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Gabriele

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»Ich werde Dich, wenn Du willst, jetzt schon verehren, Gabriele, aber niemals Dich traurig machen! Das wäre zu schade,« fügte sie lächelnd hinzu.

»Sollte man nicht glauben, daß das Leben in der Welt aus lauter Unglück bestände,« erwiderte Gabriele lustig; »daß die Welt voll Abgründe wäre; daß man keinen Schritt in den Salons thun könnte, ohne in diesen Abgründen zu versinken! Geh doch . . . wenn ich erst so weit bin, werde ich friedlich und ohne Sorgen durch die Welt gehen, wie ich vor noch nicht gar langer Zeit durch den Park von Arnouville ging, ich hoffe mich durch die Gefahren der Welt zu winden, wie durch die Dorngesträuche, zwischen denen ich so geschickt hindurchlief, daß ich niemals verwundet wurde; Du würdest, wette ich, die Hälfte Deines Anzuges und auch ein Theilchen Deines Körpers an den Sträuchern haben sitzen lassen! Du, mit Deiner ruhigen, vernünftigen Miene, siehst nichts, und mir, mit aller meiner Unbesonnenheit, entgeht nichts.«

Elénore betrachtete sie noch immer lächelnd.

»Es ist möglich!« sagte sie; »aber glaube mir, Gabriele, es gibt Dinge, die man weder vorhersehen, noch vermeiden kann . . . man muß alsdann sich dem Schmerze beugen, nicht gegen das Geschick kämpfen, und vielleicht,« fügte sie mit einem Seufzer hinzu, »wird die Resignation uns als eine Tugend angerechnet.«

Gabriele war von so lebhafter und empfänglicher Natur, daß jede Bewegung sich ihr schnell mittheilte. . . Von diesen Worten erweicht, drückte sie Elénore zärtlich an ihr Herz, und diese beiden so verschiedenen, aber beide reizenden, beide ganz weiß gekleideten Mädchen gewährten, so gruppiert, einen hinreißenden Anblick! Elénore, die Munterkeit Gabrielens belächelnd, Gabriele über Elénorens Schwermuth beinahe weinend, hatten sie, ohne zu wissen, wie es kam, in diesem Augenblicke beinah die Charaktere gewechselt.

Elénore betrachtete Gabriele lange mit schwermüthigem Lächeln, und sagte dann:

»Du bist hübsch . . . sehr hübsch!«

Gabriele lachte: »Hübsch?« sagte sie, ohne auf dies Wort mehr Werth zu legen, als sie denselben Morgentaus das Wort »Heirath« gelegt halte. Aber plötzlich nahm sie eine ernste Miene an, und fügte hinzu:

»Du findest mich hübsch, Elénore, weil Du mich liebst; aber glaubst Du, daß Jemand, der mich zum ersten Male sähe, mich auch hübsch finden würde?«

»Ohne Zweifel,« antwortete Elénore.

»Und wenn man hübsch ist, wird man geliebt?« fragte Gabriele.

»Ja, von den Männern . . .« sagte lachend Elénore; »von den Frauen hingegen verabscheut.«

»Ach! Du verabscheust mich also?« erwiderte Gabriele lachend.

»O! das ist ein Unterschied . . . ich spreche von den Frauen der Welt . . . von verheiratheten Frauen, die Allen gefallen wollen, oder die Einen lieben. . . Siehst Du, ich, die Dich so sehr liebt . . . nun wohl! es ist. . . Jemand. . .«

Sie hielt inne und Gabriele fügte hinzu:

»Dem hübsch erscheinen zu wollen Du mir nicht verzeihen würdest, nicht wahr?«

»Kann sein!« sagte Elénore seufzend: »aber wozu diese Fragen?«

Gabriele sah eine Wolke über die Stirn ihrer Freundin gleiten und drückte einen Kuß darauf.

»Liebe Elénore!« sagte sie zärtlich; »auch Du wirst glücklich und geliebt werden, denn Du bist sehr hübsch und sehr gut.«

»Glücklich!« erwiderte Elénore traurig; »ich bin es nie gewesen . . . ich weiß nichts mehr von der Zeit, ehe ich in dies Kloster kam, ich war noch Kind, ich hatte keine Mutter mehr . . . und Herr Simon . . .«

»Herr Simon?« unterbrach sie Gabriele erstaunt; »auch Herr Simon?«

»Niemand als er,« sagte Elénore, »hat bis jetzt Theil an meinem Schicksale genommen, bis zu dem Tage, wo er, was nun drei Jahre sind, kam, um mich hier aus dem Kloster abzuholen. Kein Vater kann zärtlicheren Antheil an seiner Tochter nehmen, als er an mir, wovon er mir täglich die angelegentlichsten Beweise gibt; aber wirklich, ich glaube, seine Freundschaft bringt Unglück.«

»Was sagst Du da!« rief Gabriele entsetzt.

»Fürchte nichts, Gabriele,« sagte Elénore lächelnd; »Du kannst die bösen Mächte bannen: Erstlich Dein heiterer, muthiger Geist, dann eine gute Mutter und ein unermeßliches Vermögen! Von allem Diesem habe ich nichts.«

»Aber Du hast eine Freundin, Elénore,« entgegnete Gabriele, »eine Freundin, der Dein Glück Bedürfniß geworden ist; und wenn Du allein es nicht hast gründen können, nun gut! so wird es jetzt leichter zu erreichen sein, wenn wir Beide uns dazu vereinigen.«

»Gabriele,« sagte Elénore dankbar, »Du warst immer gut, aber heute bist Du so innig und zärtlich, wie ich Dich noch nie sah; ich liebte Dich, wie ein liebenswürdiges Kind, und in diesem Augenblicke liebe ich Dich, wie eine Schwester, der ich meine ganze Seele öffnen könnte; denn Deine Worte thun mir wohl und ich fühle, daß ich an Deinem Busen weinen kann.«

»Ja,« antwortete Gabriele, »dieser Tag stiftet zwischen uns eine Freundschaft für das ganze Leben. Höre, hier ist ein kleiner Ring, der seit drei Jahren nicht von meinem Finger gekommen ist, stecke ihn an den Deinigen, daß er Dich jeden Augenblick an eine Freundin erinnere, auf die Du für immer rechnen kannst.«

Elénore war bewegt . . . »Ja,« sagte sie, »ich werde ihn tragen . . . und getrennt und vereint, ihn behalten . . . Nur . . . wenn ich die Nähe des Todes fühle, werde ich ihn Dir zurückgeben und alsdann wirst Du ihn in liebevoller Erinnerung an mich wieder tragen.«

Sie umarmten sich zärtlich, Elénore trocknete eine Thräne, und fuhr fort:

»Vor drei Jahren kam Herr Simon eines Morgens hierher, um mich abzuholen; ich war siebzehn Jahre alt und wußte, daß ich in diesem Alter das Kloster verlassen sollte. Indem wir fort gingen, sagte Herr Simon zu mir: »Sie haben keine Mutter mehr, Elénore; aber Ihr Vater lebt, und gibt sich Ihnen nur deshalb nicht zu erkennen, weil Ihr Dasein ihm das theuerste Gut der Erde ist und weil es für Sie besser ist, daß der Name Ihres Vaters Ihnen noch eine Zeitlang unbekannt bleibe.« Glücklicherweise gestatteten diese letzten Worte mir, mich einer tröstenden Hoffnung zu überlassen, und ich fragte, ob diese Ungewißheit über meine Herkunft noch lange dauern werde?

– »Sobald Ihr Geschick durch eine vortheithafte Heirath gesichert ist,« antwortete Herr Simon, »wird Ihr Vater sich das Glück, sein Kind zu umarmen, nicht mehr versagen, und bis dahin wünscht er, daß Ihr Leben so heiter als möglich verfließen möge. Er wünscht auch, daß Sie in der Welt, in die Sie jetzt eintreten werden, eine Person, die Ihnen schon bekannt ist, die nur wenig alter ist als Sie und Ihre Gefährtin in diesem Hause war, als Stütze finden mögen.«

»Wirklich, Gabriele, führte Herr Simon mich zu einer Dame, die hier erzogen ist, und die ich als ganz kleines Kind hier noch gesehen zu haben mich erinnerte.

»Diese Frau! Ach, meine liebe Gabriele, erlaube mir, Dir ihren Namen zu verschweigen; ich kann Dir meine Geheimnisse mittheilen, aber über fremde Geheimnisse darf ich nicht disponieren. Sie ist so eng verbunden mit meinem Kummer, daß ich sie oft werde erwähnen müssen, und obgleich Du sie ohne Zweifel niemals kennen lernen wirst, werde ich sie Dir durch einen ihrer Taufnamen . . . Rosa . . . bezeichnen, der wahrhaft bezeichnend für sie ist, denn nichts kann frischer, rosiger sein, als ihre Schönheit zwei Jahre zuvor . . . es ist wahr, daß seit dieser Zeit ihre Farbe und ihre Heiterkeit verschwenden . . . sie klagte über ihre Gesundheit . . . vielleicht um ein anderes Uebel, das sie nicht gestehen wollte, und das ihre Jugend vor der Zeit zerstörte, zu verbergen.

»Als ich zu ihr kam, war Rosa kaum sieben und zwanzig und ihr Mann über sechzig Jahre alt; seine Gewohnheiten entfernten ihn noch häufiger als sein Alter von seiner Frau, und mitten in Verhältnissen, die ihr fremd blieben, wünschte sie sich eine Gesellschafterin . .. eine Freundin . . . und Herr Simon, den sie zuweilen sah, hatte unsere Vereinigung vermittelt. Rosa gefiel mir vom ersten Augenblicke an. In mir, Gabriele, (und bei Dir wird es eben so sein, es ist ein Fehler, oder eine Eigenschaft der Frauen), in mir also ist jede Zuneigung unwillkürlich; mein Herz fühlt sich beim ersten Augenblicke angezogen oder zurückgestoßen, und alle möglichen Vernunftgründe sind nicht im Stande, meinen Widerstand zu besiegen, oder meine Zuneigung zu zerstören.

»Rosa erregte die meinige aufs Lebhafteste; ihre Aufnahme war liebevoll; sie schien für mich zu empfinden, was ich für sie fühlte; wir wurden in wenigen Tagen innige Freundinnen, ihre Weltkenntniß klärte mich über tausend Sachen auf, und ich verlebte so zwei köstliche Jahre, die mir auch süß und angenehm für sie zu sein schienen, ungeachtet der Schwermuth und Reue, die ihre Seele in sich verschloß.

»Ihr Kummer fing an Träumerei zu werden, sie schien sogar in ihr Schicksal ergeben zu sein! Sie vertraute mir Folgendes, mit tausend Umständen, die Dir mitzutheilen zu weitläufig sein würde. Sie halte, von allen Verführungen, die eine schöne junge Frau in der Welt belagern, umgeben, lange widerstanden; aber endlich war ein durch Herz und Geist, wie durch feine Sitten und Schönheit, gleich ausgezeichneter Mann der Gegenstand ihrer ganzen Liebe geworden. Seinen Namen, so wie die Ursachen, die ihn von ihr entfernten, wollte sie mir nicht sagen, vielleicht existierten auch gar keine, denn sie wiederholte oft: dieses Gefühl, was man Liebe nennt, hört ohne Ursache auf, wie es ohne Grund anfängt; sein Lebensglück auf einen so vergänglichen Grund bauen ist, als hätte man es auf einen Wurf gesetzt, und wenn man verloren hat, darf man Niemand als sich selbst anklagen.

«Sie war jeden Tag in Salons, im Theater; sie trieb Musik und Malerei; ihre Lebensart war die aller Frauen; aber ich bemerkte, daß ein alle andere beherrschender Gedanke sich zwischen sie und alle ihre Freuden drängte. Ein Wort, ein Seufzer, ein Blick, der allen Anderen entging, enthüllte mir ein Leiden, das ich oft, ohne ihr Wissen und ohne mich darüber zu erklären, zu lindern suchte. Die Wunde war noch zu schmerzlich, man durfte sie nicht berühren.

 

»Oft redete sie mit mir von meiner Zukunft, nie von der ihrigen. Wenn ich sie fragte, antwortete sie: Für mich ist Alles zu Ende . . . aber Du, Elénore, Du mußt glücklich werden!. Du mußt frei, mit allen Kräften Deiner Vernunft, dem Rache meiner Freundschaft und der Stimme Deines Herzens, einen jungen Mann wählen, dessen Seele noch in süßen Täuschungen lebt, dessen gereifter Verstand Dir Vertrauen, dessen sanfter und weiser Charakter Dir die Hoffnung auf ein glückliches, friedliches Leben an seiner Seite einflößt; besonders muß er Dir gleich beim ersten Anblick gefallen! Wenn Dein Herz schlägt, indem Du ihn siehst, wenn Du empfindest, was noch kein Anderer in Dir erweckte; das. Elénore, ist die Liebe!«

»Was sagst Du!« rief Gabriele, die Freundin unterbrechend . . . »die Verwirrung . . . die Theilnahme. . . die Furcht, die man auf einmal empfindet . . . das ist die Liebe?«

Elénore wollte sie ansehen; aber es war dunkel geworden, sie unterschied das erröthete und verwirrte Gesicht Gabrielens nicht mehr; sie fühlte nur ihre Hand heftig von ihr gedrückt.

»Weißt Du das? – Du?« sagte sie.

»Ich weiß nichts,« sagte Gabriele lachend, »aber ich möchte es gern wissen! Und Deine Freundin, die Frau von siebenundzwanzig Jahren, die wußte . . . lehrte Dich also, woran Du den, den Du lieben würdest, erkennen müßtest? Fandest Du ihn bald?«

Elénore fuhr fort:

»Nur zu bald, weil es mir nicht beschieden war, mit ihm vereint zu werden. Es gibt Güter, die man nie besitzen, oder immer beweinen muß! An dem Tage, wo ich mich verheirathe, erhalte ich zwei tausend Livres jährliche Renten; ich wußte, daß das nicht hinreicht, um ein zufriedenes und sogar gemächliches Leben zu führen. Man hatte mir gesagt: Wähle! Wir sahen nur Männer von feiner Erziehung bei uns; mehrere hatten schon um mich geworben; aber keiner von ihnen hatte mir gefallen! Ich wartete also mit großer Ruhe; ich war zufrieden.

»Ich folgte Rosa zu den Festen und Bällen, oder blieb mit ihr zu Hause, um Gesellschaft zu empfangen. Ihr Mann begleitete uns, wenn seine eigenen Vergnügungen oder die Schwächen seines Alters es ihm erlaubten. Einige andere Personen waren auch immer bei uns; nichts Besonderes unterschied unser tägliches Leben von dem aller anderen reichen Frauen. Rosa hatte, arm und aus einer alten Familie, einen alten General-Einnehmer geheirathet; für sie war also das hohe Finanzwesen und die Vorstadt St. Germain weniger getrennt, als man denken sollte. Alles, was den ersten Rang einnimmt, sei es auch sehr verschieden, ist gewissermaßen verbrüdert: die Ersten unter den Reichsten, die Ersten unter dem Adel, die. Ersten von der Politik, von den Künsten und Wissenschaften, bilden unter einander eine eigene, zusammenhaltende Welt; nur im zweiten Range theilt die Gesellschaft sich in Classen.

»Rosa liebte besonders zahlreiche Gesellschaften, vielleicht, weil man in denselben leichter der Aufmerksamkeit entgeht, die sie zuweilen zu sehr erregte. Oft erschien sie bei diesen Festen reich und elegant geschmückt; ihr Gesicht zeigte einen Wunsch oder eine Hoffnung des Erfolges. Ihr Geist war lebhaft und glänzend; alle Bücke hefteten sich auf sie; Jeder wünschte ihr zu gefallen . . . und plötzlich stand sie still, ihr Lächeln verschwand: bleich, stumm und erstarrt verließ sie den Ball, ohne Denen, die sie umringten, noch ein Wort oder einen Blick zu schenken, Denen, für die sie sonst liebenswürdig war, die es für sie zu sein glaubten; und sie blieben betäubt zurück über »ine Gleichgültigkeit, die ihnen wenigstens sonderbar schien und die sie ihr nie vergaben.

»Eines Tages waren wir auch so auf einen Ball gegangen, sie, glänzend, ohne Freude, ich fröhlich, ohne den Wunsch zu glänzen. Dieses Mal blieb ihr Gesicht den ganzen Abend strahlend, und die angelegentlichsten Huldigungen umgaben sie. Ich glaubte endlich ihr Geheimniß errathen zu haben, und meine Ueberraschung, ich gestehe es, war groß; indem ich mir ihre anhaltende Heiterkeit nur durch die großen Aufmerksamkeiten eines Mannes erklären konnte, mußte ich wohl glauben, daß dieser Mann der Gegenstand ihrer so lange gehegten Wünsche und Schmerzen sei und so erklärte sich mir Alles natürlich.

»Du weißt noch nicht, Gabriele, daß es eine mächtige Gottheit gibt, der Jeder in der Welt opfert; es ist die Eitelkeit. Dir zu beschreiben, wie ein unerklärliches Etwas, ohne reelle Freuden dem Geiste, süße dem Herzen, ohne irgend einen materiellen Genuß zu gewähren, Alles beherrschen kann, ist unmöglich; man müßte einen unerklärlichen Wunsch, über Andere zu triumphieren, mehr zu scheinen als man ist, zergliedern können; müßte Dich tausend Dir ganz fremde Spitzfindigkeiten kennen lehren, um Dir einen Begriff von den unbestreitbaren Rechten dieser Macht zu geben, die Worte, Handlungen und Gedanken in der Gesellschaft leitet. Da ich Dir jedoch ihre Ursachen nicht erklären kann, so will ich Dir eine ihrer Wirkungen darstellen.

,Bei den Festen, welche die Frauen so begierig besuchen, war gerade damals' der Gegenstand aller ihrer Coquetterieen ein junger fremder Prinz, Souverain eines jener kleinen deutschen Höfe, deren erbliche Ehren und langweilige Feierlichkeiten oft nur zu gern verlassen werden, um dagegen den Genuß der heiteren Freuden und gesellschaftlichen Erfolge der Pariser Salons einzutauschen. Er vergaß gern seine Macht für diese Freuden. Hätte Eine oder Einige dieser Frauen ihn geliebt, so hätte man glauben können, wahre Liebe ziehe sie zu ihm hin, aber Alle! Auch die, welche, ehe sie ihn sahen, vorwurfsfrei waren – das konnte doch nicht alles Liebe sein und Niemand hatte dies bis jetzt eifriger getadelt als Rosa; sie, die nicht begreifen konnte, daß alle sich gewissermaßen an seine Schritte hefteten – die es hundert Mal als unerhörte Eitelkeit getadelt hatte – sie sah ich jetzt berauscht von den Huldigungen eben dieses Prinzen! Ich hielt bald ihre Epigramme über die Aufführung der andern Frauen für Eifersucht und die Aufmerksamkeit, die der Prinz ihr bewies, für eine Rückkehr zu den Gefühlen, die sie so schmerzlich beweint hatte. Der Ausdruck des Triumphes, mit dem sie die Hand nahm, die er ihr zum Lanze bot, das Glück, das in ihren Augen leuchtete, alles Dieses zeigte erfüllte Hoffnungen und eine Freude an, die nichts mehr zu wünschen übrig ließ.

»Aber ich begriff auch, wie sehr eine so beneidenswerthe Eroberung ihr streitig gemacht sein mußte; wie der junge Prinz lange vergessen haben konnte; er hatte ja so viel zu denken! Ich erschrak nur denn die Gesichter der andern Frauen drückten Neid, Verdruß, Zorn aus, und ich errieth, daß eine solche Liebe mehr Furcht als Hoffnungen einflößen mußte.

Rosa schien nichts mehr zu fürchten. Von dem Prinzen zur Tafel gefüllt, als es zum Souper ging, blieb sie vor mir stehen und sagte, auf einen jungen Mann deutend, der neben mir stand, und sie so eben gegrüßt hatte: »Elénore, ich stelle Dir Herrn . . .« Ach! Gabriele, ich will nicht – ich kann Dir nicht seinen Namen sagen!« rief das junge Mädchen mit bebender Stimme.

»Endlich! Er ist es also!« sagte Gabriele, ihre kleinen Hände in einander schlagend; »nun kommt der Held Deines Herzens! Weißt Du, daß ich schon recht ungeduldig auf seine Ankunft war? Du willst seinen Namen nicht sagen? Nun gut, es sei! aber gieb ihm wenigstens einen . . . Albert, Alfred, Arthur, Ferdinand oder Yves . . .«

»Yves?« wiederholte Elénore mit sonderbarer Stimme.

»Warum nicht? dieser Name ist hübsch, einfach und nicht allgemein: ich liebe ihn! Also, nenne ihn Yves . . . mir zu Gefallen.«

»Wie Du willst,« erwiderte Elénore etwas bewegt. »Also, Rosa sagte zu mir: »Dies ist Herr Yves von . . . ein alter Bekannter, den ich nach jahrelanger Trennung heute zum ersten Mal wiedersehe. Und zu ihm sagte sie: ich stelle Ihnen, mein Herr, meine beste Freundin vor.«

»In ihrer Stimme lag etwas Sonderbares, das mich eine geheime Absicht vermuthen ließ . . . ich betrachtete also den, welchen sie meiner Aufmerksamkeit zu empfehlen schien! . . . ich sage Dir nichts von seinen regelmäßigen Zügen, seiner schonen Gestalt, seinen hinreißenden Manieren. Gleich im ersten Augenblicke war er für mich der Schönste von Allen, mehr brauche ich Dir nicht zu sagen!

»Was kann ich Dir nun noch hinzufügen, Gabriele? Er kam alle Tage zu Rosa; wir fanden ihn in Gesellschaft, im Theater, bei ihr, fast alle Tage, Es waren eine Menge neue Empfindungen, unaussprechliche Freuden von da an! . . . Er redete nicht mit mir von Liebe, aber er redete nur mit mir; mir bot er seinen Arm, mich forderte er zum Tanz auf, mich bat er zu singen, mich suchte er überall.

»So vergingen zwei Monate; Rosa immer ausgelassen lustig, glänzend geschmückt, sich bei allen Festen zeigend, und bei denselben immer die Gesuchteste und Umringteste; kurz, sie war, Dank sei es den Auszeichnungen des Prinzen, die Frau, die diesen Winter Mode war . . . denn die Liebe des Prinzen ist, wie es mir scheint, eine Art Aushängeschild her Schönheit, um die Menge anzulocken.

»Seit sie ihm eines Abends auf einem Balle einen Rosenstrauß, den sie in der Hand hielt, gezeigt und gesagt hatte: Dies ist mein Name! zeigte der Prinz eine große Vorliebe für Rosen, und wir begegneten ihm nie, daß er nicht eine in der Hand oder im Knopfloche gehabt hätte. Alle Welt bemerkte es, und nichts konnte bekannter sein, als diese geheimnißvolle Liebe.

»Aber ich sah überall nur Herrn Yves und zweifelte nicht, daß es Rosa's Wunsch sei; dennoch wollte ich ihr endlich mein Herz offenbaren und auch von dem Zustande des ihrigen mit ihr reden; aber glaubst Du wohl, daß ich der Unruhe, in der wir lebten, eine einzige Minute mit ihr allem abgewinnen konnte? . . . vielleicht auch wollte sie die Gelegenheit dazu vermeiden; denn suchte ich sie Morgens, so war sie immer ausgegangen und später war Gesellschaft da. Ich freute mich also sehr, als die Abreise auf's Land angekündigt wurde, wo Rosa schon seit einigen Jahren nicht gewesen war und wo sie sich dieses Mal sehr früh niederlassen wollte . . . Unter den Eingeladenen war auch Yves . . . auch hierin glaubte ich Rosa's mich betreffendes Project zu erkennen; ach! meine Liebe, ich hatte mich in Allem betrogen, an dem Allen war nichts wahr, als meine Liebe.«

»Wie so?« fragte Gabriele erstaunt; »weißt Du wohl, daß Deine Rosa, mit ihrem Manne, ihrem Prinzen und vielleicht auch noch dem Wunsche, dem Herrn Yves zu gefallen, mir eine räthselhafte Person zu sein scheint, die ich nicht leiden kann? Ich bin überzeugt, daß sie es ist, die alle Deine Leiden verursacht hat.«

»Ach!« erwiderte Elénore traurig, »es war meine Schuld und nicht die ihrige. Rosa liebte immer nur Einen, der sie nicht mehr liebte, wie ich glaube; aber wer kann genau beurtheilen, was in dem Herzen eines Mannes vorgeht? Gabriele, Du weißt noch nicht, daß es Männer gibt, die fähig sind, mehrere Frauen zugleich zu lieben.«

»O! das ist nicht möglich!« sagte Gabriele naiv.

»Das ist gewiß,« fuhr Elénore, die mehr Erfahrung hatte, fort, »oder wenigstens sagen sie es Jeder mit so viel Lebhaftigkeit und einem solchen Anschein von Aufrichtigkeit, als wäre es vollkommen wahr.«

»Aber wie kann man denn die Wahrheit erkennen?« fragte das wißbegierige Kind.

»Das kann ich Dir nicht sagen,« antwortet« Elénore ungewiß; »aber Yves hatte es mir zu sagen, mich wohl von seiner Liebe überzeugt . . . es muß also nicht schwer sein, mit Worten zu täuschen.«

»Wie beunruhigend das ist!« sagte Gabriele nachdenkend zu sich selbst.

Elénore erwiderte:

»Seit einigen Tagen waren wir auf dem Lande und ich fing an zu glauben, daß wir da noch viel seltener zusammen allein sein würden, als in der Stadt. Schon erwartete man den jungen Prinzen und bereitete ein Fest, um ihn den Tag nach seiner Ankunft zu überraschen; es wurden Gäste aus der Nachbarschaft erwartet, die Gesellschaft des Schlosses vermehrte sich durch einige Personen aus Paris und Rosa's Gatte wurde erwartet. Ich glaubte, daß, wenn Alle, die erwartet wurden, angekommen sein würden, es mir noch schwieriger werden würde, ein Stündchen allein mit meiner Freundin zu plaudern, und mein Herz empfand ein solches Bedürfniß, ihr mein Geheimniß mitzutheilen, daß ich beschloß, noch denselben Abend, wenn Alle sich zurückgezogen haben würden, zu ihr hinunter zu gehen.

»Man blieb Abends nicht so lange beisammen, als in der Stadt; Rosa kürzte die Soireen oft ab und um elf Uhr war Jeder in seinem Zimmer. Rosa bewohnte das Erdgeschoß des Schlosses, neben ihren Appartements waren die Empfangssalons; ich hatte ein Zimmer gewählt, das denen Rosa's am nächsten war, denn eine kleine Treppe konnte Mich zu jeder Stunde in ein Boudoir führen, welches durch eine Glasthür mit Rosa's Wohnzimmer verbunden war. Als wir in den vorhergehenden Jahren unsere Pläne für unseren Aufenthalt auf dem Lande, der bis jetzt noch nicht zu Stande gekommen war, gemacht hatten, war dieses Zimmer gleich für mich bestimmt worden, um unsere freundschaftlichen Plaudereien, die damals unser größtes Vergnügen ausmachten, zu erleichtern.

 

»Ich erinnerte mich dessen und beschloß, von dieser Bequemlichkeit wenigstens ein Mal Gebrauch zu machen, um mit Rosa eine Erklärung zu haben, die mir nothwendig schien.

»Den Abend, ehe der Prinz erwarbt wurde, zog Rosa sich noch früher als gewöhnlich in ihre Zimmer zurück; die Damen hatten noch Vorbereitungen zu ihrer Toilette zu machen, die Männer wollten dem Prinzen früh Morgens entgegenreiten und dann stieg ich die kleine Treppe hinab, überzeugt, daß ich sie allein finden und daß sie die Freude, die ich mir von diesem vertraulichen Stündchen versprach, mit mir theilen würde. Das Zimmer war leer, Rosa war nicht darin . . . ich setzte mich, um sie zu erwarten und nahm mechanisch ein kleines Papier auf, das zufällig zur Erde gefallen zu sein schien, es war ganz offen und mit Verwunderung las ich folgende Worte:

»– Das Schloß ist mir bekannt. Diesen Abend »werde ich durch die kleine Thür in den Park kommen »und um elf Uhr bei Ihnen sein!«

»Während meine Augen noch auf diesen Worten hafteten, entstand am Fenster ein leichtes Geräusch. Meine erste Bewegung war, mich jedem Blicke zu entziehen und schnell in das Kabinet zu gehen, aus dem ich, da es dunkel und da« Zimmer erleuchtet war, vermöge der Glasthür, ohne gesehen zu werden, Alles sehen konnte, was im Zimmer vorging. Kaum war ich hier verborgen, als das Fenster, das, weil es Parterre war, leicht zu ersteigen war, sich öffnete und der Prinz zu meinem großen Erstaunen in's Zimmer kam! . . Aber mein Erstaunen nahm noch auf ganz andre Weise zu, da Rosa in demselben Augenblicke mit Yves zur Thür hereintrat, der heftig sagte:

»—Ich wiederhole es Ihnen, Madame, ihn suchten Sie!« —

»Und beim Anblicke des Prinzen fuhr er, barsch ihre Hand ergreifend, fort:

»– Der Beweis . . . da ist er!«

»Rosa stieß bei diesen Worten einen schmerzhaften Schrei aus und blieb nachher stumm und unbeweglich . . . Die beiden jungen Männer sahen einander zornig an, ohne etwas zu sagen.

»Nach einigen Augenblicken sagte Yves, der seiner nicht mehr mächtig zu sein schien, in spöttischem Tone:

»—Weil Sie, Madame, uns Sr. Durchlaucht morgen früh entgegenschicken wollten, müssen Sie erfreut sein, daß ich ihm schon diesen Abend hier begegnen und ihm mein Compliment über Erfolge machen kann, wegen deren ihm Glück zu wünschen, Sie mir vielleicht nicht aufgetragen haben würden.«

»—O Himmel!« rief Rosa, über den unverschämten, spöttischen Ton dieser Worte und über den Eindruck, den sie auf den Prinzen machten, erschreckt; »bedenken Sie doch, mit wem Sie reden!«

»– Ja, Madame,« sagte Yves noch verächtlicher; »ich weiß recht gut, mit wem ich rede, und ich . . .«

»Der Prinz unterbrach ihn bei diesen Worten, indem er mit einfachem Tone, obgleich ein wenig bewegt, sagte:

»—Sie reden, mein Herr, mit einem jungen Manne, wie Sie sind . . . der wie Sie, das Recht, hier zu sein, zu haben glaubt, den Ihre Worte beleidigt haben und dessen Hiersein Sie beleidigt; und dieser junge Mann ist bereit, mein Herr, Ihnen Genugthuung zu geben und dieselbe von Ihnen zu fordern; nichts weiter! . . .«

»– Sehr wohl, mein Herr,« entgegnete Yves höflicher, fügte aber bitter lächelnd hinzu: »Wir werden jetzt sehen, wer das Schlachtfeld behaupten wird . . .«

»Der Prinz war in Uniform und hatte einen Degen; Yves sah es und sagte: »Kommen Sie! . . .«

»– Wir können nicht hinausgehen; es würde für Sie, mein Herr, gefährlich sein,« sagte der Prinz, . . .haben Sie Waffen?« .

»– Ich ging Ihnen entgegen, mein Prinz,« antwortete Yves, »als ich Madame an der Parkthür begegnete, ich war also vorbereitet, Sie zu empfangen.«

»Bei diesen Worten nahm er einen Degen, den er beim Eintritt in das Zimmer auf einen Stuhl gelegt hatte.

Rosa wollte sich zwischen sie werfen.

»– Bleiben Sie doch ruhig,« sagte Yves mit Verachtung; »Sie sind unser Zeuge.«

»Rosa, wehrlos gegen seine Verachtung, sank vernichtet in einen Stuhl, ich sah den Degen des Prinzen nach dem Herzen dessen, den ich liebte, zielen; ich vergaß Alles, trat stürmisch ein, stürzte mit einem schrecklichen Schrei zwischen sie! . . . Alle waren bestürzt über meine Gegenwart; der Prinz war an der rechten Hand verwundet worden, die stark blutete, er konnte den Degen nicht halten und der Kampf war beendigt.

»– Mein Herr,« sagte der Prinz, »ich fühle mich verpflichtet, der Wahrheit gemäß zu erklären, daß, wenn auch Alles mich hoffen ließ, hier gut aufgenommen zu werden, mich doch nichts berechtigt, hier zu bleiben! . . .« Nach diesen Worten entfernte er sich.

»Diese Worte schienen Rosa ein wenig zu beleben.

»– Sie hören es!« sagte sie zu Yves: »ich habe nie gegen Sie gefehlt! . . . Und Du, Elénore, laß mich Dir erklären . . .«

»– Ich will nichts hören!« rief ich; »ich weiß Altes! Ach! es ist schrecklich!«

»—Schrecklich!« entgegnete Rosa mit tiefem Schmerz; »denn seit acht Jahren gehört mein ganzes Herz ihm, ihm allein!«

»Hierbei deutete sie auf Yves, der mehr überrascht als gerührt von ihren Worten war.

»—Nach zwei Jahren der Abwesenheit,« fuhr sie schluchzend fort, »zwei Jahren, in denen ich mich jeden Tag nach ihm gesehnt hatte, kehrte er traurig und muthlos aus England zurück; er bedurfte, sagte er, ein wenig Glück, um das Leben zu ertragen . . . Ach! Elénore, die beste Lehre für ein junges Mädchen ist, daß sie die Wahrheit erfährt und die Welt sieht, wie sie ist! . . .«

»– Meine ganze Existenz war diese Liebe, für ihn war sie kaum eine Zerstreuung! Er betrübte sich noch über einen verlorenen Wirkungskreis, eine unterbrochene Laufbahn, was weiß ich, über was noch sonst für tausend mir unbekannte Sachen! . . . Selbst an meiner Seite, selbst im Besitz meiner Liebe! und wenn ich Alles um seinetwillen vergaß, bedauerte er noch, beunruhigte er sich noch.«

»– So vergingen zwei Jahre; er, beständig gelangweilt, ich beständig trostlos und verletzt durch seine Langeweile! Vorwürfe und Klagen entfernten ihn vollends von mir. So ist es, Elénore, so endigen Vorwürfe und Demüthigungen das, doch eigentlich nur aus Qualen und Verwirrungen bestehende Glück weniger Tage, was die Welt Liebe nennt! . . . Er suchte neue Freuden . . . mir lieh der Unmuth Kraft, nur ungesehen zu weinen. Damals kamst Du zu mir und nur Du allein hast erfahren, welches blutende Herz mein köstlicher Putz bedeckte, welchen bitteren Schmerz ich durch die Feste und Freuden, in die ich mich stürzte, zu betäuben suchte.«

»Ich wollte Rosa unterbrechen, aber sie sprach mit solcher Heftigkeit, daß sie mich nicht hörte und daß sie, obgleich auch Yves davon gequält schien, fortfuhr; Yves schien ganz sprachlos und betäubt über Rosa's ihrem Charakter sonst so fremde Heftigkeit, die allein der schrecklichen Lage, in der sie sich befand, zuzurechnen war.

»– Elénore,« fuhr sie fort, »erinnerst Du Dich eines Festes, wo er zufällig hinkam, wo ich ihn Dir vorstellte, wo seine Blicke nicht von mir wichen, wo ich ihn wiedergefunden zu haben glaubte? . . . oder, wo er mich umgeben und gefeiert von den elegantesten Männern sehend, unter denen der junge Prinz war, um dessen Huldigungen mich Alle beneideten, zu mir zurückzukehren schien! . . . Endlich . . . hoffte ich von der Eitelkeit, was ich nicht mehr von der Liebe erwartete; ich wollte, daß meine Liebe, aus der er sich in's Geheim nichts mehr machte, öffentlich von ihm gesucht werden, daß er seinen Stolz darein setzen, daß meine Erfolge seiner Eigenliebe schmeicheln sollten! Ich wünschte ihm noch Opfer zu bringen, um seine Rückkehr zu mir zu belohnen! . . . Wenn man sich verirrt hat, wenn man fühlt, daß man verloren ist, schlägt man alle Wege ein, die sich darbieten; man will um jeden Preis das Ziel erreichen! Ich überlegte nicht mehr, ich wollte ihn zu mir zurückführen! . . . und zu diesem Zwecke galten mir alle Mittel gleich, schienen alle Thorheiten mir vernünftig!«

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