doch in des Himmels Namen, mehr noch um Ihretwillen, als um unseretwillen, verlassen Sie uns nicht, Sie und Ihre Freunde.«

Der König begriff, welche Furcht die Königin erfüllte.

In der That,« sprach er, »die Herren von Choiseul und von Damas begleiten uns, und ich sehe ihre Pferde nicht.«

»Das ist wahr,« versetzte Herr von Romeuf, sich an Billot wendend, »wir können es nicht verhindern, daß diese Herren dem König und der Königin folgen.«

»Diese Herren werden dem König und der Königin folgen, wenn sie können,« entgegnete Billot; »unsere Befehle besagen, daß wir den König und die Königin zurückführen sollen, und sprechen nicht von diesen Herren.«

»Ich aber,« versetzte der König mit mehr Festigkeit, als man hätte von ihm erwarten können, »ich erkläre, daß ich nicht abreisen werde, wenn diese Herren ihre Pferde nicht haben.«

»Was sagt Ihr hierzu?« fragte Billot, indem er sich an die Leute wandte, die das Zimmer versperrten. »Der König wird nicht abgehen, wenn diese Herren nicht ihre Pferde haben.«

Die Leute brachen in ein Gelächter aus.

»Ich will sie vorführen lassen,« sprach Herr von Romeuf.«

Doch Herr von Choiseul machte einen Schritt vorwärts, trat ihm in den Weg und sagte zu ihm:

»Verlassen Sie Ihre Majestäten nicht, Ihre Sendung gibt Ihnen einige Gewalt über das Volk, und es ist die Sache Ihrer Ehre, daß kein Haar vom Haupte Ihrer Majestäten fällt.«

Herr von Romeuf blieb zurück, Billot zuckte die Achseln.

»Es ist gut,« sagte er, »ich gehe.«

Und er ging zuerst ab.

Doch aus der Thürschwelle wandte er sich um und fügte die Stirne faltend bei:

»Nicht wahr, man folgt mir?«

»Oh! seien Sie unbesorgt,« erwiderten die Leute mit einem Gelächter, welches andeutete, man dürfe im Falle des Widerstandes kein Mitleid erwarten.

Bis zu einem solchen Grade von Aufregung gelangt, hätten diese Leute sicherlich Gewalt gegen die königliche Familie angewandt, oder aus Jeden gefeuert, der zu fliehen versucht haben würde.

Billot hatte auch nicht einmal die Mühe, wieder hinauszugehen.

Einer von den Leuten stand am Fenster und verfolgte mit den Augen, was auf der Straße geschah.

»Hier sind die Pferde,« sagte er; »vorwärts!«

»Vorwärts!« wiederholten seine Gefährten mit einem Tone, der keine Erörterung zuließ.

Der König ging zuerst hinaus.

Dann kam Herr von Choiseul, die Königin am Arme führend; dann Herr von Damas mit Madame Elisabeth am Arme; dann Frau von Tourzel mit den zwei Kindern, und um sie, eine Gruppe bildend, der Rest der kleinen treuen Schaar.

Herr von Romeuf als Abgesandter der Nationalversammlung, und folglich mit einem heiligen Character bekleidet, war beauftragt, ganz besonders über dem königlichen Gefolge zu wachen.

Doch man muß sagen, Herr von Romeuf hatte selbst sehr nöthig, daß man über ihm wachte; es halte sich das Gerücht verbreitet, er habe nicht nur aus eine schlaffe Art die Befehle der Nationalversammlung vollzogen, sondern auch, wenn nicht thätig, doch wenigstens durch seine Trägheit die Flucht von einem der ergebensten Diener des Königs begünstigt, welcher, wie man sagte, Ihre Majestäten nur verlassen hatte, um Herrn von Bouillé den Befehl, ihnen zu Hilfe zu kommen, zu überbringen.

Eine Folge hiervon war, daß, als er auf die Thürschwelle kam, während das Benehmen von Billot von diesem ganzen Volke, das ihn als seinen einzigen Führer anzuerkennen geneigt schien, verherrlicht wurde, Herr von Romeuf um sich her, in Begleitung von Drohungen, die Worte Aristokrat und Verräther ertönen hörte.

Man stieg in den Wagen und befolgte dabei dieselbe Ordnung, welche man befolgt hatte, um die Treppe herabzugehen.

Die zwei Gardes du corps nahmen wieder ihre Plätze auf dem Bock ein.

In dem Augenblick, wo man herabging, hatte sich Herr von Valory dem König genähert und zu ihm gesagt:

»Sire, mein Kamerad und ich wollten auf eine Gnade von Eurer Majestät erbitten.«

»Welche, meine Herren?« versetzte der König, erstaunt, daß es noch irgend eine Gnade gab, über die er verfügen konnte.

»Sire, die Gnade, da wir nicht mehr das Glück haben, Eurer Majestät als Militäre anzugehören, bei Ihnen den Platz Ihrer Bedienten einnehmen zu dürfen.«

»Meiner Bedienten, meine Herren!« rief der König; »unmöglich!«

Herr von Valory verbeugte sich und sprach:

»Sire, in der Lage, in der sich Eure Majestät befindet, würde dieser Platz, unserer Ansicht nach, Prinzen von Geblüt Ehre machen, um so viel mehr armen Edelleuten, wie wir sind.«

»Wohl, es sei, meine Herren,« erwiderte der König mit Thränen in den Augen, »bleiben Sie, verlassen Sie uns nie mehr.«

So hatten die zwei jungen Leute, eine Wirklichkeit aus ihrer Livree und aus ihren scheinbaren Functionen als Couriere machend, ihre Plätze wieder auf dem Bock eingenommen.

Herr von Choiseul schloß den Wagenschlag.

»Meine Herren,« sagte der König, »ich gebe den bestimmten Befehl, daß man mich nach Montmédy führe. Postillons, nach Montmédy!«

 

Doch eine Stimme, eine ungeheure Stimme, eine Stimme, nicht einer einzigen Bevölkerung, sondern von zehn vereinigten Bevölkerungen rief:

»Nach Paris! nach Paris!«

In einem Augenblicke der Stille aber deutete Billot auf den Weg, dem man folgen sollte, und sagte:

»Straße nach Clermont.«

Der Wagen setzte sich in Bewegung, um diesem Befehle zu gehorchen.

»Ich nehme Sie Alle zu Zeugen, daß man mir Gewalt anthut,« sprach Ludwig XVI.

Erschöpft von dieser Willensanstrengung, die keine von denen übertraf, welche er noch gemacht hatte, sank dann der unglückliche König in den Hintergrund des Wagens zwischen die Königin und Madame Elisabeth.

Der Wagen fuhr weiter.

Nach fünf Minuten und ehe er zweihundert Schritte gemacht hatte, hörte man hinten gewaltiges Geschrei.

Durch die Disposition der Personen und vielleicht auch durch die der Temperamente, war die Königin die Erste, die den Kopf aus dem Schlage beugte.

Doch beinahe in demselben Momente warf sie sich wieder in den Wagen zurück, bedeckte die Augen mit ihren Händen und rief:

»Oh! wehe uns! man ermordet Herrn von Choiseul.«

Der König versuchte es, eine Bewegung zu machen, doch die Königin und Madame Elisabeth zogen ihn so rückwärts, daß er zwischen sie fiel. Ueberdies hatte sich der Wagen um eine Straßenecke gedreht, und es war unmöglich, zu sehen, was zwanzig Schritte von da vorging.

Man vernehme, was geschah.

Vor der Thüre von Herrn Sausse waren die Herren von Choiseul und von Damas zu Pferde gestiegen; doch das Pferd von Herrn von Romeuf, der übrigens mit Post gekommen, war verschwunden.

Herr von Romeuf, Herr von Floirac, und der Adjutant Foucq folgten also zu Fuß in der Hoffnung, Pferde von Husaren oder von Dragonern zu finden, mochten nun Dragoner oder Husaren, treu geblieben, ihnen ihre Pferde anbieten, oder würden sie Pferde finden, die von ihren Herren verlassen worden, welche, wenigstens die Mehrzahl, mit dem Volke fraternisirten und auf die Gesundheit der Nation tranken.

Doch man hatte nicht fünfzehn Schritte gemacht, da bemerkt vom Schlage des Wagens aus, den er geleitet, Herr von Choiseul, daß die Herren von Romeuf, von Floirac und Foucq Gefahr laufen, von der Menge umhüllt, zerdrückt zu werden.

Er hält einen Augenblick an, läßt den Wagen vorbeifahren, und da er denkt, Herr von Romeuf könne, kraft der Sendung, mit der man ihn betraut, unter den drei Männern, die einer gleichen Gefahr preisgegeben, derjenige sein, welcher der königlichen Familie die größten Dienste leisten würde, so ruft er seinem, mit der ganzen Menge vermischten, Bedienten James Brisack zu:

»Mein zweites Pferd Herrn von Romeuf!«

Kaum hat er diese Worte gesprochen, da geräth das Volk in Zorn, braust auf, umzingelt ihn und schreit:

»Das ist der Graf von Choiseul, das ist einer von denjenigen, welche den König entführen wollten! Tod dem Aristokraten! Schlagt den Verräther todt!«

Man weiß, mit welcher Schnelligkeit bei den Volksaufständen die Wirkung aus die Drohung folgt.

Von seinem Sattel herabgerissen, wurde Herr von Choiseul rückwärts niedergeworfen und verschwand verschlungen von dem entsetzlichen Schlunde, den man die Menge nennt, und aus welchem man, in jener Woche tödtlicher Leidenschaften fast nie anders als in Fetzen hervorkam.

Zu gleicher Zeit aber, als er fiel, eilten ihm fünf Personen zu Hilfe.

Das waren Herr von Damas, Herr von Floirac, Herr von Romeuf, der Adjutant Foucq und derselbe Bediente James Brisack, dessen Händen man das Pferd, entrissen, das er hielt, und der, da er die Hände frei hatte, diese im Dienste seines Herrn beschäftigen konnte.

Es fand dann einen Augenblick ein erschreckliches Gemenge statt, eine Gemenge ähnlich jenen Kämpfen, wie sie die Völker des Alterthums gekämpft, oder wie man sie in unseren Tagen bei den Arabern sieht, wenn diese um die blutigen Leiber ihrer Verwundeten und ihrer Todten streiten.

Gegen alle Wahrscheinlichkeit war zum Glück Herr von Choiseul weder todt, noch verwundet, oder seine Wunden waren wenigstens, trotz der gefährlichen Waffen, die sie ihm beigebracht, nur leicht.

Ein Gendarme parirte mit dem Laufe seiner Muskete einen für ihn bestimmten Sensenhieb. James Brisack parierte einen andern mit einem Stocke, den er einem der Angreifenden entrissen.

Der Stock wurde wie ein Rohr durchschnitten, doch der Streich verwundete nur das Pferd von Herrn von Choiseul.

Da fiel es dem Adjutanten Foucq ein, zu rufen:

»Zu Hilfe, Dragoner.«

Einige Soldaten liefen auf diesen Ruf herbei, und da sie sich schämten, den Mann niederhauen zu lassen, der sie commandirt hatte, so brachen sie sich Bahn bis zu ihm.

Herr von Romeuf stürzte selbst vor und rief:

»Im Namen der Nationalversammlung, deren Mandatar ich bin, und des General Lafayette, welcher mich abgeordnet: führet diese Herren auf die Municipalität.«

Die zwei Namen Nationalversammlung und General Lafayette genossen damals ihre ganze Popularität; sie brachten auch ihre Wirkung hervor.

»Auf die Municipalität! auf die Municipalität!« riefen viele Stimmen.

Die Leute von gutem Willen strengten sich an, und Herr von Choiseul und seine Gefährten sahen sich nach dem Gemeindehause fortgezogen.

Mm brauchte mehr als anderthalb Stunden, um hier anzukommen; jede Minute von diesen anderthalb Stunden war eine Drohung oder ein Tödtungsversuch; jede Oeffnung, welche ihre Vertheidiger um die Gefangenen ließen, gewährte der Klinge eines Säbels, dem Dreizack einer Heugabel oder der Spitze einer Sense Durchgang.

Endlich kam man zum Stadthause; ein einziger Municipalbeamter war da, sehr erschrocken über die Verantwortlichkeit, die auf ihm lastete.

Um sich dieser Verantwortlichkeit zu entledigen, befahl er, daß die Herren von Choiseul, von Damas und von Floirac ins Gefängniß gebracht und von den Nationalgarden bewacht werden sollten.

Herr von Romeuf erklärte dann, er wolle Herrn von Choiseul, der sich für ihn Allem ausgesetzt, nicht verlassen.

Der Municipal befahl, Herrn von Romeuf mit den Andern ins Gefängniß zu bringen.

Auf ein Zeichen, das Herr von Choiseul seinem Bedienten machte, verschwand dieser, der zu wenig war, als daß man sich um ihn bekümmert hätte.

Seine erste Sorge betraf die Pferde, – vergessen wir nicht, daß James Brisack Reitknecht war.

Er erfuhr, die Pferde stehen fast unversehrt in einem Wirthshause unter der Obhut von mehreren Schildwachen.

Ueber diesen Punkt beruhigt, trat er in ein Kaffeehaus ein und verlangte Thee, eine Feder und Tinte, und schrieb an Frau von Choiseul und an Frau von Grammont, um sie über das Loos ihres Sohnes und ihres Neffen zu beruhigen, der aller Wahrscheinlichkeit nach gerettet war, sobald er im Gefängniß.

Der arme James Brisack ging viel zu weit bei den guten Nachrichten, die er gab; ja, Herr von Choiseul war Gefangener; ja, Herr von, Choiseul war im Kerker; ja, Herr von Choiseul war unter der Bewachung der Stadtmiliz: doch man hatte vergessen, Schildwachen vor die Luftlöcher des Kerkers zu stellen, und durch diese Luftlöcher feuerte man viele Flintenschüsse auf die Gefangenen.

Sie waren also genöthigt, sich in die Ecken zu flüchten.

Diese ziemlich precäre Lage dauerte vier und zwanzig Stunden, während welcher Herr von Romeuf mit einer bewunderungswürdigen Aufopferung sich weigerte, seine Gefährten zu verlassen.

Als endlich am 23. Juni die Nationalgarde von Verdun angekommen war, brachte es Herr von Romeuf dahin, daß die Gefangenen ihr übergeben wurden, und er verließ sie erst, nachdem ihm bei ihrem Ehrenworte die Officiere versprochen hatten, über ihnen zu wachen, bis sie in dem Gefängnisse des obersten Gerichtshofes wären.

Was den armen Isidor von Charny betrifft, so wurde sein Leichnam in das Haus eines Webers geschleppt, wo ihn fromme, aber fremde Hände begruben; er war hierin minder glücklich, als Georges, dem wenigstens die letzte Ehre von den brüderlichen Händen des Grafen und von den befreundeten Händen von Gilbert und Billot erwiesen worden war.

Denn damals war Billot ein ergebener und ehrfurchtsvoller Freund. Wir haben gesehen, wie sich diese Freundschaft, diese Ehrfurcht und diese Ergebenheit in Haß verwandelten, in einen Haß so unversöhnlich, als diese Freundschaft, diese Ehrfurcht und diese Ergebenheit tief gewesen waren.

C
Der Schmerzensweg

Die königliche Familie setzte indessen ihre Reise nach Paris fort, dem folgend, was wir ihren Schmerzensweg nennen können.

Ach! Ludwig XVI. und Marie Antoinette hatten auch ihre Schädelstätte! Sühnten sie vielleicht durch dieses gräßliche Leiden die Sünden der Monarchen, wie Jesus Christus die Sünden der Menschen sühnte? Das ist das Problem, welches die Vergangenheit nicht gelöst hat, das aber vielleicht die Zukunft aufklären wird.

Man rückte langsam weiter, denn die Pferde konnten nur im Schritte der Escorte gehen, und diese Escorte, während sie der Mehrzahl nach aus Männern bestand, welche, wie gesagt, mit Heugabeln, Flinten, Sensen, Säbeln, Spießen, Dreschflegeln bewaffnet waren, vervollständigte sich durch eine zahllose Menge von Weibern und Kindern, – Weiber, die ihre Kinder über ihre Kopfe emporhoben, um sie diesen König sehen zu lassen, welchen man mit Gewalt nach seiner Hauptstadt zurückbrachte, und den sie ohne diesen Umstand wahrscheinlich nie gesehen hätten.

Und unter dieser Menge, die aus der Straße hinzog und aus beiden Seiten in die Ebene überströmte, glich der große Wagen des Königs, hinter welchem das Cabriolet von Madame Brunier und Frau von Neuville fuhr, einem Schiffe, gefolgt von einer Schaluppe, das wüthende Wellen umtosen und zu verschlingen drohen.

Von Zeit zu Zeil machte ein unerwarteter Umstand, – man erlaube uns, unsere Vergleichung zu verfolgen, – daß dieser Sturm neue Gewalt erlangte. Die Schreie, die Fluche, die Drohungen verdoppelten sich; die menschlichen Wogen hoben sich, senkten sich, stiegen wie eine Fluth, und verbargen zuweilen gänzlich in ihren Tiefen das Fahrzeug, das sie mit großer Anstrengung seines Vordertheils durchschnitt, die Schiffbrüchigen, die es trug, und die schwache Schaluppe, die es am Schlepptau nachzog.

Man kam nach Clermont, ohne daß man die erschreckliche Escorte, obgleich man vier Meilen gemacht, hatte abnehmen sehen; die Männer, die sie bildeten und von ihren Geschäften nach Hause zurückgerufen wurden, waren bald von denen ersetzt, welche aus der Umgegend herbeiliefen und sich an dem Schauspiel weiden wollten, von dem die Andern schon gesättigt.

Von allen Gefangenen, die das ambulante Gefängniß wegführte, waren zwei ganz besonders dem Zorne der Menge ausgesetzt und die Zielscheibe ihrer Drohungen: das waren die zwei unglücklichen Gardes du corps, welche auf dem breiten Bocke des Wagens saßen. Jeden Augenblick, und das war eine Art, die königliche Familie zu treffen, die der Befehl der Nationalversammlung unverletzlich machte, jeden Augenblick waren die Bajonnete gegen ihre Brust gewendet; eine Sense, welche wirklich die des Todes, erhob sich über ihrem Haupte, oder eine Lanze, die wie eine falsche Schlange durch die Zwischenräume schlüpfte, stach mit ihrem scharfen Eisen in das lebendige Fleisch und kam mit einer ebenso raschen Bewegung zurück, um vor die Augen ihres dadurch, daß er sein Ziel nicht verfehlt, befriedigten Herrn ihre feuchte und geröthete Spitze zu bringen.

Plötzlich sah man mit Erstaunen einen Mann ohne Hut, ohne Waffen, die Kleider mit Koth bedeckt, die Menge durchschneiden, nachdem er den König und die Königin einfach, aber ehrfurchtsvoll gegrüßt, auf das Vordergestell des Wagens springen und auf dem Bocke zwischen den Gardes du corps Platz nehmen.

Die Königin stieß einen Schrei zugleich der Angst, der Freude und des Schmerzes aus.

Sie hatte Charny erkannt.

Der Augst, denn das, was er vor Aller Augen that, war so verwegen, daß er nur durch ein Wunder diesen gefährlichen Platz hatte erreichen können, ohne verwundet worden zu sein.

Der Freude, denn sie war glücklich, ihn den unbekannten Gefahren entgangen zu sehen, denen er aus seiner Flucht hatte preisgegeben sein müssen; Gefahren, welche um so größer, als die Wirklichkeit, ohne eine besonders zu bezeichnen, es der Einbildungskraft überließ, sie ihr alle zu bieten.

Des Schmerzes, daß sie, da sie Charny allein wiedersah, auf jede Hoffnung, von Herrn von Bouillé Hilfe zu erhalten, verzichten mußte.

Uebrigens schien die Menschenmenge über die Kühnheit dieses Mannes, ihn gerade wegen dieser Kühnheit respectirt zu haben.

Bei dem Geräusche, das um den Wagen her entstanden war, wandte sich Billot, der an der Spitze der Escorte ritt, um und erkannte sogleich Charny.

 

»Ah!« murmelte er, »es freut mich, daß ihm nichts widerfahren ist; doch wehe dem, der nun etwas Aehnliches versuchen würde, denn er müßte sicherlich für zwei bezahlen!«

Man kam gegen zwei Uhr Nachmittags in Sainte-Menehould an.

Die Entbehrung des Schlafes in der Nacht der Abreise, die Anstrengungen und Gemüthsbewegungen in der abgelaufenen Nacht hatten auf Jedermann, und besonders aus den Dauphin, ihren nachtheiligen Einfluß geübt. Als man in Sainte-Menehould ankam, war das arme Kind einem erschrecklichen Fieber preisgegeben.

Der König befahl, Halt zu machen.

Zum Unglück war von allen an der Straße liegenden Städten Sainte-Menehould vielleicht die am heftigsten im Aufruhr gegen diese unglückliche Familie, die man gefangen zurückführte, begriffene.

Man nahm also keine Rücksicht auf den vom König gegebenen Befehl, und es wurde von Billot der entgegengesetzte Befehl gegeben, daß man die Pferde anzuspannen habe.

Man gehorchte.

Der Dauphin weinte und fragte unter seinem Schluchzen:

»Warum kleidet man mich denn nicht aus und legt mich in mein gutes Bett, da ich krank bin?«

Die Königin konnte seinen Klagen nicht widerstehen, und ihr Stolz war einen Augenblick gebrochen.

Sie hob in ihren Armen den in Thränen zerfließenden und ganz schauernden Prinzen aus, zeigte ihn dem Volke und rief:

»Ah! meine Herren, aus Mitleid mit diesem Kinde, halten Sie an!«

Doch die Pferde waren schon am Wagen.

»Vorwärts!« rief Billot.

»Vorwärts!« schrie das Volk.

Und als der Pächter am Schlage vorüberritt, um wieder seinen Platz an der Spitze des Zuges einzunehmen, sprach die Königin zu Billot:

»Ah! mein Herr, ich wiederhole Ihnen, Sie müssen kein Kind haben.«

»Und ich, Madame, ich wiederhole Ihnen,« antwortete Billot mit seinem düsteren Blicke und seinem rauhen Tone: »ich habe eines gehabt, doch ich habe es nicht mehr!«

»Handeln Sie also, wie Sie wollen,« sagte Marie Antoinette, »Sie sind der Stärkere. Doch nehmen Sie sich in Acht, es gibt keine Stimme, welche lauter: Wehe! schreit, als die schwache Stimme der Kinder.«

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Die Fahrt durch die Stadt war grausam. Der Enthusiasmus, den der Anblick von Drouet erregte, welchem man die Verhaftung der Gefangenen zu verdanken hatte, wäre für diese eine für die Könige entsetzliche Lehre gewesen; doch in diesem Geschrei sahen Ludwig XVI. und Marie Antoinette nur eine blinde Wuth; in diesen Patrioten, welche überzeugt waren, sie retten Frankreich, sahen der König und die Königin nur Rebellen.

Der König war niedergeschmettert; der Schweiß der Scham und des Zorns floß von der Sinne der Königin; Madame Elisabeth, ein Engel des Himmels, der sich aus die Erde verirrt, betete leise, nicht für sich, sondern für ihren Bruder, für ihre Schwägerin, für ihren Neffen, für ihre Nichte, für das ganze Volk. Die fromme Frau wußte nicht diejenigen, welche sie als Opfer betrachtete, von denjenigen, die sie als Henker ansah, zu trennen, und in einer Anrufung legte sie Diese und Jene zu den Füßen des Herrn.

Beim Eingange von Sainte-Menehould konnte die Woge, welche einer Ueberschwemmung ähnlich die Ebene bedeckte, nicht durch die enge Straße vordringen.

Sie schäumte aus beiden Seiten der Stadt und folgte der äußeren Umfangslinie; da man aber in Sainte-Menehould nur die zum Umspannen nöthige Zeit anhielt, so kam sie am anderen Ende der Stadt zurück, um noch heftiger an den Wagen zu schlagen.

Der König hatte geglaubt, – und dieser Glaube hatte ihn vielleicht auf seinen schlechten Weg getrieben, – der König hatte geglaubt, der Geist von Paris sei allein irre geführt; er zählte auf seine gute Provinz. Nun entging ihm seine gute Provinz nicht nur, sondern sie wandte sich sogar unbarmherzig gegen ihn. Diese Provinz hatte Herrn von Choiseul in Pont de Sommevelle erschreckt, sie hatte Herrn Dandoins in Sainte-Menehould gefangen gesetzt, sie hatte aus Herrn von Damas in Clermont geschossen, sie hatte so eben Isidor unter den Augen des Königs getödtet. Alles erhob sich gegen die Flucht, selbst der Priester, den der Chevalier von Bouillé mit dem Absatze seines Stiefels über die Straße hinab geworfen hatte.

Und das wäre noch viel schlimmer gewesen, hätte der König sehen können, was in den Orten selbst, Dörfern und Städten, vorging, wo die Nachricht, daß man ihn verhaftet, eintraf. Auf der Stelle erhob sich die ganze Bevölkerung, die Weiber nahmen die Wickelkinder in ihre Arme, die Mütter zogen an der Hand die Kleinen, welche gehen konnten, fort, die Männer beluden sich mit Waffen, so viel sie hatten, so viel hingen sie um sich oder trugen sie auf den Schultern; sie kamen an entschlossen, nicht dem König das Geleite zu bilden, sondern den König zu tödten, der im Augenblick der Ernte, – traurige Ernte der Champagne in der Gegend von Chalons, welche so arm, daß sie das Volk in seiner ausdrucksvollen Sprache die Champagne pouilleuse33 nennt! – diesen König, der im Augenblick der Ernte, damit sie sie unter den Füßen ihrer Rosse zerträten, den plündergierigen Husaren, den raubsüchtigen Panduren34 holen wollte. Doch drei Engel bewachten den königlichen Wagen: der arme kleine Dauphin, der ganz krank und schnatternd aus dem Schooße seiner Mutter lag; Madame Royale, welche, schön in jener glänzenden Schönheit der Frauen mit rothen Haaren, am Wagenschlage stand und Alles dies mit ihrem erstaunten, aber festen Auge anschaute; Madame Elisabeth endlich, welche schon sieben und zwanzig Jahre alt, der aber die Keuschheit des Körpers und des Herzens die Glorie der reinsten Jugend um die Stirne legte. Diese Menschen sahen Alles dies, dabei diese auf ihr Kind gebeugte Königin, diesen tief niedergeschlagenen König, und ihr Zorn ging hin und verlangte einen andern Gegenstand, auf den er niederstürzen könnte. Sie schrieen gegen die Gardes du corps, sie schmähten sie, sie nannten sie, – diese edlen und ergebenen Herzen! – Herzen von Feigen und Herzen von Verräthern; dann fiel auf alle diese exaltirten Köpfe, welche meistens bloß, meistens erhitzt durch den schlechten Wein der Schenken, senkrecht die Junisonne, und sie machte einen Flammenregenbogen in dem kreidigen Staube, den dieses ganze ungeheure Gefolge den Weg entlang aufwühlte.

Was würde dieser König gesagt haben, der sich vielleicht noch Illusionen machte, hätte er gesehen, wie ein Mann in Mézières, mit seiner Flinte auf der Schulter, aufbrach, in drei Tagen sechzig Meilen zurücklegte, um den König zu tödten, ihn in Paris erreichte, und in Paris, da er ihn so arm, so gedemüthigt, so unglücklich erblickte, den Kopf schüttelnd auf sein Vorhaben verzichtete?

Was würde er gesagt haben, hätte er einen Tischler gesehen, der, da er nicht zweifelte, nach seiner Flucht werde der König sogleich vor ein Gericht gestellt und verurtheilt werden, tief aus Burgund abging und auf den Straßen forteilte, um bei diesem Gerichte und bei dieser Verurtheilung anwesend zu sein? Auf dem Wege macht ihm ein Tischlermeister begreiflich, das werde länger dauern, als er glaube, und hält ihn zurück, um mit ihm Brüderschaft zu schließen; der junge Tischler verweilt in der That beim alten Meister und heirathet seine Tochter.35

Was Ludwig XVI. sah, war vielleicht ausdrucksvoll, aber weniger furchtbar; denn wir haben gesagt, wie der dreifache Schild der Unschuld den Zorn von ihm abwandte und gegen seine Diener zurücksandte.

Als man Sainte-Menehould verließ, sah man, vielleicht eine halbe Meile von der Stadt, querfeldein im stärksten Galopp seines Pferdes, einen alten Edelmann, Ritter vom Orden des heiligen Ludwig, kommen; er trug sein Krenz an seinem Knopfloch; einen Augenblick glaubte ohne Zweifel das Volk, dieser Mann eile nur durch die Neugierde bewogen herbei, und man machte ihm Platz. Der alte Edelmann näherte sich dem Wagenschlage, verbeugte sich vor dem König und der Königin und nannte sie Majestäten. Das Volk hatte ermessen, wo die wahre Stärke und die wirkliche Majestät waren, und entrüstete sich, daß man seinem Gefangenen einen Titel gab, der ihm gebührte; es fing an zu murren und zu drohen.

Der König hatte dieses Murren schon kennen gelernt; er hatte es um das Haus von Varennes gehört und errieth seine Bedeutung.

33die lausige Champagne.
34Die Panduren hätten sich hierzu die Pferde erst in Frankreich verschaffen müssen, D, Uebers.
35Diese doppelte Anekdote wird von Michelet, dem poetischen und pittoresken Geschichtsschreiber, erzählt.
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